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Gillian Ford:
Entstehungsgeschichte und Entwicklung der Palliativbetreuung im Vereinigten Königreich


Als vor 30 Jahren die Idee des Hospizes und der Palliativbetreuung den Kinderschuhen zu entwachsen begann, hatte ich das große Glück, mit Dame Cicely Saunders – die dieses großartige Konzept weltweit einführte – zu studieren und eng mit ihr befreundet zu sein. Ich war damals leitende Amtsärztin im Gesundheitsministerium und wie sie der Ansicht, daß viel mehr getan werden könnte – und sollte –, um die Schmerzen und das Leid von Krebskranken in ihren letzten Lebensstadien zu lindern. Im Verlauf der Jahre habe ich beobachten können, daß diese Überzeugung immer häufiger von Ärzten, Krankenpersonal und der breiten Öffentlichkeit geteilt wird: Nicht nur in Großbritannien, sondern in mehr als 70 Ländern, in denen Hunderte von Hospizen und Tausende häuslicher Betreuungsteams diese Überzeugung vorleben.

Zwangsläufig gibt es sehr unterschiedliche Positionen in einer solch komplexen und breit angelegten Bewegung, in denen sich die Einstellung zu Tod und Sterben, religiöse Hintergründe, familiäre Gewohnheiten, soziale Unterschiede in der Vermögensverteilung, Unterschiede der Organisation sowie jene Probleme, die sich aus Armut und Krankheit ergeben, widerspiegeln. Aber auf eine gewisse Art und Weise, die über Landes- und Glaubensgrenzen und über die Strukturen der Gesundheitssysteme hinausgeht, teilen die in der Palliativbetreuung tätigen Menschen einen gemeinsamen ethischen Standpunkt, eine mitfühlende Einstellung zum Patienten und die Verpflichtung zu professionellen Standards und deren humaner Umsetzung: eine Betreuung, die die ganze Person berücksichtigt, aber auch Familie und Freunde mit einschließt. Unsere heutige Konferenz ist ein gutes Beispiel für die Anteilnahme, auf der unsere Bewegung basiert: Anteilnahme an Schmerz und Leid, Mitgefühl und, vor allem, Anteilnahme im Sinne des Dienstes am Menschen.

Wie ist es bis dahin gekommen? Bereits die Ursprünge dieser Bewegung zeigen nach so vielfältigen Quellen, daß die Tradition der Pflege – auf beeindruckende Weise durch die Hospize der katholischen Orden demon¬striert, die größtenteils durch die von moderner Wissenschaft und Chirurgie geprägten Krankenhäuser abgelöst wurden – nicht gänzlich ausgestorben ist. In Deutschland war es Pastor Theodor Fliedner, der vor über 150 Jahren hier in der Nähe, in Kaiserswerth, ein Krankenhaus für Mittellose gründete, das vom ersten protestantischen Pflegeorden betrieben wurde. Er hatte sich von der Arbeit der Nonnen in Frankreich inspirieren lassen, die den Lehren des Heiligen Vinzenz von Paul folgten und bekannt sind als die Schwesternschaft Dames de la Charité. Die Diakonissinnen von Kaiserswerth sahen sich als Dienerinnen der Kranken, Alten und Armen – und als Dienerinnen ihrer Mitschwestern. Nach Kaiserswerth kamen sowohl Florence Nightingale – sie legte hier sogar ihre Krankenschwesterprüfung ab – als auch Mary Aikenhead, die 1879 in Dublin die Schwesternschaft Order of Sisters of Charity, und ein Hospiz gründen sollte, das allgemein als erstes Hospiz auf den Britischen Inseln gilt. Es war auch das Mutterhaus des St. Joseph’s Hospice im Osten Londons, dessen Schwestern und Patienten das Herz von Dame Cicely Saunders eroberten und ihre Phantasie zu beflügeln vermochten. Sieben Jahre lang war sie hier tätig.

Vor etwa 100 Jahren versuchte man auch, „Friedensheime" für Krebskranke nach dem Modell des Friedensheims für sterbenskranke Tuberkulosepatienten zu gründen. In Deutschland war man damit nicht sehr erfolgreich, jedoch wurde eine solche Einrichtung – das Princess Alexandra Friedensheim – 1889 in London gegründet, die bis 1981 unter dem Namen St. Columba’s Hospital weiterwirken sollte.

