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TEILDOKUMENT:


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Samstag, 28. Oktober

Braun

Guten Morgen, es hat sich ja scheint es heute nacht ausgeregnet und wir haben doch noch einen schönen Tag. Ich habe vorab eine Reihe von technischen Fragen zu klären. Zunächst mal es gibt heute zum Mittagessen einen in der Eihülle panierten Fisch und Kartoffeln und Salat dazu. Wer von denen, die sich gestern nicht vegetarisch ernährt haben wollen sich angesichts des Fisches vegetarisch ernähren ? Also, wer käme da zusätzlich dazu ? Eins, zwei, drei, vier, also vier zusätzliche Vegetarier. Der Tisch steht dann im Saal da gleich am Eingang. Dann wegen der Abreisen. Ich habe mir gedacht, es ist ausreichend, wenn Sie länger am nachmittag noch da sind, daß Sie ihre Zimmer auf 14 Uhr räumen. Also, wenn wir nachmittags anfangen, bitte Zimmer räumen und die Schlüssel in den Abwurf, da ist so ein Schacht an der Rezeption, hineinwerfen, daß wir nochmal nachgucken können, ob es jemand vergessen hat. Wenn Sie Gepäck haben, das Sie dann aus dem Zimmer rausnehmen müssen, bringen Sie es bitte mit hier in den Anbau. Wenn man von hier aus durch das Kaminzimmer durchgeht, ist gegenüber der Raum 010; da kann man Koffer abstellen, wenn man sie nicht hier mit reinschleppen will, weil man seine Schätze bewachen muß.

Dritte Geschichte, wir werden für 17 Uhr 59 Richtung Karlsruhe und 18 Uhr 02 Richtung Stuttgart zum Bahnhof pendeln, allerdings mit PKW, weil da der Kollege Kraft auf dem Weg zum Flughafen ist und jemanden wegbringt. Wer muß zu diesem Zeitpunkt Richtung Bahnhof gebracht werden ? Zwei, drei, vier, fünf, gut also wir würden dann 17 Uhr 45 vor dem Eingang des Anbaus starten. Zum dem auch so beliebten Zug 16 Uhr 55 können wir keinen Pendelverkehr einrichten, weil wir zu dem Zeitpunkt kein Fahrzeug haben. Also, wer da hin müßte, müßte sich irgendwie anders organisieren. Gut, dann 16 Uhr 40 bietet Herr Schmid an zu pendeln. Vielleicht finden wir noch einen zweiten, der pendelt, dann kriegen wir sie alle hin. Sehr schön, vielen Dank.

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Wir haben jetzt ganz neu unter uns Frau Dr. Lieberherr, ich begrüße Sie sehr herzlich; sie hat sich gleich in der Mikrofonposition niedergelassen, aber ich muß sie eigentlich sozusagen noch ein Stück auf unsere Warteschleife setzen und gebe jetzt das Gerät an Frau Jani weiter. Wir haben heute morgen fünf Länderberichte oder fünfeinhalb, weil Henk und Greet sich einen teilen. Ich habe mir überlegt, wir können, wenn wir die halbe Stunde Kaffeepause abziehen, für jeden der Berichte uns eine halbe Stunde vornehmen. Also, es wäre mir ganz lieb, wenn die Berichterstatter sich so irgendwo bei 20 Minuten bremsen, daß man noch nachfragen kann, aber dann haben wir für jedes der Beispiele eine halbe Stunde Zeit. Und ich würde jetzt vor dieser Kaffeepause mit Frau Jani beginnen, dann die beiden Berichte aus den Niederlanden und dann nach der Kaffeepause mit Herrn Scharf, Frau Lieberherr und Herrn Olbrich als zweiten Block dann weitermachen.

Jani

Einen wunderschönen guten Morgen, meine Damen und Herren! Zunächst einen herzlichen Dank an Herrn Braun für die Einladung an mich, wieder auf dem Freudenstädter Forum sprechen zu dürfen, aber auch insbesondere dafür, daß er uns noch zusätzlich das schöne Wetter organisiert hat.

Ohne langwierig auf die historische Entwicklung der französischen Altenpolitik eingehen zu wollen, ist es denke ich notwendig, kurz zu Ihrem besseren Verständnis der heutigen Folgen für die Kostendämpfung einige Grundbemerkungen vorauszuschicken.

Frankreich ist eines der wenigen europäischen Länder, welches bereits Ende der 50-er, Anfang der 60-er Jahre begann, nationale Altenpläne aufzustellen, inklusive ihrer Finanzierung über staatliche Mittel; diese Pläne wurden dann auch zum größten Teil effektiv durchgeführt, und trotz wechselnder Regierungen wurden ihre Grundprinzipien über die Jahre hinweg stets beibehalten. Die jeweiligen damaligen 5-Jahrespläne wurden immer weiter entwickelt, wobei allerdings gesagt werden muß, daß Frankreich 1958/60, also im Anfangsstadium dieser Pläne, von

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«sehr weit herkam»: Der gesamten Altenbevölkerung, inklusive derjenigen, die finanziell privilegiert waren, ging es seinerzeit sehr schlecht, insbesondere was die Gesundheit, das Rentenniveau und dieWohnsituation betrifft (letztere war allerdings allgemein sehr prekär, d.h. das galt für die Gesamtbevölkerung). Bei der praktischen Durchführung dieser nationalen Altenpläne war es so, daß die Finanzierung immer hinter dem enormen Bedarf herhinkte, denn mit der Anwendung der Pläne betrat man Neuland, und teilweise war ihre Finanzierung nicht 100 %-ig abgesichert.

Sehr schematisch kann die Entwicklung der vergangenen rund 35 Jahre in zwei große Phasen geteilt werden:

Eine erste Phase des Schaffens und progressiven Auf- bzw. Ausbaus mit dem Ziel, den älteren und alten Menschen Selbstständigkeit zu geben und sie zu befähigen, nach Möglichkeit bis zum Tode zuhause zu leben – ein altenpolitisches Prinzip, das auch ihren eigenen Wünschen entsprach. Das Erlangen dieses Zieles setzte zahlreiche Bedingungen voraus wie insbesondere das Aufstocken der Renten, bessere Gesundheitsversorgung, Sanierung der Wohnungen, Information der Ruheständler bzw. älteren Menschen allgemein über ihre Rechte und Ansprüche und das Schaffen zahlreicher Hausdienste. Unter letzteren wurde die Haushaltshilfe in den Vordergrund gestellt. Und im Gegensatz z.B. zur deutschen Altenpolitik wurde (und wird) sie stets priviligiert, hingegen z.B. Essen auf Rädern im Gegenteil unterpriviligiert, weil es nur begrenzt für sinnvoll gehalten wird, denn es hat kaum stimulierende Effekte auf die Aktivität und die soziale Integration der Betroffenen, während die Haushaltshilfe auch soziale Funktionen hat: sie soll – jedenfalls in der Idealvorstellung, die allerdings infolge der Kostendämpfung mehr und mehr verloren geht – möglichst mit dem Betroffenen kochen, putzen, einholen etc. und nur das alleine tun, was er effektiv nicht mehr kann. Auch in den Folgephasen ist die Priorität der Altenpolitik immer bei den Haushaltshilfen geblieben und ist es auch heute weiterhin.

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Die zweite Phase kann wie folgt charakterisiert werden: Nach einer, lassen Sie mich sagen chronischen Vernachlässigung des Heimsektors zugunsten der häuslichen Versorgung, denn man konnte unmöglich alles gleichzeitig unternehmen, besann man sich der wirklich sehr, sehr schlechten Zustände in den Heimen, die überwiegend auch heute (wenngleich damals stärker) in staatlichen Händen liegen.

Einschneidend auf diesem Gebiet war das Gesetz von 1975 zur Umstrukturierung und Humanisierung der Hospize, wobei diese hier nicht im Sinne der englischen Einrichtungen zu verstehen sind, sondern, ganz im Gegenteil, mit den früheren Armenhäusern vergleichbar sind; dort wurden (per Gesetz von 1805 und 1851) nicht nur alte Menschen aufgenommen, sondern auch Geisteskranke, Unheilbare und Mittellose jeden Alters. Das Gesetz von 1975 gebot den Abbau sämtlicher Hospiz-Betten (217.000) innerhalb von 10 Jahren; infolge der zunehmenden Finanzierungsschwierigkeiten konnte diese Frist nicht eingehalten werden (ca. 15.000 bestanden noch 1993) und wurde auf 1995 verlängert. Die Gebäude mußten saniert werden, die Häuser administrativ in Alten- oder

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Pflegeheime umgewandelt werden, und die Schlafsäle mit 10, 20 und mehr Betten in Einzel- oder Zweibettzimmer. Dadurch ergab sich eine bedeutende Reduzierung der Aufnahmekapazität (aber parallel entstanden neue Heime mit modernen Konzepten).

So entstanden parallel die dem öffentlichen Krankenhaussektor angeschlossenen Pflegeheime. Aber es sind Krankenhausbetten in Krankenhauszimmern mit Krankenhauspersonal und allem, was ein Krankenhaus ausmacht, d.h. Wohnkomponente und Lebensqualität spielen – wie in vielen anderen Ländern – bis auf Ausnahmen eine recht untergeordnete Rolle, und medizinische Versorgung ist absolut vorrangig – bis zur, ich möchte sagen medizinischen Überversorgung: den vielen Menschen, die nur medizinische Betreuung oder Aufsicht und hauptsächlich menschliche Betreuung, Hilfen und Stützen für die Gesten des täglichen Lebens benötigen, wird man hier somit kaum gerecht. Andererseits sind diese Heime sehr gute Ausbildungsinstitutionen für Geriater; das ist aber auch mit der einzige Vorteil, den ich in diesem Heimtyp sehe, eben weil die menschlichen Dimensionen wie Lebensqualität und Lebensräume dort nicht oder sehr wenig in das Konzept eingegangen sind. Eine neuere Entwicklung ist, daß die Forderung allgemein nach Lebensqualität in beiden Sektoren – ambulante und stationnäre Altenhilfe – immer mehr in den Vordergrund drängt. Dazu gehören auch die einige Jahre zurückliegenden ministeriellen Bestrebungen, nun wiederum diese Pflegeheime des staatlichen Krankenhausbereichs in menschlich adäquate Häuser umzugestalten; aber u.a. die damit verbundenen, sehr hohe Kosten haben die Realisierung dieser Ambitionen bislang weitgehend unterbunden. Soviel zum schnellen historischen Überblick.

Damit komme ich zur Finanzierung. Hauptfinanzierer im französischen Systems der Altenbetreuung sind folgende drei: Die Sécurité Sociale (mit ihren Branchen Alters- und Krankenversicherung); der Staat auf der Ebene der Departements und der Gemeinden (über Steuergelder) und die Zusatzkassen mittels ihrer obligatorischen Sozialfonds. Die Zusatzkassen sind nicht mit den deutschen vergleichbar; sie sind als zusätzlich zur Sécurité Sociale für die Alters- und Krankenversicherung zu verstehen,

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sind für alle Arbeitnehmer obligatorisch und werden vom Arbeitgeber ausgesucht.

Sécurité Sociale und Zusatzkassen erhalten ihre Gelder aus den Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Beiträgen d.h. sind arbeitseinkommensabhängig. Die Sécurité Sociale ist bzgl. der Altenhilfe die wesentliche Institution in Frankreich.

Eine grundlegende Systemänderung ist in Frankreich über das Gesetz der Dezentralisierung von 1983 eingetreten, das 1986 effektiv wurde, also im Vergleich zur Jahrhunderte langen französischen Tradition des Zentralstaates noch relativ jung ist. Es besteht hauptsächlich aus der Kompetenzübertragung (inkl. des Transfers der entsprechenden öffentlichen Gelder) der Bereiche Schulwesen und Soziales von der Zentralregierung auf die Departements (Conseils généraux) bzw. die Gemeinden. Die Sécurité Sociale wurde gleichermaßen dezentralisiert, aber die zentrale Beitragseintreibung ist beibehalten worden.

Es muß hinzugefügt werden, daß die Dezentralisierung zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurde, als andererseits die Verschärfung der ökonomischen Situation und die Regression auf dem Arbeitsmarkt eintraten. Und es muß unterstrichen werden, daß sie keineswegs aus Gründen der Kostendämpfung durchgeführt worden ist, sondern u.a. um die öffentlichen Dienste insbesondere des sozialen Sektors mehr an den Verbraucher heranzubringen oder, wie wir Franzosen so schön englisch sagen, um mehr consumer oriented zu sein.

In dem Rahmen wurden – das hat zwar nichts mit der Finanzierung und Kostendämpfung zu tun, ist aber ein sehr wichtiger Punkt der französischen Altenpolitik – die sogenannten Coderpa [ Comité Départemental des Retraités et Personnes Agées , Departements-Comité der Ruheständler und alten Menschen. Analoge Institutionen wurden auf nationaler und kommunaler Ebene gegründet.] gegründet, eine Instanz auf der Departements-Ebene, in der Rentner und alte Menschen Mitsprache- und Mitwirkungsansprüche haben, wenn auch mit variablen Funktionsfähigkeiten.

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Unter den negativen Folgen der Dezentralisierung sind insbesondere die Ungleichheiten zu nennen, die in den Departements aufgetreten sind und zwar einmal in Form einer Diskriminierung der ohnehin ärmeren Departements oder Gemeinden und zum anderen Ungleichheiten je nach den mehr persönlichen Interessen und Ambitionen sowie sozialpolitischen Ausrichtungen der jeweiligen politischen Führungskräfte.

Die Stadt Rennes z.B. führt eine « Spitzen-Altenpolitik », die seit etwa 6 Jahren nach einem «globalen » altenpolitischen Plan aufgebaut wurde; hier wird nach einem Konzept gearbeitet, das die Dienstleistungsverteilung, das Individuum global betrachtet und das Individuum nicht in «Bedürfnisscheiben» schneidet, sondern von den individuellen Bedürfnisse des älteren Menschen ausgeht. Das hat trotz Kostendämpfung zu einschneidender Qualitätsverbesserung auf dem Heimsektor und dem der ambulanten Altenhilfe geführt, sodaß Rennes heute zu den wenigen französischen Städten zählt, die wirklich eine ausgesprochen gute Altenpolitik haben, trotz Finanzierungsschwierigkeiten und zurückgehender Finanzierung aus den staatlichen Kassen.

Eine andere negative Folge der Dezentralisierung ist, daß damit heute die Altenpolitik stärker dem Risiko ausgesetzt ist, sozusagen als Propagandamittel für Gemeindewahlen benutzt zu werden. Das hat natürlich immer ein bißchen bestanden, aber da heute die Kommunen und Departements seit der Dezentralisierung im sozialen Bereich über mehr Macht verfügen, hat sich diese Tendenz verstärkt. So werden dann natürlich auch große Versprechungen gemacht und teilweise Maßnahmen getroffen, die wenig mit kohärenter, langfristig durchdachter Altenpolitik zu tun haben.

Irgendwann war es einmal sehr modern, Altenclubs zu gründen: ein sehr wenig kostspieliges Unterfangen, weil man da nur einen Raum braucht; dann kam die Welle der – das war dann etwas teuerer in der Realisierung – Wohnheime der Gemeinden, welche häufig zwar auch baulich sehr schnell aus dem Boden gestampft wurden, aber dann wußte man vielfach nicht weiter, und nicht selten waren sie auch nicht gerade nach den besten geronto-architektonischen Prinzipien konzipiert worden.

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Ein weiterer, sehr einschneidender Punkt für die französische Altenpolitik im stationären Bereich und für die Finanzierungskompetenzen ergab sich dank der sogenannten Medikalisierung. Sie wurde eingeführt, um den Alters- und Wohnheimen, deren Bewohner starker Alterung unterliegen, finanzielleMöglichkeiten zu geben, den Bedürfnissen der zunehmenden Anzahl der hochbetagten und somit häufig hilfe- und pflegebedürftigen Bewohner gerecht zu werden und ihnen adäquate Betreuung bieten zu können.

Diese demographische Alterung und zunehmende Betreuungsbedürftigkeit haben zwei Gründe: zum einen sind die früher Eingezogenen dort im Laufe der Zeit alt und gebrechlicher geworden, und zum anderen verzögern die Hausdienste bis ins hohe Alter den Heimeintritt, sodaß dieser zunehmend vorrangig aus Gründen der Pflegebedürftigkeit geschieht.

Medikalisierung bedeutet nicht, daß, ähnlich den Pflegeheimen, auch diese Heimtypen nunmehr stark medizinisch ausgerichtet sind; sie bedeutet vielmehr einen administrativen Vorgang zur Finanzierung (über den Zweig Krankheit der Sécutrié Sociale) von Kranken- und Pflegepersonal. Es handelt sich dabei um Tagessätze, die dem Heim auf Antrag zugestanden werden können. Sie wird, je nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit, für eine bestimmte Bettenzahl dem Heim zuerkannt, und es können jährlich, je nach Entwicklung der Heimpopulation, zusätzliche medikalisierte Betten beantragt werden. Auch hier wirken sich die Folgen der Kostendämpfung nennenswert aus: immer weniger Anträge, insbesondere auf Erweiterung, sind heute erfolgreich, die Heime sind personell im Pflegebereich vielfach unterbesetzt, denn der Prozentsatz der medikalisierten Betten liegt häufig weit unter dem effektiven Bedarf der Heime. Das heiß, die Bedarfsdeckung wird immer kritischer, und bedauerlicherweise darf kaum angenommen werden, diese Situation werde sich in den nächsten Jahren entscheidend verbessern. Somit ist hier die Folge der reduzierten Finanzierungsmittel die reduzierte Möglichkeit, den berechtigten Bestrebungen nach Lebensqualität im Heim gerechtzuwerden: so beklagt das Pflegepersonal vielfach z.B., kaum mehr Zeit für persönliche Kontakte zu haben, gerade zu denjenigen, die sie am meisten brauchen; müsse aber der, für den alten Menschen priviligierte Augen-

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blick des Waschens und Anziehens – priviligiert z.B., weil es sich durch die gegebenen Körperberührungen um eine intime Beziehung handelt – infolge Personalmangels auf das kürzeste beschränkt werden, dann werde den Betroffenen sehr viel Lebenswichtiges genommen. Daß (ganz allgemein und allerorts, nicht nur in Frankreich) Stress, Zeitdruck und damit verbundene Berufsunzufriedenheit zu den vielfaltigen Formen von Gewalt führen – vom zu schnellen Füttern über Unfreundlichkeit und Wirschheit bis zum Schlagen – so tabu das Thema immer noch ist, ist kein Geheimnis. Starke Kostendämpfung hat negative Auswirkungen auf das gesamte Heimklima, weil das Personal und die Bewohner betroffen sind und beider Unzufriedenheit interaktiv wirkt.

Ein letzter Punkt bezüglich der Finanzierung ist – ich nenne das unseren « unterschwelligen Dauerknüller » – die Reform der Tarifikation. Der französische Heimsektor ist administrativ in Kategorien unterteilt, die gesetzlich sehr klar definiert sind und zwar hauptsächlich über den Abhängigkeitsgrad der Personen, die dort leben sollten. Die Staffelung beginnt mit dem Wohnheim und hört mit den Langfristbetten im Krankenhaus (Pflegeheim) auf; dazwischen gibt es verschiedene andere Stufen.

Es hat sich jedoch schnell herausgestellt, daß es eine völlig illusorische, wenn auch sehr klar definierte Angelegenheit ist, weil es praktisch bedeutet, daß der Mensch mit zunehmender Hilfebedürftigkeit ständig das Heim wechseln muß. Und man hat festgestellt, daß dann also bei der « letzten Etappe », die Menschen nur noch als, manche sagen « müde Pflanzen », transportiert wurden, was, so häßlich der Ausdruck ist, nicht weit von der Realität entfernt war, weil jeder Umzug für diese Menschen unerträglich schwer ist und sie immer weniger Anpassungsfähigkeiten aufbringen können.

Der kritische Punkt ist, daß unterschiedlichen Heimtypen unterschiedliche Tarifikationen entsprechen (private, kommerzielle Heime sind davon ausgeschlossen): Die zu zahlenden Tagessätze sind zweigeteilt und zwar in den sogenannten « Hotelanteil » (Wohnen, Essen etc.) – er entfällt auf den Bewohner bzw. seine Familie oder die Sozialhilfe – und den « Betreuungs- bzw. Pflegeanteil », den die Krankenkasse trägt. Die

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prozentuale Aufteilung unter beiden ist je nach Heimtyp unterschiedlich; in Pflegeheimen ist der selbst zu zahlende Hotelanteil sehr niedrig (in der Psychiatrie meines Wissens immer noch gleich null), in gängigen Altenheimen hingegen sehr hoch, obwohl realiter heute in allen Heimtypen alle Abhängigkeitsgrade anzutreffen sind. Die Tarifikation entspricht also keiner Realität, und sie birgt flagrante Ungerechtigkeit in sich. Deshalb wird seit etwa 10 Jahren immer wieder diskutiert, sie nun endlich zu reformieren. Sie stand auch vor einigen Jahren auf ministerieller Tagesordnung, ist seit dem Spätsommer erneut in einer akuten Diskussionsphase, aber ich glaube nicht, daß in der nächsten Zeit sehr Entscheidendes geändert wird, zumal Monsieur Chirac im Moment mit sehr viel anderen gravierenden, sozialen Problemen konfrontiert ist, wie Demonstrationen und Streik bezeugen.

