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Brigitte Grandt: Von Nachbarschaften und Nahkampfzonen: Fremdheit und Vertrauen



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1. Marxloh im Überblick

Marxloh liegt im Norden der Stadt Duisburg. Der Stadtteil wurde im Zuge der Industrialisierung um die Jahrhundertwende unmittelbar angrenzend an die großen Stahlwerke erbaut. Der frühere Vorteil der Betriebsnähe ist heute wegen der z.T. hohen Umweltbelastung ein Nachteil geworden. Die Bausubstanz ist überaltert, notwendige Investitionen wurden zum Teil versäumt. Die Ausstattung der Wohnungen entspricht vielfach nicht mehr heutigem Standard. Die Wohnumfeldsituation ist unbefriedigend, der Anteil der Spiel-, Sport-, Frei- und Grünflächen liegt deutlich unter dem städtischen Durchschnitt.

Von der Entwicklung in der Eisen- und Stahlindustrie und den damit verbundenen Arbeitsplatzverlusten wurde Marxloh besonders betroffen. Schon 1987 erreichte die Arbeitslosenquote 20,1%. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.

Auf der Suche nach besseren Wohnbedingungen oder neuen Arbeitsplätzen verließen viele Bewohner den Ortsteil. Dadurch sank nicht nur die Einwohnerzahl ständig; es zogen vor allem immer mehr einkommensstarke Haushalte weg, und Familien bzw. Alleinerziehende mit geringem Einkommen, Bezieher von Transfereinkommen (Sozialhilfe, Arbeitslosengeld) und Nichtdeutsche zogen zu. Der Migrantenanteil liegt heute bei 36%. Mit dem Verlust der Arbeitsplätze ging im Stadtteil ein weiteres entscheidendes soziales Bindeglied verloren, da gerade in diesen traditionellen Arbeiterstadtteilen der Arbeitsplatz sowohl zur Identifikation mit dem Stadtteil als auch zur Herausbildung persönlicher Beziehungen entscheidend beitrug. Die mit der Arbeitslosigkeit einhergehende tendenzielle Verarmung der Bevölkerung führte zum Ausschluß bzw. Rückzug aus gesellschaftlichen Bindungen, aber auch zu vermehrten innerfamiliären und persönlichen Problemen. Gewachsene Nachbarschafts- und Gesellschaftsstrukturen lösten sich auf. Soziale und ethnische Segregationsprozesse verfestigten sich.

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Die hohe Arbeitslosigkeit und die Veränderung der Einwohner- und Sozialstruktur ging mit den immensen Kaufkraftverlusten einher. Diese ebenso wie das sich verschlechternde Image des Stadtteils führten zur Schließung oder Verlagerung von Betrieben und Geschäften. Auch die privaten Freizeiteinrichtungen wie Kinos, Tanzgaststätten, Veranstaltungs- und Vereinslokale waren davon betroffen. Wichtige soziale Treffpunkte fielen damit weg. Vor allem deutsche Betriebe verließen im Zuge des Bevölkerungsaustausches den Ortsteil, so daß die ökonomische Basis heute vornehmlich von türkischen Gewerbetreibenden aufrechterhalten wird. Arbeitslosigkeit, Einkommensdefizite, Bevölkerungsfluktuation, Ausländeranteil, Veränderung der Sozialstruktur, Umwelt und bauliche Mängel verquickten sich im Ortsteil zu einer Kombination von sozialen, baulichen und ökonomischen Problemen. „Ethnische" Konflikte spielen sich in Marxloh oft vor diesem Hintergrund ab.

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2. Die größten Probleme der Marxloher

Fragt man die Marxloher nach ihren größten Problemen – das geschieht im Rahmen repräsentativer Bürgerumfragen –, so ergibt sich zusammengefaßt der in Abbildung 1 dargestellte Sachverhalt.

Die Problemwahrnehmung der Deutschen konzentriert sich sehr stark auf den Themenbereich „Ausländer und interkulturelles Zusammenleben", der gegenüber allen anderen Problemen stark überwiegt.