Vor langer Zeit sagte Hippokrates: „Es ist besser, Menschen mit Krebserkrankungen der inneren Organe nicht zu behandeln, da sie schnell sterben, wenn man sie behandelt. Werden sie jedoch nicht behandelt, leben sie sehr lang." Zu seiner Zeit mag diese Aussage richtig gewesen sein, und auch heute mögen Menschen in den Ländern ohne Zugang zu fortschrittlicheren Techniken dem zustimmen, genauso wie viele Ältere in den Industrienationen dies tun, deren Ansichten vielleicht durch den Wunsch nach Unabhängigkeit von medizinischen Diensten geprägt sind, gleichgültig wie effizient und pflegerisch vollkommen diese auch sein mögen. Allerdings dürfte nur eine Minderheit dieser Auffassung sein. Die derzeitigen starken Beschränkungen, denen z.B. die Entwicklung von Hospizen in Japan unterliegt, hängen ganz offensichtlich mit der Tatsache zusammen, daß die Öffentlichkeit den High-Tech-Tod eher in Kauf nimmt, als eine tröstliche Erleichterung des Sterbens. Aneurin Bevan, berühmter Gründer des nationalen Gesundheitsdienstes National Health Service (NHS) in Großbritannien, hätte dem zugestimmt, da er die Meinung der Ärzte der Zeit teilte, wonach die Pflege Krebskranker – und überhaupt der gesamte Pflegeansatz – eine zu einfache Lösung sei. „Ich möchte lieber im effizienten, aber kalten Altruismus eines großen Krankenhauses am Leben gehalten werden", sagte er, als er im Unterhaus den Gesetzentwurf einbrachte, „als mein Leben unter einer Welle von Mitgefühl in einem kleinen Krankenhaus auszuhauchen."

Dennoch zieht sich das Thema des Umsorgens unheilbar Kranker durch die Geschichte der Medizin als Kontrapunkt zur modernen Medizin, die den Schwerpunkt auf Behandlung und Heilung legt und Operation und Radiotherapie als die angemessenen Maßnahmen nach einer Krebsdiagnose ansieht.

Es gab Pioniere in der Medizin, die einen Neuanfang versucht haben und von denen viele als Quacksalber angesehen wurden, wie z.B. der berühmte William Marsden, der das Leiden von Verwandten und Freunden miterlebte, oder Herbert Snow. Snow beschäftigte sich mit der seelischen Not und der allgemeinen Debilität neben den eher klinischen Symptomen. In seinem Bemühen um die Palliativbetreuung erfand er die Basis dessen, was sich später zum „Brompton Cocktail" entwickeln würde: Kokain und Opium in einem Elixier, das zwar den Schmerz betäubte, aber auch die Sinne abstumpfte. Aber die „hohe" Medizin der „großen" Lehrkrankenhäuser behielt die Oberhand, legte den Akzent auf Forschung, untersuchte „interessante Fälle" und räumte den heroischen Maßnahmen Priorität ein, weitgehend abgerückt von den Formen der Palliativbetreuung, die in so starkem Maß auf pflegerische Fähigkeiten und Erfahrung angewiesen ist. Dies sind einige der Faktoren, die so lange dem Durchbruch der Palliativbetreuung im Wege standen: zunächst bei Krebspatienten und später zunehmend bei anderen lebensbedrohlichen Krankheiten wie Mononeuronerkrankungen (MND = motor neuron disease) und AIDS, Herzkrankheiten oder bei den so grausam geradlinig verlaufenden und zu Behinderungen führenden Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Arthritis. Ein weiterer Faktor ist die Unfähigkeit der Forschung, trotz massiver Investitionen Heilungsmöglichkeiten für Krebs in Aussicht zu stellen, die ver¬gleichbar wären mit denen, die durch die Chirurgie und Pharmakologie bei anderen Krankheiten in der Vergangenheit erreicht wurden. Gleichzeitig war in der Forschung eine Tendenz zur Diskriminierung der Palliativbetreuung festzustellen: sie galt als nicht forschungsfähig. Schließlich gelang es aus einer Reihe von Gründen nicht, das Gespenst von unerträglichen Dauerschmerzen zu besiegen, die ein fortgeschrittenes Krebsstadium nicht nur zur unheilbaren, sondern vor allem zur furchteinflößenden Krankheit machen. All diese Faktoren trugen dazu bei, daß aus Krebskranken Opfer wurden, die es auszugrenzen galt und die in kleine Fachkliniken, die um ihr eigenes Dasein kämpften, oder in Sterbestationen, in denen Humanität nicht gerade oberste Priorität genoß, abgeschoben wurden.

Demgegenüber steht die andere Tradition, die sich schließlich durchsetzte – nach einer langen Zeit, in der die High-Tech-Heilungsmode den etablierten Krankenhäusern reichen Geldsegen bescherte, aber für die große Zahl betagter und verarmter Patienten, besonders Krebs- und anderer unheilbar Kranker, nur den Brosamen übrigließ.

Ich habe die Vorläufer der Hospizbewegung geschildert, angefangen mit dem von Mary Aikenhead in Dublin gegründeten Order of Sisters of Charity und gezeigt, wie dieser Initiative die Gründung des St. Joseph’s Hospiz im Osten von London (1905) durch denselben Orden folgte. Pionierleistungen in der Schmerztherapie wurden vom Londoner St. Luke’s Krankenhaus, das 1893 von den Methodisten gegründet wurde, erbracht.