Ich komme nun zur Beschreibung einiger Beispiele von negativen Auswirkungen der Kostendämpfung. Ich habe mir insgesamt fünf notiert.

An erster Stelle habe ich die Had, die Hospitalisation à domicile gesetzt – d.h., « das Krankenhaus kommt ins Haus » –, weil sie den Bogen zu einem der gestrigen Referate spannt. Die Had ist in etwa vergleichbar mit dem gestern vorgestellten Tübinger Projekt, ohne aber so konsequent und so global konzeptiert zu sein und durchgeführt zu werden; weiterhin können alle Altersgruppen (also z.B. auch erkrankte Kinder) davon Gebrauch mauchen. Das Ziel ist, zum besseren Wohlergehen des Kranken den Krankenhausaufenthalt nach der akuten Phase zu verkürzen; Vorbedingung ist damit, daß er zuvor im Krankenhaus gewesen ist. Diese Posthospitalisationsmöglichkeit ist weiterhin nur dann gegeben, wenn der Kranke nicht alleine wohnt. Had wird von der Krankenkasse getragen. Mit ca.3.000, möglicherweise maximal heute 5.000 Betten für ganz Frankreich, gab es schon immer viel zu wenig Had-Plätze, aber jetzt, infolge der Kostendämpfung, herrscht bei zunehmender Nachfrage größte Knappheit. Zusätzlich ist folgendes eingetreten: Diese Form der ärztlichen Krankenbetreuung ist besonders für Aidskranke geeignet, und sie haben die Nachfrage nach diesen Betten infolgedessen stark erhöht. Statt jetzt aber diesen Sektor entsprechend auszubauen, hat man, aufgrund fehlender finanzieller Disponibilitäten die vorhanden Betten von einer Gruppe, nämlich der der älteren und alten Menschen, die bislang

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die Hauptnutzer waren, in die andere, die der Aidskranken, geshiftet. Das heißt die älteren Menschen sind die Leidtragenden der Finanzierungsschwierigkeiten, denn ihnen kommt heute die Had kaum noch zugute; aber, wie für die Endphase der jungen Aidskranken, ist diese Dienstleistung z.B. für alte Krebskranke eine sehr positive Einrichtung zumal die Pflege krankenhausverbunden organisiert ist,und die Betroffenen im Fall von akuten Fällen einen Prioritätsanspruch auf ein Krankenhausbett haben.

Ein zweites Beispiel ist das unerfreuliche Einschlafen des Vorhabens, die staatlichen Pflegeheime, also die sogenannten Langfristbetten in den Krankenhäusern, zu humanisieren – ich würde sagen zu « entkrankenhausiieren » – indem man der Wohnkomponente Rechnung trägt und mehr menschlichere Betreuung einbringt als medizinische (Über-)-
Versorgung. Auch dieses Projekt ist Opfer der Finanzierungsschwierigkeiten, denn eine derartige Umstrukturierung der Heime ist ein sehr kostspieliges Unterfangen. Dort, wo es noch realisiert werden konnte, gibt es sehr, sehr gute Beispiele, wo man also vielleicht nicht gerade mit Freuden ins Pflegeheim geht, aber jedenfalls nicht mehr mit diesen großen Horrorvorstellungen, und wo dank der effektiven Lebensqualität die Bewohner in Zufriedenheit ihre Tage verbringen: dort wird wirklich menschlich und respektvoll vorgegangen, lebt man in kleinen Gruppen, leben die Menschen wirklich und sie leben nicht im Bett, möglicherweise angebunden, um Stürze zu verhindern, nur noch auf den Tod wartend. Ganz im Gegenteil werden heute neue Projekt geschmiedet, die darauf hinzielen, ca. 20.000, mehr oder weniger leer stehende, unrentable Krankenhausbetten aus Kostengründen in Pflegebetten umzufunktionieren: Ausbau statt Ab- und Umbau.

Viertes Beispiel: Seinerzeit wurde im Rahmen der Abschaffung der Hospize ebenfalls der Sektor der sogenannten Mittelfristbetten geschaffen – theoretisch eine sehr gute, Sache: Sie waren für die Rehabilitation im weitesten Sinne konzipiert; dort gibt es z.B. besondere Küchen, in denen jemand, der nun rollstuhlabhängig ist, lernen kann, in einer « Rollstuhlküche » zu arbeiten und zu kochen. Mittelfristbetten sind für einen Aufenthalt von maximal 90 Tagen vorgesehen, der von den Krankenkassen gezahlt wird. Tatsächlich hat der Bettenmangel im Pflege-

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bereichbereich hingegen dazu geführt, daß sich dieser Sektor schleichend zum « Wartesaal » für Pflegeheimanwärter entwickelt hat und heute de facto in seiner Urfunktion als Rehabilitationsmöglichkeit, um in seinen eignen Haushalt zurückzukehren, wenig existiert.

Fünftes Beispiel. Lebensqualität ist in vielen Fällen Betreuungsqualität, das heißt sie kostet sehr viel Zeit und damit sehr viel Personal, also sehr viel Geld. Finanzierungsschwierigkeiten führen zu Personalmangel, und viele Hilfen, die gerade die Lebensqualität ausmachen, werden häufig auf das Notwendige beschränkt: Für individuelle Betreuung, Gespräche, Spazierenführen oder für die Mühe, Bettlägrige anzukleiden und im Rollstuhl in den gemeinsamen Eßraum zu fahren, bleibt häufig kaum Zeit. Diese negativen Auswirkungen zeigen sich u.a. in einer Evaluationsstudie zur Heimqualität, die wir im Moment durchführen; da sagen uns z.B. manche, die dort schon längereZeit wohnen, daß vor 4, 5 Jahren das Personal immer so schön viel Zeit und Ruhe morgens hatte, beim Waschen, Duschen und Ankleiden mit ihnen zu sprechen, während es heute so ganz schnell, einfach nur durchgeführt wird. Was natürlich um so schlimmer ist, als daß gerade je abhängiger diese Menschen werden und je isolierter sie leben, das Bedürfnis nach menschlichen Kontakten und « Streicheleinheiten » immer größer wird. So führt starke Kostenreduzierung auch zu starken psychologische Auswirkungen, auf den Einzelnen, aber auch auf die ganze Heimatmosphäre.

Starke Kostenreduzierung hat also starke negative Folgen auf die Lebensqualität, und letztlich läuft sie hinaus auf eine systematische Untergrabung der (hohen) altenpolitischen Ziele, die Frankreich sich seit Jahren gesetzt hat. Dabei ist ein, lassen Sie mich sagen, Nebenprodukt sehr interessant, darauf möchte ich kurz hinweisen, nämlich daß in Frankreich endlich die erste « Alten-Demo » stattgefunden hat, letzte Woche oder vor 10 Tagen etwa, in Rennes, bei der es u.a. um die Forderung nach Lebensqualität in den Heimen ging.

Sechstes und letztes Beispiel: die geringere Übernahme seitens der Krankenkassen der Ausgaben für Medikamente, Brillen, Zähne oder andere Prothesen etc. Davon sind selbstverständlich wieder einmal insbesondere die ohnehin finanziell schlechter gestellten Personen betroffen, denn wer

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mehr Geld hat, dem tut es halt weniger weh, wenn er weniger Geld von der Kasse zurückbekommt; diese Regelung birgt also soziale Ungerechtigkiet in sich. Hier wird die Kostendämpfung über Erhöhung der selbst zu tragenden Anteile geführt, statt z.B. über eine Regression des Konsums (übertriebenes Verschreiben von Medikamenten) oder der Preise. Wenn ich z.B. daran denke, daß der Herstellungspreis einer Jackettkrone ca. 300 Francs ist (d.h. knapp 100 DM), ich beim Zahnarzt aber 4.000 Francs (d.h. über 1000 DM) bezahlen muß und mir davon die Kasse zwischen 300 bis 500 Francs zurückzahlt, dann muß ich doch recht viel Geld verdienen, damit ich mir, sagen wir mit 60 Jahren, meine 10 Kronen leisten kann. Die Krankenkasse steht auf dem Standpunkt, daß man ja einfach « alles nur laufen lassen » kann, und dann kommt irgendwann das Gebiß, und das ist dann billiger. Daß derart negative Dinge passieren, liegt auch darin begründet, daß Frankreich, was die Prävention anbetrifft, auf sehr vielen Gebieten nicht gerade ein moderner Staat ist.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die drastischen Kostendämpfungsmaßnahmen negative , teils sehr negative, Auswirkungen haben. Da ich mein Referat diesen Maßnahmen und ihren Konsequenzen widmen sollte, gab es wenig Gelegenheit, über die umfangreichen, positiven Entwicklungen zu sprechen, wie z.B. über die neuen Wohnformen im Heimbereich u.a. für Demenzkranke. Meine kritischen Ausführungen dürfen Sie also nicht zu der Annahme und Vorstellung verführen, in Frankreich sei dieser Sektor « mehr als schwarz ».

Ich möchte noch kurz auf ein anderes Thema eingehen, nämlich das Pflegegeld – sofern ich Zeit habe. Wir haben ja den Vorteil, es hoffentlich nicht 7 Jahre diskutieren zu müssen, weil Deutschland das schon sozusagen für uns mit getan hat. Der französiche Staat hat, nachdem das Projekt entwickelt war, meines Erachtens etwas sehr Kluges getan, indem er es einerseits 1995 in zwölf Departements experimentell für ein Jahr laufen ließ, und andererseits diese erste Anwendungsphase wissenschaftlich begleiten ließ, um den Zufriedenheitsgrad der Bezieher, die Abwicklungsmodalitäten und -fristen, das notwendige Geldvolumen, die Anzahl der Antragsteller und der Berechtigten etc. bemessen zu können, bevor das Projekt als Gesetzesentwurf ins Parlament gehen sollte. Nach dem Regierungswechsel nach den Wahlen im März 1995 wurde dann

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entschieden, die Untersuchungsergebnisse nicht abzuwarten, und das Projekt wurde verschärft, wenngleich in einigen Punkten nachgiebiger (wie z.B. die niedrigere Altersgrenze: 60. statt 70. Lebensjahr und ihre spätere Ausdehnung auf die Heimbewohner).

Der Gesetzesentwurf sieht, schematisch und sehr gerafft dargestellt, folgendes vor: Der Betrag soll sich auf maximal 4300 Francs belaufen, seine Höhe ist abhängig vom Grad der Pflegebedürftigkeit und vom Einkommen, nach dem Tode des Beziehers sollen die Beträge aus der Erbmasse zurückgezahlt werden, Kumulieren mit der bestehenden (höheren) Beihilfe ist ausgeschlossen; der Grad der Pflegebedürftigkeit wird nach Angaben zu einem Fragebogen festgelegt, der im Vergleich zum deutschen sehr kurz ist und insbesondere der häuslichen Betreuungszeiten nicht gerecht wird. Monsieur Juppé nennt das une des grande conquêtes sociales du siècle – eine der großen sozialen Errungenschaften des Jahrhunderts. Wieweit es tatsächlich damit steht, möchte ich über folgende kritische Ansätze in Frage stellen.

Die Höchstsumme für Schwerstfälle – knapp 1200DM pro Monat –, man weiß es offiziell, ist nicht ausreichend, um die Pflege, d.h. nicht lediglich Betreuung, durchzuführen, und sie ist nicht nur im Falle von Schwerstpflege unzureichend. Letztlich wird de facto, wenn auch unausgesprochen, davon ausgegangen, daß diese Pflegearbeit ja doch der Familie zufällt und sie sozusagen den unabgedeckten Rest zu leisten habt – wobei « der Rest » sehr häufig das Meiste sein wird. Hinzukommt, daß auch die heute von den unterschiedlichen Instanzen getragenen Zahlungen für die Hausdienste entfallen sollen, d.h. aus den maximal 1200 DM pro Monat bezahlt werden müssen.

Eine weitere Kritik bezieht sich auf die « nationale Solidarität » auf die wir, das wissen Sie sicherlich, sehr stolz sind. Ihr erster Träger ist die Sécurité sociale; mit der Übertragung der finanziellen und administrativen Kompetenzen von ihr auf die Departements erfolgt ein Aussparen dieser Instanz der nationalen Solidarität, deren Untergrabung hier praktisch mit einem ersten großen Schritt vorangetrieben wird.

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Der « nationalen Solidarität » wird auch sowohl über den Rückzahlungszwang aus der Erbmasse als auch über die Einkommensabhängigkeit und die teilweise Kostendeckung aus zusätzlichen Steuererhebungen Abbruch getan: z.B. sollen national solidarisch die Bürger, Ruheständler inbegriffen, die Pflegegelder im Verhältnis zu ihren Einkünften über eine soziale Sondersteuer ko-finanzieren; somit werden diejenigen, die am meisten zu zahlen haben werden, die geringsten Ansprüche haben und sozusagen ihre Pflegebedürftigkeit doppelt bezahlen.

Einen letzten Punkt, den ich anführen möchte, betrifft die Übereile oder Hast, die die Regierung heute an den Tag legt, um dieses Gesetz schnellstens durchzubringen. Das bedeutet, daß das eine Jahr des Experimentieren in den 12 Departements kaum etwas gebracht haben wird, denn die Ergebnisse der wissenschaftlichen Bemessungen werden den Parlamentariern nicht rechtzeitig für die Parlamentsdiskussionen vorliegen. Damit wird es auch keine Zeit geben, diese Dinge wirklich zu durchzudenken, und folgerichtig wohl auch die Wahrscheinlichkeit nicht sehr groß ist, die enthaltenen Ungerechtigkeiten einschlägig mildern zu können.

Ich danke Ihnen.

Braun

Ich würde jetzt gerne erreichen, daß wir lediglich eine Nachfragediskussion führen. Also wenn Sie Fragen zu dem zu klären haben, zu dem, was Frau Jani vorgetragen hat.

Kruse

Sie sagten, als Reaktion auf die Dezentralisierung der Altenpolitik wurde irgend etwas gegründet. Das Wort habe ich nicht verstanden, dieser Zusammenschluß, der da auf Departmentsebene gegründet wurde.

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Jani

Coderpa, das ist eine Abkürzung und zwar von Comité Départemental des Retraités et Personnes Agées, d.h. übersetzt: Komitee der Ruheständler und alten Personen.

Backhaus-Maul

Eine kurze Nachfrage zu Ihrem letzten Punkt. Gibt es in Frankreich ergänzend oder unterliegend zu diesem Pflegegeld so etwas wie eine Sozialhilfe ?

Jani

Ja, wobei aber ein Teil der heute gezahlten Sozialhilfegelder zur Finanzierung des Pflegegeldes dienen müssen und ein Teil der heutigen Bezieher statt Sozialhilfe Pflegegeld erhalten sollen. Für die 700.000 Personen, die heute als Pflegegeld-Empfänger vorgesehen sind – obwohl wir offiziell ich glaube über 1 Million schwer hilfs- und pflegebedürftige Personen haben – sind die Kosten auf zwischen 14 und 20 Milliarden Francs geschätzt. Bis heute weiß man nicht genau, woher davon 11 Milliarden kommen sollen. Die anderen Summen sollen aus der Sozialhilfe fließen und über einen anderen Fonds, der frei wird, weil dieses Pflegegeld eine andere Beihilfe ablöst, die sich auf 6 Milliarden Francs beläuft. Weitere 11 Milliarden sollen aus Steuern und aus vorangehend genannter Sondersteuer abgeführt werden. Aber die Höchstzahler dieser Steuer werden, wie gesagt, später kein Recht auf das Pflegegeld haben – obwohl die Steuer eigens dafür erhoben werden soll.

Dürrschmidt

Ja, ich habe auch eine Nachfrage zu dem Pflegegeld. Sie haben gesagt, Höchstgrenze 1.200 DM. Wieviel Prozent kann davon abgedeckt werden? Ja, ich kann mir von den 1.200 DM Höchstgrenze nichts vorstellen, wieviel anteilig Pflege ist damit zu finanzieren ?

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Jani

Wenig, z.B. die Stunde einer Haushaltshilfe, wenn man sie über den formellen ambulanten Sektor bezieht, kostet etwa 80 Francs – das sind also, durch drei, 24 DM etwa, es also sehr wenige Stunden, die da dann herauskommen. Jetzt hofft der Staat, daß dieses Pflegegeld Arbeitsplätze schafft; sie sollen dann für dieselbe Haushaltshilfe weitaus weniger Geld bekommen, nämlich nur 50 Francs, was natürlich bedeutet, daß das ungelernte Kräfte sind, und also auch hier die Qualität heruntergeht, denn bei uns sind die Haushaltshilfen keine Putzfrauen, sondern sie haben sehr viel mehr, u.a. soziale Aufgaben.

Braun

Ja, dann vielen Dank für die Nachfrage.

Henk Schippers

Guten Morgen, mein Name ist Henk Schippers und ich arbeite beim Ministerium von Gesundheitsorge, Wohlsein und Sport in Holland und tue da etwas mit Altenversorgung. Ich bin auch noch politisch aktiv in den Niederlanden für die PvdA, das ist wie die SPD in Deutschland, daneben auch für Alte und Behinderte. Ich erzähle heute etwas über die Altenpolitik in Holland. Wie die Regierung in Holland sich das ungefähr für die kommenden Jahre vorstellt und nachher wird die Greet dazu sagen, was die Altenverbände in Holland davon halten. Wir haben in Holland für die kommenden Jahre eine Modernisierung der Altenversorgung vor. Darüber haben wir eine Diskussion gehabt von zwei Jahren. Das war ein Jahr für eine Kommission Welschen, die das alles untersucht hat, und ein Jahr für eine Diskussion in den Niederlanden mit Altenverbänden und jedem, der etwas darüber sagen wollte. Die Diskussion ist abgeschlossen mit einem generellen Vorschlag „integrale Altenversorgung", aber das ist nicht ganz so, wie die Kommission das gewollt hat; aber es ist zur Politik der niederländischen Regierung geworden. Jetzt folgt noch die Diskussion mit dem Parlament in Holland und danach wird deutlich sein, was geschehen soll. Und ich denke, daß

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wir das in diesem Spätjahr erwarten können, weil es eine große Unterstützung der Pläne gibt; auch im Parlament.

Zuerst die wichtigsten Änderungen und Resultate der Modernisierung; ich komme darauf noch nachher zurück. Erstens gibt es für alle Arten von Hilfen für Ältere in Holland eine einheitliche Finanzierung, ein einheitliches Gesetz und auch eine einheitliche Planung. Es gibt auch eine einheitliche Indikation und eine einzige Zuständigkeit: „ ein Schalter für alle Fürsorge". Wir möchten in Holland keine Ausweitung der stationären Versorgung haben, wir möchten mehr Versorgung und weniger Gebäude. Nach der Reform der Versorgung kommt für alles, was mit Erneuerung zu tun hat, eine Verwaltungszuständigkeit. Wir bekommen eine regionale Abstimmung via Beratungen der Anbieter, der Finanzgeber und der Versorungs-Planung in der Region unter- und das ist sehr neu - Beteiligung von Altenverbänden. Wir haben auch die Vermögensprüfung abgeschafft, d.h. daß man in Holland in Zukunft nicht mehr das Vermögen aufzehren muß, falls die Eltern in ein Alten- oder Pflegeheim gehen.

Und wir haben nun auch eine gute Verteilung von Behördenverantwortlichkeit in Holland zwischen Staat, Gemeinden und Provinzen: der Staat regelt die Rahmenbedingungen und dabei besonders die Finanzierung; auf der Gemeindeebene wird die Indikation gestellt; man braucht nur noch zu einer Behörde („Schalter"), wenn man Versorgung braucht; Aktivitäten der Gemeinde bewegen sich um die Achse Wohnen, Versorgung, Wohnumfeld, Infrastruktur der Angebote; die Provinzen kümmern sich darum, daß die Regionen die Planung und Weiterentwicklung der Altenhilfe zustande bringen.

