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TEILDOKUMENT:






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A. Braun: Frau Dr.Buhtz, stellen sich bitte vor; und dann schießen Sie los.

Dr. Martina Buhtz:, Mein Name ist Martina Buhtz, ich bin Soziologin, arbeite im Institut Weeber und Partner, das ist ein Institut für Stadtplanung und Sozialforschung. Dieses Institut gibt es schon recht lange in Stuttgart und seit einigen Jahren auch in Berlin. Aus diesem Berliner Büro komme ich. Vielleicht noch ein paar inhaltliche Schwerpunkte, mit denen wir uns beschäftigen. Wir arbeiten seit Jahren intensiv in der Wohnforschung, da sind natürlich auch die Fragen des Wohnens im Alter, des barrierefreien Wohnens, wichtige Themen. Aber wir konzentrieren uns nicht nur auf ausgewählte Gruppen, sondern wir versuchen, sehr unterschiedliches Wohnen, entsprechend der Vielfalt der Wohnbedürfnisse der Menschen zu untersuchen. Und in diesem Zusammenhang sind wir heute gebeten worden, etwas zum barrierefreien Bauen und Wohnen zu sagen. Und mich hat, ähnlich wie Frau Narten zu Beginn, das Fragezeichen auch etwas irritiert. Weil ich eigentlich dazu neige, hier ein dickes Ausrufungszeichen zu setzen; weniger wird es von alleine. Wie gesagt, die Frage ist für mich erstmal klipp und klar mit Ja zu beantworten. Aber so einfach ist es dann doch nicht, wie wir wissen. Und deswegen schiebe ich gleich mal vorab eine nächste Frage hinterher: was heißt barrierefrei?

Beim barrierefreien Bauen geht es im wesentlichen um Bemessungen, um Maße, um Normen, die letztlich darauf zielen, daß unsere Wohnung brauchbarer wird und möglicherweise auch lange brauchbar bleibt. Woher kommen eigentlich solche Maßvorstellungen, die man sich ausdenkt, wenn es um das Wohnen geht? Vielleicht kennen einige oder sogar viele von Ihnen Le Corbusier; der war sehr begeistert von Schiffskabinen und Schlafwagen, weil es da so eine besondere Proportion gab zwischen den Maßen des Menschen und dem Raum und seiner Ausgestaltung - und der Größe auch, selbstverständlich. Als der 1957 zur Berliner Interbau eine seiner Unités d’habitation baute, war es in Berlin vorgeschrieben, daß die Raumhöhe 2,40 m bis 2,50 m war; er hat aber entsprechend seinem modulant, wie sich sozusagen die menschlichen Maße im Raum abbilden, eine Raumhöhe von 2,26 m haben wollen; das ist ihm in Berlin abgelehnt worden. Und da war er

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sehr verärgert, weil diese 2,26m sozusagen seiner Vorstellung von einem Menschen mit ausgerecktem Arm entsprachen. So weit zu Le Corbusier.

Der Wohnungsbau in Deutschland hat sich etwas anders entwickelt. Hier ging es eher pragmatisch zu: Was ist leistbar, was ist nicht leistbar; wie immer spielt das Geld eine Rolle, worauf ich noch mal eingehen werde. Das Resultat waren eigentlich Normen, eher mehr oder weniger geschriebene, meist ungeschriebene Normen, die sich dann in Richtung Standards entwickelt haben. Inzwischen gibt es ja geschriebene Regeln, wo die einzelnen Bundesländer, wie Sie alle wissen, relativ klar zuordnen, für welche Personenzahl wieviel Wohnfläche in Frage kommt, beziehungsweise wieviel Wohnfläche gefördert wird. Darüber hinaus gibt es inzwischen die Wohnungsbauunternehmen oder Investoren - je nachdem, die halten sich an diese Regeln, denn sie wollen ja letztlich auch gut und günstig bauen. Seit Dezember 1992 gibt es jetzt eine weitere Norm. Die deutsche Industrienorm 18025 mit ihren beiden Teilen barrierefreie Wohnung und dem Teil II. rollstuhlgerechte Wohnung. Nun neigen wir Deutschen seit jeher dazu, alles mögliche zu regeln und zu normieren, und damit auch gar nichts schief geht, gibt’s noch überall Verwaltungsvorschriften, Durchführungsbestimmungen, die einem zum Teil das Leben auch recht schwer machen, zu verstehen, wie was geht. Insofern könnte man, sage ich auch, etwas Vorbehalte haben gegen eine neue Norm. Aber die DIN 18025 sollte man grundsätzlich gegen jede Art von Skepsis, was Norm anbetrifft, in Schutz nehmen und sehr energisch für sie eintreten. Aber ‘92 und ‘98, ich sage mal, das ist noch keine historisch lange Zeit, damit sie sich durchsetzt.

Aber warum soll man sie in Schutz nehmen? Ich denke, weil diese DIN, gerade dieses barrierefreie Bauen und Wohnen, weder eine Sonderwohnform noch eine Sonderform des Wohnungsbaus ist. Und ich denke, das ist eigentlich das Entscheidende an dieser neuen Industrienorm. Und weil durch Barrierefreiheit ein großer Schritt zu universell geeigneten Wohnungen getan werden soll, aber nicht nur zu Wohnungen, sondern auch zu Wohnhäusern und Wohnanlagen, die genauso wichtig sind, für alle Bewohner. Das heißt, egal ob jung oder alt, egal

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ob mit oder ohne Handicap, egal ob in der Familie, alleine oder in der Wohngemeinschaft lebend, daß ein solches Bauen und Wohnen, auch ein gemeinschaftliches und sehr individuelles Wohnen überhaupt erst möglich macht. Ich möchte die DIN jetzt nicht in all ihren Teilbereichen referieren, weil es geht sehr viel um Maße und Bemessung, ich möchte aber doch noch einmal die Eckpunkte des barrierefreien Wohnens in Erinnerung rufen. Wenn es jetzt also um die Eckpunkte geht, dann ist sicherlich eine der wesentlichen Vorraussetzungen, Anforderungen oder ein wichtiger Standard der stufenlose Zugang von der Straße zu den Erdgeschoßwohnungen und gegebenenfalls zum Fahrstuhl. Ein weiterer Eckpunkt ist, wenn dies nicht möglich ist, Rampen soweit wie nötig anzubauen. Wobei Sie selber wissen, Rampen sind, was das Bauliche anbetrifft, nicht unproblematisch, sie sind nicht billig und es erfordert schon auch einen ästhetischen Ehrgeiz, Rampen auch schön zu bauen. Dann ist ein dritter wesentlicher Schwerpunkt keine Schwellen und Stufen - auch nicht zu Balkonen, darauf komme ich nachher noch einmal - es geht um bodengleiche Duschen, auch darauf gehe ich nachher nochmal ein, um ausreichend breite Türen und um angemessene Bewegungsflächen im Eingangsbereich, in Bad, Küche und in den Wohnräumen.