Für die Ausländer ist die Ausländerfeindlichkeit der Deutschen eine der Hauptsorgen, so daß dieses Problemgebiet auch bei ihnen eine zentrale Unzufriedenheit ist. Aber die Sorge Nr. 1 der Ausländer ist die Arbeitslosigkeit gefolgt von der Umweltverschmutzung (Nr. 3).

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3. Erste Arbeitsansätze in Marxloh

Diese Probleme hat das Stadtteilprojekt vor Ort zunächst

  • an den vom Projekt geschaffenen Arbeitsplätzen
  • mit unterschiedlichen Zielgruppen
  • in einigen Nachbarschaften

nachhaltig und zum Teil kulturübergreifend bearbeitet.

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Abbildung 1: Die größten Probleme in Duisburg-Marxloh aus der Sicht der Befragten [Fn.1: Graphiken und Untersuchungsergebnisse wurden aus „Monitoring kleinräumiger Entwicklungsprozesse" Bericht 2 und Bericht 3, herausgegebenen von N.U.R.E.C.-Institute Duisburg e.V., Stadt Duisburg, Amt für Statistik, Stadtforschung und Europaangelegenheiten, Bismarckstr. 150–158, 47057 Duisburg (1997) entnommen.]

Frage: Was sind Ihrer Meinung nach z.Zt. in Marxloh die größten Probleme?
(erstgenannte Antworten, in % der Befragten)



Quelle: N.U.R.E.C.-Institute Duisburg e.V. 1997
Amt für Statistik, Stadtforschung und Europaangelegenheiten

Im Jahresdurchschnitt entwickelte das Projekt in Zusammenarbeit mit den Vereinen, Vereinigungen, Einrichtungen und Institutionen vor Ort – und zwar deutschen und nichtdeutschen – Arbeitsmöglichkeiten für rund 300 Mitarbeiter. Beschäftigt wurden überwiegend Marxloher: Deutsche und Nichtdeutsche. Im gewerblichen Bereich arbeiteten sie in Schulen, Kindertagesstätten, Sozial- und Jugendeinrichtungen, Einrichtungen freier und kirchlicher Träger. Häufig wurden die Arbeiten von Nutzern und Projektmitarbeitern gemeinsam geplant, gelegentlich gemeinsam ausgeführt. Ähnlich verhielt es sich mit den Dienstleistungen im sozialen Bereich wie Kinderbetreuung, Tagesstätte für Kinder im Alter von 0,4 – 6 Jahren für berufstätige Alleinerziehende und Paare. Interkulturelle „Nahtstelle" für Kinderkleidung, Ortsteilbüro, Ortsteilcafé etc. wurden von Deutschen und Migranten gemeinsam erbracht und von Deutschen und Migranten angenommen. Die

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Einrichtungen wurden zweckentsprechend hergerichtet und ansprechend ausgestattet. Dadurch wurde das Projekt Ort der Begegnung und Annäherung zwischen den Kulturen, mit allen damit verbundenen Risiken und Chancen. Das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun und für den Ortsteil etwas Positives zu leisten, verband die Projektmitarbeiter untereinander. Die Anerkennung aus dem Ortsteil festigte ihren Zusammenhalt.

Deutsche und Migranten

  • lernten einander kennen,
  • redeten untereinander über ihre Arbeit, Arbeitsbeziehungen und Ergebnisse,
  • halfen sich gegenseitig im Arbeitsprozeß,
  • konnten bei Meinungsverschiedenheiten und Reibereien ihre Anleiter oder Sozialarbeiter als Vermittler einsetzen,
  • bildeten untereinander gut funktionierende Arbeitsgruppen.