1948 suchte Cicely Saunders eben dieses St. Luke’s Krankenhaus auf, zunächst um aus einem Lehrkrankenhaus entlassene Patienten zu besuchen, später zur Aufnahme ihrer systematischen Arbeit, die die moderne Palliativbetreuung begründen sollte. Sie brachte außergewöhnliche Fähigkeiten mit, abgesehen von ihrer überwältigenden Persönlichkeit. Als ich sie während des Medizinstudiums kennenlernte – sie studierte als „Spätberufene" –, hatte sie bereits die Prüfungen sowohl als Sozialarbeiterin als auch Nightingale-Krankenschwester abgelegt. Tiefgehende Erfahrungen mit dem schmerzhaften Tod enger Freunde führten sie auf die Suche nach Methoden der Linderung, die sowohl mit dem Trostbedürfnis als auch mit menschlicher Würde vereinbar waren.

In ihrer Forschungsarbeit, die sie ab 1958 am St. Joseph’s Krankenhaus durchführte, veränderte sie den „Brompton Cocktail" durch Corticosteroide, Entzündungshemmer, Psychopharmaka und palliative Radiotherapie; ihr besonderer Augenmerk lag auf der Höhe der Dosierung, der Häufigkeit und Regelmäßigkeit der Medikamentenabgabe: Es handelte sich um eine Forschungsrichtung, die Methoden aufzeigte, wie schmerzfreie Lebensqualität statt Abstumpfung der Sinne erzielt werden konnte.

Ihr wurde bald klar, daß es andere Aspekte gab, die über die Schmerzlinderung hinausgingen, daß sich nämlich Krebspatienten einsam und allein gelassen fühlten und Angst hatten, daß die Krankheit zur Spaltung in der Familie führte und sie oftmals in den Ruin trieb, eben deshalb auch die Familie des Patienten der Hilfe bedurfte, daß es in der Trauerzeit rechtliche und finanzielle Probleme gab – kurz, der ganzheitliche Ansatz mußte Grundlage der Palliativbetreuung sein. Und sie kam zu der Schlußfolgerung, daß der angemessene Ort für die Umsetzung dieses Ansatzes das unabhängige Hospiz sei, nicht, weil die besondere Betreuung nicht auch vom NHS zu leisten gewesen wäre, sondern weil eine landesweite, öffentlich finanzierte Organisation zwangsläufig Planungs- und Kontrollhoheiten unterliegt, die aus Innovationen langwierige Prozesse machen können.

Das St. Christopher’s Hospice, mit bescheidenen karitativen Spenden ins Leben gerufen und immer auf Spenden und ehrenamtliche Mithilfe angewiesen, wurde zum Modell, nicht nur für viele in gleicher Weise unabhängige Hospize, die im Vereinigten Königreich und anderswo gegründet wurden, sondern auch für hospizähnliche Stationen in Krankenhäusern und für ambulant tätige Hospizgruppen. All diese Einflüsse ermöglichten es den Hospizen, sich an den Bedürfnissen und Mitteln vor Ort zu orientieren und sich bei unterschiedlichen Sozial- und Gesundheitssystemen zu entwickeln, wobei die Art und Weise maßgebend war, wie das St. Christopher’s Hospiz in kurzer Zeit das gesamte Repertoire der heute als grundlegend geltenden Prinzipien und Verfahren in der Palliativbetreuung aufbaute, die von so vielen Menschen befürwortet werden, eben weil sie das Ergebnis von Erfahrung und nicht von starren Regeln sind.

Von Anfang an war es Dame Cicely klar, daß häusliche Betreuung als Ergänzung zur stationären Pflege notwendig war, besonders dann, wenn das Hospiz als Ausgangspunkt für eine umfassende Palliativbetreuung gesehen werden sollte und nicht einfach als eine Stätte, an der es sich bequem sterben ließ. Die Tagesbetreuung war ein weiterer Stützpfeiler, ebenso die Beschäftigung von zahlreichen Fachkräften – Sozialarbeitern, Beschäftigungs- und anderen Therapeuten, Psychologen und vor allem ein Netz von ehrenamtlichen Mitarbeitern –, die sicherstellten, daß das Hospiz seinen festen Platz in der Gemeinde hatte. Ganz natürlicherweise entwickelten sich Aus- und Weiterbildung und ein Informationszentrum – ganz besonders nötig, wo doch plötzlich jeder wissen wollte, was in diesem recht kleinen Krebszentrum in Sydenham, London, vor sich ging.

Es war nie Dame Cicelys Plan, eine ganze Reihe von Hospizen in Großbritannien zu gründen, geschweige denn eine weltweite Bewegung einzuleiten. Ihre recht einfache Absicht war es zu zeigen, was für Patienten getan werden konnte, sofern bestimmte Prinzipien eingehalten wurden: ein Augenmerk aufs Detail, funktionierende Kommunikation mit den Familien, möglichst viel Freiheit für Patienten, wenn sie entscheiden, wo sie sein wollen und sogar, wie weit sie sediert werden wollen.