Und wenn man jetzt nochmal auf Le Corbusier zurückkommt und frägt, hat denn eigentlich die DIN sozusagen gar nichts damit zu tun, dann muß man sagen: sehr wohl! Denn man hat sich doch sehr deutlich wieder den Maßen des Menschen in Bezug auf seine Tätigkeiten in der Wohnung angenommen und insofern nach vielen Jahren auch sozusagen wieder einen Kreis geschlossen. Zum Beispiel - wenn man jetzt mal nur die bequeme Greifhöhe nimmt, wir haben uns eben in der Pause nochmal darüber unterhalten - dann sind im Stehen 85 cm die untere Greifhöhe und 160 cm die obere; oder wenn man sitzt, egal ob man jetzt in der Küche sitzt, wenn es um Küchenarbeiten geht, oder im Arbeitszimmer sind die Griffhöhen 140 bzw. 40 cm. Ich denke, das ist schon den Maßen des Menschen wieder angemessener und insofern erst einmal ein wichtiger Schritt, als Voraussetzung für den Menschen angemessenes Bauen.

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Nun fragt man sich, wenn das alles so logisch ist, so einfach ist, so normal ist, warum ist eigentlich barrierefreies Bauen kein Selbstläufer? Und Sie werden sicherlich mit mir einer Meinung sein, es ist kein Selbstläufer und es ist ausgesprochen schwierig, die DIN 18025 auch umzusetzen. Dafür gibt es sehr unterschiedliche Gründe. Zum Einen sind es die Bautraditionen. Schwellen, Stufen zu Gebäude - Eingängen haben zum einen technische und funktionale Gründe: es geht einmal darum, Gebäudehöhen auszugleichen oder Geländehöhen auszugleichen. Aber Treppen und Stufen sind auch beliebte Gestaltungsmittel in der Abgrenzung von Öffentlich zu Privat; es sind aber auch Gestaltungsmittel, um Macht und Würde auszudrücken. Dies war in der Geschichte so, und ich glaube, so ganz hat man sich davon auch heute noch nicht gelöst. Aber Treppen und Stufen haben eigentlich auch noch andere Reize: das kommt jetzt auf dem Dia schlecht raus, aber Sie können das assoziieren, was ich meine. Wenn man große Treppen und Stufen nimmt, wo man drauf steht, wo man in die Landschaft guckt, wo man sich draufsetzt, vorausgesetzt, die Bewegungsfreiheit macht es möglich, dann möchte man eigentlich darauf nicht verzichten. Weil man hat einen schönen Blick, man fühlt sich irgendwie gut, wenn man von oben auch nach unten sieht. Insofern ist diese Bautradition ein ganz wichtiger Faktor. Bei dieser Bautradition gibt es natürlich noch eine zweite Seite und die betrifft nicht nur öffentliche repräsentative Gebäude. Es ist auch eine Frage, daß nach wie vor in die Bautradition gehört, Einfamilienhäuser zu bauen, möglichst auf kleinen Grundstücken. Grundstücke sind teuer, man geht in die Höhe, hat zwei Geschosse, hat automatisch das Treppen- und Stufenproblem, und so ganz möchte man sich davon auch nicht verabschieden. Es gibt darüber hinaus natürlich auch bestimmte Bau- und Wohnformen, auf die man auch heutzutage nicht verzichten möchte. Also Wohnen in zwei Etagen ist durchaus für bestimmte Wohnbedürfnisse auch einfach wichtig. Also, die Frage, wie geht das barrierefreie Bauen mit diesen Bautraditionen, aber auch mit unterschiedlichen Wohnbedürfnissen zusammen.

Es gibt neben den Bautraditionen sicherlich ein zweites Hemmnis und das sind die Kosten. Denn wir alle wissen, bauen ist teuer; der Druck, nicht billig zu bauen, aber preiswert zu bauen, der ist sehr groß. Die Städte und Gemeinden sind überschuldet, das heißt, sie sind alle be-

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strebt, die Kosten zu senken. Und es wäre sicherlich unwahr und gelogen, wenn man sagen würde, barrierefreies Bauen kostet nicht viel Geld. Es gibt Schätzungen, die sagen, daß beim barrierefreien Bauen in etwa Mehrkosten von 3 % anfallen, das ist sozusagen die untere Grenze, es gibt Projekte, da liegen die Mehrkosten beim Bauen deutlich darüber, bis zu 30 %. Das ist also durchaus eine Frage, wie man im Prinzip, mit welchem Konzept, mit welchem Anspruch eigentlich solche Wohnbauprojekte plant und konzipiert. Und in der Regel ist es deutlich preiswerter, das haben ja im Prinzip die bisherigen Entwicklungen auch gezeigt, wenn man bereits im Vorhinein weiß, daß man barrierefrei bauen möchte, als wenn einem das sozusagen mitten beim Bauen einfällt. Dann kommt sozusagen nochmal die Kostenlawine, dann wird nachgeplant, dann gibt es nochmal Kosten und dann verteuert sich der Bau.

Und dann gibt es, ich denke da sind wir uns auch einig, ein drittes Hemmnis. Und das sind die Einstellungen. Behinderung, Alter, Krankheit, die werden eigentlich weitestgehend verdrängt. Leitbild ist es doch eher, jung und fit zu sein, der Traum von der ewigen Jugendlichkeit wird nach wie vor noch intensiv geträumt, und ich denke, es ist wichtig, daß Alter, Krankheit und Gebrechen auch als Teil des Lebens wieder ins Blickfeld rücken. Aber ich denke auch, daß alt sein nicht nur über Krankheit und Gebrechlichkeit zu definieren ist, sondern ganz wesentlich das Bedürfnis nach aktiver Teilhabe einschließt. Um dieses Bedürfnis aber zu erfüllen, müssen nicht nur die sozialen sondern auch die baulich - räumlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Und in diesem Sinne, kann man nur noch einmal sagen, geht das barrierefreie Bauen und Wohnen in die richtige Richtung.