Selbstverständlich verläuft diese Zusammenarbeit nicht konfliktfrei, aber Pauschalaussagen wie: „Wir Schwarzköpfe müssen die Arbeit machen, die Deutschen befehlen nur" werden zumindest seltener. Persönliche Äußerungen wie: „Mehmet und Kurt sind gute Arbeiter, Amigo und Arkadas verstehen sich gut" werden häufiger. Nicht mehr die Kultur – z.T. immer noch unverständlich und fremd – trennt, sondern persönliche Beziehungen verbinden miteinander. Auch die Vermittlung bei Konflikten funktioniert nicht immer. Zum Teil sind Wertvorstellungen, Sitten und Gebräuche zu unterschiedlich, Hemmungen auf der einen Seite zu groß, Barrieren auf der anderen Seite zu hoch und Erfahrung und Training in der Konfliktbearbeitung zu gering. Aber für alle Beteiligten wurde der gemeinsame Lernprozeß begonnen. Er wird in der Zielgruppen- und Nachbarschaftsarbeit fortgesetzt.

„Zielgruppen" der Projektarbeit im Ortsteil sind und waren u.a. Kinder, Eltern, Senioren, Vereine und Vereinigungen. Dazu einige Beispiele: Grundschulen beklagten sich darüber, daß die ausländischen Eltern einzuschulender Kinder weder an Vorbereitungsgesprächen teilnahmen noch Interesse an den Elternvertretungen hatten. Schulen und ausländische Mitarbeiter des Projektes entwarfen danach die Einladungen, übersetzten sie, verteilten sie, luden die Eltern persönlich ein, erklärten den Sinn der Veranstaltungen und

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leisteten die Dolmetscherdienste. Alle Eltern kamen, bis heute besteht der Arbeitskreis.

Vom Land NRW wurden Gelder für die Anregung von Ortsteilaktivitäten zur Verfügung gestellt. In diesem Rahmen konnte eine Gemeinschaft der Vereine über freie Gelder für kulturübergreifende Veranstaltungen verfügen. Die Vereine organisierten eine Fülle wechselseitiger Veranstaltungen „zum Kennenlernen", schließlich das Stadtteilfest und gründeten den „Stammtisch der Vereine", der seit jetzt vier Jahren gemeinsame Aktionen initiiert und begleitet wie z.B.

  • das Marxloh-Mosaik, zu dem viele Bürger Scherben und Ideen sammeln, das unter Anleitung eines italienischen Künstlers und des Marxloher Lernortstudios an der Giebelwand eines Hauses in der Ortsmitte angebracht werden soll, um Gemeinsamkeiten zu dokumentieren,
  • Jugend für Marxloh", die bei kritischen Veranstaltungen, z.B. deutsch-türkischen Fußballspielen, dafür sorgen will, daß sportliche Begeisterung friedlich bleibt.

Die Marxloh Piraten-Kinder aus dem Ortsteil und an ihrer „Augenklappe" kenntlich, planen „Marxloh für Kinder". Dem Club kann jeder beitreten, der die Regeln akzeptiert, die sich „die Piraten" selbst gegeben haben. Dazu gehört z.B.: Piraten sprechen untereinander Deutsch oder übersetzen ins Deutsche, damit sich alle verstehen. Initiiert wurde der Club vom Team „Spielmobil" des Projektes. Ihm gehören zwei Anleiterinnen und sechs Frauen unterschiedlichster nationaler Herkunft an. Sie organisieren Spiele für Kinder in Turn- und Sporthallen sowie in Innenhöfen und Freiflächen des Ortsteils, sie beziehen auch die Eltern in die Gestaltung von Spielfesten und -nachmittagen ein. Gegenüber der Zielgruppenarbeit ist die Arbeit in Nachbarschaften noch unterentwickelt. Nur in einigen kleineren Nachbarschaftsbereichen ist es gelungen, gemeinsam z.B. das Wohnumfeld regelmäßig zu säubern, Baumscheiben zu bepflanzen und zu pflegen, kleinere Grünanlagen anzulegen oder Müll zu vermeiden bzw. zu trennen. Diese Ansätze sollen in Zukunft intensiviert und ausgeweitet werden.