Als das St. Christopher’s Hospiz 1967 eröffnet wurde, starben etwa 60% der Krebskranken in NHS-Krankenhäusern (die Gesamtzahl liegt heute bei 160.000), eine höhere Quote als bei Sterbefällen, die nicht auf Krebs zurückzuführen sind. Abb. 1 zeigt die Entwicklung ab 1974 und belegt, daß die Prozentzahl der Krebstoten, die nicht in NHS-Einrichtungen sterben, ansteigt, während der Anteil der NHS-Sterbefälle an allen Todesursachen konstant geblieben ist. Hospize sind in Großbritannien als Pflegeheime eingetragen, so daß Sterbefälle in der Hospizkategorie auch diejenigen in Pflegeheimen einschließt. Aus anderen Studien ist allerdings bekannt, daß ca. 17% der Krebskranken mittlerweile in Hospizen oder auf spezialisierten Palliativstationen sterben, mit steigender Tendenz. Sehr viel mehr sterben zu Hause.

Eine Konsequenz, die sich aus der erfolgreichen Gründung des St. Christopher’s Hospice ergab, war die schnell wachsende Erkenntnis in Öffentlichkeit und Politik, daß es tatsächlich möglich ist, für Patienten im Endstadium einer schweren Krankheit mehr zu tun. Das britische Gesundheitsministerium setzte sich dafür ein, das Konzept durch eine wissenschaftliche Untersuchung sowohl der stationären Leistungen als auch der überaus wichtigen häusliche Pflege auszubauen. Eine große wohltätige Organisation, der Cancer Relief Macmillan Fund (CRMF), entwickelte die Idee weiter, indem sie erfahrenes Pflegepersonal zur Verfügung stellte, das für Patienten, Familien und Angehörige der Gesundheitsdienste in der Gemeinschaft und in Krankenhäusern eine Beraterfunktion übernahm. Der CRMF finanzierte eine Anzahl wichtiger Innovationen in diesem Bereich.

Abbildung 1:
WO MENSCHEN STERBEN
Tod durch Krebs und alle anderen Ursachen

Buchstäblich Dutzende von Gemeinden bildeten Gruppen, die entschlossen waren, die Mittel zum Aufbau ihrer eigenen Stationen aufzubringen und diese mit Personal auszustatten. Auch einige NHS-Einrichtungen kamen zu dem Schluß, daß es hilfreich wäre, einen Dienst ins Leben zu rufen, der weit ab von der Geschäftigkeit und den vorrangigen Ansprüchen akut Kranker in den allgemeinen Stationen tätig sein würde. Gesundheitseinrichtungen und später die Träger im staatlichen Gesundheitsdienst sahen solche Einrichtungen innerhalb der allgemeinen Krankenhäuser vor. Häufiger jedoch vergab man Zuschüsse an örtliche, durch Spenden finanzierte Hospizstationen als Beteiligung an den laufenden Betriebsausgaben.

Nicht alle Projekte folgten dem Modell des St. Christopher’s Hospice. Bei einigen originellen Projekten verzichtete man auf Betten und betonte statt dessen die häusliche Unterstützung der Patienten. Andere stellten ihre Leistungen im häuslichen Bereich rund um die Uhr zur Verfügung. Wieder andere konzentrierten sich auf den Aspekt der Beratung, indem sie ihren Kollegen in der Pflege oder den Hausärzten Hilfe dabei anboten, wie man Schmerzen und andere Beschwerden lindern kann.

Die Organisation, in der ich tätig bin – die Marie Curie Cancer Care – ist insofern ungewöhnlich, als sich ihr nationales Hospiznetz aus Pflegeheimen für Krebskranke mit Langzeitaufenthalt entwickelte. Die Notwendigkeit dieser Pflegeheime ging aus einer 1952 veröffentlichten Befragung von 7.000 Krebskranken hervor. Die Marie Curie Cancer Care kann darüber hinaus auf einen häuslichen Pflegedienst für Krebspatienten zurückgreifen, der flächendeckend einsatzbereit ist und vom NHS und unserer Einrichtung gemeinsam finanziert wird. Zwar beschaffen wir uns unsere Mittel landesweit, jedoch sind unsere Hospize die Ausnahme in einer Entwicklung, die eher lokal geprägt ist.

Niemand will behaupten, daß die Leistungen einer jeden Hospizeinrichtung umfassend sein müssen. Viele Einrichtungen füllen die Lücken im vorhandenen Angebot und legen somit ihren Schwerpunkt auf bestimmte Gebiete, viele sind noch im Begriff, Personal auszubilden und die erforderlichen Mittel zu beschaffen. Aber von unschätzbarem Wert war das Vorhandensein einer Initiative, die die Mauer der Selbstgefälligkeit und Vorurteile durchbrach und das Machbare aufzeigte. Sie zeigte ferner, daß eine Partnerschaft zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor möglich ist. Örtliche Initiativen auf Spendenbasis wurden aufgegriffen und entweder durch das örtliche Gesundheitsamt finanziell unterstützt, oder durch ein Lehrkrankenhaus, das das Lehrangebot für Medizinstudenten sicherstellen wollte; Hausärzte überwiesen Patienten zur ambulanten Beratung durch Fachärzte oder zur Krankenhausaufnahme. Das St. Christopher’s Hospiz wurde zwar teilweise weiterhin zentral finanziert, der entscheidende Punkt in der weiteren Entwicklung aber war die Gemeinschaftsorientierung.