Was waren die Hauptprobleme in Holland, bevor wir die Modernisierung überlegt haben ? Erstens, daß wir viele Schotten in der Finanzierung haben. Wir hatten viele Zuständigkeiten in Holland und auch viele Schotten zwischen den verschiedenen Finanzierungen. Pflegeheime und die Zuhauseversorgung wurde von der AWBZ finanziert; Altenheime wurden von den Provinzen finanziert, daneben gab es viele Experimente, die durch Staat, Provinzen, Gemeinden oder Krankenkassen bezahlt wurden. Wir hatten auch in Holland keine integrale Indikation. Man geht

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von Hü zu Hott und jedes Gesetz, jede Regelung, jede Versorgung hat eine eigene Indikation, seinen eigenen Schalter und seine eigene Bürokratie. Und das alles wirkt nebeneinander her, nicht immer, aber doch oft. Wir hatten falsche Anreize im System der Eigenleistungen der Betroffenen: in den Altenheimen muß man sein Vermögen aufessen, in den Pflegeheimen braucht man das nicht zu tun. Wir hatten auch unterschiedliche eigene Beiträge für Familienversorgung und Familienpflege. Es kam vor in Holland, daß man sich für günstige eigene Beiträge, aber nicht für die richtige Versorgung entscheidet: man wählt ein Pflegeheim, weil das Vermögen nicht aufgezehrt werden soll und nicht für das eigentlich angemessene Altenheim, denn dann müßte man erst das ganze Vermögen aufessen. Wir hatten auch eine Verzettelung in den Zuständigkeiten für die Versorgung, d.h. die Befugnisse waren verschieden, man plante getrennt; man konnte auch Verantwortung abschieben und auch die Verwaltungsrollen waren nicht immer klar und deutlich. All diese Probleme schlucken Energie und Geld, verursachen Bürokratie und lassen Versorgungssysteme nebeneinander arbeiten. Und all die Verschiedenheiten liefern Kompetenzstreitigkeiten. Und darum haben wir eine Modernisierung der Altenversorgung versucht.

Zum ersten gibt es eine Vereinfachung der Finanzierung der Altenversorgung: nur noch eine Finanzierung. Das heißt, daß die ganze Altenversorgung nach den Regelungen des AWBZ geht. AWBZ steht für Allgemeines Gesetz über besondere Krankheitskosten und das ist ein Gesetz, wofür alle Arbeitnehmer in Holland Prämien bezahlen - 7,5 % vom Lohn - und damit wird die AWBZ finanziert und wir haben auch erreicht, daß jeder Arbeitnehmer in Holland, jeder der Geld verdient, an der ganzen Versorgung von den alten Leuten in Holland beteiligt ist. Das heißt die Finanzierung aller Altenversorgung, von der Zuhauseversorgung bis zu psychiatrischen Pflegeheimen und dazwischen die Altenheime und die Pflegeheime. Das gesamte Paket der Altenversorgung in Holland wird damit aus der AWBZ finanziert. Die AWBZ regelt auch, worauf man Anspruch hat: was kann man in einem Pflegeheim bekommen, was in einem Altenheim und wofür steht Zuhauseversorgung ? Das Gesetz bestimmt, welche Leistungen die Altenversorgung beinhaltet.

Wir haben noch zwei andere Gesetzte, die sehr wichtig sind. Das erste ist

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das Gesetz über die Krankenhausversorgung. Das Gesetzt regelt in Holland alle Investitionen für die Versorgung in den Krankenhäusern, aber auch die Pflegeheime und die Altenheime werden durch dieses Gesetz erfaßt; und nicht nur der Neubau, sondern auch die Renovierung. Und das heißt, daß man in Holland kein Altenheim, kein Pflegeheim bauen kann, ohne die Zuständigkeit der nationalen Regierungsbehörde, die dieses Gesetz ausführt.

Wir haben noch ein zweites Gesetz, das sehr wichtig ist, das ist das Gesetz über Tarife in der Gesundheitsversorgung. Dieses Gesetz stellt die Tarife fest; damit will man die Preise regulieren und auch die Makro-Kosten-Kontrolle für die Versorgungen in der Hand behalten.

Und eine dritte Möglichkeit ist sehr wichtig; das ist ein Fonds für Fürsorgeerneuerung. Das heißt, alles was mit Erneuerung der Versorgung, mit neuer Versorgung zu tun hat, wird in einer Regie behandelt und die verschiedenen Subventionen werden in diesem Fonds budgetiert.

Die Modernisierung hat die größten Veränderungen für Altenheime und Selbständiges Wohnen gebracht. Die AWBZ war schon bisher zuständig für die Pflegeheime und auch für die Zuhauseversorgung; ab 01.01.1997 gehen auch die Altenheime integral nach dem AWBZ. Das bedeutet eine große Änderung für die Altenheime, denn damit geht auch das Wohnen und das Versorgen von Altenheimen aus nach dem AWBZ. Sie wissen vielleicht, daß ein Altenheim in Holland eine umfassende Versorgung bedeutet, wo man wohnen und auch die ganze Versorgung bekommen kann. Das ist ein bißchen speziell, denn normalerweise bezahlt die AWBZ nicht für das Wohnen, aber in den Altenheimen bezahlt die AWBZ jetzt auch das Wohnen. Das hat man tun müssen, weil wir eine große Diskussion in Holland gehabt haben, was mit den Altenheimen geschehen soll. Man hat mit dem Gedanken gespielt, die Altenheime aufzuheben, weil zwischen der Zuhauseversorgung und den Pflegeheimen kein Platz mehr für Altenheime zu sein schien; oder anders gesagt, die Altenheime sind ein bißchen wie Pflegeheime geworden. Aber man hat das schließlich nicht getan, weil die Diskussion ergeben hat, daß man in Holland sehr viel Wert darauf legt, daß Altenheime bestehen bleiben und auch im ganzen Paket von Altenversorgung ihren Platz haben.

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Die zweite größere Veränderung gilt den anderen Wohnformen in Holland; wir haben viele Wohnformen: Wohnungen mit Versorgung über eine Zentrale, (ans Heim „angelehnte") Anlehnwohnungen; und diese Kombinationen von Wohnen und Versorgung werden bezahlt aus dem Budget Altenheime oder auch experimentell finanziert, und das muß auch geändert werden. Was wir tun, ist, daß die Versorgung und das Wohnen getrennt werden: Das Wohnen wird unter die Regie vom Volkswohnungswesen gebracht, das heißt, wenn man für das Wohnen selbst bezahlen soll, muß man auch Recht hat auf Wohngeld haben; und wenn man andererseits Versorgung nötig hat in der Wohnung, dann wird das durch die Zuhauseversorgung angeboten, die ja schon in das AWBZ aufgenommen ist.

Eine dritte Veränderung ist, daß wir versuchen, die Wohnungsbaugenossenschaften anzuregen, mehr zu tun für ältere Menschen, d.h. anders zu bauen, Wohnungen anzupassen und speziell gezielte Angebote für Ältere zu machen.

Was wir in Holland auch wollen, ist Zurückhaltung beim Neubau: wir möchten keine Ausweitung der stationären Kapazitäten; nur wenn andere Lösungen nicht möglich oder ungenügend sind, dann möchten wir noch etwas Stationäres zusätzlich anbieten: wir möchten mehr Versorgung und weniger Gebäude. Gebäude kosten Geld, und das kann man besser für Versorgung verwenden. Das heißt, daß wir eine Verstärkung der Zuhauseversorgung in Holland wollen, daß wir mehr Pflegeversorgung in Altenheimen wollen, d.h. daß man nicht mehr in einem Pflegeheim umsiedeln muß, nur weil ein Altenheim normalerweise nicht die Pflegeheimversorgung bieten kann. Dann bringen wir eben auch die Pflegeheimversorgung in die Altenheime. Wir möchten auch die verfügbare freiwerdende Kapazität in Altenheimen nach Umbau für mehr Versorgung nutzen. Das heißt, daß viele Altenheime in Holland umgebaut werden zu besseren Altenheime, mit größeren Zimmern. Das heißt, daß man nicht mehr so viel Plätze hat, aber das Geld für alle Plätze, die man hat, bleibt dort und damit kann man vom Altenheim aus mehr Menschen zuhause helfen; und das ist auch ein Ziel, was wir tun wollen. Die mögliche Ausweitung betrifft nur Psychogeriatrie, da ist viel zu wenig Geld da und dafür brauchen wir auch Gebäude; und wenn wir Geld haben, um

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zu erweitern, dann tun wir das für die Psychogeriatrie. Das alles bedeutet, daß Holland ungefähr die Kapazität der Altenheime und Pflegeheime auf ungefähr 185.000 Plätzen hält; das heißt für 9 bis 10% der alten Menschen.

Wir haben auch einen Fonds für die Erneuerung der Versorgung. Das heißt, daß alle Mittel zur Erneuerung in der Pflege und in der Versorung für alte Menschen in ein Fonds eingebracht wurden und der ist zusammengesetzt aus dem schon geschlossenen Substitutionszuschuß; das waren 166 Millionen für experimentelle Möglichkeiten, Substitution (von stationären Plätzen durch ambulante Angebote) voranzubringen; dies ist nun Teil von dem neuen Fonds. Dann geht das personengebundene Budget von 40 Millionen ebenfalls in den Fonds ein; personengebundene Budget, das sind Mittel in selbstverantworteter Verwaltung: eine Person bekommt Geld und kann damit selbst Versorgung kaufen, die sie nötig hat und haben will. Auch die Sondermittel für Pflegeheime werden in den Fonds getan und auch die Zusatzmittel ab 01.01.1996 für das personengebundene Budget. Das bedeute, daß das Volumen ungefähr 400 Millionen und damit kann man viele Neuerungen in die Politik bringen und das ist auch, was wir wollen. Wie Sie sehen können, bedeutet mehr Geld in Holland also nicht, daß mehr Geld in Richtung Gebäude geht, sondern in Richtung Versorgung.

Ich habe noch etwas aufgeschrieben über das personengebundene Budget. Ich weiß nicht, ob Sie das in Deutschland kennen, aber in Holland kann es so sein, daß man 2400 Gulden bekommt für die Selbstbestimmung der Versorgung; damit kann man selbst (- nein, kein Taschengeld!) die Versorgung, die man braucht, einkaufen. Man kann also selber bezahlen, was man an Versorgung nötig hat. Aber darüber gibt es noch eine große Diskussion in Holland, weil auch festgelegt ist, daß wenn man das Budget bekommt man auch Mitglied in einem Verein von Budgetinhabern werden muß. Und damit kann man auch nicht selbst völlig dieVerwendung des Budgets bestimmen, das muß im Verein geschehen, und das ist nicht immer gut so. Ich denke, daß das Budget und seine Möglichkeiten sich nicht so gut auswirken werden, wie man sich das gedacht hat.

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Wichtig ist auch, daß wir eine regionale Beratung und Abstimmung haben für die Verwendung der Gelder. Das heißt, daß das ganze Geld für die Altenversorgung aus der AWBZ verteilt wird in Holland über 27 Regionen und daß in einer Regio es eine sorgfältige Beratung von regionalen Partnern gibt, die bestimmen, wie das Geld über die verschiedenen Versorgungsangebote in die Regio verteilt werden soll. In der Regio sind es drei Partner: erstens die Anbieter der Versorgung, dann haben wir als zweiten Partner die Finanzgeber und als dritten Partner die Altenverbände in Holland. Das ist das erste Mal, daß die Konsumenten, die Altenverbände, eine Position haben, wo sie mitbestimmen können, was für alte Menschen in einer Regio geschehen soll. Die Partner machen zusammen ein Regioprofil: was muß in dieser Regio für die Altenversorgung geschehen; sie sind auch verantwortlich für das Profil. Leider ist es jetzt aber noch nicht so, daß man die Erstellung eines solchen Profils rechtlich erzwingen kann. Es ist noch immer ein bißchen freiwillig, aber die Provinzen wollen, daß auch dies erzwingbar werden soll. Also das, was man in einem Regioprofil beschrieben hat, was geschehen soll, das soll denn auch wirklich passieren. Jetzt ist es noch so, daß die Finanzgeber das letzte Wort haben; was wir wollen, ist, daß nicht die Finanzgeber das letzte Wort haben, sondern daß die drei Gruppen gemeinsam bestimmen, was geschehen soll, und daß man das auch gesetzlich erzwingen kann.

Holland hat viele gute Versorgungen, aber es hat auch viele eigene Beiträge der Betroffenen. Und auch da wollen wir eine Harmonisierung erreichen. Das heißt, daß man für Altenheime und Pflegeheime in Zukunft nur ein einkommensabhängiges Maximum von 3000 Gulden bezahlen soll; und daß ab 01.01.1997 das Vermögen nicht mehr in Anspruch genommen werden soll, daß man das behalten kann. Die Altenheime sind sehr froh, daß das passiert ist, und haben einen großen Sieg errungen, wie sie sagen. Ich denke, daß wir damit aber auch das Erbe von Kindern finanzieren (aber Greet will noch etwas mehr darüber nachher sagen). Wir werden auch eine Harmonisierung durchführen in der Zuhauseversorgung. Jetzt gibt es zwischen Familienpflege und Gesundheitspflege noch ein unterschiedliches System; das wird auch harmonisiert, so daß man dasselbe bezahlt für ungefähr dieselbe Leistung, die man bekommt. Dasselbe soll auch geschehen zwischen

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Zuhauseversorgung einerseits und den vielen ambulanten und Auffangfunktionen des Alten- und Pflegeheimes; auch da wollen wir eine Harmonisierung der Eigenleistung der Nutzer bekommen.

In Holland gibt es immer Diskussionen, wer wofür verantwortlich ist, welche Behörde und damit haben wir auch jetzt versucht etwas deutlich zu machen: der Staat wird primär verantwortlich in Zukunft für Rahmenbedingungen und Gesetzgebung, für das Schaffen von Bedingungen, für Erleichterungen z.B. in Gesetzgebung und auch für die Anreizsysteme. Das heißt, daß der Staat keine Versorgung mehr anbietet, das alles kann ausgeführt werden in einer Regio. Und der Staat hat nicht mehr zu bestimmen, wie die Versorgung für alte Menschen ausgeführt werden soll. Die Gemeinden haben eine breite Aufgabe für das ganze Paket von Lebenswelt, Wohnung, Wohlsein, Fürsorge; das alles ist für alte Menschen sehr wichtig, um lange zuhause wohnen zu bleiben; dabei haben die Gemeinden viele Möglichkeiten und das muß auch verbessert werden. Die Gemeinden sind auch dafür verantwortlich, daß die Indikationsstellung funktioniert.

Die Provinzen in Holland sind ein bißchen unzufrieden mit der Modernisierung; die Provinzen wünschen eine gesetzliche Grundlage für die Regioverabredungen. Und darüber gibt noch eine große Diskussion, die ist jetzt noch nicht abgeschlossen mit einer deutlichen Antwort. Vielleicht bekommen die Provinzen doch noch, was sie da wünschen.

Zuletzt noch etwas über die unabhängige und objektive Indikationsstellung in Holland. Wenn man in Holland keine Indikation hat für eine Altenversorgung, kann man auch keine Versorgung bekommen: reich oder arm, wer keine Indikation hat, kann auch keine Versorgung bekommen; private Versorgung kennen wir in Holland fast nicht. In Holland kann man also nur über die Indikationsstellung an die Versorgung kommen. Die Indikationsstellung muß unabhängig sein und muß nach objektiven Kriterien festgestellt werden. Das heißt, daß Leute, die nichts zu tun haben mit Anbietern von Versorgung, etwas zu sagen haben. Man geht aus von, was ein alter Mensch an Versorgung braucht; das muß indiziert werden und das muß auch angeboten werden. Organisieren müssen die Gemeinden den Indikationsprozeß; sie sind auch ver-

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antwortlich für Indikationsstellungen und die Indikation soll auch einen breiten Bereich berücksichtigen. Das heißt, daß die Gemeinde auch das Wohnen und die eigene Gemeindepolitik für alte Menschen damit in die Indikation einbringen können und auch mit der gesetzlichen Versorgung Behinderter haben die Gemeinden viel zu tun; und in diesem Gesetz gibt es Versorgungen und Hilfeleistungen für alte Menschen; und auch die Provinzen können zusätzliches für alte Menschen tun. In die Indikation werden auch Hilfsmittel hereingenommen und die Gemeinde ist frei in ihrer Entscheidung, noch andere Formen von Sorge- und Hilfeleistungen, die sie kennt, zur Indikation hinzuzufügen. Man sagt, daß die Indikation breit und integral ist, das heißt ein breites Spektrum von Angeboten wird zusammen betrachtet und das wird auch von einem „Schalter" getan, so daß man einen Adressaten hat, wo man die Indikation erhalten kann. Bisher war die Situation so, daß jede Zielgruppe einen eigenen Schalter hatte, und wir haben gedacht, daß das nicht gut ist, weil Indikation passieren soll für alle Menschen, die alt sind und etwas brauchen. Das war von mir aus, was ich über die Modernisierung erzählen möchte. Greet macht jetzt weiter.

Greet Pels

Ich bin also Greet Pels und arbeite bei einem Altenverband in Südholland und daneben sitze ich für die PvdA im Gemeinderat in Ridderkerk, der Gemeinde, wo wir beide wohnen; und von beiden Gesichtspunkten werden ich jetzt etwas zu dieser neuen von Henk vorgestellten Gesetzgebung sagen.

Er hat gerade erklärt, wie die Gesundheitsreformen in Holland aussehen werden. Es soll eine Fortschreibung sein, es entspricht aber total nicht den Erwartungen, die die Altenverbände davon hatten. Es wurde nämlich im Mai 1994 der Rapport veröffentlich, den ein Ausschuß unter Anführung von einen Herr Welschen zusammengestellt hatte: und deshalb heißt es jetzt der Rapport Welschen. Ihr Auftrag war, Empfehlungen zu schreiben für die Modernisierung der Altenversorgung. Damals haben die Verbände teils positiv, teils mit kritischen Fragen auf der Rapport Welschen reagiert. Ich werde einige Beispiele geben, von dem, was man als positiv erlebt hat, und von den Fragen, die dabei entstanden sind.

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Dann werde ich sagen, was die Meinung der Altenverbände ist über die vorgetragenen Änderungen auf dem Weg zur Modernisierung der Altenversorgung. Danach werde ich noch einige kritische persönliche Bemerkungen machen.

Positiv wurden 1994 die Empfehlungen beurteilt, nicht sofort, also erst später die Anzahl von Altenheimen drastisch zu vermindern angesichts der demographischen Entwicklung. Die Empfehlung, daß unbedingt mehr Geld benötigt werde, um eine verantwortliche und vertretbare Altenversorgung bieten zu können. Ebenso positiv wurde beurteilt, auf dem Gebiet von Wohnen und Versorgung bzw. Pflege nur zwei Säulen anzuerkennen und keine dritte als Mischung zwischen Wohnen und Pflege. Von den zwei Säulen ist die eine das Wohnen mit Versorgung oder Pflege in Heimen, die andere das selbständige Wohnen. Auch die Empfehlung, die Politik auf den Gebieten Wohnen, Sorge und Wohlsein besser gegenseitig aufeinander abzustimmen, wurde begrüßt, weil die Politik gerade auf diesen Gebieten von großer Bedeutung für Ältere ist. Positiv wurde ebenfalls aufgenommen, den Altenverbänden einen festen Sitz in den neuzubildenden Ausschüssen zur Verwaltung der sogenannten Sorgeregionen einzuräumen. Die Niederlande sind nun in 27 Sorgeregionen eingeteilt; die Provinz Südholland in fünf Sorgeregionen; je Sorgeregion wird dann ein Profil erstellt, welche Sorgeangebote, d.h. Krankenhäuser, Pflegeheime, Zuhausehilfe usw. benötigt werden; die Regionssorgeverwaltung sollte für das Zustandekommen verantwortlich sein. Das war also eine Empfehlung.

Man hat kritische Fragen gestellt zur Verbesserung des vorhandenen Wohnungsbestandes und der Wohnumgebung. Zum Inhalt des angemessen und zweckmäßigen Sorgepaketes, das auf dem Gebiet von Wohnen und Versorgung für jedermann erreichbar und bezahlbar sein muß, das noch entworfen werden muß, gibt der Ausschuß keine Empfehlung, in wessen Verantwortung das geschehen soll.

Man hat kritische Fragen gestellt zu der Erwartung des Ausschusses, daß durch Substitution, d.h. Ersatz von z.B. teurer Pflegehilfe durch billigere Versorgungshilfe oder statt Heimaufnahme nur tagsüber Heim-Auffang bei Pflege- und Altenheimen, die verfügbaren Mittel so viel bes-

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ser benutzt werden könnten, daß eine Erhöhung der Mittel für die Hilfe zuhause überflüssig werde. Die Altenverbände fürchten, daß man dabei auf den Hilfeeinsatz der Mantelsorge rechnet, d.h. die Familienangehörigen, die Nachbarn, die guten Freunde, die dann ehrenamtlich und fast umsonst mithelfen, um die Versorgung oder die Pflege zu machen, und die nach Meinung der Altenverbände jetzt schon schwer belastet sind.