Durch die Arbeit vor Ort wurden aber auch neue Probleme sichtbar:

  • Es gibt Schulklassen mit einem Anteil ausländischer (überwiegend türkischer/kurdischer) Kinder von 60 bis 100%, die die deutsche Sprache

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  • nicht beherrschen und Lehrer, die die Kinder nicht verstehen. Für deutsche und ausländische Kinder entstehen dadurch erhebliche Nachteile in der schulischen Ausbildung.
  • Die Personalausstattung in Schulen und Kindergärten mit hohen Anteilen sozial benachteiligter oder ausländischer Kinder ist nicht anders als in Regeleinrichtungen. Eine spezielle Förderung der Kinder, um ihre Benachteiligungen auszugleichen, ist nicht möglich.
  • Auf die Bearbeitung interkultureller Konflikte sind viele Lehrer, Erzieher, Anleiter u.a. nicht vorbereitet. Spannungen und Reibereien bauen sich auf.
  • Die Tagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren – wichtig für den Erwerb der deutschen Sprache –, deren Eltern deutschsprachige Kompetenz nicht vermitteln können, fehlt völlig.
  • Ein Konzept zur Förderung der deutschen Sprache bei Kindern scheiterte, weil es Eltern, Schulen, Kindergärten, Moscheen und Nachbarschaften nicht rechtzeitig in Planung und Durchführung einbezogen hatte.
  • Bedingungen des Zusammenlebens und die Wahrnehmung von Problemen sind in den verschiedenen Wohnvierteln unterschiedlich. Die Unterschiede müssen künftig stärker berücksichtigt werden.
  • Die Notwendigkeit des rechtzeitigen Kindergartenbesuchs ist vielen Eltern von Kindern mit Entwicklungsstörungen oder Sprachproblemen nicht bewußt.

Für diese Probleme müssen zum Teil neue Lösungen gefunden werden.

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4. Marxlohs unterschiedliche Wohnviertel

Marxloh ist kein homogener Stadtteil. Deshalb wurde das Gebiet (mit Hilfe der multivarianten Datenanalyse) in sechs Wohnviertel gegliedert, deren Bevölkerung durch eine ähnliche und gegenüber der Bevölkerung der anderen Bereiche verschiedene Lebenssituation gekennzeichnet ist:

  1. das demographisch überalterte deutsche „Kerngebiet" ohne ausländische Bevölkerung;
  2. das Wohngebiet deutscher Familien mit ausländischer Minderheit;

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  1. der „städtische" Bereich mit dem Ortsteilzentrum, ein Zuzugsgebiet ausländischer Familien;
  2. eine „Sondergruppe" mit Standorten von Wohnheimen;
  3. der Teilbereich des „Ausländerviertels" mit hoher Bevölkerungsdichte und jüngerer deutscher Minderheit;
  4. der „Kernbereich des Ausländerviertels" mit mittlerer Bevölkerungsdichte und überalterter deutscher Minderheit.

Die einzelnen Viertel unterscheiden sich hinsichtlich der nachbarschaftlichen Beziehungen, der Lebensperspektiven, der kulturübergreifenden Kontakte und der Problemwahrnehmung zum Teil erheblich.

Von diesen Vierteln sollen hier nur zwei, nämlich die Viertel 6 und 3, näher betrachtet werden. Nach dem Gesamtergebnis der Untersuchung spielten die geschilderten sozialen Indikatoren für die subjektive Beurteilung der Lebensqualität eine größere Rolle als die Bedingungen im Wohnumfeld. Die folgenden Daten wurden durch repräsentative Umfragen bei den Bewohnern ermittelt.

Das „deutsche Wohnviertel" und das „Ausländerviertel" untergliedern sich jeweils in einem gefestigten „Kern" (Viertel 1 und 6), in dem die sozialen Kontakte weitgehend innerhalb der eigenen ethnischen Gruppe stattfinden und einen dynamischen Randbereich (Viertel 2 und 5) mit jüngerer Altersstruktur und relativ intensiven kulturübergreifenden Kontakten. In den „ethnischen Bezirken" lebt etwa die Hälfte der Marxloher Bevölkerung, die andere Hälfte lebt im zentralen Bereich.