Diverse Regierungen sowie das Gesundheitsministerium haben die Palliativbetreuung auf verschiedene Weise unterstützt und dabei zeitweilig einen Teil der vorhandenen Mittel fest für private Hospize eingeplant. Trotz der angespannten Finanzlage, die sich vor kurzem durch die Veränderungen im National Health Service ergab, erhält das engmaschige Netz der privaten Hospize derzeit etwa ein Drittel der Einnahmen aus Leistungen, die im Rahmen von Verträgen mit den öffentlichen Gesundheitseinrichtungen erbracht werden.

Das derzeitige Bild zeigt eine beträchtliche Ausstattung mit öffentlich unterstützten wie privaten Einrichtungen, wie aus Tabelle 1 hervorgeht. Tabelle 2 zeigt deren Verteilung innerhalb des Vereinigten Königreichs. Die Auswirkung auf die Betreuung der Patienten ist jetzt meßbar geworden (Tabelle 3), wie sich aus dem Zahlenwerk ablesen läßt. Es geht nicht nur um Todesfälle durch Krebs (18%), sondern um ein Betreuungsangebot, das immer und überall zur Verfügung steht, wo es benötigt wird. Das kann bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung sein, oder erst dann, wenn Kraftreserven und Pflegepotential einer Familie erschöpft sind und eine Entlastung notwendig wird. Vielleicht besteht die Hilfe darin, daß den ganzen Tag oder die ganze Nacht durch eine Marie-Curie-Krankenschwester zu Hause eingesetzt ist. Oder der Patient erkennt, wie erschöpft Lebenspartner oder Familie sind und schlägt die Einweisung in eine Fachabteilung selbst vor – etwa in ein Hospiz oder eine NHS-Fachabteilung.

Tabelle 1: Zusammenfassung der Hospiz- und Palliativbetreuungsdienste im Vereinigten Königreich – 1996

Palliativstationen

Einheiten

Betten

Ehrenamtliche Hospizstationen

137

2088

Marie Curie Cancer Care Zentren

11

291

Sue Ryder Homes

9

161

Stationen unter NHS/CRMF-Leitung

50

557

GESAMT

217

3097




Häusliche Betreuungsdienste

383

Häusliche Entlastung

62

Unterstützung durch Krankenschwestern

168

Unterstützungsteams aus Krankenhäusern


Dienste der Tageskliniken

225



Tabelle 2: Palliativbetreuung, Gesamt, Vereinigtes Königreich
Januar 1996



Tabelle 3: Vereinigtes Königreich 1994

  • 160.000 Krebstote
  • 45.000 Patienten, aufgenommen in Hospizen und Palliativbetreuungsstationen
  • 56.000 Aufnahmen in Hospize und Palliativbetreuungsstationen
  • 29.000 Patienten starben in Hospizen und Palliativbetreuungsstationen
  • 21.000 Patienten, die zu Hause starben, erhielten 1 Million Pflegestunden von Marie Curie-Krankenschwestern
  • 125.000 Patienten, die von Hospiz- und Palliativbetreuungsteams aufgesucht wurden
  • 25.000 Patienten suchten eine Tagesklinik auf

Quelle: H
Hospice Information Service 1996

Es ist meines Erachtens wichtig, die Verbindungen zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor zu betonen, besonders angesichts der Tatsache, daß die Formen der Zusammenarbeit jetzt näher definiert sind, wobei Behörden als Bezieher von Dienstleistungen auftreten und die Palliativstationen des privaten sowie des öffentlichen Sektors als Dienstleister auf der Basis von ausgehandelten Verträgen tätig sind. Dabei geht die Zusammenarbeit über Verwaltungsgrenzen hinaus. Viele leitende Ärzte der privaten Hospize stehen den NHS-Krankenhäusern als Berater zur Verfügung, wie z.B. die Chefärzte unserer Marie Curie-Organisation. Die Gesundheitsbehörden können die Kosten für einen Prozentsatz der Betten eines privaten Hospizes übernehmen oder einen Hausbetreuungsdienst mitfinanzieren. Und im Bereich der Aus- und Weiterbildungsprogramme haben wir eine erfrischende Mischung aus Krankenschwestern und Angehörigen der anderen Gesundheitsberufe sowohl aus dem öffentlichen als auch privaten Sektor beobachtet. Ich glaube seit langem, daß diese Art der Partnerschaft – teils formell, teils informell – einen der Schlüsselwege darstellt, durch den wichtige Aspekte des palliativen Ansatzes in die Schulmedizin übernommen werden können und gleichzeitig sichergestellt wird, daß die privaten Einrichtungen den Anschluß an Entwicklungen auf anderen Gebieten nicht verlieren. Eine weitere ergiebige Form des Austausches von Einstellungen und Erfahrungen finden wir selbstverständlich im interdisziplinären Teamansatz in der Palliativbetreuung, der nicht nur unterschiedliche Fachkräfte aufgabengerichtet zusammenführt, sondern auch einen wertvollen Wissensaustausch zwischen Kollegen aus unterschiedlichen Fachrichtungen ermöglicht.