Kritische Fragen wurden gestellt nach der Rolle der Versicherer in den Sorgeregionen, die nach der Meinung der Altenverbände in Zukunft sehr dominant werden.

Schließlich gibt es kritische Fragen zu dem Nichtdurchführen bei der Entkopplung von Wohnen und Pflege in Heimen, was einen starken Wunsch von einer großen Anzahl von Organsiationen wie Altenverbände und Organisationen von Heimbewohnern darstellt. Es würde bedeuten, daß Ältere in einem Heim zwei Kontrakte schließen: einmal für das Wohnen und einmal für die Versorgung oder die Pflege. Man erhofft sich dabei, daß man bei zu hohen Wohnlasten - sei es im Altenheim, service-flat oder Seniorenwohnungen - Wohngeld bekommen könnte, was jetzt im Altenheim nicht möglich ist. Und wo man jetzt in einem Altenheim automatisch Anspruch hat auf das ganze Angebot von Haushalts- und Pflegediensten, sie aber meistens nicht ganz abnimmt, weil erwartet wird, daß man das, was man noch selber machen kann, auch tut, man also deshalb oft verhältnismäßig zu viel bezahlt, würde man in diesem neuen System nur für die Versorgung oder die Pflege bezahlen, die man tatsächlich bekommt. Wichtig ist auch, daß die meiste Versorgung oder Pflege unabhängig davon angeboten werden kann, wo man wohnt (das ist allerdings nicht in die Empfehlung eingegangen).

Und dann haben wir mehr als ein Jahr auf diesen Brief gewartet, in dem die beabsichtigte neue Ausrichtung der Altenpolitik bekannt gemacht wird. Die Spannung über den Inhalt war groß, denn die Staatssekretärin Erica Terpstra hatte schon hie und da sich widersprechende Berichte ins Land geschickt. Aber dann im letzten September waren sie da: die Leitlinien „Modernisierung der Altenversorgung". Und natürlich haben sich die Verbände gleich ihrer Aufgabe entledigt und angegeben, was positiv und was kritsch bis negativ erfahren wird.

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Positiv nimmt man auf, daß die Anzahl von Versorgungs- und Pflegeplätzen in Institutionen auf 185.000 aufrecht erhalten bleibt. Weiterhin wird ein sehr alter Wunsch der Älteren erfüllt: der Mensch, der in einem Altenheim oder in einem Pflegeheim wohnt, bezahlt dafür einen eigenen Beitrag lediglich abhängig von seinem Einkommen, aber unabhängig von seinem Vermögen. Das war schon immer so für die Bewohner von Pflegeheimen, es gilt aber ab 01.01.1997 auch für Bewohner von Altenheimen. Sehr viele Ältere und ihre Kinder sind sehr glücklich darüber.

Positiv war auch, daß alle verschiedenen Wohnformen, die es gibt, Anlehnwohnungen, heimverbundenes Wohnen, betreutes Wohnen usw. als selbständiges Wohnen gelten, wobei alle normalen Gesetze anwendbar sind, auch das Recht auf Wohngeld bei sonst gegebenen Voraussetzungen.

Positiv ist, daß die Regierung explizit anerkennt, daß der vorhandene Wohnungsbestand den qualitativen und quantitativen Wünschen von Älteren nicht entspricht. Die Altenverbände sind der Meinung, daß dies zur Errichtung eines Stimulierungsfonds führen soll für das Anpassen und Zugänglichmachen der Wohnungen.

Positiv ist, daß auf lange Frist die Scheidewände in der Finanzierung der Altenversorgung wegfallen werden, d.h. alle Finanzierungen nur noch dem allgemeinen Gesetz besonderer Krankenkosten unterliegen.

Kritisch sind die Verbände aber darüber, daß die Rolle, die die Altenverbände spielen sollen bei der Feststellen, was auf Regionsebene an Sorgemaßnahmen nötig ist, nicht definiert ist. Henk Schippers hat zwar gerade gesagt, sie sind die dritten im Bunde, aber es ist so nicht definitiv festgelegt und es hängt noch von sehr vielen anderen Umständen ab.

Ebensowenig ist sichergestellt, daß Ältere mitbestimmen können, wenn es umd um die Verwendung der Gelder im Fonds „Modernisierung der Altenversorgung" geht. Das entscheidende Wort haben die Versicherer und nur sie bestimmen, wieviele Klienten - jung oder alt - auf welche Weise überhaupt mitreden können. Von den Empfehlungen des Ausschusses Welschen auf dem Gebiet des Mitbestimmens und des direkten

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Einflusses auf die Politik der Sorgeregion der älteren Klienten ist nichts mehr zu finden.

Kritisch ist auch, daß der Zusammenhang der Politik auf den Gebieten Gesundheit, Wohnen und Wohlsein auf regionaler Ebene mangels einer deutlichen Struktur völlig vom Wohlwollen der regionalen Partner und insbesondere der Versicherer abhängig geworden ist.

Die Verbände sind auch kritisch darüber, daß eine Harmonisierung der eigenen Beiträge für das Wohnen in einem Alters- oder Pflegeheim, die zurecht stattfindet, zu einer Erhöhung des Höchstbetrages um 800 Gulden pro Monat führt. Das heißt, der Betrag ist jetzt 2200 Gulden pro Monat und wird ab 01.01.1997 maximal 3000 Gulden pro Monat sein. Dies muß - so meinen die Altenverbände - erst mal diskutiert werden, ob das recht und billig ist.

Die Verbände sind auch kritisch darüber, daß die Unterscheidung zwischen Wohnen und Versorgung nicht bis ins Altenheim durchgeführt ist. Die Altenverbände bedauern es sehr, daß es der Frau Staatssekretärin in diesen Punkt nicht möglich war, ihre Einsicht in Führung zu übersetzen, und daß die Regierung nach Meinung der Altenverbände völlig an dem Problem vorbeigeht des häufig zunehmenden Drucks auf Mantelsorger. Die Verbände warnen da vor einer Überbelastung dieser Gruppe, die vor allem aus älteren Frauen besteht.

Ich hatte zuletzt noch eine Anzahl von persönlichen kritischen Bemerkungen, denn ich bin nicht immer selbst der gleichen Meinung wie die Altenverbände; obwohl wir eine Regierung haben, wo die PvdA mit drin ist, ist es politisch gesehen so, daß der Einfluß der anderen Parteien - besonders der liberalen Partei - sich auch ziemlich bemerkbar macht, und ich habe auch dazu etwas zu bemerken.

Zunächst die Änderung der Politik des Eintritts in die Heime. Der Unterschied zwischen Versorgungs- und Pflegeheime wird auf die Dauer wegfallen. Es wird aber möglich bleiben, daß der Partner eines Klienten mit aufgenommen wird in ein Versorgungsheim. Man muß dann einen Beitrag zahlen in Höhe der Kosten des Aufenthalts und dazu gehören dann

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alle Verwaltungskosten, die Kosten von Wohnen und Essen und vielleicht auch für die Wäsche usw. Und dann ist das für den Partner, der also die Versorgung oder die Pflege nicht braucht, nach meiner Meinung sehr teuer; und Wohngeld sagt man, ist da nicht zu erhalten, denn es ist keine Form von selbständigem Wohnen, wie wenn man in dieser ersten Säule von Wohnen mit Pflege oder Versorgung wohnt. Ich fürchte, daß damit das Wohnen in einem Altenheim mit Partner sehr schwierig wird; das dadurch ausgelöste Zuhauseverbleiben beider Partner wird Effekte haben auf die Mantelsorge, denn „solange wie möglich zuhause bleiben", dazu braucht man nicht in jedem Fall weniger Pflegeeinsatz als beim Umsiedeln in ein Heim.

Zum Zweiten, der Einfluß von Älteren und Klienten auf das regionale Versorgungs- und Pflegeangebot. Was die Teilnahme von Älteren an der Verwaltung der Sorgeregionen betrifft, wird sehr viel abhängen von den Vertretern der Älteren, den Vertretern der Versicherer, den Sorgeanbietern und anderen. Und was die Vertreter der Älteren anbetrifft, habe ich nicht immer das Gefühl, daß wir in den Altenverbänden schon soweit sind, daß wir auch immer den richtigen Vertreter auf den richtigen Platz finden. Obwohl wir sehr viele Mitglieder haben, mangelt es an Leuten, die sich da verantwortlich fühlen und diese Last noch tragen wollen, wenn sie eben schon über 50 oder über 60 sind. Und obwohl nicht gesetzlich festgelegt, liegen da schon viele Möglichkeiten. In Südholland z.B. liegen da schon Ansätze, weil auch die Provinzbehörden das in ihren Plan aufgenommen haben. So hat Südholland gleichzeitig mit diesen neuen Leitlinien der Regierung schon einen neuen Plan gemacht; sie geht darin weiter als die Regierung und steuert auch an, den Altenverbänden darin einen Platz zu geben - und wir als Verbände müssen das jetzt mit aller Kraft realisieren. Leider wird die Provinz nach den Leitlinien nur bis 2001 die Führung in diesen Prozeß haben können, wie Henk schon gesagt hat. Die Provinzen sind unzufrieden, daß sie nach 2001 ihre Rolle auf diesem Gebiet ganz ausgespielt haben werden.

Weiter: der eigene Beitrag. Zum Abschaffen des Heranziehens des Vermögens will ich folgendes sagen: natürlich hat jeder Recht, der sagt, daß es keinen Unterschied geben muß bei der Aufnahme in ein Altenheim oder ein Pflegeheim, was den eigenen Beitrag betrifft, wenn jetzt beide

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Dinge von AWBZ finanziert werden. Wenn man aber sieht, wie die Regierung mit ein bißchen Geld hier und ein bißchen Geld da die Lücke aufzufüllen versuchen muß, die durch diese andere Weise der Finanzierung entsteht, kann man sich schon fragen, ob das so richtig ist. Natürlich ist AWBZ eine Versicherung, und wenn man da Prämie bezahlt hat, hat man das Anrecht auf Leistungen. Viele Ältere und ihre Kinder sind jetzt sehr froh, weil das Vermögen verschont wird und an die Erben weitergegeben werden kann. Und wir haben keine Möglichkeit, daß man Gelder dann später von den Erben zurückfordert. Wenn aber für das AWBZ nicht genügend Geld in die Kassen kommt, steigt die Prämie, die von allen Arbeitenden bezahlt wird, als Prozentsatz bis zu einer maximalen Höhe des Einkommens. Man braucht Prämien nicht auf mehr als 43000 Gulden im Jahr zu bezahlen, alles was man darüber verdient ist nicht beitragspflichtig; wenn man ein sehr gutes Einkommen hat, dann braucht man nur auf diesen unteren Teil des Einkommens Prämie zu bezahlen, aber das muß jedermann bezahlen. Unserem Gefühl nach wird so Solidarität erwartet von allen namentlich auch von den Leuten mit geringem Einkommen, und man geht nicht davon aus, daß die stärksten Schultern die schwersten Lasten tragen. Wenn auch noch das Vermögen verschont wird und weitergegeben werden kann, dann lastet die Volksversicherung nur die untere Hälfte der Einkommensschichtung, und dies ist unserer Meinung nach nicht gerecht.

Zum Schluß noch etwas über die Indikation. Es wird eine landesweit geltende objektive Regelung ausgearbeitet, aufgrund deren Ältere, die versorgungs- oder pflegebedürftig sind, indiziert werden für die benötigte Hilfe oder Pflege. Landesweit objektive Regeln für das Indizieren ohne Rücksicht darauf, ob Organisationen, Heime usw. vorhanden sind oder nicht; das scheint alles recht und billig zu sein. Als aber vor fast 20 Jahren eine Regelung getroffen wurde für das Indizieren von Älteren für die Zulassung in ein Altenheim, galten solche Regeln auch. Wenn man da eine Indikation im Norden des Landes hatte, da konnte man mit dieser Indikation auch im Süden in ein Heim einziehn, wenn man wollte; es hat aber nie geklappt ! Und im Laufe der Jahre wurde deutlich, daß die Frage um Indikation und Versorgung mitbestimmt wird gerade von regional oder örtlich vorhandenen oder fehlenden Angeboten. Im Laufe der Jahre wurde auch immer mehr dezentralisiert auf regionale und

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Gemeindeebene: so ist etwa das Gesetz Versorgung Behinderter bis auf die Gemeindeebene dezentralisiert, andere Dinge sind nur bis auf Regionalebene dezentralisiert und jetzt will die Regierung die Kriterien für die Indikation wieder landesweit vereinheitlichen. Aber auch die Regierung stellt sich vor, daß Sorgeregionen ihre eigenen Pläne machen und daß alle Parteien zusammen festlegen, wofür das Budget in ihrer Region benutzt werden soll. Und deshalb sollte man meiner Meinung nach dann nicht mit landesweit geltenden objektiven Regeln hantieren, sondern sollte sagen, auch die Indikation soll auf Regionalebene geschehen, damit man das tut, was richtig für diese Menschen dieser Region ist. Aber es ist anders vorgesehen und wir werden noch sehen, wie das ausgeht.

Braun

Einen Vorschlag, wie wir die Zeit, die uns weggelaufen ist, einfach wieder einfangen: Wir machen jetzt 20 Minuten Kaffeepause und 10 vor 11 kommen wir dann zu einer kurzen Nachfragerunde wieder zusammen.

Braun

Mit Erleichterung habe ich gerade festgestellt, daß die wichtigsten Fragen alle schon in der Pause mit den beiden niederländischen Kollegen besprochen wurden; sie sind sogar auch noch bereit, neben dem Essen her weitere Fragen zu beantworten und zum Dritten gebe ich den Hinweis: ihre Ausführungen liegen ja auch schriftlich vor (und es macht sicher Spaß so ein bißchen wie in einem Quiz deutsch-niederländische Begrifflichkeiten dann da für sich selber richtigzustellen. Aber meistens kommt man schon drauf, was bei uns gemeint ist. Vor einem Jahr haben wir mal versucht so eine gemeinsame Wörterliste zu machen, das werden wir fortsetzen. Aber es ist immer ganz nett und ich finde, manche Sachen kann man nicht übersetzen: diese schönen Wort von der Sorge und von der Mantelsorge und dem Auffang, die sind so hübsch, daß man sie unübersetzt läßt).

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Jetzt haben wir als nächsten Herrn Scharf. Verfahren wie gehabt, das Gerät ist da, bitte sehr.

Dr. Thomas Scharf

Danke. Als kurze Vorstellung, ich bin wissenschaftlich eigentlich ein Mischtyp, also zugleich Germanist, Politologe und auch Gerontologe. Zu diesem Zweck bin ich zur Zeit damit beschäftigt, ein Buch zu schreiben über Alte und Altenpolitik in Deutschland für ein englischsprachiges Publikum. Aber heute bin ich eigentlich dabei, um einige Worte über die Reformen des britischen Gesundheitssystems in den letzten Jahren zu sagen. In meinem Beitrag werde ich im wesentlichen vier Aspekte behandeln: erstens möchte ich unser Gesundheitssystem in internationaler Perspektive behandeln, also einige Zahlen, wobei ich Sie nicht überfordern möchte damit; zweitens werde ich auf die Grundprinzipien des britischen Gesundheitswesens aus der ersten Nachkriegszeit eingehen; drittens werde ich die Organisationsstruktur des Gesundheitswesens behandeln und dann viertens auf die Reformen eingehen, die seit den Achtzigern eingeführt worden sind. Also es gab auch zwischen Ende der vierziger und Anfang der achtziger Jahre wichtige Reformen, aber also für heute sind die eigentlich weniger wichtig.

Also zuerst zum internationalen Vergleich. Es ist eigentlich immer schwierig, wo man einen Vergleich anstellen sollte, und ich fange mit dem an, was wir gerne „outcome" nennen, das was am Ende herauskommt, also der Lebenserwartung. Das ist natürlich also kein perfekter Bemessungsmaßstab. Aber hier sieht man, daß es eigentlich zwischen den Ländern, die hier vertreten sind, ich habe die Länder extra ausgesucht, kaum große Unterschiede gibt in der Lebenserwartung. Wie die Verbindung eigentlich zwischen Gesundheitswesen und dem, was am Ende herauskommt, also wie diese Verbindung aussieht, das scheint keine so wesentliche Rolle zu spielen. Und jetzt komme ich dann auf die Gesundheitsausgaben derselben Länder. Diese Daten sind eigentlich schon ein bißchen alt, aber es ändert sich in diesem Bereich, also es ändern sich in diesem Bereich nur allmählich die Werte. Und hier sieht man, daß wir in Großbrittanien ein relativ billiges System haben. Ein sehr günstiges, was man durch die verschiedenen Ziffern gleich sehen

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kann. Der Vergleich zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA ist natürlich sehr interessant, weil immer angenommen wird, daß wir uns in diese Richtung bewegen. Das ist auch eigentlich ein Grund dafür, warum Frau Thatcher im Gesundheitsbereich keine Revolution durchgesetzt hat, weil auch sie festgestellen konnte, daß das staatliche Gesundheitswesen eigentlich das allerbilligste war auf der Welt. Also wenn man tatsächlich die Gesundheit der Bevölkerung verbessern möchte, gibt es natürlich auch andere Systeme. Aber sie wollte daran eigentlich nichts Fundamentales ändern, sondern nur reformieren. Also keine Revoluation sondern eine Reform des Gesundheitswesens. Diese Anteile hier, die öffentlichen Mittel, die für das Gesundheitswesen ausgegeben werden, das ist auch nicht korrekt, weil bei uns zusätzlich zu diesen 87 Prozent weitere 8 Prozent kommen, die auch eigentlich staatliche Mittel sind. Also mit Ausnahme der vier Prozent Beiträge der Einzelnen, ist das ein rein staatliches System, das wir in Großbritannien entwickelt haben. Ich weiß nicht, wie das in den anderen Ländern ist, ob diese Zahlen auch eigentlich die richtigen Zahlen sind. Also soweit zum internationalen Vergleich.

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Jetzt zu den Grundprinzipien des britischen Gesundheitswesens. Neben den sozialen Sicherungssystemen besteht ab 1948 ein universelles Gesundheitswesen in Großbritannien, das auf zwei Grundprinzipien beruht. Erstens - das haben wir schon gesehen - wird das System überwiegend durch staatliche Steuereinnahmen finanziert; also nicht durch Eigenbeiträge, auch nicht nach dem Versicherungsprinzip, sondern durch Steuereinnahmen, vor allem Einkommenssteuern. Zweitens ist die Inanspruchnahme der Leistungen des britischen Systems für den Einzelnen, für den zu behandelnden Patienten direkt kostenlos. Das System richtet sich prinzipiell nach dem Bedarf und nicht nach dem Einkommen des Patienten, auch nicht nach seiner sozialen Stellung. Das war eigentlich eine sehr wichtige Neuerung im britischen System, denn vor dem Krieg gab es keine so gute Regelung, man mußte schon viel mehr selber bezahlen, die Deckung der Risiken, der Zugang zum Gesundheitssystem war für viele sehr schwierig. Fast fünfzig Jahre nach Gründung des National Health Service haben diese zwei Grundprinzipien immer noch Gültigkeit, obwohl an den Rändern des Systems bestimmte Einschränkungen stattgefunden haben. Es sind auch viele Änderungen unternommen worden; die Änderungen werden natürlich immer von starken politischen Kontroversen begleitet und es ist für den Einzelnen eigentlich kaum durchschaubar, was diskutiert wird. Die Oppositionsparteien und die Gewerkschaften sagen immer, daß die zwei Grundprinzipien in Frage gestellt werden; das läßt sich eigentlich mit dem besten Willen nicht beweisen. Diese Grundprinzipien bestehen immer noch. Ich werde später über mögliche Einschränkungen der Grundprinzipien etwas sagen, aber zuerst zur Organisationsstruktur.