Im „deutschen Bereich" leben 72% gern bzw. ziemlich gern in Marxloh. Insbesondere hier sind die nachbarschaftlichen Beziehungen am besten. Nur 13% kennen ihre Nachbarn nicht, 37% der Bewohner helfen sich untereinander, 77% möchten hier „so weiterleben wie bisher", nur 25% möchten fortziehen. Die kulturübergreifenden Kontakte sind allerdings gering: 38% der Bewohner haben keine Kontakte, außerhalb der Wohnumgebung kommt nur jeder dritte Befragte mit Ausländern in Berührung. In der Nachbarschaft bestehen kaum Kontaktmöglichkeiten, weil nur wenige Ausländer dort wohnen.

Im Ausländerviertel (Nr. 6) kennen nach Meinung der Befragten 20% ihre Nachbarn nicht. 17% der Bewohner helfen einander. 64% der Bewohner

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wollen hier „so weiterleben wie bisher", sind also mit der Wohn- und Lebenssituation weitgehend zufrieden. 15% wollen ihre Lebensperspektive durch die baldige Aufnahme von Arbeit, 12% durch den Beginn einer Qualifizierung – Ausbildung, Umschulung oder Fortbildung – verbessern. 47% haben keinen formalen Bildungsabschluß. 25% der Bewohner haben keine kulturübergreifenden Kontakte; soweit sie vorhanden sind, spielten sie sich vorrangig im Nachbarschaftsbereich ab (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Kulturübergreifende Kontakte in den Wohnvierteln

Frage: Haben Sie Kontakt zu Personen, die eine andere Staatsangehörigkeit haben als Sie selbst? (in % der befragten Ausländer)


Undisplayed Graphic


Quelle: N.U.R.E.C.-Institute Duisburg e.V. 1997
Amt für Statistik, Stadtforschung und Europaangelegenheiten

Die ausländischen Bewohner des Viertels 6 leben im Gegensatz zum Viertel 5 also weitgehend getrennt von der deutschen Bevölkerung. Hier sind Personen konzentriert, die auch aufgrund ihres sozialen Hintergrundes nur eingeschränkte Kontakte zu Angehörigen anderer Kulturkreise finden. Aber 66% der Befragten leben gern hier. Im zentralen Bereich (Nr. 3) sind die nachbarschaftlichen Kontakte am geringsten ausgeprägt. 23% kennen ihre Nachbarn nicht, nachbarschaftliche Hilfe leisten nur 8% der Befragten. Nur 46% sind mit der Lebenssituation zufrieden und möchten „weiterleben wie

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bisher", nur 25% möchten fortziehen. Die kulturübergreifenden Kontakte sind allerdings gering: 38% der Bewohner haben keine Kontakte, außerhalb der Wohnumgebung kommt nur jeder dritte Befragte mit Ausländern in Berührung. In der Nachbarschaft bestehen kaum Kontaktmöglichkeiten, weil nur wenige Ausländer dort wohnen.

Im Ausländerviertel (Nr. 6) kennen nach Meinung der Befragten 20% ihre Nachbarn nicht. 17% der Bewohner helfen einander. 64% der Bewohner wollen hier „so weiterleben wie bisher", sind also mit der Wohn- und Lebenssituation weitgehend zufrieden. 15% wollen ihre Lebensperspektive durch die baldige Aufnahme von Arbeit, 12% durch den Beginn einer Qualifizierung – Ausbildung, Umschulung oder Fortbildung – verbessern. 47% haben keinen formalen Bildungsabschluß. 25% der Bewohner haben keine kulturübergreifenden Kontakte; soweit sie vorhanden sind, spielten sie sich vorrangig im Nachbarschaftsbereich ab (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Kulturübergreifende Kontakte in den Wohnvierteln

Frage: Haben Sie Kontakt zu Personen, die eine andere Staatsangehörigkeit haben als Sie selbst? (in % der befragten Ausländer)