Faßt man also nun diese Hemmnisse zusammen, stellt sich hier als nächstes die Frage, soviel Barrierefreiheit wie möglich oder soviel Barrierefreiheit wie nötig? Und in diesem Zusammenhang, denke ich, muß man einfach noch einmal sagen, daß der gegenwärtige Stand der Entwicklung eigentlich der ist, daß es nach wie vor den Architekten und Bauherren überlassen ist, welche Standards sie in die Wohnung bringen. Es ist nicht zwingend. Aus diesem Grund hatte die Bauministerkonferenz, auf Antrag von Nordrhein-Westfalen, einen Beschluß ge-

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faßt, eine Vorschrift zum barrierefreien Bauen in die Musterbauverordnung aufzunehmen. Denn Sie wissen ja, die Länder regeln das nach ihrem Sinn. Nordrhein-Westfalen ist das einzige Land, soweit ich weiß, muß ich jetzt einschränken, Sie können jetzt sofort ihr Veto einlegen, das einzige Bundesland, das die DIN 18025 Teil I Barrierefreie Wohnungen in ihre Förderbestimmungen aufgenommen hat. Das heißt Wohnungsbau wird in Nordrhein-Westfalen gefördert, wenn er barrierefrei ist. Das ist ein wesentlicher Standard und das ist auch eine neue Qualität. Das heißt, das ist nicht mehr nur eine Kann - Bestimmung - wer möchte,der kann, wer nicht kann oder will, der braucht nicht - sondern in Nordrhein-Westfalen ist dies Fördermerkmal geworden. Und das ist, denke ich, ein wichtiger Schritt, wobei auch hier, das muß man sagen, diese DIN nicht in voller Breite und in vollem Umfang in die Förderrichtlinien Eingang gefunden hat. Es gibt Ausnahmen, die will ich Ihnen nennen: das Land Nordrhein-Westfalen macht Ausnahmen beim Bau von Maisonette - Wohnungen, von denen ich vorher schon einmal sprach, und es gibt Einschränkungen auch bei Miet - Einfamilienhäusern. Weil es einfach schwierig ist, es umzusetzen. Ausnahmen sind auch möglich, wenn eine stufenlose Erreichbarkeit wegen der gegebenen Topographie, also der Geländesprünge, nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist. Dann kann man auch da Abstriche machen. Ein Muß sind bodengleiche Duschen, und hier, denke ich, ist auch noch einmal ein diskussionswürdiger Punkt, weil der Ansatz nicht schlecht ist, daß ein bodengleicher Duschplatz - so nennt man das - hergerichtet werden muß; aber nicht zwangsläufig nur eine bodengleiche Dusche dort installiert werden kann. Das heißt also die Gretchenfrage Dusche oder Badewanne ist hier sehr sinnvoll gelöst, weil es letztlich dem Nutzer auch überlassen ist, ob eine bodengleiche Dusche oder eine Badewanne eingebaut wird. Sie kennen alle diese Diskussionen hinsichtlich der Ausstattung, was die Dusche anbetrifft, und jeder kommt mit anderen Zahlen. Aber ich denke, daß sicherlich die bodengleiche Dusche schon auf dem Vormarsch ist, aber ich kenne auch sehr viel Ältere, die auch sehr gerne baden. Und ich denke, ein solcher Kompromißvorschlag ist wichtig. Er ist nicht nur wichtig für die unterschiedlichen Wohnbedürfnisse der Älteren, sondern wenn man Wohnungsbau macht, und wir sagen, barrierefrei heißt, wir machen keine Sonderwohnform, sondern wir bauen Wohnungen, in denen so-

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wohl Ältere, Behinderte, Junge, wer auch immer, wohnen kann, dann denke ich, muß man das auch aus Sicht der Wohnungsunternehmen, die dies ja auch sozusagen wesentlich mittragen müssen, schon durchaus bedenken. Ich bin mir sicher, daß es dazu hier in der Runde auch keine einheitliche Position gibt, ich habe Ihnen jetzt nur meine genannt. Das heißt unterm Strich ist mit dieser DIN, mit dieser Verankerung der DIN in den Förderrichtlinien des Landes Nordrhein-Westfalen ein wirklich wichtiger Schritt getan, wenn es um die Frage geht, wie praktikabel ist denn eigentlich nun das barrierefreie Bauen und Wohnen.

Ich würde ganz gerne jetzt nochmal mit Ihnen so einen kurzen Rundgang zur Wohnung machen, ehe ich zu meinen Beispielen komme, die sich vor allem auf das barrierefreie Bauen und Wohnen im Bestand konzentrieren und würde vielleicht jetzt noch ein paar allgemeine Bemerkungen zu den Wohnungen voranstellen. Wir waren und sind uns sicherlich einig, die Idealwohnung, die sieht für jeden Mann und jede Frau ganz verschieden aus. Aber wenn schon die Voraussetzungen nicht stimmen, so daß man in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt oder in anderer Weise behindert ist, dann ist man schon mal in seiner Wahlfreiheit einer bestimmten Wohnung sehr eingeschränkt. Das heißt viele Barrieren in der Wohnung lassen sich eigentlich von vorn herein vermeiden und manchmal sind es wirklich nur wenige Zentimeter. Wenn wir uns jetzt noch einmal ein paar Maße aufrufen, dann heißt es, barrierefreie Wohnungen benötigen Bewegungsflächen im Duschbereich, vor dem Waschbecken und vor dem WC, von 1,20 mal 1,20 Meter. Bei Rollstuhlwohnungen sind das 1,50 Meter. Und es ist nötig 1,20 Meter tiefe Bewegungsflächen zwischen den Wänden zu haben, vor den Kücheneinrichtungen oder, wie Frau Narten vorhin ja auch schon einmal aufmerksam machte, an der Längsseite des Bettes. Und es sind ausreichend breite Türen mit mindestens 80 cm freiem Durchgang nötig. Das ist nicht nur ein wesentliches Qualitätsmerkmal fürs Wohnen für ältere Menschen. Sondern es reicht schon, wen man ein Kind auf dem Arm oder ein Tablett in der Hand hat: und schon kommt man nicht mehr richtig durch die Tür. Also es sind einfach noch einmal diese elementaren Maße, die man braucht, um sich in einer Wohnung gut zu fühlen und auch um sie einigermaßen flexibel möblieren zu können. Das heißt, es gibt also wirklich keine Speziallösungen mehr. Es gibt,