Ich glaube es ist nicht sinnvoll, über die Organisationsgeschichte des britischen Gesundheitswesen sehr viel zu sagen. Ich möchte bloß die traditionelle Form des Systems darstellen, um zeigen zu können, wie stark eigentlich die Reformen der achtziger und neunziger Jahre gewesen sind, also daß das System jetzt wirklich ein anderes ist, als das alte. Das System war von Anfang an eigentlich ein Kompromiß zwischen der Regierung einerseits und den Ärzten andererseits. Wir haben gestern aus den Vereinigten Staaten schon gehört, welche Rolle die Ärzte spielen. Also diese Diskussion hatten wir schon Mitte der vierziger Jahre in Großbritannien. Die Ärzte fürchteten damals den Verlust ihrer Kompe-

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tenzen, ihrer Vorrechte. Und der Kompromiß, der ausgearbeitet wurde, bedeutete, daß ein System in Großbritannien aufgebaut wurde, das überwiegend von den Ärzten selbst kontrolliert wurde. Und für die Regierung war wichtig, daß sie halt ein billiges System bekommen hat. Die Ärzte haben das alles kontrolliert, aber die Regierung konnte bestimmen, wieviel Geld dafür im Ganzen ausgegeben wird. Dieser Kompromiß wurde eigentlich kaum dadurch geändert, daß es im Laufe der Jahre verschiedene Reformen gegeben hat, vor allem in den Siebzigern die Einführung einer Art strategischen Gesundheitsplanung durch verschiedene administrative Reformen, die auch die ganze Sache kompliziert haben. Das britische System ist aber im Grunde genommen ganz einfach: es gab ein Vertrag zwischen regionalen Gesundheitsbehörden und Ärzten, die dann wiederum eine bestimmte Stundenzahl für das Gesundheitswesen leisten mußten und in der übrigen Zeit konnten sie ihre eigenen Privatpatienten betreuen. Daß es überhaupt soviele private Patienten gegeben hat im britischen System, lag überwiegend daran, daß es eine latente Rationierung gegeben hat, eine Rationierung über Wartelisten: Wartelisten für eine medizinische Behandlung, vor allem für die stationäre Behandlung. Wenn man Geld hatte, konnte man durch den gleichen Arzt sehr schnell behandelt werden. Wenn wir jetzt über Reformen im britischen Gesundheitswesen sprechen, muß man immer daran denken, daß das Prinzip der Gleichheit eigentlich nie oder nur in beschränkter Form vorhanden war. Es gibt eine gewisse Nostalgie innerhalb der Oppositionsparteien über das, was in der Vergangenheit exisitierte. Das exisistierte eigentlich nicht oder nie oder nie in dieser Form. Das eigentliche Gesundheitsangebot war sehr breit angelegt: im Primärbereich gab es die Hausärzte, das was wir „general practitioners" nennen, GP’s; es gab auch Gemeindeschwestern, Augenärzte, Zahnärzte, die alle so einen ähnlichen Vertrag mit dem Staat hatten; und im Sekundärbereich - der wiederum über die Hausärzte zugänglich war, der Hausarzt war immer der Torhüter, der gatekeeper - im Sekundärbereich gab es die Krankenhäuser, wo man spezialisierte stationäre Behandlung erwarten konnte.

Und jetzt zu den verschiedenen Reformen. Das britische Gesundheitswesen ist ständig von kontroversen Diskussionen begleitet worden, die auf die Unterfinanzierung des Gesundheitswesens rausgelaufen sind. Es

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stimmt schon, daß das System zu billig konzipiert wurde; aber die Kosten, die immer gestiegen sind, sind nur zum Teil zu dämpfen. 70 Prozent der Ausgaben sind eigentlich Lohnkosten. Die Alterung trägt nur zum Teil dazu bei, daß das Gesundheitswesen teurer wird. Wir haben auch gestern sehr schön gesehen, daß die Alterung der Bevölkerung eigentlich keine Katastrophe sein muß. Es gab aber immerhin Konsens, daß eine Notwendigkeit bestünde, Reformen einzuführen, um die Kosten zu dämpfen. Diese Reformen kamen dann in zwei Phasen: die erste Phase war die Einführung von betriebswirtschaftlichen Strukturen, des sogenannten „general managements"; und die weit wichtigere Reform, die erst seit ein paar Jahren zustande gekommen ist, ist die Etablierung von einem internen Markt im britischen Gesundheitswesen. Das ist auch zum Teil vergleichbar mit Modellversuchen in den Vereinigten Staaten bzw. die ganze Entwicklung basiert auf wissenschaftlichen Untersuchungen, die in den Staaten vorgenommen wurden. Die Reformen sind nicht immer die schlechtesten: Autonomie der Patienten selber erhöhen; man möchte mehr Flexibilität auf den verschiedenen Seiten des Gesundheitsmarktes entwickeln; man möchte auch die Vorteile des Wettbewerbes genießen, was natürlich alle auch zur Kostendämpfung führen sollte.

Der interne Markt als die eigentlich wichtige Entwicklung ist auch wiederum ganz einfach: man kann das ganz simpel erklären; wie das in der Praxis aussieht, ist natürlich wieder eine ganz andere Sache. Es gibt jetzt prinzipiell eine sehr starke Trennung zwischen den sogenannten „purchasers" und den „providers", also zwischen den Anbietern von Dienstleistungen im Gesundheitsbereich auf der einen Seite und den Finanzierern auf der anderen Seite; man kann in diesem Sinne nicht von Konsumenten sprechen, sondern von demjenigem, der für die Leistung bezahlt. Hier ist der Vergleich mit den health maintenance organisations in den Vereinigten Staaten angebracht. Übrigens wurde die gleiche Trennung zwischen Anbietern und Bezahlenden auch in den Sozialdiensten zum gleichen Zeitpunkt eingeführt. Die Trennung ist, wie gesagt, einfach; es gibt im Prinzip drei Gruppen: das sind die district health authorities, die lokalen Gesundheitsbehörden, es gibt die Hausärzte, die auch über ein eigenes Budget verfügen, und es gibt drittens in diesem Bereich die privaten Patienten, die es auch immer gegeben hat, die zugleich Zahler sind. Auf der anderen Seite gibt es drei Typen von

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Anbietern. Das sind ersten die Krankenhäuser, die noch unter Kontrolle der lokalen Gesundheitsbehörde sind, zweitens eine neue Form von Krankenhäusern, die sich als unabhängige Trusts etabliert haben, und drittens auch private Einrichtungen. Die Unterschiede zwischen diesen Gruppen sind z.T. komplex; Ich werde spezielle Fragen später beantworten, weil es jetzt etwas kompliziert geworden ist. Die Verhältnisse zwischen den verschiedenen Bereichen werden dann durch Verträge geregelt. Es gibt Verträge zwischen den Hausärzten, die das eigene Budget kontrollieren, und Gesundheitsanbietern nicht nur lokalen sondern auch regionalen oder überregionalen Anbietern. Es hängt vom Hausarzt ab, wo er für seine Patienten eine Leistung in Anspruch nimmt. Es gibt auch gewisse Einschränkungen, wenn Hausärzte diese Leistungen in Anspruch nehmen möchten; nur bestimmte Leistungen können überhaupt in Anspruch genommen werden und es gibt auch eine finanzielle Obergrenze, um die Ärzte eigentlich zu schützen: wenn jemand mehr als 5000 Pfund im Jahr kostet, dann bezahlt halt die lokale Gesundheitsbehörde das übrige Geld, was darüber hinaus aufläuft. Nicht alle Hausärzte haben Budgetrechte, sind jetzt foundholders geworden, aber die Entwicklung ist so, daß innerhalb von wenigen Jahren die meisten die Vorteile davon akzeptieren müssen, auch wenn sie das nicht wollen. Das ist eine Entwicklung, die sehr schnell verlaufen muß, weil Patienten, die einer solchen Praxis nicht angehören, in Zukunft benachteiligt werden. Wir sind jetzt in einer Übergangsphase eigentlich. Auf der Seite der Anbieter gibt es unterschiedliche Preise für bestimmte Behandlungen, das ist nicht wie in Deutschland, wo es einen Satz gibt, wie teuer eine spezifische Behandlung ist, und diese Preisunterschiede sind zum Teil ganz beträchtlich; sie werden auch öffentlich bekanntgegeben; es gibt eine neue Zeitschrift „GP Fundholder" wo diese Preise alle aufgelistet werden und wo der Arzt entscheiden kann, wo er am besten, wo er am billigsten seine Patienten behandelt sehen möchte. Als Beispiel: eine Thyroidectomy (Kropfoperation) konnte in Südwest-London 1992 zwischen 994 und 2139 Pfund kosten, also mehr als das Doppelte.

(Zwischenruf: Also unterschiedliche Gebührenordnungen ?)

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Braun

Nein, keine Gebührenordnung !

Scharf

Überhaupt keine, das ist der freie Markt. Der Anbieter entscheidet, wie teuer die Behandlung sein soll und dann richtet sich der Hausarzt danach. Das führt natürlich, kann man mit recht einwenden, zu einer Fragmentierung des Gesundheitswesens, daß es unübersichtlich wird für den Patienten und für den Arzt. Daß es auch Probleme geben wird betreffend des Zugangs zu medizinischer Behandlung. Das stimmt alles; und es gibt auch Fälle, wo Menschen nicht behandelt worden sind, weil die Behandlung auch zu teuer ist oder als zu teuer erachtet wird. Aber wenn man das mit dem früheren System vergleicht, ist das schon viel offener geworden, weil man halt darüber sprechen kann. Da war das Experiment in Oregon schon eigentlich ganz wichtig, daß man sehr offen über die Gesundheitskosten sprechen muß, also zu sprechen lernen muß, auch wenn man später entscheidet, daß man diese Entwicklungen rückgängig machen sollte, weil der Zugang zu stark beeinträchtigt wird. Es ist auch deswegen jetzt schwierig über die Entwicklung des Gesundheitswesens in Großbritannien überhaupt zu sprechen, weil das regional so unterschiedlich geworden ist, daß kaum einer den Überblick bekommt. Aber es gibt auch Vor- und Nachteile, wobei gesagt werden muß, daß das alte System wesentliche Nachteile hatte. Zu den Vorteilen gehören die wachsende Autonomie der Patienten, wobei bestimmte Patienten gleicher sind als andere, aber das ist keine bloße Frage des Alters oder der sozialen Stellung sondern eher eine Frage der Region oder der lokalen Gegebenheiten. Die Krankenhäuser und auch die Dienstleistungen, die in Anspruch genommen werden können, sind viel mehr auf den Patienten zugeschnitten, das ist auch von großem Vorteil. Man mußte das alte System kennen, um diesen Vorteil eigentlich genießen zu können. Die Frage, ob das neue System efffizienter ist, läßt sich nicht so einfach beantworten. Die administrativen Kosten sind auf jeden Fall enorm gewesen. Auf der anderen Seite gibt es Nachteile, vor allem wird das Bedarfsprinzip in Frage gestellt, also ob der Bedarf an Gesundheitsleistungen eigentlich das Wichtigste ist. Hier richten sich die Leistungen mehr nach Nachfrage

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und nicht nach dem Bedarf. Auch die Frage der Fragmentierung des Gesundheitswesens ist kritisch beurteilt worden.

Ich komme jetzt ganz kurz am Ende zu dieser „setting limits"-Kontroverse. Ich habe auch versucht, dazu überhaupt etwas zu finden. Das scheint in der britischen Diskussion bis jetzt keine Rolle zu haben, auch in unserer Universitätsbibliothek gibt es kein Exemplar des Buches von Callahan, obwohl wir auch einen Gerontologiekurs haben; das scheint keine wesentliche Rolle zu spielen. Hier auf dieser Folie sind die Gesundheitsausgaben in den verschiedenen Altersgruppen aufgelistet, nur um zeigen, daß halt, was wir schon wissen, daß ältere Menschen etwas mehr kosten, wobei aus der Diskussion gestern für mich klar wurde, daß es eigentlich das Sterben ist, was teuer ist und nicht das, was dazwischen kommt. Und wenn man diese Zahl aus den Ziffern herausnehmen könnte, dann hätte man vielleicht - ich weiß nicht, ob ich hier naiv bin - einen besseren Vergleich zwischen den verschiedenen Altersgruppen. Es gibt Einschränkungen im Gesundheitswesen, die auch Grundprinzipien des Gesundheitswesens in Frage stellen, die für ältere Menschen einen besonderen Wert haben. Da ist zuerst ein erschwerter Zugang zur stationären Behandlung und eine wachsende Inanspruchnahme von nicht kostenlosen Pflegeheimplätzen außerhalb des Gesundheitswesens. Das läuft jetzt oft über den Hausarzt. Also die Hausärzte spielen hier eine sehr kritische Rolle, weil sie das ganze System eigentlich in Frage stellen; oder bestimmte Ärzte stellen das System in Frage und umgehen das System. Menschen, die früher ins Krankenhaus gekommen wären, kommen jetzt direkt ohne eine stationäre Behandlung in ein Pflegeheim, auch wenn sie eigentlich stationär behandelt werden sollten. Dabei wissen nicht alle, daß sie für das Pflegebett im Pflegeheim selber aufkommen müssen. Das ist eine sehr kritische Frage; ich kenne viele Beispiele dafür, meine Frau ist in diesem Bereich tätig und hat da direkte Erfahrungen. Es gibt auch eine Einschränkung über die Wartelisten für bestimmte öffentliche Leistungen, die dann wiederum privat bezahlt werden müssen, vor allem im Bereich von medizintechnischen Dingen, die das Leben zuhause erleichtern könnten, von Sachen, die bisher vom Gesundheitswesen angeboten wurden, aber jetzt wegen der langen Wartelisten privat bezahlt werden müssen.

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Viel mehr wollte ich zum Gesundheitssytem nicht sagen. Ich nehme an, daß es viele Fragen gibt, weil diese Entwicklung nicht nur positiv oder nicht positiv ist, vielleicht Ihrer Meinung nach. Aber ich sehe das nicht so pessimistisch, ich glaube, daß die anderen Länder in Europa auch irgendwann ein vergleichbaren Weg beschreiten werden, ob sie wollen oder nicht.

Braun

Vielen Dank.

Kruse

Ich habe eine Frage wegen der unterschiedlichen Preise der Krankenhäuser und der Zuweisung der Patienten in möglichst billige. Es gibt ja verschiedene Kriterien, wonach ein Patient normalerweise in ein Krankenhaus bei uns geht. Einmal möchte er gerne in seinem lokalen Krankenhaus sein, wo er besucht werden kann, oder, bei speziellen Erkrankungen, sucht er ein Krankenhaus, das auf diesem Gebiet als besonders gut bekannt ist. Wie verträgt sich das nun mit der Zuweisung zu den billigsten ?

Scharf

Das wird jetzt vom Markt geregelt. Dabei gibt es Plus- und Minuspunkte: wenn man schnell behandelt werden möchte, wenn man krank ist, dann muß man schon abwägen, ob man warten möchte auf ein Bett in dem nächsten Krankenhaus oder ob man schneller behandelt werden möchte in einem anderen Krankenhaus. Da wird dann vom Arzt hoffentlich mit dem Patienten über die verschiedenen Möglichkeiten gesprochen.

Kruse

Und die Qualität ?

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Scharf

Die Qualität, das wird auch über Marktmechanismen bemessen, die das kontrollieren können. Die Patienten gehen dorthin, wo auch die Qualität gut ist; man geht nicht dorthin, wo die Qualität schlecht ist.Das wissen auch die Ärzte, weil die Hausärzte pro Kopf eine bestimmte Summe bekommen und die Patienten haben auch die freie Arztwahl haben. Wenn sie nicht gut behandelt worden sind, können sie einen anderen Arzt aussuchen. Im Prinzip, natürlich in den ländlichen Gebieten ist die Frage ganz anders, der Zugang ist nicht so gut; aber die Entwicklung als solche ist nicht schlecht.

Schmidt-Nebgen

Herr Dr. Scharf, ich würde gerne wissen, die betreuenden Hilfsorganisationen in England, welche Rolle spielen sie im Gesundheitssystem ? Ähnlich wie unsere Sozialstationen ? Das zweite ist, wo sind die Hospize, die Hospizbewegung kommt ja aus England, wo sind die eingegliedert ins Krankenhaus ? Gibt es eine Pflichtkrankenversicherung überhaupt nicht ?

Scharf

Also die letzte Frage kann man mit Nein beantworten. Das war die einfachste. Die Hospizbewegung, ich habe das rumgedreht, aber die Hospizbewegung ist in Großbritannien ziemlich weit verbreitet und auch unterschiedlich verankert. Es gibt direkt in Krankenhäusern auch Gruppen von Spezialisten, die für die Betreuung von Sterbenden verantwortlich sind; es gibt auch privatfinanzierte Hospize, die auf Spenden angewiesen sind, aber die wiederum sehr erfolgreich sind; und es gibt auch die ambulante Versorgung und ambulante Hospizteams; die meisten Menschen, die in dieser Form behandelt werden, werden zuhause behandelt; über 100000 im Jahr.

Braun

Das ist doch keine Leistung des Gesundheitswesens, oder doch ?

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Scharf

Das ist unterschiedlich. Es wird zum Teil vom Gesundheitswesen finanziert, es kommt darauf an; es gibt innerhalb von staatlichen Krankenhäusern auch diese Einrichtung, die dann staatlich finanziert wird; es gibt auch andere, die dann auf andere Mittel angewiesen sind, eher unabhängig vom Staat sind. Und die erste Frage war nach den Verbänden; den ehrenamtlichen Mitarbeitern. Die Wohlfahrtsverbände haben wir in dieser Form nicht. Wir haben aber ein wachsenden Wohlfahrtsmix, wie das in der Fachsprache heißt, wo es neben staatlichen Dienstleistungen auch private und freiwillige Dienstleistungen gibt, dabei ist der Patient oft der direkt Bezahlende. Die Einkommen der Einzelnen werden dann in Betracht gezogen wegen der Finanzierung. Das ist vergleichbar mit den Entwicklungen im gesamten Gesundheitswesen, wo es halt Marktregeln gibt. Der Einzelne ist jetzt viel mehr gefordert als in der Vergangenheit, was aber auch nicht immer schlecht ist. Die Familien haben schon eine wichtige Rolle hier zu spielen bei älteren Menschen, aber man muß auch langfristig denken und ich glaube, daß die Alten der Zukunft das System schon so kennen werden, damit auskommen werden, wie man Dienstleistungen aus den verschiedenen Spektren kombiniert.

Backhaus-Maul

Du hattest Dich vorhin sehr positiv geäußert zu diesem Warenkatalog, also einem Katalog, der auflistet, welche Leistung kosten wo was. Und anhand dieses Kataloges kann dann der Hausarzt auswählen, wo schicke ich meine Patientin oder meinen Patienten hin. Das klang irgendwie positiv, so mit der Bemerkung, Kostentransparenz ist ja an sich auch was schönes. Bloß stellt sich für mich jetzt die im Grunde schlichte Frage, gibt es in Großbritannien denn noch eine Diskussion, eine öffentliche Diskussion über sogenannte schlechte und gute Risiken, was gehört zu so etwas wie einer, wenn es das gibt in Großbritannien, einer Solidargemeinschaft dazu, was wollen wir eigentlich versichern, wer ist selber schuld, wer sollte das auf seine eigene Kappe nehmen. Gibt es solche, wenn man das salopp sagt, entsolidarisierenden Diskussionen in Großbritannien ?

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Scharf

Diese Diskussion gibt es bestimmt und es gibt auch Fälle, wo Hausärzte Patienten abgemeldet haben, weil die Patienten zu teuer sind; es gibt diese Wahlfreiheit auf beiden Seiten mit allen Nachteilen. Man kann sich aber beschweren; lokal, es gibt eine Form von community health councils, wo das ganze Gesundheitssystem der Region überwacht wird, was wo passiert. Und die haben auch die Pflicht, Patienten unterzubringen. Da muß wahrscheinlich der Arzt wieder diese Patienten annehmen. Das ist nicht immer nur eine Frage des Geldes sondern auch der Verhältnisse zwischen dem Arzt und dem Patienten. Wichtig ist auch, wenn der Arzt für einen bestimmten Patienten nichts mehr tun kann, dann hat der Patient selbst die Möglichkeit, einen anderen Arzt auszusuchen. Das ist nicht immer eine Frage der Krankheit oder des medizinischen Zustandes des Einzelnen, sondern der persönlichen Beziehung zwischen den beiden.

N.N.

Vor ein paar Monaten ging durch deutsche Zeitungen der Bericht über ein leukämiekrankes Mädchen, bei dem die Knochenmarksübertragung abgelehnt wurde und auch durch höchstrichterliche Entscheidung und über private Finanzierung, Spenden, wurde dann das Leben gerettet. Können Sie dazu was sagen ?

Scharf

Das ist eigentlich eine Schande gewesen. Darüber wurde auch in den letzten Tagen wieder berichtet, da hat das Mädchen selbst sich öffentlich gemeldet. Anfang des Jahres wurde herausgestellt, daß die lokale Gesundheitsbehörde für die Behandlung dieses Mädchens kein Geld mehr hatte oder meinte kein Geld mehr zu haben, weil die Prognose für das Mädchen gleich Null lag. Da ist der Vater an die Presse gegangen mit der Geschichte, hat die Gelder privat eingeworben und das Mädchen ist dann experimentell behandelt worden, das war keine erprobte medizinische Behandlung. Und jetzt sind die Überlebenschancen des Mädchens bei 30 Prozent und das wird wieder privat finanziert. Das ist eigentlich eine Schande und hier ist also der Spruch der Solidarität der

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Generationen eigentlich angebracht. Das ist nicht immer eine Frage des Alters, wie wir das auf dem Forum haben, sondern das ist so eine Frage der Solidarität zwischen den Generationen.