Die Unterstützung aus Öffentlichkeit und Politik für das Hospiz und für die Palliativbetreuung habe ich bereits angesprochen. Wie steht es mit dem Berufsstand der Mediziner, der traditionell der Weiterentwicklung des Heilungsansatzes den Vorzug gegeben hat?

Das Dilemma bei dem Versuch, einen besseren Weg zur Linderung von Krankheiten und zur Betreuung von Patienten aufzuzeigen, noch dazu auf der Grundlage von unerforschten und nicht faßbaren Größen wie Kommunikation und ganzheitlichem Ansatz, besteht darin, daß sich der konventionelle Medizinerberufsstand vermeintlich der Kritik ausgesetzt sieht, ihm mangele es an Fürsorge. Glücklicherweise hatte man die Praxis ausreichend durch solide Forschungsarbeit untermauert, da sich andernfalls die Schulmediziner schwer getan hätten, die Wichtigkeit der ihnen vorgeführten Erkenntnisse zu akzeptieren: Es ist möglich, Schmerzen im Endstadium einer Krankheit zu kontrollieren; regelmäßig verabreichtes Mor¬phium schafft keine Süchtigen; Patienten können auch in den letzten Tagen noch mobil bleiben, ja sogar nach Hause zurückkehren – vielleicht um dort zu sterben, aber zumindest um vorher zu leben.

Nicht unerwähnt bleiben soll die Tatsache, daß auch die Entwicklung der Ressourcen – Personal, Gebäude, Ausbildung und Forschung – attraktiv war und zur schnellen Akzeptanz dieser neuen Disziplin in Großbritannien beitrug. 1987 boten die einflußreichen Royal Colleges, allen voran das Royal College of Physicians, eine Facharztanerkennung an, verbunden mit einem Weiterbildungsprogramm. Derzeit gibt es fast 200 Fachärzte in Palliativmedizin.

Forschung bezüglich der Symptomkontrolle war von Anbeginn Teil des Auftrags im St. Christopher Hospiz. Kontinuierliche Arbeit auf diesem Gebiet hat zum Ausbau des Wissenstands beigetragen und sichergestellt, daß sowohl die Lehre als auch die Ausbildung auf Forschungsergebnissen basieren. Es bleibt die Schwierigkeit, den Beweis zu erbringen, daß interdisziplinäre Teamarbeit zwar teuer, aber auch effektiv ist; ebenso bleibt die Frage nach der Angemessenheit zusätzlicher Therapieformen wie Aromatherapie, Massagen und Akupunktur. In der Zwischenzeit wurde sehr viel Arbeit zu Fragen der Kommunikation und Lebensqualität geleistet.

Im Zuge der Ausweitung der Palliativbetreuung hat sich natürlich ihre Definition verändert, und es wird zwischen Hospizbetreuung, Palliativbetreuung durch Fachpersonal, palliativen Prinzipien und Vorgehensweisen im allgemeinen unterschieden. Bis dahin gilt festzuhalten, daß die Leistungen der Spezialdienste bisher vorwiegend für Krebskranke und Patienten mit anderen lebensbedrohlichen Krankheiten wie Motoneuronerkrankungen vorgesehen sind. Bei diesen Diagnosen entwickelten die Fachkräfte ein spezielles Wissen über die Betreuung im Endstadium, wobei insbesondere Krebs, im Gegensatz zur großen Gruppe der degenerativen Alterskrankheiten, einen vorhersehbaren Krankheitsverlauf im Endstadium aufweist. Trotzdem haben wir es hier nicht mit einem klar umgrenzten Gebiet zu tun. Daß die Vorgehensweise gegen Schmerz und diese Art der Sterbebegleitung mit Ärzten, Krankenschwestern und anderen Angehörigen der Gesundheitsberufe geteilt werden, ist notwendig und richtig, weil sie alle am gesamten Kontinuum von der Diagnose bis zum Tod beteiligt sind. Was sich in Großbritannien mit seiner gesunden Mischung aus öffentlicher und privater Gesundheitsversorgung klar zeigt, ist, daß sich die Palliativdienste mit fachlich spezialisiertem Personal der Schmerz- und Symptomkontrolle verpflichtet fühlen; sie lindern Leiden und unterstützen die letzte Lebensphase bei Patienten, die an einer aktiven, progressiven und weit fortgeschrittenen Erkrankung leiden, die nicht mehr auf eine kurativ ausgerichtete Behandlung anspricht. Darüber hinaus trägt ihre Arbeit dazu bei, auf ganzheitliche Weise die physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Aspekte der Betreuung zu integrieren, sie gibt Patienten, die sich zu einem großen Teil in ihren letzten Lebenswochen befinden, die Möglichkeit, würdevoll zu leben, und bietet ihnen und ihren Familien Unterstützung während der Krankheit und in der Trauer.