Undisplayed Graphic


Quelle: N.U.R.E.C.-Institute Duisburg e.V. 1997
Amt für Statistik, Stadtforschung und Europaangelegenheiten

Die ausländischen Bewohner des Viertels 6 leben im Gegensatz zum Viertel 5 also weitgehend getrennt von der deutschen Bevölkerung. Hier sind Personen konzentriert, die auch aufgrund ihres sozialen Hintergrundes nur eingeschränkte Kontakte zu Angehörigen anderer Kulturkreise finden. Aber 66% der Befragten leben gern hier. Im zentralen Bereich (Nr. 3) sind die nachbarschaftlichen Kontakte am geringsten ausgeprägt. 23% kennen ihre Nachbarn nicht, nachbarschaftliche Hilfe leisten nur 8% der Befragten. Nur 46% sind mit der Lebenssituation zufrieden und möchten „weiterleben wie bisher", jeder dritte würde lieber fortziehen. Diese Absicht haben vor allem die besser verdienenden Ausländer und viele Bewohner mit höherem formalen Bildungsabschluß. Die kulturübergreifenden Kontakte sind bei Deutschen und Ausländern unterschiedlich ausgeprägt (siehe Abbildung 3). Für jeden zweiten Deutschen sind hier die Ausländer das Hauptproblem Marxlohs, 50% der Deutschen würden (deshalb?) „lieber irgendwo anders" wohnen. Geht es im Bereich 6 darum, die Isolation zumindest teilweise aufzuheben, so muß im Bereich 3 besonders die kulturübergreifende Annäherungsbereitschaft der Deutschen verstärkt werden.

Abbildung 3: Kulturübergreifende Kontakte im zentralen Viertel 3

Frage: Haben Sie Kontakt zu Personen, die eine andere Staatsangehörigkeit haben als Sie selbst? (in % der befragten Ausländer)


Quelle: N.U.R.E.C.-Institute Duisburg e.V. 1997
Amt für Statistik, Stadtforschung und Europaangelegenheiten


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5. Neue Wege in Marxloh

Die kurze Übersicht über zwei Bereiche veranschaulicht, wie unterschiedlich Bevölkerungszusammensetzung, Verhalten und Meinungen in den einzelnen Marxloher Wohnvierteln sind. Nach und nach wurden diese Besonderheiten in der Projektarbeit stärker berücksichtigt. In Wohnviertel 6 kommt es darauf an, die Isolation soweit wie nötig aufzuheben. Dazu sind gute

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Deutschkenntnisse nötig (als Zweitsprache), aber auch die Nutzung des deutschen Kindererziehungs-, Bildungs- und Berufsbildungsangebotes sowie Kenntnisse des deutschen Rechts-, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystems. Um das zu vermitteln, ist es wichtig, an konkreten Problemen zu arbeiten. Konkrete Probleme werden von Bürgern nicht „verwaltungsgerecht" beschrieben.

Gebräuchlicher sind Formulierungen wie:

  • In den städtischen Kindergärten sind nur türkische Kinder. Wie soll mein Kind deutsch lernen?" (eine Türkin);
  • In der ‚Türkenschule’ lernen meine Kinder doch nichts." (eine Deutsche);
  • Die schmeißen dauern ihren Dreck über den Zaun und machen Krach." (eine Deutsche);
  • Ich bezahle viel zu viel Miete (eigentlich Nebenkosten)." (eine Türkin);
  • Wie komme ich in dem …-Amt zu meinem Recht?" (eine Türkin).

Aus den Problemen können sich Themen ergeben, die viele interessieren und die in der Nachbarschaft besprochen und weiter diskutiert werden. In dieser Weise kann eine nachbarschaftliche Gemeinschaft schneller lernen als jeder einzelne. Fachkundige Berater und geschulte Vermittler, die zweisprachig sind und Vertrauen besitzen, können diesen Prozeß in Gang setzen und begleiten.