Braun

Es tut mir leid, daß ich jetzt einen harten Sschnitt mache; also vielen Dank Herr Scharf. Wir kommen jetzt zum nächsten Beitrag von Frau Dr. Lieberherr, sie hat das Mikro bereits geangelt.

Dr. Emilie Lieberherr

Ja, meine lieben Anwesenden, ich möchte mich auch ganz rasch vorstellen. Ich heiße Emilie Lieberherr, komme aus Zürich, aus der Schweiz. Ich war 24 Jahre lang Mitglied der städtischen Regierung. Der Stadtrat besteht aus neun Mitgliedern, jeder hat ein großes Dezernat, ich hatte das Sozialwesen 24 Jahre lang. Ich wurde damals als erste Frau gewählt, die es in der Schweiz in ein derartiges Amt gebracht hat, das sind ja immer Volkswahlen bei uns. Zu meinem Ressort gehörte der ganze Bereich der Senioren, aber nicht das Gesundheitswesen. Aber der ganze Bereich der Senioren, die finanzielle Sicherstellung der Senioren, die Beratung der Senioren, die Altenwohnungen, die Altenheime, die Seniorenzentren, die Aktivierung, die Seniorenverpflegung und die Seniorenrestaurants, die bei uns sehr gut vertreten sind. Gleichzeitig war ich sechs Jahre währenddem ich im Stadtrat, also in dieser Regierung war, in Bern im Ständerat, das ist die sogenannte Kleine Kammer. Wir haben das Zweikammersystem: die Volksvertretung im Nationalrat und den Ständerat; das würde dem Senat in anderen Ländern etwa in Amerika entsprechen. Jeder Kanton entsendet zwei Mitglieder und ich vertrat also - vom Volke gewählt - den Kanton Zürich. Mit dem Schlagwort „24 Jahre sind jetzt endlich genug" habe ich mich dann im letzen Jahr nicht mehr der Wahl gestellt, habe aber gleich einen Monat später das Zentralpräsidium des Schweizerischen Senioren- und Rentnerverbandes übernommen. Das ist der größte Rentnerverband in der Schweiz; wir vertreten etwa 40000 Rentner. Als ich eben dieses Amt übernahm, versuchte ich, auch die politischen Dimension in diesem Verband etwas zu verstärken, weil ich mich schon immer als Anwältin der Senioren in

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meiner politischen Tätigkeit verstand; das war einigermaßen klar. Das ist aber nicht so leicht; in einem derartigen Verband kommen Leute zusammen aus allen möglichen Lagern und ich komme dann manchmal etwas in Schwierigkeiten. Als in diesen Sommer zum Beispiel die große Abstimmung über die 10. AHV-Revision war, also die eidgenössische Altersversorgung, stellte ich mich auf die Seite der Gewerkschaften in der Schweiz. Ich sprach auch an der großen öffentlichen Veranstaltung in Bern; das hat natürlich einigen Leuten im Rentnerverband nicht so gepaßt. Ich glaube, das ist eben die Schwierigkeit, die politischen - na sagen wir so, die sachlichen - Anliegen der Rentner politisch umzusetzen. Die könnte man nämlich nur als Vertreter der Linken umsetzen, muß ich jetzt hier ganz offen sagen. Wenn jemand vom bürgerlichen Lager kommt, haben die natürlich nicht die gleichen Ansichten, aber nachdem ich schon immer der Meinung war, ich dürfe sagen, was ich denke, mache ich es auch heute noch so. Also das zu meiner kleinen Biographie.

Wenn ich schon beim Politischen bin, müssen wir auch ganz klar sehen, daß die Schweiz eben auch ein anderes politisches System hat als verschiedene andere Länder; das ist mir heute morgen wieder sehr klar geworden. Die Schweiz ist ein föderalistisches Land, sie hat Kantone, die sehr viele Kompetenzen haben. Wir haben eine ausgedehnte kommunalpolitische Autonomie und wir haben die Aufgaben ziemlich klar aufgeteilt: der Bund ist zuständig z.B. für die finanzielle Sicherheit, für die AHV, die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung; die Kantone sind zuständig für das Gesundheitswesen, der Bund hat sich hier bis jetzt nur subventionsmäßig engagiert; und das ganze Fürsorgewesen liegt bei den Gemeinden. Auch zum Nachteil der Gemeinden, weil jetzt gerade während der Rezession die Lasten der Gemeinden natürlich ungeheuer groß sind. Der ganze Bereich der Alterswohnungen und Altersheime, all dies muss z.B. von der Gemeinde selber getragen werden. Der Kanton gibt nur einmalige Baubeiträge aber keine Betriebsbeiträge. Aus diesem Grund haben wir als soziale Stadt Zürich, habe ich sehr viel machen können zu einer Zeit, als das Geld noch fleißiger floß. Es gibt so Leute in Zürich, die mir sagen, Sie sind gegangen als das Geld nicht mehr so reichlich floß. Aber das ist nicht wahr; ich war noch dort, ich habe die harten Jahre auch noch mitgemacht, also das stimmt natürlich nicht, das

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sind so böse bürgerliche Unterstellungen, um das einmal so zu sagen. Also wir haben also dieses föderalistische System. Wir haben auch eine stark ausgebaute direkte Demokratie, auch das muß man sagen. Jedes Gesetz, das im Parlament in Bern angenommen wird - wir, die Linke hat ja nicht eine Mehrheit in der Schweiz - kann mit einem Referendum, das rasch ergriffen werden kann, wieder zu Fall gebracht werden. Deshalb hatten wir zwei wichtige Abstimmungen im Laufe eines Jahres, weil Referenden ergriffen wurden, einmal die Krankenpflegeversicherung auf die ich dann speziell komme und eben diese 10. AHV-Revision. Dann kommt noch dazu, daß wir nicht das System in den Regierungen haben, wie Sie es haben z.B. hier in Deutschland, wir haben nicht das Koalitionssystem. Die Leute, die Regierungsräte, werden ja direkt vom Volk gewählt außer der Bundesregierung. Aber auch dort spielt die sogenannte „Zauberformel" eine Rolle, eine selbstgewählte Aufteilung der Ämter unter den gewählten Regierungsmitgliedern. Aber in den Städten und Kantonen wird man direkt vom Volk gewählt und in einer solchen Regierung kommt halt ein großes Potpourri von Parteivertretern zustande; auch wenn eine Partei oder eine Gruppe eine Mehrheit hat, kann sie dann nicht alle Regierungsmitglieder stellen; innerhalb des Meinungsbildungsprozesses kann sie ihre starke Meinung speziell durchsetzen, aber es ist nicht so, daß nur die stärkste Gruppe in der Regierung vertreten ist, weil alle anderen auch gewählt werden können; und aus diesem Grund sind alle in der Regierung vertreten und wir haben also keine Koalitionen. Also das in Bern in der Bundesregierung ist also eigentlich eine freiwillige Koalition; aus diesem Grund kommen immer wieder Volksabstimmungen zustande und werden immer wieder Entscheide umgestimmt. Das sind vielleicht auch Gründe, wieso bei uns Bestrebungen, der EU beizutreten, dem EWR beizutreten, der UNO beizutreten immer und immer wieder am Ständemehr - wir brauchen nämlich auch ein Ständemehr, also eine Mehrheit der Kantone, nicht nur ein Volksmehr - immer wieder scheitern. Da kommen natürlich diese kleinen Kantone, die vielleicht soviel Einwohner haben, wie wir in der Stadt Zürich in einem Stadtkreis haben, und die können dann eigentlich alles immer wieder zu Fall bringen.

So, jetzt komme ich ganz kurz zur demographischen Entwicklung. Ich habe festgestellt, daß Herr Scharf die Zahlen der Schweiz noch nicht

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aufgearbeitet hat. Also, wir stehen mit unserer Lebenserwartung schon wieder höher, Herr Scharf, wir hatten nämlich in der Zwischenzeit, hatten wir eine Volksabstimmung (Gelächter), nein, nein, wir hatten eine Volkszählung und zeigt sich jetzt wieder anders. Wir sind, aber das ist sicher nach wie vor das Industrieland mit der höchsten Lebenserwartung.

Scharf

Japan ist mit einbezogen ?

Lieberherr

Ja, nach uns kommt gleich Japan. In der Schweiz haben wir bei den Männern - Herr Scharf hat gesagt 73,9 Jahre, das ist bereits etwas angezogen - aber die Männer ziehen überhaupt nicht mehr richtig nach - die Lebenserwartung liegt jetzt dort etwa bei 74,9 Jahren, bei den Frauen haben wir wieder tüchtig zugelegt: die Frauen sind nicht mehr bei 80,7 sondern sie sind bereits bei 82,3. Das ist also unsere Lebenserwartung und unsere demographische Entwicklung ist natürlich ganz stark geprägt von dieser Lebenserwartung her. Wir haben zu Beginn dieses Jahrhunderts hatten wir einen Anteil von Menschen, die dem heutigen Rücktrittsalter von AHV erster und zweiter Säule entsprechen würden, von 3,5 Prozent in der ganzen Schweiz und heute liegt der Anteil der Leute im Rentenalter bereits bei 16 Prozent, in der Stadt Zürich bereits über 20 Prozent. Unser Bundesamt für Sozialversicherung vom Departement des Inneren in Bern geht davon aus, daß die Lebenserwartung mutmaßlicherweise weiterhin ansteigt, und daß wir, wenn wir jetzt, heute 1,1 Millionen Einwohner im Ruhestand haben in der ganzen Schweiz, daß es im Jahr 2020 etwa 1,6 Millionen Einwohner sein werden. Besonders prägnant ist bei uns die relativ starke Zunahme der Höchstbetagten. Ich meine, die Zahl der Betagten hängt ja von geburtenstarken oder geburtenschwachen Jahrgängen ab, wenn denn die geburtenschwachen Jahrgänge ins Rentenalter kommen, haben wir halt plötzlich weniger Rentner, das haben wir erlebt so ab 1985, aber die Zahl der Hochbetagten, die eben gerade für die Versorgung, für die medizinische Versorgung und auch für die Versorgung in Krankenhäusern oder in Pflegeheimen in

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Frage kommen, die nimmt immer noch sehr, sehr stark zu. Wir haben heute in der Schweiz etwas über 100000 über 80-jährige und hier rechnet das Bundesamt für Sozialversicherung bis zum Jahr 2020 mit etwa zwischen 700000 und einer Million. Sie sehen, da ist eigentlich sehr viel Dynamit drin. Aber es ist für mich natürlich keine Veranlassung, Angst zu haben, ich würde sagen, für mich ist oberstes Ziel Solidarität. Solidarität unter den Generationen, Solidarität mit der alten Bevölkerung, die während ihrer Erwerbstätigkeiten doch die wesentlichen Lasten für den Ausbau unseres Sozialstaats getragen haben. Ich möchte noch etwas sagen, weil heute schon so viel über die stationäre Betreuung von alten Menschen diskutiert wurde: interessanterweise hat jemand gesagt, 10 Prozent in seinem Land sind in stationären Einrichtungen - das waren die Holländer, ja gut 10 Prozent. Wir bei uns in der Schweiz rechnet man, daß es nicht mehr als 4 bis 5 Prozent sind.

Gotlind Braun

Da ist aber auch das Wohnen mit dabei in Heimen und betreuten Wohnungen außerhalb der Heime.

Lieberherr

Ja eben, bei uns auch. Diese 4 bis 5 Prozent das ist stationäre Betreuung: das sind Alterswohnungen, aber spezifische mit eingebauten Dienstleistungen, das sind die Pflegeheime, das sind die geriatrischen Abteilungen der Spitäler, das sind die geriatrischen Abteilungen der psychiatrischen Kliniken, das ist alles dabei. Es ist also nicht soviel, es sind also nur 4 bis 5 Prozent.

Ich komme jetzt zur Pflegeversicherung. Ich möchte aber noch rasch vorausschicken, weil ich bereits die Renten, die AHV erwähnt hatte, Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung; man sagt in der Schweiz immer, das ist des Schweizers liebstes Kind, die AHV. Die wurde relativ spät errichtet erst im Jahr 1948. Ich kann Ihnen sagen, wir hatten vorher einige Abstimmungen, es mußte auch hier immer wieder abgestimmt werden, wurde immer wieder abgelehnt; heute hat sie sich etabliert, die zehnte Revision wurde angenommen im Laufe dieses Jah-

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res. Aber bereits im Jahr 1919 nach dem ersten Weltkrieg, war der letzte große Generalstreik in der Schweiz - mein Vater nahm auch noch an diesem Generalstreik teil - der größte Generalstreik der Gewerkschaften in der Schweiz und damals kämpfte man vorrangig für zwei Sachen: erstens einmal für eine Altersvorsorge und zweitens für die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechtes. Also, in beiden Bereichen mußte man jahrzehntelang warten, weil es immer Abstimmungen brauchte der Männer; also hätten wir das Stimmrecht auch früher bekommen, wenn wir nicht einfach eine gesamtschweizerische Abstimmung hätten machen müssen. Die AHV besteht also seit 1948, sie ist eine Pflichtversicherung, alle Leute sind versichert in der AHV, die Selbständigen müssen beide Beiträge entrichten, weil den Unselbständigen gleiche Beiträge bezahlt werden müssen in den Fonds von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Da kommen auch noch die Erträge von der Tabakbesteuerung und eines großen Teils der Alkoholbesteuerung hinein. Das ist dann der Grund, daß die Männer immer sagen, wir rauchen ja für die AHV; das ist quasi so eine Entschuldigung. Wenn ich vorhin die Holländer nicht mißverstanden habe, dann müssen die Leute nur von einem bestimmten Einkommens-Sockel Beiträge bezahlen, also auch die Leute, die weit darüber liegen. Das ist bei uns anders, die Solidarität spielt bei uns eine ganz große Rolle, Leute mit hohen Einkommen zahlen überproportional mehr in diese AHV hinein.

Und nun hatten wir bereits die zehnte Revision, da hatten die Gewerkschaften das Referendum ergriffen. Die SP war leider gespalten, zuerst war sie für das Referendum, als dann die Volksabstimmung kam hat sie dann aus verschiedenen Gründen das Referendum nicht unterstützt. Ich fand das Referendum richtig, denn diese zehnte AHV-Revision ist die Frauen-Revision; es wurden endlich alle Unebenheiten ausgebügelt, die eigentlich zu Lasten der Frauen drin waren. Und wir Frauen, die Frauenverbände, die Frauenorganisationen haben schon seit Jahren dafür gekämpft, daß diese Benachteiligungen rauskommen sollten. Ich war seinerzeit die erste Präsidentin der eidgenössischen Frauenkommission und ich erinnere mich noch sehr gut, wie mir der zuständige Bundesrat als Präsidentin einen Brief geschrieben hat, die Kommission soll einen Forderungskatalog aufstellen, was alles revidiert werden soll, und er hat dann gesagt, aber selbstverständlich soll das nicht zu Lasten der übrigen

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Frauen gehen. Aber es kam nicht so; es ging dann zulasten der Frauen, indem das Rentenalter erhöht wurde. Frauen werden mit 62 in Pension gehen, die Männer mit 65. Ich bin an und für sich für die Gleichberechtigung, nachdem ich auch das Gleichstellungsgesetz im Ständerat so vehement befürwortet und dann auch im Volk draußen immer wieder vertreten habe. Ich bin für die Gleichstellung, aber ich bin nicht für die Heraufsetzung des Rentenalters; ich bin für flexible Altersgrenzen und zwar die gleichen für die Frauen wie die Männer. Und dafür liegt auch ein Vorschlag vor des schweizerischen Gewerkschaftsbundes; aus diesem Grund war ich gegen die schließlich vom Bundesrat vorgelegte Lösung. Wir haben das leider verloren, aber wir haben nur knapp verloren mit dem Referendum des schweizerischen Gewerkschaftsbundes, daß sehr wahrscheinlich die zuständigen Politiker doch ein bißchen den Schlotteri bekommen haben und dann die Frage der flexiblen Altersgrenzen doch eines Tages wieder bringen müssen. Leider hat unsere Sozialministerin in Bern, in der schweizerischen Regierung, die Ruth Dreyfuß, die seit zwei Jahren das Innenressort führt - jetzt im Moment noch die einzige Frau, die in der schweizerischen Regierung ist - sie hat dort eingewilligt. Sie hat mich immer bearbeiten wollen, ich soll auch einwilligen; ich habe ihr gesagt, nein, Du kannst mir die Haare zum Kopf rausreißen, aber ich habe als Frauenvertreterin und als Verfechterin dafür, daß man nicht eine Kategorie Frauen oder die meisten Frauen für andere Frauen zahlen und büßen lassen muß, kann da nicht einverstanden sein.

Die zehnte AHV-Revision, die also jetzt durchgegangen ist, hat aber auch etwas Gutes gebracht. Nicht nur für die Frauen sondern für alle, die keine existenzsichernden Renten haben hat diese Revision nämlich endlich gebracht, daß für die untersten Rentenbezieher die Bezüge angehoben werden. Wir haben im Moment für die Alleinstehenden - bei einem Ehepaar ist es dann rund 150 Prozent - also bei den Einzelpersonen haben wir eine Mindestrente von 970 Franken und eine Höchstrente von 1940 Franken. Das ist die maximale Rente, die eine Person bekommen kann. Es gibt natürlich auch Leute, die auch diese Mindestrente nicht bekommen, die vielleicht erst kurz in der Schweiz sind und aus diesem Grund auch nicht eine vollständige Minimalrente bekommen. Und da hat man nun wenigstens versucht, diese Leute, die in der Mindestrente drin sind - das sind vor allem auch viele Frauen - daß

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sie in höhere Kategorien angehoben wurden und vielleicht statt 970 Franken 1050 Franken oder statt 1000 Franken 1300 Franken bekommen. Das finde ich gut, obwohl ich immer noch der Meinung bin, daß der Verfassungauftrag nicht erfüllt ist: Im Jahre 1972 wurden unsere Bürgerinnen und Bürger an die Urne gerufen und haben damals die Verfasssungsartikel gutgeheißen, großmehrheitlich, daß unsere Alterversorge auf drei Säulen beruhen soll: auf der AHV, also der staatlichen Altersversicherung, zweitens auf der beruflichen Vorsorge, den Pensionskassen, für die es dann später ein Extragesetz gab, und drittens auf der persönlichen Vorsorge also z.B. selbständig Erwerbende haben Steuererleichterungen und bekommen auch bessere Zinsen für einen bestimmten Betrag von den Banken. Also das ist dieses Drei-Säulen-System; aber in der Bundesverfassung heißt es auch ganz klar, daß die erste Säule - also die AHV in der alle drin sind - existenzsichernd sein soll, soll also unsere Existenz sichern; die zweite Säule soll den bisherigen Lebensstandard garantieren, und für jene, die keine zweite Säule haben, soll es nach Möglichkeit die dritte Säule sein. Aber mich interessieren vor allem die Leute der ersten Säule; und es ist ganz klar, daß die Teuerung, die wir in den letzten Jahren hatten und daß auch die Bodenspekulation mit den Mietzinsen bewirkt hat, daß je länger desto weniger Leute aus den unteren Sozialschichten wirklich durch ihre AHV eine Existenzsicherung haben.Ich erinnere mich noch an das Jahr 1972, als diese Artikel zum Abstimmen kamen in der Verfassung wegen des Dreisäulensystems; da hatte eine linksstehende Partei in der Schweiz versucht eine Volkspension einzuführen, was ich eigentlich begrüßt hätte. Nein, es soll gar nicht teurer, es soll einfach anders verteilt werden. Also es war nicht teurer, aber es kam politisch aus der falschen Ecke, und dann haben es nicht einmal die Sozialdemokraten unterstützt. Heute sagen die Sozialdemokraten, hätten wir das nur damals unterstützt ! Also, sie sehen, wie manchmal die Meinungen einfach so festgefahren sind.