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was die Grundrisse anbetrifft, sehr viele unterschiedliche Möglichkeiten; und ich denke, auch was Grundrißgestaltung anbetrifft, sind die Geschmäcker und die Anforderungen sehr verschieden. Aber sehr wichtig scheint mir doch und das ist eigentlich gar keine neue Forderung, daß die Räume möglichst gleich groß sind. Ich lege Ihnen hier mal ein Beispiel auf und das sind jetzt Beispielsvarianten, das heißt also hier zum Beispiel eine Wohnung, in der zwei gleich große Zimmer sind und hier ein sogenannter Allraum oder multifunktional nutzbarer Raum, der nicht klar zugeordnet ist. Denn Sie wissen, in der Regel sind die Grundrisse so bestimmt: wir haben das große Wohnzimmer, dann kommt das Schlafzimmer und das ist in der Regel alles klar determiniert, wie es genutzt werden muß. Wenn man jetzt relativ, ich sage mal, gleichgroße variabel nutzbare Flächen hat, dann kann hier sowohl eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern wohnen, hier können zwei ältere Damen in einer Wohngemeinschaft leben.Ich glaube im übrigen, Wohngemeinschaften müssen nicht unbedingt immer die Dimensionen von zehn, zwölf Personen haben.Weil das bisherige Leben lief auch nicht so ab, man lebte nicht in diesen großen Gruppen. Ich spreche nicht dagegen;es ist ein Angebotssegment, auch solche großen Wohngruppen zu haben. Ich denke aber, daß die Wohnbedürfnisse sich mit 55, 60 nicht schlagartig so ändern werden, daß man jetzt völlig anders wohnen möchte. Sondern man möchte möglichst gemeinschaftlich wohnen, man möchte nicht vereinsamen, aber es ist auch nicht jedermanns Sache in großer Gruppe zu wohnen. Und insofern denke ich, ist es auch für mich immer noch einmal zu hinterfragen, welche Wohnbedürfnisstrukturen lege ich eigentlich zugrunde, wenn ich meine Konzepte entwickle. Ich denke schon, daß es sehr wohl spezifische Wohnbedürfnisse bei älteren Menschen gibt, die sich - das brauche ich Ihnen jetzt nicht zu erklären, unterschiedlich erklären lassen. Aber wir waren neulich in einer Einrichtung in Görlitz, einem Neubau, und da war in etwa ein ähnlicher Wohnungsgrundriß und da haben sich zwei ältere Damen zusammengetan und haben gesagt: prima; erstmal haben wir uns sozusagen uns selber ausgesucht, weil wir nämlich gut zusammenpassen, und ich werde nicht ausgewählt oder habe relativ wenig Einfluß auf diejenigen, mit denen ich zusammenlebe. Wir teilen uns eine solche Wohnung, haben jeder ein Zimmer und wir haben einen Raum, den wir gemeinsam nutzen. Da gab es im übrigen auch kein Problem,

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das Bad gemeinsam zu nutzen. Das ist unterschiedlich und ganz anders, wenn zwei fremde Frauen oder Männer miteinander die Sanitäreinrichtungen gemeinsam benutzen.

(Zwischenfrage nach der Größe der betreffenden Wohnung)

M. Buhtz: Das sind so an die 75 m 2 ;die ist hier deutlich größer. Das ist im Prinzip auch, ich sag jetzt mal, barrierefrei in dem Sinne, daß man versucht, Flächen auch optimal zu nutzen. Wir haben hier und das ist auch ein relativ flexibler Grundriß, allerdings noch eine Kleinwohnung extra dran, wo eine behindertengerechte, eine barrierefreie Dusche/WC möglich ist, wo aber sozusagen hier noch eine Person gesondert leben kann. Das kann Großmutter, kann Großvater sein, das kann eine Pflegeperson sein, das kann ein Student sein, das kann wer auch immer sein. Es ist also von der Nutzung nun nicht gleich so vorgegeben, daß man sagen mußt, also da kann gar kein anderer leben. Sondern es geht eigentlich darum, wirklich Grundrisse so zu produzieren, die es unabhängig von Alter von Handicap doch erlauben, nach den ganz unterschiedlichen Wohnbedürfnissen zu leben. Und ich denke, das ist für mich überhaupt das Wichtigste an dieser DIN. Soweit vielleicht noch einmal zu den Wohnungsgrundrissen.

Es ist ganz wichtig barrierefrei zu bauen und zu wohnen und sicherlich ist es noch am Einfachsten diese Qualitätsstandards und Anforderungen umzusetzen, wenn es um den Neubau geht. Aber schon da ist es ja nicht ganz einfach, wie wir wissen. Deutlich schwieriger ist es im Bestand barrierefrei zu bauen und zu wohnen. Und auch hier gibt es die unterschiedlichsten Wohnformen. Das reicht vom Einfamilienhaus bis hin zum Altbaubestand. Ich persönlich würde Ihnen gerne jetzt einmal ein bißchen etwas über Bestandsanpassungen in den Plattenbauten erzählen. Weil ich denke, Sie habe jetzt schon so viele andere, interessante Wohnprojekte gesehen, die Einzelprojekte sind. Es gibt in den neuen Bundesländern über zwei Millionen Wohnungen in Plattenbauweise. Das heißt das sind industriell gefertigte Wohnungen, ich weiß, ich werde das sicherlich jetzt nicht zu sehr ausführen, aber so ein paar Dinge möchte ich Ihnen hier doch schon mal mitteilen. Industriell gefertigte Wohnungen, die, ich sage mal, in den sechziger, siebziger, zum

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Teil noch achtziger Jahren gebaut worden sind, überwiegend Drei- und Vierzimmerwohnungen beinhalten, meist hochgeschossig gebaut, natürlich nach Lage sehr unterschiedlich in zehn, elf bis fünfundzwanzig Geschosse und in bestimmten Regionen, auch in Berlin, gibt es solche Plattenwohnhäuser, die auch sechs Geschosse haben aber diese sechsgeschossigen Häuser sind ohne Aufzüge.

Gudrun Hirche: Fünf plus eins!

