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Vorbemerkung

Die soziale Dimension der europäischen Integration ist zwar seit der Unterzeichnung des Vertrages zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von 1957 immer wieder als bedeutsamer Faktor hervorgehoben worden. Dennoch wurde sie gegenüber der wirtschaftlichen Dimension trotz vieler Vereinbarungen auf europäischer Ebene nachrangig behandelt. Aber das Bewußtsein für soziale Fragen hat sich geschärft und der Wille, ihnen größere Geltung zu verschaffen, hat deutlich zugenommen.

Insbesondere durch den Übergang zur Wirtschafts- und Währungsunion sind neue Spielregeln zu erwarten: Feste Wechselkurse könnten - so erwarten Experten - zu einem Abbau der sozialen Leistungen führen, weil diese im Sinne von Sozialkosten einen bedeutenden Wettbewerbsfaktor für die einzelnen Teilwirtschaften darstellen. Als Folge davon befürchten Vertreter unterschiedlichster Institutionen ein wohlfahrtsstaatliches "downgrading" und einen zunehmenden Autonomieverlust der einzelnen Mitgliedstaaten in ihren sozialpolitischen Handlungsmöglichkeiten. Deshalb fordern einige von ihnen, diesen Verlust durch eine Stärkung der sozialpolitischen Kompetenz der EU-Ebene zu kompensieren. Allerdings entspricht dies nicht der Meinung aller Experten, denn andere sehen in der Regelung sozialer Normen durch Marktkräfte einen positiven Beitrag zur Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit in Europa.

Da ein wachsender Bedarf besteht, Antworten auf die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen in Europa zu finden, hat die Friedrich-Ebert-Stiftung im Rahmen ihres Gesprächskreises Arbeit und Soziales ein Gutachten vergeben, in dem die Entwicklungsetappen der sozialen Dimension der europäischen Integration aufgearbeitet werden und nach Handlungsperspektiven gefragt wird.

Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Fritz Franzmeyer für seinen konstruktiven Beitrag. Wir hoffen, daß die Ergebnisse dieser Studie zur Weiterentwicklung angemessener Lösungsstrategien im Rahmen einer europäischen Sozialpolitik beitragen.

Dr. Ursula Mehrländer
Leiterin des Gesprächskreises Arbeit und Soziales

Peter König

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Der Einfluß ökonomischer Rahmenbedingungen auf die zukünftige Sozialpolitik in der EU
[Einleitung]


In diesem Bericht wird untersucht, wie sich Globalisierung und Europäischer Binnenmarkt mit seiner Fortentwicklung zur Währungsunion auf den sozial- und insbesondere beschäftigungspolitischen Spielraum der EU-Mitgliedstaaten auswirken. Die Reaktion einzelner Industrie- bzw. EU-Länder auf diese Prozesse zählt für die übrigen zu den Rahmendaten, auf die sie nun selbst reagieren müssen. So entsteht ein allgemeiner "Systemwettbewerb", gegen dessen Härte sich alles Frühere als "Schlafmützenwettbewerb" (Giersch 1997: 26) ausnehmen könnte. Gleichzeitig tritt die EU als eigenständige sozialpolitische Handlungsebene ins Spiel.

Im folgenden sollen, nach einer Einführung in die verschiedenen Facetten der Problematik (Abschnitt 1), zunächst die im Wandel befindlichen weltwirtschaftlichen und europäischen Rahmenbedingungen sowie deren Einfluß auf Niveau und Struktur von Einkommen und Beschäftigung in den EU-Ländern unter besonderer Berücksichtigung Deutschlands dargestellt werden (Abschnitt 2). Sodann wird in Abschnitt 3 der Bogen zur Sozialpolitik geschlagen. Da einerseits ein Großteil der Entwicklungen am Arbeitsmarkt seinen Ursprung im Europäischen Binnenmarkt hat und andererseits die sozial- und beschäftigungspolitischen Reaktionen der Mitgliedstaaten EU-Recht berühren, kann es nicht ausbleiben, daß die EU eigene sozial- und beschäftigungsstrategische Konzepte entwickelt und Initiativen ergreift, auf die jeder einzelne Mitgliedstaat jedoch in mehr oder weniger engen Grenzen selbst Einfluß nehmen kann. In Abschnitt 4 werden anhand von "stylized facts" die unterschiedlichen, aber auf Globalisierung und Europäisierung reagierenden und diese mit beeinflussenden Systeme der EU-Länder in ihrer tendenziellen Kostenwirkung und Anreizstruktur dargestellt. Hier wie im Abschnitt 3 über die Sozialpolitik der EU liegt der besondere Akzent auf der Relevanz für die Beschäftigung, da für die meisten europäischen Länder und zunehmend auch für Deutschland die Arbeitslosigkeit das größte soziale Problem ist. Ziel ist die Herausarbeitung von Schwachstellen, Vorbildeigenschaften und Zielkonflikten, die sich in beschäftigungspolitische Lehren umsetzen lassen. Dabei läßt die Datenlage zuweilen nur ein selektives, nicht alle Mitgliedstaaten gleichermaßen einbeziehendes Vorgehen zu, das gleichwohl das Spektrum der Entwicklungen und Optionen hinreichend erkennen läßt. Abschließend wird in Abschnitt 5 versucht, vor dem Hintergrund einer Einschätzung künftiger weltwirtschaftlicher Entwicklungen und nationaler Handlungsspielräume die Frage zu beantworten, inwieweit Sozialpolitik eine sinnvolle Aufgabe für die Europäische Union ist und welcher Mix aus mitgliedstaatlichem und supranationalem Handeln sich ergeben könnte.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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