Und nun kommt das Betrübliche. Wir warten jetzt alle auf die elfte AHV-Revision, ich persönlich hoffe, daß in der elften AHV-Revision auch die Frage des flexiblen Rentenalters zur Diskussion kommt. Diese elfte AHV-Revision ist jetzt gestern angekündigt worden von unserer Sozialministerin und ich habe heute morgen ganz früh ich in allen Zeitungen noch nachlesen können, was jetzt effektiv da gemacht werden

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soll. Und ich bin ein bißchen betroffen - das muß jetzt ich Ihnen ganz offen sagen - und zwar aus verschiedenen Gründen. Es wurde gestern der sogenannte Drei-Säulen-Bericht vorgelegt und jetzt will man diese drei Säulen relativieren. Aber ich nehme an, da werden die Gewerkschaften wieder aufmarschieren und da werden die Sozialdemokraten aufmarschieren, die am letzten Sonntag - wir hatten letzten Sonntag Parlamentswahlen - ja sehr gut zugelegt haben, und ich hoffe sehr, daß jetzt da nicht alles so klang- und sanglos über die Bühne geht. Also dieses Zugeständnis, daß die erste Säule nicht mehr die Existenz sichern muß, ist natürlich etwas, was gegen die Verfassung geht. Wir müssen sehen, wie die effektiven Vorlagen sind, die aufgrund dieses Drei-Säulen-Berichts, der noch nicht auf dem Tisch ist, der nur gestern erläutert wurde, nun dem Parlament unterbreitet werden. Es wäre eine Verfälschung des Drei-Säulen-Systems, es wäre eine Verfälschung eben der Grundsicherung der alten Menschen durch die AHV-Rente. Es hat auch noch Nachteile für das System der Zusatzrenten. Es gibt neben der AHV noch die Einrichtung von Zusatzleistungen, eine eidgenössische Ergänzungsleistung, ebenso kantonale Beihilfen, wo sie gegeben werden und Gemeindezuschüsse - das war eine meiner größten Abteilungen im Ressort im Sozialamt der Stadt Zürich. Diese Zusatzleistungen werden jetzt eigentlich etwas zweckentfremdet: man will jetzt offenbar in diesem Drei-Säulen-Bericht eine Mischung machen zwischen erster und zweiter Säule; aber eigentlich war 1972 die Entscheidung, daß die erste Säule so ausgebaut werden soll, daß später keine Zusatz- oder Ergänzungsleistungen mehr in Anspruch genommen werden müssen. Und jetzt soll die Verfassung uminterpretiert werden und man will sagen, diese Zusatzleistungen müssen immer bleiben und die ergänzen ganz einfach die erste Säule, diee AHV. Also ich hoffe, daß das ziemlich viel Sturm im Wasserglas erzeugen wird, weil das wirklich eine Verfälschung ist und wir eigentlich immer die Meinung vertreten haben, diese Zusatzleistungen braucht es eines Tages nicht mehr, und jetzt will man diese Zusatzleistungen ad aeternum irgendwie weiterführen. Sie sehen, wir werden weiterhin im sozialpolitischen Bereich sehr interessanten und harten Zeiten entgegengehen.

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Zur Gesundheitspolitik. Wir hatten ein Krankenversicherungsgesetz, das aus dem Jahr 1911 stammte. Ja da lachen Sie: so konservativ sind wir Schweizer.

Braun

Unseres stammt von 1881 !

Lieberherr

Ja, tatsächlich ? Immer wieder hat man so kleine, kleine Revisiönchen gemacht, aber man hat es eigentlich nie zu einem neuen Krankenversicherungsgesetz gebracht. Allerdings geben wir heute für das Gesundheitswesen schon bedeutende Summen aus. Unser Totalaufwand in der Schweiz, nicht nur was der Bund gibt, sondern was auch die Kantone und die Gemeinden betrifft, liegt heute bei 30 Milliarden Franken; 30 Milliarden Franken das sind nicht ganz 10 Prozent unseres Bruttosozialproduktes, das ist also relativ viel Geld und da wollte man eben etwas ändern.

Also ich wollte nur etwas sagen hier zu den Krankheitskosten, zugerechnet auf die Alter. Ich sage nur etwas Generelles: es ist richtig, die Amerikaner haben da ganz gute Statistiken, daß die letzten Wochen vor dem Tod eines Menschen die teuersten Wochen sind, weil dort die Leute vielleicht noch an die teuren Maschinen angehängt werden, in die Intensivstationen kommen, wo der Tag vielleicht 3 bis 5000 Franken kostet usw., aber es ist sonnenklar, daß natürlich auch junge Menschen, wenn sie sterben, in der Regel auch vorher ein paar Wochen teure Kosten verursachen. Auch dort, wenn ein 50-jähriger einen Herzinfarkt hat, da kommt er zuerst in die Intensivstation, er kommt natürlich in eine Rehabilitationsklinik, die auch sehr viel Geld kostet, aber daß natürlich die Kosten bei einem 85- und mehraltrigen groß sind ist ja eindeutig, weil die sich mehr dem Tode nähern und bei diesen die Anzahl der Todesfälle natürlich größer ist als in jeder vorausgehenden Alterskategorie. Ich sage das jetzt, weil ich so auch immer wieder diskutiere bei uns in der Schweiz, weil man immer meint, wir Alten wir seien da die Bösen, wir verursachen alle Sozialkosten und wir verursachen alle Gesundheits-

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kosten; und wenn man die Sache genau ansieht, ist es natürlich gar nicht so.

Also dieses Gesundheitsgesetz vom Jahr 1911, das wir hatten, das natürlich kein Obligatorium kannte, das gewisse Leute benachteiligte, und das z.B. neue Formen der ärztlichen Betreuung - jemand hat von extramural gesprochen, wir sagen dem Spitex, d.h. außerhalb des Spitalwesens - überhaupt nicht berücksichtigt. Das war immer noch so ein bißchen freiwillig. Und das besondere an unseren Krankenversicherungssystem vor der Reform war, daß der Bund Subventionen an die Krankenkassen zahlte und die Krankenkassen damit ihre Prämien verbilligen konnten. Aber eben nach demGießkannenprinzip: also wer mehr Prämien zahlte bekam auch entsprechend mehr Subvention und diejenigen, die eigentlich die sozial Schwächsten waren, die bekamen schon prozentual vielleicht gleichviel wie die anderen, wenn es nicht gerade Kinder- oder Mütterversicherte waren; also alles in allem war es eigentlich eine ungerechte Verteilung. Und die hatte kein Obligatorium. In der Stadt Zürich hatten wir ein städtisches Obligatorium; die sozialdemokratisch starken Städte wie Basel, Genf und Zürich hatten in der Regel schon lange ein Obligatorium. Alle bisherigen Versuche, unser Gesundheitswesen zu reformieren sind fehlgeschlagen. Ich habe heute etwas interessantes gehört von Herrn Scharf, wieso die Maggie Thatcher dieses Krankenversicherungssystem eigentlich nie angegriffen hat: weil es billiger ist. Ob es sozialer ist, ist eine andere Frage. Aber bei uns besteht immer noch die Angst in gewissen Kreisen, eines Tages hätte man ein derartiges System wie das britische einführen können. Und nun kam letztes Jahr dann Frau Dreyfuss, unsere Ministerin, mit ihrer neuen Vorlage, die durch das Parlament gegangen ist, als neues revidiertes Krankenversicherungsgesetz (KVG). Und dann im Parlament riesige Debatten, die Wogen gingen natürlich groß, dann hat es aber die Hürde genommen. Für mich immer ein bißchen fragwürdig, wenn so gewisse rechtsstehende Politiker etwas zustimmen, dann sag ich mir immer, da muß etwas faul sein dabei. Sie werden gleich sehen, was ich damit meine.

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Aber die Grundziele, die man sich gestellt hatte, sind folgende fünf Punkte: also, erstens die freie Kassenwahl; man kann auch die Kasse noch wählen. Man kann sie auch noch wechseln, wenn man z.B. später einmal in eine andere Kassen gehen wollte - dies aber eigentlich nur mit großen finanziellen Einbußen. Zweitens eine komplette Grundversicherung. Jeder muß in der Schweiz obligatorisch in einer Versicherung drin sein. Das hatten wir bis jetzt nicht. Ich habe Ihnen gesagt, einzelne fortschrittliche Städte hatten eine kommunale soziale Gesundheitsabstützung; Leute, die nur ein bestimmtes Einkommen und Vermögen versteuerten, kamen automatisch in dieses Obligatorium hinein, was außerordentlich billig ist. Übrigens, muß ich auch noch rasch sagen, es hat mich etwas überrascht, wie oft ich heute morgen gehört habe, daß man das Vermögen nicht heranziehen soll, sondern nur das Einkommen. Das hat mich etwas erstaunt; ich kann Ihnen sagen, alle Tarife, die ich mitgeprägt habe im Sozialwesen der Stadt Zürich, wurde immer Vermögen und Einkommen herangezogen. Aber die Frage ist doch, wieviel des Vermögens bei der Berechnung angerechnet werden. Und da habe ich gekämpft dafür, daß man nicht zuviel anrechnet. Ich sagte immer, ich

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weiß nicht, wie es hier in Deutschland ist, aber ich habe immer gesagt, die Schweizer wollen sterben mit einem kleinen Sparbuch. Ja, jeder, jeder will das. Offenbar gibt es auch in Deutschland derartige Leute, oder ? Jeder, und ich habe immer dafür gekämpft, daß jeder soll, wenn er will, mit einem kleinen Sparheft sterben. Was immer er mit dem Sparheft macht, aber wenn er viel Ersparnisse hat, dann soll er sich an den Kosten auch beteiligen; aber nicht das Abservieren der Ersparnisse. Ich mache extra einen Unterschied zwischen Vermögen und Ersparnissen. Also ich meine, Ersparnis ist das, was der Mensch so im Laufe seines Lebens so zusammenspart und Vermögen ist für mich schon etwas, das einem so ohne große Arbeit zufällt, wie immer das Zufallen ist. Also neu ist jetzt dieses Obligatorium. Obligatorium heißt. jeder - wer immer das ist, wenn ein Ausländer in die Schweiz kommt - nach drei Monaten muß er sofort in die obligatorische Versicherung hinein. Dann etwas ganz wichtiges für die Senioren: wir hatten vorher eine Limitierung der Leistungspflicht der Krankenversicherung bei einem Spitalaufenthalt oder einem Pflegeheim - die sind dann gleich gestellt - auf zwei Jahre. Nach zwei Jahren gab keine Leistung mehr der Krankenversicherung und aus diesem Grund wurden dann die kleinen Vermögenchen automatisch abserviert. Neu sagt der Bund auch, wir wollen daß auch Präventivmaßnahmen bezahlt werden, wir wollen, daß Alternativmedizin übernommen wird, sofern die Wirksamkeit bewiesen ist (das ist natürlich hart !). Dann der dritte Punkt ist Kostendämpfung durch mehr Wettbewerb; da sind die offenbar in England zur Schule gegangen.

Scharf

In den Vereinigten Staaten.

Lieberherr

Auch, ja, das sind die Folgen des public managements. Das vierte ist etwas ganz Wichtiges, gezielte Prämienverbilligung. Es bekommen nicht mehr die Krankenkassen das Geld vom Bund, sondern das wird direkt verwendet für sozial Schwächere. An Familien mit Kindern wird das zugewiesen. Leute mit gutem Einkommen bekommen keine Prämienverbilligung mehr, das wird sich jetzt also ändern, aber das finde ich sozial.

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Übrigens hatte sich der Bund vorgenommen - er zahlt circa 700 Millionen Franken bis jetzt an die Krankenkassen Kostenneutralität zu wahren. Also sie wollen nicht mehr ausgeben, sie wollen das Geld besser ausgeben, nicht einfach nur so, aber es soll nicht mehr kosten. Und dann fünftens ein ganz wichtiger Grundsatz, der Grundsatz der Gleichstellung der Frauen. Also bis jetzt zahlten Frauen immer höhere Krankenkassenprämien als die Männer; das wird jetzt aufgehoben.

Und jetzt sind wir natürlich in einer total verunsicherten Situation in der Schweiz. Wir mußten abwarten, bis die Vollziehungsverordnung kam. Das Gesetz, das eben diese fünf Grundsätze aufgeschrieben hat samt einigen grundsätzlichen Erläuterungen, das wurde angenommen; aber wie das alles vollzogen wird, das war noch offen. Ich hatte eine Informationstagung organisiert für unsere Präsidenten der regionalen Rentnerorganisationen und da haben wir gemerkt, daß eigentlich noch sehr viel im Ungewissen ist. Übrigens, die größte Rentnerversammlung, die ich organisiert hatte letztes Jahr, das war das große Meeting über die Krankenpflegeversicherung, wo wir den großen Kongreßsall füllten in Zürich; wo beide Seiten ihre Meinungen darlegen konnten. Aber der Vollzug, da warten alle drauf; jetzt liegt er vor seit etwa vierzehn Tagen.

Ich kann Ihnen ganz kurz sagen, worin die speziellen Sachen liegen, aber, was die Leute jetzt noch sehr besorgt macht, ist, daß jetzt überall in allen Zeitungen geschrieben wird, daß die Prämien der Krankenkassen massiv anwachsen, mit Ausnahme einiger weniger. Vielleicht bei den Alten nicht, bei den sozial ganz Schwachen nicht, bei Familien mit Kindern nicht, und jetzt sind Frauen und Männer gleichgestellt. Aber alle sind jetzt verunsichert. Jeden Tag kommen neue Meldungen in der Presse, die einen sprechen von 25 % Erhöhung, andere sprechen von 30 %; die einen Krankenkassen werden mehr erhöhen als die anderen. Es kommt auf die Kantone an. Also meine Krankenkasse ist im oberen Drittel, die erhöht ganz kräftig, der Kanton Zürich ist auch ganz oben, er erhöht auch ganz kräftig, also die Leute mit mittelgroßem Einkommen werden also in Zürich ziemlich zur Kasse gebeten. Also, etwas, das uns ganz besonders interessiert hat, die Grundversorgung, die ist jetzt genau festgelegt worden durch das Bundesamt für Sozialversicherung. Zur Grundversorgung gehört die medizinische Versorgung, und zur Grund-

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versorgung gehört das, was die alten Menschen oder dauernd Pflegebedürftigen in Pflegeheimen haben. Aber dort natürlich auch nicht unbeschränkt: der Bund spricht jetzt von Tagessätzen der Krankenkassen, die Minimum in Pflegeheimen 50 Franken betragen soll, es können im Maximum 70 Franken sein; dazu kommen all diese Zusatzleistungen der AHV dazu, also es kommt z.B. vielleicht eine Hilflosenentschädigung der AHV dazu, die das deckt. Aber es ist keine Garantie, daß nicht doch Leute entweder die eigenen Ersparnisse mit einwerfen müssen oder schlußendlich dann die gesetzliche Fürsorge, die Sozialhilfe, in Anspruch nehmen müssen. Aber Positives ist, daß die Alten die gleichen Prämien zahlen müssen wie Junge; also jetzt ist die Solidarität eine totale zwischen jung und alt, zwischen Mann und Frau. Und dann die Spitex, eben die spitalexterne Hilfe - man ist zuhause oder man ist vielleicht in einer Pflegegemeinschaft, in der man wohnt, die bei uns jetzt auch langsam kommen, und hat doch einige Kosten - die hatten bis jetzt nichts bekommen und da müssen jetzt die Krankenkassen die Pflegekosten zahlen, für die vom Arzt angeordneten Spezialverrichtungen, aber nicht für die Haushalthilfe. Letzeres betrachten wir als Nachteil. Also ich meine, wir haben eine schweizerische Organisation, die heißt Pro Senectute „für das Alter" und die organisiert zum Teil auch mit anderen Sozialorganisationen gemeinsam in den Gemeinden diese Spitexeinrichtungen; und diese Spitexzentren rekrutieren die Leute, die im Haushalt helfen. Aber ich frage mich, wie kann ein älterer Mensch vom Spital vorzeitig nach hause gehen, aber eine Haushalthilfe, die muß er selber zahlen - Spitex ist vielleicht zwei Stunden am Tag da.

Neu ist, daß auch zum Teil Rehabilitationshilfen und Therapien übernommen werden, wenn es auch noch nicht überall so ist. Also bei jüngeren Leuten - wir haben ja viele Leute in Pflegeheimen, die jüngeren Alter sind, die noch nicht so alt sind - denen wurden schon immer Rehabilitationshilfen, Therapien usw. angeboten, aber bei alten Menschen war das leider oft so, daß man sagt, was wollen wir diesen alten Menschen noch Rehabilitation geben. Da kämpfen wir Seniorenverbände sehr dafür; auch sie sollen das bekommen. Therapie ist etwas ganz Wichtiges und Rehabilitation, man kann noch sehr vieles erreichen. Also wir werden in Zukunft sehr stark kämpfen müssen für diese Sachen, wir werden auch dafür kämpfen müssen, daß die alten Menschen alle medizinischen

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Anwendungen bekommen, die ihnen noch Lebensqualität vermitteln. Die Diskussion ist bei uns auch schon angebrochen, soll man jetzt einem Neunzigjährigen noch eine teure Prostataoperation machen, soll man einem Zweiundneunzigjährigen noch eine Herzoperation machen, obwohl wir in diesen Fällen ganz genau wissen, es besteht die Chance, daß er nachher noch etwas Positives erreichen kann. Ich glaube, da müssen wir außerordentlich uns dafür einsetzen.

Also, Sie sehen, es sind Leistungen im Grundbereich, Leistungen in den Pflegeheimen jetzt unbegrenzt über die zwei Jahre hinaus; das finden wir außerordentlich wichtig. Über den Grundbereich hinaus kommt nun der Wettbewerb, der unselige; da schlägt nun die Vollziehungsverordnung vor, die Leute, die das können, sollen halt noch Zusatzversicherungen machen. Sie sollen Zusatzversicherungen machen für Behandlungen, für medizinische Anwendungen und für Spitalaufenthalte. Neu sind noch zwei Sachen, daß z.B. Alleinstehende, die in einem Spital untergebracht sind - es gilt nicht nur für Alte, es gilt auch für junge Alleinstehende - daß die 10 Franken pro Tag Eigenleistung erbringen müssen, weil der Bund offenbar sagt, also, wenn niemand im Haushalt ist, kann ja der Haushalt vereinfacht werden. Und neu ist ebenfalls ein größerer Selbstbehalt: das gilt für alle Altersstufen, also jeder muß im Jahr Selbstbehalt zahlen, ob das nun ärztliche Kosten sind, ob das nun Medikamente sind. Der Bund legt ein Maximum fest, es gibt ein Selbstbehalt und eine Franchise. Die Franchise beträgt im Maximum 150 Franken und der Selbstbehalt 600 Franken; also jemand, der regelmäßig ärztliche Betreuung braucht, regelmäßig Medikamente hat, wird also im Jahr etwa 750 Franken für aufwenden müssen. Das, meine Damen und Herren, ist kein Pappenstiel. Sie sehen, sie begreifen jetzt, wieso ich am Anfang sagte, in dieser Vorlage hat es gute Sachen drin, es hatte aber auch negative Sachen. Aus diesem Grund hat das Parlament aus allen Seiten mehrheitschaftlich zugestimmt. Ich danken Ihnen.

Braun

Vielen Dank. Jetzt bin ich dabei, in einen Gewaltakt einfach den Teil über Österreich anzuhängen, nämlich den Herrn Olbrich zu bitten, daß er seine Dinge jetzt vor dem Essen auch noch vorstellt, damit wir wieder

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zurück in den Zeitplan kommen. Wir haben dazu eine halbe Stunde; wir haben das Essen auf ein Uhr geschoben.

Eduard Olbrich

Ich habe eigentlich vorgehabt guten Morgen zu sagen, jetzt sage ich einen schönen Mittag, es ist etwas später geworden. Ich werde versuchen mich relativ knapp zu fassen.

Einleitend vielleicht, Aristoteles hat gemeint, daß Altern an sich bereits eine Krankheit darstelle; in der medialen Diskussion, aber auch zum Teil in wissenschaftlichen und politischen Bereich habe ich den Eindruck, daß wir dorthin wieder allmählich zurückkehren könnten. Ich glaube dagegen sollten wir uns ganz kräftig zur Wehr setzen und Altern als das verstehen, was es ist: ein ganz normaler physiologischer Prozeß, in dessen Verlauf eben ganz einfach funktionelle Fähigkeiten vermindert werden. Gleichzeitig bleibt der Mensch jedoch bis ins hohe Alter entwicklungsfähig, sofern seine primären Bedürfnisse abgedeckt sind. Andererseits belegen natürlich, wie wir schon mehrfach gehört haben, alle Indikatoren zur Messung des Gesundheitszustandes eine Verschlechterung desselben mit zunehmendem Alter. Also ich kann aus unseren Statistiken nur berichten, daß die über 60-jährigen 30 Tage pro Jahr in etwa krank sind, die Gesamtbevölkerung im Schnitt ist es 14 Tage pro Jahr. 70 Prozent der über 60-jährigen nehmen regelmäßig Medikamente, ansonsten ist es ein Drittel im Schnitt der Gesamtbevölkerung. Es gibt neben dem natürlichen Alterungsprozeß wesentliche Faktoren, die maßgeblich sind, daß sind einerseits die Arbeitsbedingungen, wobei wir hier klare Differenzierungen erkennen können bei den Arbeitern und bei denjenigen, die in der Landwirtschaft tätig sind, die also mit einem eindeutig höheren Gesundheits- bzw. Krankheitsrisiko ins Alter hineingehen. Das schlägt sich auch im Bereich der Lebenserwartung bei diesen Gruppen nieder. Am deutlichsten ist es bei den Invaliditätspensionisten, die zwar früher in den Ruhestand treten können, aber deren Lebenserwartung auch ungefähr 6 Jahre niedriger ist im Vergleich zum Durchschnitt der Pensionisten. Begünstigt sind in diesem Bereich im Vergleich zu den genannten Personengruppen die Angestellten, die Selbständigen und selbst, wenn ich Widerstand hervorrufe, die Beamten.