All das geschieht in einer Zeit der zunehmende Betonung des Rechts des Individuums, eine Behandlung zu verweigern, und der Forderung vieler Kreise nach einer gesetzlichen Verankerung der Euthanasie.

In bestimmten Ländern, vor allem in den Niederlanden und, weniger stark ausgeprägt, in den Vereinigten Staaten, wird die derzeitige Entwicklung der Palliativbetreuung durch die wachsenden Auseinandersetzungen um die Euthanasie beeinflußt. Es muß eine klare Unterscheidung getroffen werden zwischen Betreuung in der Sterbephase und dem freiwilligen Ausscheiden aus dem Leben. Es bestehen rechtliche Sanktionen gegen aktive Sterbehilfe – und darum geht es hier – und es gibt Musterprozesse, die Teil der Kampagne für eine Gesetzesänderung sind. Aber Änderungen sind ganz und gar nicht einfach, ganz abgesehen von den religiösen, ethischen und rechtlichen Problemen. Diesbezügliche Gesetzestexte lassen sich nur sehr schwer formulieren, wenn sie sowohl konkret als auch durchführbar sein sollen. Das gleiche gilt für Verhaltensrichtlinien, wenn man sicherstellen will, daß nicht ungebührlicher Druck auf Menschen ausgeübt wird, die betagt, gebrechlich oder stark verwirrt sind.

Die Hospizbewegung in Großbritannien hat ihren Standpunkt deutlich gemacht. Das medizinische Personal lindert Schmerzen, verzichtet aber auf heroische Maßnahmen in dem Bewußtsein, daß Sedierung oder das Entfernen von lebenserhaltendem Gerät bedeuten kann, Leben nicht um jeden Preis zu erhalten: Jedoch würde man nie wissentlich und absichtlich das Lebensende schneller herbeiführen. Wir sind stolz auf die Tatsache, daß die Öffentlichkeit ein Hospiz nicht als „ein Haus des Todes" sieht – ein Ausdruck, den ich in Deutschland gehört habe –, sondern als ein wirkli¬ches Friedensheim, dem sich der Sterbenskranke mit einem Gefühl der Sicherheit anvertrauen kann, um in seiner letzten Lebensphase Linderung und Trost zu erfahren, und in dem auch anderen, weniger Kranken dieselbe Aufmerksamkeit zuteil wird und alle ermutigt werden, ein möglichst aktives Leben zu führen.

Es ist bezeichnend, daß nahezu die Hälfte aller in britische Hospize aufgenommenen Patienten sie wieder verlassen, z.B. für Besuche zu Hause, oder während einer längeren Verbesserung ihres Zustandes, oder weil sie nur zeitweilig aufgenommen wurden, um diejenigen, die sie pflegen, zu entlasten. Die Vielfalt der Interessen und Aktivitäten, die man sowohl in den Stationen als auch in den Tageszentren usw. beobachten kann, ist tatsächlich bemerkenswert und ermutigend. Wenn ich auf meine 30jährige Verbindung zur Hospizbewegung zurückblicke, ist es erstaunlich, wie selten ich die Bitte nach einer Entlassung gehört habe, die traurigerweise früher von vielen Krebspatienten geäußert wurde. Beim Übergang vom Leben zum Tod findet der Kranke hier echtes Umsorgtwerden und Trost, was in starkem Kontrast zum abrupten und oftmals verzweifelten Lebensende durch Selbstmord oder aktiver Sterbehilfe steht.