M. Buhtz: Fünf plus eins, genau. Es war ja die Regel, bei mehr als fünf Geschossen gibt es einen Aufzug und da hat man eben nicht sechs, sondern man hat fünf plus eins gebaut, sich sozusagen ein bißchen flott in die Tasche gelogen, aber wie das Leben so ist, man ist doch recht erfindungsreich. Ich habe Ihnen mal einfach so als Überblick, eine Karte aufgelegt, die nicht von mir ist, sondern von unseren Kollegen vom Institut für Stadt- und Regionalforschung, wo Siedlungen in den neuen Bundesländern mit Punkten versehen sind, in denen es 2500 Plattenwohnungen und mehr gibt. Und da sehen Sie natürlich, was hier im wahrsten Sinne des Wortes abgeht und mit welchen Aufgaben man sich jetzt in den nächsten Jahren auseinanderzusetzen hat. Es ist relativ schnell von der - ich muß ja jetzt sagen - damaligen Bundesregierung ein Förderprogramm in Auftrag gegeben worden oder ausgelöst worden, das darauf zielte, vor allen Dingen das Wohnumfeld in diesen Plattenbausiedlungen zu entwickeln; und die Punkte die Sie jetzt hier sehen, das sind Städte, die in dieses Förderprogramm hineingekommen sind, das heißt wir haben eigentlich noch viel mehr. Aber ich fand schon diese Punktkarte sehr beeindruckend, um mal zu zeigen, wie das in den neuen Bundesländern denn jetzt doch auf den Nägeln brennt, beziehungsweise welch großer Handlungsbedarf da ist.

Bevor ich gleich noch ein bißchen näher auf das barrierefreie Bauen in diesen Siedlungen eingehe, möchte ich zwei, drei Bemerkungen voranstellen, um zu zeigen, wie vielschichtig die Problematik in diesen Siedlungen ist. Also, Sie können sich vorstellen, daß sich natürlich nach dieser gesellschaftlichen Wende und auch mit wachsenden Alternativen auf dem Wohnungsmarkt viele Bewohner in diesen Siedlungen nun doch davonmachen. Siedlungen, die sich zwar insgesamt einer

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ziemlich großen Zufriedenheit erfreuen, was die Wohnung anbetrifft, Das heißt, unabhängig davon, ob in Berlin, Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern, es gibt erhebliche Leerstände, es gibt sehr große Fluktuation und damit verändern sich natürlich die Einwohnerstrukturen. Es gibt einen zweiten, wesentlichen Aspekt, der sozusagen siedlungsstrukturelle Ursachen hat und sie ergeben sich daraus oder hängen zusammen damit, daß diese Wohnungen fast zur gleichen Zeit gebaut worden sind, fast zur gleichen Zeit mit jungen Familien besiedelt worden sind und nun das Schicksal generell älter werdender Siedlungen teilen, nämlich die Wohnbevölkerung altert in Schüben. Das wäre sozusagen der ohnehin normale Prozeß, der bei diesen gleichzeitig bezogenen Siedlungen eingetreten wäre, aber da jetzt vor allem junge Leute die Siedlung verlassen, bleiben vorrangig die älteren Bewohner zurück. Die möchten auch gerne da wohnen bleiben, aber sie haben enorme Schwierigkeiten längerfristig in diesen Wohnungen mit diesen Standards zu bleiben.

Die Standards insgesamt sind in den Plattenbauwohnungen nicht schlecht. Sie haben Zentralheizung, sie haben Bäder, die Wohnungen bewegen sich von 65 bis 70 m², das ist sehr unterschiedlich, aber sie haben erhebliche Schwierigkeiten. Eine der Schwierigkeiten habe ich vorhin schon genannt, und jetzt kommen wir immer sozusagen nochmal mit einem sidestep zu den einzelnen Standards beim barrierefreien Bauen. Ganz wichtig oder problematisch ist in Marzahn - ich spreche jetzt mal viel von Marzahn, aber das ist hochrechenbar, weil das ist industrieller Wohnungsbau, den finden Sie in Gera, in Weimar, in Jena - Lobeda, wo wir auch gearbeitet haben und insofern macht es auch deutlich, welcher Handlungsbedarf da ist. Denn das ist nicht nur auf eine Siedlung bezogen, das können Sie sozusagen fast immer gleich mal zwei Millionen Wohnungen rechnen. Das heißt, in der Regel sind die Plattenbauwohnungen immer nur über fünf bis zehn Treppenstufen zu erreichen, je nach topographischer Lage. Und erst dann kommt der Aufzug. Das heißt, es ist zwar ein Aufzug da, aber den muß man ja erstmal erreichen. Und das ist schon mal die erste große Hürde, für die es jetzt verschiedene Vorstellungen, Lösungsansätze gibt. Ich habe hier mal eine Skizze von einem neuen Haus - Eingangsbereich aufgelegt; Sie sehen, hier würde also theoretisch eigentlich erst der normale

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Hauseingang für das eine zehngeschossige Wohngebäude liegen. Jetzt wurde im Prinzip hier so eine Aufzugsrampe für die angebaut, die Schwierigkeiten haben, die Stufen zu nehmen, und dann kann man den Aufzug benutzen. Das ist insgesamt ein zehngeschossiges Wohngebäude, wie sie jetzt modernisiert und in Stand gesetzt worden sind. Modernisierung und Instandsetzung sind gegenwärtig in allen Plattenbausiedlungen das Thema Nummer eins. Das heißt, es werden grundsätzlich in den Wohnungen die Wasserstrangleitungen erneuert, es werden die Fassaden gedämmt, es werden die Fenster ausgetauscht. Es ist also 14 Tage Baustelle, und das passiert in bewohntem Zustand. Das kann sich vielleicht der eine oder andere nicht vorstellen, aber das ist Leben auf der Baustelle, und da ist es dann auch relativ egal, ob es jüngere oder ältere Bewohner sind. Und das ist ein Thema, auf das ich nachher nochmal eingehen werde.