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Nun kurz zu ein paar Eckdaten, die für die österreichische Krankenversorgung bzw. für das Pflegegeld wesentlich sind. Im Schnitt, es variiert je nachdem Arbeiter, Angestellte und ein paar Sonderformen, haben wir einen Krankenversicherungsbeitrag von ca. 6,7 % jeweils zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer zu leisten. Ist im Vergleich zu Deutschland und auch Holland relativ niedrig; wir werden aber auch noch darauf kommen, wieso dieser Satz doch vergleichsweise gar niedrig ist. Derjenige Beitrag für die Krankenversicherung der Pensionisten liegt bei 3,5 %, die Pensionisten haben ansonsten keine Sozialversicherungs-beitragsbelastung; der Pensionsversicherungsbeitrag fällt weg, arbeitslos können sie auch nicht mehr werden usw.

Ganz knapp, das Pflegegeld in Österreich, das sogenannte Bundespflegegeldgesetz, ist mit dem 01.07.1973 in Kraft getreten, 1993. Entschuldigung. Ja so ungefähr so lange hat es gedauert, bis wir soweit waren; ziemlich exakt sogar; 93 in Kraft getreten, es ist ein siebenstufiges System nach dem Grad der Behinderung und neben dem zu erwartenden und einzuschätzenden Betreuungsaufwand. Den sieben Stufen denen entspricht das monatliche Pflegegeld von ungefähr 400 DM bis über 3000 DM in der höchsten Stufe. 80 % der Pension und auch des Pflegegeldes bleiben bei Aufenthalt im Krankenhaus bzw. im Pflegeheim gewahrt.

Die österreichische Krankenversicherung und die Finanzierung des gesamten Gesundheitssystems stehen, wie meines Wissens überall, vor erheblichen Problemen. Eine kurze anschauliche Entwicklung von Spitals- und Wirtschaftsdaten von 1983 bis 1993, ich greife nur die wichtigsten Kennziffern heraus, die sogenannten Krazaf-Mitteln, ich werde das gleich erklären, was dieses wunderschöne Wort verbirgt, sind also seit 1983 um 274 % Prozent, die Spitalskosten generell um 129 %, die Spitzenleistungen der medizinischen Versorgung um 230 %, die Spitalsfälle auch um knapp 125 %, das Bruttoinlandsproduktes ist im selben Zeitraumes allerdings nur um 75 % gewachsen. Das heißt, der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt nimmt laufend zu, nicht dramatisch, aber doch ein paar Zehntel Prozent jedes Jahr. Ich brauche ihre Statistik nicht zu korrigieren, aber wir sind mittlerweile von 8,2 auf 9,3 % im Jahr 1993 geklettert, noch dazu wissen wir, daß wir diese Vergleichszahlen mit einiger Sensibilität aufnehmen müssen, solange wir

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noch nicht die standardisierten Statistiken der Europäischen Union zur Verfügung haben. Dasselbe gilt also auch für die Sozialdaten insgesamt und für die Sozialquote, weil jeder etwas anderes hineinmischt oder herausnimmt und dadurch kommen sehr unterschiedliche Bewertungen zustande.

Die Gesamtausgaben für die Gesundheit betrugen also im Jahr 1993 197, also knapp 200 Milliarden Schilling; knapp 50 % davon werden für den Spitalssektor aufgewendet. 53 % der Aufwendungen werden für Pensionisten aufgewendet; bei den Spitalskosten, d.h. also hier ist wieder absehbar, daß zwar logischerweise koalierend mit diesen letzten Wochen oder Jahr, wo es zum Lebensende zugeht, die höchsten Kosten anfallen, und die Sterblichkeitsquote also von 50, 60 aufwärts natürlich deutlich zunimmt und daher also diese Kostenrelationen bewirkt. Ein besonders Spezifikum der österreichischen Gesundheitsversorgung ist eine totale Zersplitterung der Kompetenzen. Das, was meine Vorrednerin als positiv bewertet hat, im Sinne eines geordneten und klar abgesteckten Föderalismus, würde ich für Österreich als relativ unklar und nicht sinnbringend und auch mit Schuld an Finanzierungsproblemen bezeichnen. Wir haben eine Grundsatzgesetzgebung im Rahmen der Bundesverfassung; die Ausführung und Vollziehung obliegt den Bundesländern und z.T. den Gemeinden, andererseits haben wir im Bereich der Sozialversicherung, hier ist die Krankenversicherung zu subsummieren, volle Kompetenz des Bundes, also sprich beim Sozialministerium angesiedelt, und daneben gibt es also doch - jetzt komm ich auf das Wortungetüm zurück - den sogenannten Krazaf, das ist der sogenannten „Krankenanstaltenzusammenarbeitsfonds". Also bei jeder Talkshow würde man da wahrscheinlich ein Auto gewinnen oder so, wenn man das so identifizieren könnte, dieses Wort. Wieso es so heißt, das weiß ich nicht, das haben die Bürokraten geboren. Was es ist, kann ich schon nachvollziehen. Man konnte sich nicht einigen, wer mehr Mittel zur Finanzierung hineinsteckt und daher hat man diese Finanzierungsplattform, die also de juro und de facto besteht, es sind also die Sozialversicherungsträger, weil ja auch die Unfallversicherung und die Pensionsversicherung Gesundheitsaufgaben wahren und nicht nur die Krankenversicherung, das sind die Länder, das sind die Gemeinden, das sind Zuschüsse aus den Bundesmitteln, die vom Steueraufkommen herrühren. Und die haben sich geeinigt, wir brauchen

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zwar mehr Geld, aber, und jetzt ist man zu einem bestimmten Schlüssel gekommen, das waren am Anfang nur 2 Milliarden Schilling, mittlerweile sind es also rund 16 Milliarden Schilling, die auf diese Art und Weise finanziert werden und Jahr für Jahr läuft dieser Krazaf aus, aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und wird aber verlängert, weil man sich wiederum nicht neu orientieren kann im Gesundheitsbereich und im System. Mittlerweile ist es also etwas anders geworden, weil der österreichische Nationalrat hat sich aufgelöst, wir haben am 17. Dezember Neuwahlen, d.h. also der Krazaf läuft jetzt einmal endgültig aus, sofern nicht in einer Sondersitzung, die ins Auge gefaßt wird, doch noch eine gesetzliche Regelung zur Verlängerung, zumindest zur provisorischen Verlängerung gefunden werden kann.

Wo liegen die Probleme in Gesundheitsbereich ? Wir haben eine relativ hohe Bettendichte, wir haben einen relativ starken Zugang, 227 Aufnahmen je 1000 Einwohnerinnen, also der Schnitt liegt bei ungefähr 200, die Belagsdauer ist zwar zurückgegangen, weil die Medizintechnik, Operationsmethoden usw. immer moderner werden, auch andere Erkenntnisse dazukommen, und trotzdem laufen uns die Kosten davon. Warum laufen uns die Kosten davon ? Weil wir a) sicherlich rein psychologisch das Bewußtsein geweckt haben, daß man im Spital besser versorgt wird als in einer privaten Praxis des niedergelassenen Arztes. Weil unser Gesundheitssystem nicht bereit war, Gruppenpraxen zu entwicklen und zuzulassen; das bedeutet, daß man jetzt für die Erstellung einer konkreten Diagnose womöglich einen Monat braucht und von einem Facharzt zum anderen zu laufen, dasselbe kann ich im Krankenhaus binnen zweier Tage erledigt haben. Die Einweisungspraxis der praktischen Ärzte, der Hausärzte ist eine relativ extensive. Dasselbe gilt allmählich auch für die Ambulanzen der Spitäler. Wir haben keine Kostenwahrheit, wir können also auch die Kosten und Leistungen gegenwärtig nicht nachvollziehen, also da gibt es auch noch im EDV-Bereich Probleme und wir leben noch immer, trotz Krazaf, der wenig Veränderungen gebracht hat, in diesem Bereich von einer Zuschussabdeckung oder Bedeckung des Abmangels. D.h., wenn ich als Krankenhaus 10 Millionen Abgang habe, dann weiß ich, daß mir der Abgang ersetzt wird. D.h. ich habe überhaupt kein Interesse betriebswirtschaftliche Kriterien in mein Unternehmen Krankenhaus einzuführen, wenngleich mir bewußt ist, daß das Produkt

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Gesundheit und der Mensch, also jetzt nicht wie Schokolade, Waschmittel oder sonstwie, abgehandelt werden kann, aber eine betriebswirtschaftliche Mindestausstattung eines Unternehmens liegt also sehr, sehr dringend nahe, daß das endlich einmal umgelegt wird. Über die leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung oder diagnoseorientierte, so wie immer das heißt, haben wir also schon, so ähnlich wie in Deutschland, die Diskussion laufen und die Einführung, glaube ich, ab 01.01.1996 kommt, steht also auch als kostendämpfender Faktor im Raum. Ob es wirklich ein kostendämpfender Faktor sein wird, wissen wir nicht. Es ist übrigens interessant, die beiden unterschiedlichen Wege, mit demselben angepeilten Ziel, nicht, das eine ganz marktwirtschaftlich orientiert, der Markt wird den Preis entscheiden und die Konkurrenz wird den Preis drücken, und die anderen sagen, wir geben den Preis sozusagen vor und beide erwarten sich eigentlich dasselbe. Bis jetzt sind also alle Wege in dieser Richtung nicht besonders erfolgreich bei der wirklichen Kostendämpfung gewesen.

Ein wesentlicher Beitrag zur Kostendämpfung wäre zu erwarten, wenn es gelänge, eine allmählich flächendeckende Betreuung der älteren Menschen in medizinischen und sozialen Sprengeln, wie auch immer diese Servicestationen heißen könnten, die also integrativ eingebunden auch in die offiziellen Gesundheitseinrichtungen bis hin zum Hausarzt, bis hin zum Krankenhaus, ausgebaut werden würden. Also, nach Selbsteinschätzung der Bundesländer in Österreich, ist es so, daß Wien den Ausbau mit ungefähr etwas über 70 % Prozent, als sehr positiv einschätzt, korreliert auch so ziemlich mit dem, was die Bevölkerung für eine Meinung vertritt, in den meisten anderen Bundesländern ist die Selbsteinschätzung, daß also der Ausbau schon ausreichend wäre, liegt bei 25,
30 %. Ist also relativ niedrig, macht natürlich auch in den ländlichen Gebieten wesentlich größere Schwierigkeiten als im städtischen Bereich solche Stützpunkte aufzubauen. Wenn es allerdings dann tatsächlich soweit käme, dann müßten also insbesondere die Akutspitäler wirklich von dem, was jetzt auf internen Stationen de facto als Pflegefall liegt und in einem Akutspital nichts verloren hätte, eliminiert werden, weil das sind die teuersten Tage. Ein Tag im Wiener Allgemeinen Krankenhaus, das ist auch gleichzeitig Universitätsklinik, kommt auf ungefähr 8500 bis 9000 Schilling gegenwärtig. Es drängen natürlich alle dorthin, weil

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Universitätsklinik verbürgt auch eine offensichtlich bessere Versorgung, ob es wirklich immer so ist, soll dahingestellt werden. Also bei den Routinefällen sicherlich nicht immer, bei Spezialoperationen sicherlich ja. Ein weiteres Spezifikum, weil wir gerade bei den Universitätskliniken sind, ist auch hier die Kompetenzzersplitterung. Der ärztliche Bereich wird vom Bund angestellt, d.h. das sind Bundesbedienstete. Alles, was unter dem ärztlichen Niveau kommt, sind Landes- oder Gemeindebedienstete. Jetzt kann man sich vorstellen, was das jetzt also im Personalführungssektor bis hin zum Personalvertretungsrecht, was für Troubles es da gibt, bei Arbeitzeitregelungen etc.

Also, meiner Meinung nach wäre eine der Grundvoraussetzung wirklich eine totale Bereinigung im Kompetenzbereich in diesem Rechtsbereich und darauf aufbauend müßten man wiederrum mit denselben Akteuren und mit ähnlichen Finanzierungsanteilen neu beginnen. Was desweiteren in Österreich fehlt, ist ein bundesweiter österreichischer Krankenanstaltenplan, der Leistung, Leistungserbringung, Spitalsniveau, regionale Zuordnung, Ausstattung mit technischen Geräten usw. präzise regelt. Heute gibt es über den Krazaf zwar relative Eingriffsmöglichkeiten, aber der Homo politicus oder parteipoliticus setzt sich noch immer als Bürgermeister, Landeshauptmann, Landesrat durch. Es gibt auch von der OECD Statistiken, die uns wirklich im Spitzenfeld oder als Weltmeister ausweisen, was die Ausstattung mit Nierensteinzertrümmerer und Gammaknifes, Kernspintographen usw. Also es klingt lustig, aber es ist tatsächlich so, man hat das berechnet, mit dem Nierensteinzertrümmerern, die es in Östereich gibt, könnten wir die Bundesrepublik Deutschland bestens versorgen. Also sprich, wir sind deutlich überversorgt, aber es geht nicht nur um die Fehlinvestitionen, die sich sozusagen betriebswirtschaftlich nicht amortisieren. Wenn ich jetzt als Klinikvorstand, als Primar in meinem Krankenhaus, ein solches Gerät habe, dann will ich es auch zur Anwendung bringen. Das heißt, jetzt werden Operationen mit wesentlich überzogenen technischen Mitteln durchgeführt, die wesentlich höhere Kosten verursachen, mit Vorläufen bei den Untersuchungsmethoden, also man kann sich vorstellen, was das in Summe doch dann letztlich ausmacht und, ich glaube, daß hier ohne einen Krankenanstaltenplan wird weiter alles so dahingaloppieren und die Gerätschaften und Ausrüstungen in den Spitälern werden immer teurer. Es wird immer öfter

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auch in den privaten Praxen Blut abgenommen, also die Laborbefunde nehmen kein Ende. Ich hatte selbst Mitte der achtziger Jahre das Vergnügen, mit nicht abklärbarem Fieber das AKH durchzuabsolvieren, also mit Ausnahme der Gynäkologie habe ich also so ziemlich alle Stationen besucht. Es soll jetzt angeblich besser geworden sein, aber auf einer jeden Abteilung, auf einer jeden Klinik haben sie zuerst eigenes Blut gemacht. Vom selben Haus, ich bin von der Internen gekommen und habe gesagt, Freunde rufts da drüben an, die haben doch den Blutbefund, das komplette Blutbild. Nein, das machen wir selber. Also, im eigenen Haus. Natürlich, wenn ich von einem anderen Spital komme, dasselbe. Also, da gibt es Leerläufe, Duplizierungen, Mehrfachuntersuchungen usw., die also irrsinnige Kosten verschlingen und letztlich kommt das Gespräch eigentlich nicht zustande. Bei vielen Leuten ist es z.B. so sie sind krank, sie genesen, wenn sie an den Arbeitsplatz zurückkehren, werden sie krank. Sie kriegen Fieber, Blutdruckschwierigkeiten usw. Niemand fragt aber, wo arbeitest Du eigentlich ? Wie sind Deine Lebensbedingungen am Arbeitsplatz, wie sind Deine Lebensbedingungen innerhalb der Familie ? Wie geht es Dir psychisch, wie geht es Dir physisch? Das findet nicht statt. Der wird ein Jahr lang auf einen Untersuchungskreislauf geschickt und dann ist ein Mann - den Fall kenne ich zufällig, wird auch immer wieder zitiert - an einen praktischen Arzt geraten, an einen neuen praktischen Arzt, und hat gesagt, bitte schön, wieso werden Sie immer krank, wenn Sie in die Arbeit gehen, was ist denn da los ? Ja, da hat es ein Allergen gegeben, einen Werkstoff am Arbeitsplatz und der hat halt immer einen Fieberschub gekriegt. Aber an Untersuchungen hat das wahrscheinlich 200000 Schilling gekostet, locker, bis dann dieser einfache Hausarzt gesagt hat, ja bitte, wie leben Sie denn eigentlich, was ist da los. Also da gibt es sicherlich sehr viele Defizite, es geht auch in Österreich der Trend dahin, das Sprechen mit dem Patienten bzw. das Zuhören gegenüber dem Patienten doch wieder zu entlohnen und von den rein technischen Untersuchungsaspekten ein wenig wegzukommen.

Ich würde also so ähnlich wie Herr Scharf es einschätzen, daß die demographische Komponente sicherlich nur via Zuwachs der Lebenserwartung zum Tragen gekommen ist, aber ganz sicherlich nicht in dem Ausmaß, wie wir die Strukturveränderungen unserer Bevölkerung noch vor uns haben. Wir haben ungefähr ein Fünftel gegenwärtig Anteil der über

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60-jährigen, dieser Anteil wird bis zum Jahr 2030 auf etwa ein Drittel anwachsen. Hier wird die demographische Komponente sicherlich dann deutlicher ihren Niederschlag finden, auch kostenseitig. Wiewohl mir auch bewußt ist, daß dann Konzepte, die jetzt, wenn wir sie rechtzeitig setzen, konsequent durchziehen, wie Gesundheitsvorsorge, deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Arbeitswelt, in der Arbeitsumwelt, das Umgehen mit Streßsituationen, es hilft uns nichts, wenn die Bauarbeiter weniger vom Gerüst herunterfallen, aber die Hälfte der 60-jährigen ist dann psychisch erkrankt. Also hier müssen wir auch die neuen Technologien, die durch alle Arbeitsbereiche durchziehen, genauer abchecken, genauere Richtlinien erlassen, durchführbare Richtlinien im Bereich der EDV-Arbeit am PC und ähnliches. Und ich denke dann, daß wir im Zusammenhang - der Komplex ist ja in Summe zu sehen mit der Pensionsversicherung - wenn wir, was notwendig sein wird, das Pensionsalter, das faktische, anheben wollen, das gesetzliche anheben müssen, dann brauchen wir gesunde ältere Leute, weil sonst können wir nichts anheben - naheliegenderweise. Und daß wir hier jetzt ansetzen müssen und ich schätzte so im nächsten Jahrfünft wirklich die gravierenden Weichenstellungen vornehmen müssen. In Österreich ist es so, daß die demographische Komponente ab dem Jahr 2005 in etwa allmählich zu greifen beginnt, das ist in den meisten europäischen Nationen also ähnlich, auch mit 5 Jahren auf oder ab, je nachdem, wo der Babyboom und der Pillenknick gerade ansetzt. Aber, die Probleme qualitativ sind überall vorhanden. Von der Finanzierbarkeit möchte ich sagen, daß alle Staaten mit denselben Problemen zu kämpfen haben, also es ist nicht, wie das oftmals herausgestrichen wird, ein nationalstaatliches Problem und dann ist der Standort Deutschland, Österreich oder Schweiz oder wie immer, die Diskussion wird ja überall laufen, kaputt. Ich habe vor ca. zwei Wochen eine japanische Delegation in Wien gehabt. Die haben mir also auch berichtet, sie haben das Pensionsalter in Etappen in den nächsten zehn Jahren für die Männer um fünf Jahre und ebenfalls für die Frauen um fünf Jahre mit einem Fristenplan von fünfzehn Jahren bereits hinaufgesetzt. Das sind Maßnahmen, die uns genauso betreffen werden. Es ist eine Geschmackssache, in welchen Etappensprüngen wir es machen und vor allen Dingen mit welcher Berücksichtigung des Arbeitsmarktes wir es durchführen, weil es ist gegenwärtig sinnlos, wenn wir die Arbeitslosigkeit berücksichtigen, es ist eine Umschichtung der

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Mittel mit einem leichten geringeren Verbrauch, weil die Pensionen teurer sind als das Arbeitslosengeld.

Ja, wenn jemand genauere Daten haben will; also ich habe da einiges mit, aber will jetzt angesichts des nahenden Kochlöffels oder drohenden Suppenlöffels nicht mehr Zahlen dreschen; aber ich stehe dann gerne für weitere Auskünfte zur Verfügung. Ich möchte jetzt schließen und einen guten Appetit wünschen.

Braun

Ich würde vorschlagen, daß wir versuchen diese Zeitverschiebung jetzt dadurch sozusagen zum Teil reinzuarbeiten, daß wir uns, vorgesehen war 14 Uhr, daß wir uns 14.15 Uhr wiedertreffen. Dann haben wir einen Teil des Zeitplans eingeholt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 2001

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