Wenn man sich jetzt die Zukunft betrachtet, zumindest was das Vereinigte Königreich betrifft, fallen einige ernstzunehmende Probleme auf, manche davon sogar als Konsequenz früherer Erfolge. Dies sind vornehmlich die Höhe der erforderlichen Geldmittel zur Finanzierung der erheblichen Investitionen in Gebäude und andere Einrichtungen, ausgebildetes Ärzte- und Pflegepersonal und die verschiedenartigen Unterstützungsprogramme, die die Palliativbetreuung hervorgebracht hat. Eine weitere Problematik kommt derzeit auf, weil die Erfolge, die die Palliativbetreuung im Umgang mit Krebs verbuchen konnte, zu der Forderung führten, diese auch auf andere in vielen Fällen nicht lebensbedrohliche Krankheiten auszudehnen. Ganz offensichtlich sind die so populär gewordenen Ansätze und Einstellungen immer dann relevant, wenn es um eine langfristige und zunehmende Pflegebedürftigkeit geht und eine Behandlung nicht mehr anspricht. Die Mittel sind jedoch begrenzt, und die in einer immer älter werdenden Gesellschaft steigende Zahl von Krebspatienten wird auch weiterhin mehr als 90% der in Hospizen und Palliativstationen angebotenen Leistungen beanspruchen.Grund zu ernster Besorgnis liefert allerdings die veränderte Struktur im National Health Service und die Notwendigkeit seitens der privaten Hospize, sich sehr schnell der neuen Vertragskultur, die diese Veränderung mit sich bringt, anzupassen. Auch künftig werden sie ca. zwei Drittel ihres Einkommens aus Spenden und Erbschaften bestreiten müssen. Die Auflagen für die öffentlichen Mittel, die sie erhalten, verschärfen sich im Moment und beeinträchtigen ihr gesamtes Tätigkeitsspektrum. Jetzt, da sie zu Dienstleistern geworden sind und Leistungen an Träger verkaufen, die öffentliche Gelder verwalten und auszahlen, müssen diese Leistungen spezifiziert und marktgerecht veranschlagt werden. Es wird befürchtet, daß diese Entwicklungen gravierende Auswirkungen auf Personaleinstellungen, Geschäftspolitik und Organisation haben werden. Wir alle können derzeit beobachten, wie schwierig es ist, die Begeisterung, den innovativen Geist das liebevoller Interesse, den die Palliativbetreuung auszeichnet und einen Teil ihrer Anziehungskraft ausmacht, zu quantifizieren oder überhaupt den neuen Managern zu erklären, von denen viele keine direkte praktische Erfahrung mit Gesundheits- und Sozialdiensten haben und die hier die mechanistischen Vorgehensweisen, die sie in ihren Wirtschaftsschulen gelernt haben, anwenden wollen. Es ist eine weit verbreitete Meinung, daß die medizinische Versorgung ein viel zu wichtiges Gebiet ist, als daß man es Managern überlassen könnte, die nach Checklisten und nicht nach Überzeugungen arbeiten und die meinen, Betreuung könnte wie ein Stück Seife hergestellt, gekauft und verkauft werden.

Diesem negativen Trend stehen allerdings Gewinne gegenüber. Natürlich ist eine verbesserte Rechnungslegung vorteilhaft: Von einer aussagefähigeren Buchhaltung über eine größere Effizienz in der Betriebsführung bis zur Festigung der Hospizbewegung, die sich zu einem landesweit anerkannten Netzwerk entwickelt hat und bestrebt ist, gemeinsame Standards, Ausbildungs- und Informationsdienste anzubieten. Durch die Einrichtung des National Hospice Council vor nur fünf Jahren zum Zweck der Koordination unserer Vorgehensweisen und Reaktionen sind wir einen großen Schritt weitergekommen; der Rat hat seither immer wieder seinen Nutzen unter Beweis gestellt. Wieviel Informations- und Aufklärungsarbeit notwendig ist, wird klar, wenn man die Verträge heranzieht, die die Gesundheitsträger ausarbeiten: In manchen Fällen wird deutlich, daß sie nur ungenaue Vorstellungen davon haben, was Palliativbetreuung eigentlich ist oder was Hospize leisten. Andere hätten gerne die Palliativbetreuung zum Billigtarif, indem sie Hospize dazu zwingen, aus privaten Mitteln Leistungen zu finanzieren, die eigentlich der öffentliche Sektor entwickeln und tragen sollte.

Die Details dieser Änderungen, die ich nur grob durch einige Zahlen andeuten kann, mögen für die Gegebenheiten außerhalb Großbritanniens nicht von unmittelbarem Interesse sein. Vor dem Hintergrund des wachsenden Umfangs der Palliativbetreuung verdeutlichen sie allerdings insgesamt, daß sowohl der NHS als auch der private Sektor alle Hände voll zu tun haben werden, wenn sie ihrer Verpflichtung zur Betreuung Krebskranker nachkommen wollen. Je mehr der palliative Ansatz für andere Krankheitsbilder relevant und wertvoll wird, vielleicht mit Ausnahme von AIDS, das seine eigene Problematik und sein eigenes Spendenaufkommen hat, desto mehr muß die Palliativbetreuung mit großer Wahrscheinlichkeit innerhalb des öffentlichen Gesundheitswesens durchgeführt und finanziert werden, durch veränderte Einstellungen und praktische Vorgehensweisen, die sich an dem so gut eingeführten Modell der Betreuung Krebskranker orientieren. In einer Zeit, in der bei einer immer älter werdenden Bevölkerung die an Gesundheits- und Sozialleistungen gestellten Ansprüche steigen, scheint es so zu sein, daß wir eine neue Welle der Begeisterung brauchen, vergleichbar mit der, die die Hospize ins Leben gerufen hat, wenn wir sicherstellen wollen, daß alle Patienten, ungeachtet ihrer Diagnose oder Zukunft, Leistungen in Anspruch nehmen können, die ihnen selbst und den ihnen nahestehenden Menschen Lebensqualität ermöglichen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 1999

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