Wir haben, wenn man die unterschiedlichen Wohnformen betrachtet, in den Plattenbausiedlungen der neuen Bundesländer im wesentlichen drei. Wir haben das normale Wohnen, wir haben die sogenannten Seniorenwohnungen, auf die ich gleich noch eingehen werde und wir haben die Seniorenwohnheime. Wir haben relativ wenig Erfahrung - zumindest soweit wie ich das weiß, in den Siedlungen mit wohngemeinschaftlichem Wohnen. Frau Hirche, Sie kennen sich vielleicht besser aus, aber nach meinem Erfahrungsstand gibt es relativ wenig gemeinschaftliches und betreutes Wohnen. Wobei ich zum betreuten Wohnen denke, das ist auch nochmal ein Diskussionspunkt, über den werden wir sicherlich nachher in der Runde nochmals sprechen, welche Standards jetzt wirklich gelten. Und wenn man sich noch mal die Untersuchungsergebnisse ansieht, die im Zuge der Schader-Stiftung-Untersuchung „Umzugswünsche" ermittelt worden sind, dann ist ja eigentlich, ich sage mal, die wesentlichste Anforderung die, daß man in der normalen Wohnung wohnen und ein Dienstleistungsangebot möglicherweise je nach Bedarf dazupacken möchte. Also das denke ich ist doch nach wie vor eine ganz wesentliche Anforderung, ein ganz wesentlicher Standard.

So, ich will noch mal kurz hier zu diesem Beispiel was sagen. Hier sehen Sie eine solche Hebebühne, die hat 40.000 Mark gekostet im An-

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bau. Auch hier müssen die älteren Leute diese erste Treppe überwinden. Das ist ein Wohnhaus mit 180 Wohnungen, da wohnen nur ältere Bewohner, in der Regel Frauen im Alter von 60 bis 83 Jahren. Sie können sich vorstellen, daß das also in zunehmendem Maße eine Hürde geworden ist und dieses gesamte Gebäude wurde saniert. Wir haben die Umbaumaßnahmen begleitet, zum einen sozialwissenschaftlich und zum anderen auch konkret in der Mieterbetreuung.

(Zwischenfrage nach den Auswirkungen solcher Maßnahmen auf die Miethöhe)

M. Buhtz: Bei der Sanierung? Also das ist sehr verschieden, weil inzwischen ist die Zeit weiter fortgeschritten. Es gibt in den neuen Bundesländern Programme zur Förderung der Modernisierung und Instandsetzung und wenn die Wohnungsunternehmen sich dieser Fördermittel bedienen, dann haben sie in der Regel bei den Wohnungen nicht mehr als 60 Pfennig pro Quadratmeter Umlage. Aber es gibt auch sehr wohl die Möglichkeit, die Finanzierungs- und Sanierungsmittel über den freien Kapitalmarkt reinzuholen, dann hatten sie, solange die Kappungsgrenze 3 Mark betragen hat, maximal eine Mieterhöhung von 3 Mark pro Quadratmeter. Die ist weg, und das heißt, wenn man jetzt weiter saniert, dann werden andere Kosten entstehen. Und das ist eine Frage, über die wir sicherlich noch zu reden haben, wenn man jetzt im Bestand Barrierefreiheit erzielen will, wie werden dann letztlich die entstehenden Kosten dafür durch wen gedeckt? Und insofern muß man natürlich sagen ist die Bereitschaft auch der Bewohner sehr verhalten, solche Maßnahmen durchführen zu lassen. Das heißt, es wird zuerst immer gefragt, was kostet es, kann ich dann im Prinzip noch die Miete bezahlen? Und insofern ist es gerade bei dem doch sehr begrenzten Budget der Bewohner immer schwieriger, diese Kosten auch aufzubringen.

Ich will nochmal zu diesem Projekt, diesem Mittelganghaus etwas sagen, das wie gesagt sechs Geschosse hat. Da waren die Wohnungsgrundrisse bisher so, das heißt es gab ausschließlich Einraumwohnungen für die älteren Leute, in der Regel waren das so um 25 m². Das sind die klassischen Loggien, die man im Prinzip in allen Plattenbauten hat,

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einen Meter breit, sechs Meter lang - wir sagen immer, es reicht für einen Bierkasten oder für Sitzen in Reihe, aber nicht in der Runde. Wir haben in diesen wirklichen kleinen Wohnungen, man muß schon sagen Substandardwohnungen, Frauen, die da drin wohnen, die sagen das nicht. Sondern die sagen, das ist eine Wohnung, die kann ich gerade bezahlen. Aber ich denke trotzdem, daß wir nicht ausschließlich auf solche Wohnungsgrößen gehen sondern schon ein bißchen flexiblere Wohnungszuschnitte anbieten sollten. Das heißt also, wir haben im Prinzip hier einen Gang und da reihen sich, wie Perlen an der Schnur auf jeder Seite sechs bis acht Wohnungen mit diesem Zuschnitt. Und als es darum ging, dieses Wohnhaus ein bißchen oder überhaupt zu sanieren, da haben wir gemeinsam mit der Wohnungsbaugesellschaft in Marzahn - die verwaltet einen Bestand von 25.000 Wohnungen - überlegt, wie man die Wohnqualität verbessern kann und wie man möglicherweise mehr Barrierefreiheit in diese Plattenbauwohnungen kriegt. Das heißt es wurden zunächst einmal diese Wohnungen nicht nur barrierefrei, sondern auch rollstuhlgerecht umgebaut und zwar erfolgte dieser Umbau auch nur im Erdgeschoß, weil es sonst einfach zu aufwendig und zu teuer war. Das muß ich gleich dazu sagen, also es wurde nicht das gesamte Haus umgebaut. Aber es haben sich wesentliche Qualitätsverbesserungen ergeben: das heißt wir haben zum einen ein großes und gut belichtetes Bad, in dem auch ein Rollstuhlfahrer duschen kann; wir haben ein Gäste-WC an der Stelle des alten WCs, weil es einfach baulich nicht anders möglich war. Wir haben überdies in allen diesen Plattenbausiedlungen diese sogenannten Technik - Schächte, da gehen alle Leitungen durch und es ist einfach unmöglich, die alle rauszureißen, das kann niemand bezahlen und es könnte auch niemand bezahlen, der dann später da drin wohnt. Wir haben dann den Schlafraum besser diese Schlafnische; dieser Bereich ist also Wohnen plus Schlafnische. Dann kommt die innenliegende Küche, hier ist der Schacht und hier war das Bad. Das Bad hat 4 m² und ist nicht schwellenlos, sondern es gibt eine ungefähr 5 cm hohe Schwelle, die auch noch 3 cm breit ist, und die daher resultiert, daß diese sogenannten Badzellen industriell gefertigt waren und komplett so eingesetzt worden sind. Also wir haben jetzt letztlich erreicht ein großes Bad, ein belichtetes, wir haben eine belichtete Küche, einen kleinen Flur und zwei Zimmer für Wohnen und Schlafen. Wir haben zwei Wohnungen