Im wesentlichen geht es darum, den Prozeß der persönlichen Verständigung, wie er für den Arbeitsplatz geschildert wurde, in die Wohnviertel zu übertragen und den Bewohnern darüber hinaus zu helfen,

  • ihre Probleme zu formulieren,
  • Beratung und Hilfe einzuholen, soweit sie das für nötig halten,
  • ihre Interessen zu vertreten,
  • dafür gelegentlich auch einen konstruktiven Konflikt auszulösen, z.B. auch mit Wohnungsbaugesellschaften, der örtlichen Politik etc., um berechtigte Interessen zur Geltung zu bringen.

In Wohnviertel 3 leben Deutsche und Migranten eng nebeneinander. Hier sind Nachbarschaftskontakte zu verbessern, Vorurteile und Spannungen zwischen den Einwohnern unterschiedlicher sprachlicher Herkunft abzu

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bauen. Zielgruppe dafür sind die abwanderungswilligen Bewohner, Neuhinzuziehende – jeweils in deutschen, ausländischen oder auch gemischten Gruppen. Obwohl soziale Probleme den Vorrang haben, haben viele Bewohner auch Bedenken gegen die geplanten Umgestaltungen von Straßen und Plätzen.

Wenn auch die Besorgnisse andere sind als in Viertel 6, so sind doch die Arbeitsansätze gleich. Bearbeitet werden konkrete Probleme; gesucht werden gemeinsame Lösungsmöglichkeiten. Hier müssen alle real vorhandenen Gestaltungsspielräume offengelegt, der Rahmen für bürgerschaftliche Mitentscheidung vermittelt und so Bürger deutscher und nichtdeutscher Herkunft in den Planungsprozeß einbezogen werden. Die oft übliche Scheinbeteiligung führt zu bürgerschaftlicher Resignation. Die verbindliche Festlegung der Mitwirkungsmöglichkeit führt zur Steigerung bürgerschaftlichen Engagements. Gelöst werden die Probleme in beiden Wohnvierteln am ehesten durch Personen, die vor Ort wohnen, die Probleme kennen, einige Probleme der gleichen Art selbst gelöst haben und deshalb bei ihren Nachbarn Vertrauen genießen. Vorteilhaft ist ferner, wenn diese Personen z.B. über ihre Kinder persönliche Kontakte zu Kindergärten, Jugendheimen und Schulen haben und eventuell noch in Kirchen, Moscheen oder Vereinen tätig sind. Die Mitarbeiter des Projektes sind stets auf der Suche nach solchen Personen; sie zu finden und für die Arbeit zu begeistern, ist oft nicht einfach, aber es gelingt. Sie arbeiten praktisch vor Ort, organisieren gemeinsam mit Mitarbeitern des Projektes den Gedanken- und Erfahrungsaustausch untereinander, planen eine Bildungsveranstaltung für Konfliktbearbeitung, stehen für fachliche Beratung zur Verfügung oder vermitteln Fachberater für Probleme, die im Ortsteil nicht gelöst werden können. Gemeinsam mit den Nachbarschaften werden darüber hinaus kleinräumige örtliche Netze z.B. mit Schulen, Kirchen, Moscheen, Wohnungsverwaltern, Kindergärten und der Polizei aufgebaut, um Probleme wie z.B. Sicherheit, Jugendgefährdung, Freizeitmöglichkeiten, Sprachprobleme zu besprechen und Maßnahmen zur Verbesserung zu finden.

Alle diese Bemühungen stecken noch in den Anfängen. Das Stadtteilprojekt Marxloh sucht deshalb Partner in anderen Städten, um von ihren Konzepten und Erfahrungen zu profitieren. Ohne Änderung des Ausländerrechts, ohne Beteiligung der Ausländer an kommunalen Entscheidungsprozessen, ohne Delegation von Verantwortung und Zuordnung von Finanzmitteln auf bür-

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gerschaftliche Initiativen, Nachbarschaften und Vereine, die engagiert mitarbeiten wollen, werden dennoch zahlreiche Probleme bestehen bleiben.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

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