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zusammengelegt, allerdings hat das auch Nachteile, das muß ich schon sagen. Es ist nicht so, daß dies das Optimum ist. Denn wir haben zwei Loggien und wer braucht schon zwei Loggien. Aber wir konnten nicht einfach eine wegnehmen, weil die Loggien - Konstruktion so ist, daß die darüber ihre Loggia auch noch haben wollen. Aber es sind immerhin Mietfaktoren, denn die Loggia wird ja auch mietenwirksam. Soweit vielleicht zu diesem Versuch. Es gibt inzwischen in sehr vielen Plattensiedlungen Versuche Altenwohnen, barrierefreies Bauen und Wohnen doch in Angriff zu nehmen. Es gab kürzlich in Hoyerswerda einen Rückbau von Plattenwohnhäusern, wo ein bis zwei Geschosse abgenommen wurden, aber auch die Grundrisse komplett umgestaltet wurden. Das heißt aber, die noch hier wohnenden Mieter des Hauses die mußten umziehen, „umgesetzt werden", und das ist natürlich für die Bewohner nicht so besonders toll, es ist auch relativ teuer. A propos in der „Wohnungswirtschaft", in dem letzten Heft vom Oktober, wurde dieses Projekt vorgestellt (für die, die jetzt mal so ein bißchen nach Quellen suchen.) Aber die Kosten sind dort nicht aufgeführt. Ich bin mir also auch nicht sicher, ob diese Kosten, - sie sind bekannt - aber ob sie vertretbar sind, das vermag ich nicht zu sagen.,

So, das waren noch mal, ein paar Beispiele. Ich würde ganz gerne einmal von Berlin wegkommen und Ihnen noch zeigen, daß es ja auch in den anderen Bundesländern zum Beispiel in Thüringen solche Überlegungen gibt, altengerechtes bzw. barrierefreies Bauen und Wohnen ins Leben zu rufen bzw. in den Blick zu rücken. Und das ist ein Beispiel in Gera-Lusan, eine Siedlung in Thüringen, die im letzten Jahr mit dem Bauherrenpreis der Wohnungswirtschaft ausgezeichnet worden ist und hier gab es einen ganzen Komplex, da sind neue Aufzüge angebaut worden und damit hat sich natürlich die Wohnqualität in diesen Häusern deutlich verbessert. Dem vorausgegangen ist allerdings auch, daß die Häuser komplett leergezogen wurden und dann die Wohnungen wieder neu vermietet worden sind. Das ist sehr riskant unter den gegenwärtigen Bedingungen, denn in der Regel zieht keiner gern zweimal um. Das heißt also, wenn man dann rauszieht, ist es recht schwierig, die Leute wieder zurück zu kriegen. Und die Strategie, ich denke aller, die in diesen Plattensiedlungen arbeiten, egal ob Stadtplaner, Architekten, Wohnungswirtschaftler oder Sozialwissenschaftler ist, diese

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Siedlung zu halten. Weil man kann einen Bestand mit zwei Millionen nicht einfach sprengen. Und man muß auch Rücksicht nehmen auf die, die da leben und wohnen, und die tun das ja zum Teil sehr gerne.

Das war also nochmal kurz ein Ausflug nach Gera. Ich würde jetzt nochmal gern Bezug nehmen auf die Situation in Marzahn. Wir haben ja gesagt, es gibt sehr viele Sanierungs- und Modernisierungsvorhaben und es gibt zuwenig Möglichkeiten, dabei die Forderungen und die Standards barrierefreien Bauens und Wohnens umzusetzen. Wir haben in dieser Großsiedlung seit einem Jahr eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, in der das Bezirksamt durch die Sozialstadträtin vertreten ist, und in der alle Wohnungsunternehmen versammelt sind, die in Marzahn einen Wohnungsbestand haben, um gemeinsam nach einer Strategie zu suchen, wie man diese insgesamt 56 000 Wohnungen barrierefrei machen kann. Und da ist natürlich klar, daß das a) nicht sofort geht und b) wahrscheinlich auch grundsätzlich nie für alle möglich sein wird. Und insofern meine ich, kommen jetzt vielleicht eher ein paar Überlegungen für älter werdende Siedlungen insgesamt, egal ob das Plattensiedlungen sind oder Siedlungen, die einen ähnlichen Wohnungsbestand haben. Dann ist es schon wichtig, daß man, bevor man Wohnungsanpassung macht, - ich meine nicht die individuellen, die jetzt der Einzelne veranlaßt - wohl analysiert, wo sind eigentlich generell günstige Standorte. Welche Bereiche eignen sich dazu, um zu beginnen. Das heißt, wo gibt es bestimmte ähnliche Wohnungszuschnitte bzw. wo ist erheblicher Sanierungsbedarf, der ist ja mitunter gleich dringlich aber doch recht verschieden. Und schließlich, wo gibt es baulich - technisch gute Voraussetzungen, die auch kostenverträglich Wohnungsanpassung möglich machen. Und in Marzahn haben wir uns schon auf bestimmte Bereiche konzentriert, wo man sagt, da sollte verstärkt ein barrierefreies Angebot geschaffen werden in Zukunft durch Sanierung und Modernisierung. Und ich denke es ist von sehr großer Bedeutung, daß man die Wohnungsunternehmen, die Wohnungsbaugesellschaften oder -genossenschaften ins Boot kriegt, ansonsten bleibt man, glaube ich, der Rufer in der Wüste. Wenn Sie als Unternehmen nicht erkennen, daß das den Marktwert ihrer Wohnung erhöht und Sie damit eine bessere Vermietbarkeit erreichen, dann wird es sehr schwierig werden. Das setzt auf der anderen Seite natürlich auch immer ein

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bestimmtes Maß an Kompromißbereitschaft, auch von planerischer Seite voraus, zu zeigen und zu sehen, wie müßten diese konkreten Wohnungen, die man dann ausgewählt hat, hergerüstet sein und wer werden die Nachfrager sein. Und ich denke, man sollte auch etwas konkreter, was den Bestand anbetrifft, die Analysetätigkeit zu Nachfragegruppen betreiben. Weil es ja auch eine Frage ist, inwieweit gerade bezogen auf Wohngebiete, die schwierig sind in der Vermietung, ob man sich schon etwas genauer Gedanken darüber macht, wer soll eigentlich in meine Wohnungen ziehen. Und da ist es sicherlich schon von Bedeutung, wenn man sagt, also ich versuche erst mal ein breites Spektrum zu schaffen, daß soviel wie möglich hier reinpassen an Nutzern mit verschiedenem Bedarf und beschränke mich nicht schon von vorn herein und wundere mich nachher, wenn die nicht kommen, und ich habe nicht zu vermietende Wohnungen. Vielleicht soweit; ich würde jetzt an der Stelle einfach mal einen Punkt machen, ich habe meine Gedanken im wesentlichen rübergebracht und ich denke, so kurz vor dem Essen hat man sowieso einen schlechten Stand in der Diskussion. Ich danke Ihnen aber sehr für Ihre Aufmerksamkeit.



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[Anschließende Diskussion]

A. Braun: Also ich habe mich sozusagen hinter dem Rücken der Tagesordnung mit der Küche verständigt, daß wir frühestens um Dreiviertel kommen, also fünf Minuten haben wir noch.

S. Strömer: Da hätte ich eine Frage oder eine Anregung: was wir so gewöhnlich nicht unter Sonderwohnformen aber als Sonderausstattungensformen der gemeinschaftlich genutzten Flächen verstehen wie blendfreie Flure, rutschfeste Bodenbeläge, Ausstattung mit Handläufen, Haltegriffen und eventuell Dauerbeleuchtung in dunklen Bereichen, das Angebot von Gemeinschaftsräumen und dergleichen, gibt es da Konzepte, die darauf eingehen, also sind dann auch solche Gemeinschaftsangebote im Zuge dieser Umgestaltung zur Barrierefreiheit geplant?

M. Buhtz: Also da kann ich gleich drauf eingehen: die sind nicht nur geplant, die sind eigentlich schon da. Das heißt also in den Häusern, wo wir Seniorenwohnungen haben, ist es geplant und ansonsten kann ich für Berlin jetzt nur sagen, dort ist es deutlich weniger, als wir uns das vielleicht wünschen. Wir haben aber in anderen Bereichen wie vorhin Gera-Lusan auch in Hoyerswerda, das Bestreben, und das halte ich für sehr überlegenswert, daß man in den Plattenbausiedlungen durch ergänzenden Neubau Wohnungen schafft und daß man im Rahmen dieses ergänzenden Neubaus auch die entsprechenden Dienstleistungsangebote schafft. Aber nicht irgendwo sondern in die Gebiete hinein. Und ich denke das hat sich zum Beispiel in Gera-Lusan sehr bewährt und das ist eigentlich auch nicht nur ein Altentreff. Sondern es ist ja auch ein struktureller Mangel dieser Siedlungen, dieses allgemeine Defizit an Infrastruktur und es ist im Prinzip ein Ort, der sehr angenommen wird, und wo sich auch - ich sage mal, nicht unbedingt Jugendliche, weil ich auch nicht glaube, daß die da hin müssen - aber ich sage die ganz normalen Bewohner in meiner Generation, daß man sich dort einfach mit reinsetzt und diese Gemeinschaftsangebote mit nutzt. Also für die Plattensiedlungen, denke ich, ist diese Form behutsamer Nachverdichtung, die aber solche Angebote zusätzlich schafft, ein sehr gangbarer Weg und möglicherweise auch baulich besser zu machen als in den Wohnungsbestand jetzt Gemeinschaftseinrichtungen reinzubringen bzw. Wohnungen umzunutzen, als Gemeinschaftsräume zu nutzen.

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Die angebotenen Gemeinschaftsräume werden bis jetzt noch nicht so intensiv nachgefragt als eine Form von Gemeinschaftseinrichtung, aber es hängt sicherlich auch von der Ausgestaltung des Angebots ab.

A. Braun: Jetzt haben wir mit Inge Frohnert und Adolf Jänchen als nächste noch zwei Berliner Diskussionsteilnehmer, das wird ja ganz intern.

Inge Frohnert: Diese DIN - Norm barrierefreies Wohnen, für die wir uns ja schon lange einsetzen - nicht nur in Berlin - gilt die nur für den sozialen Wohnungsbau oder wird die in Zukunft für alle Wohnungen gelten, die in Zukunft gebaut werden, also auch für freifinanzierte Wohnungen?

M. Buhtz: Also das wäre schön. Ich denke, das ist ja genau das, was wir uns wünschen, das Problem ist nur - das habe ich versucht vorhin ein bißchen deutlich zu machen - daß es also jetzt in Nordrhein-Westfalen überhaupt erst mal für geförderten Wohnungsbau ein Qualitätsstandard ist. Ich sage nochmals: es ist keine bindende Vorgabe für freifinanzierten Wohnungsbau.

Adolf Jänchen: Ich habe so ein bißchen Zweifel an der Feststellung, daß das barrierfreie Bauen, wenn es sich um Neubauten handelt, unbedingt teurer werden muß. Ich habe da ganz andere Erfahrungen. Und zwar schon vor zehn Jahren habe ich eigentlich in Berlin als Blindenverein etwas bauen müssen, das diese DIN-Vorschriften von 1992 alle erfüllt. Und die Einrichtung ist im sozialen Wohnungsbau gebaut worden, selbstverständlich Zusatzeinrichtungen, wie Kegelbahn oder sowas. Aber im Prinzip meine ich, daß dies nicht teurer werden muß, weil ja eigentlich die Grunddinge nicht teurer sind. Es kommt also nach meiner Erfahrung wesentlich auf das Konzept und auf die Zielvorstellung an. Die kann man auch durchaus, wenn man diesen Personenkreis kennt, für den das sein soll, in unserem Fall sind es ja Behinderte und Senioren, gut hinkriegen. Und ich würde mich freuen, wer mal nach Berlin kommt, kann sich das gerne ansehen, das ist eine Einrichtung in Spandau; wir haben eine zweite Einrichtung nach zehn Jahren dann unter ähnlichen Voraussetzungen, etwas weniger hohen Standard

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in Falkensee nachgebaut für hundert Plätze. Und was dabei für mich noch wesentlich ist, ist, daß wir das so gebaut haben, daß die Nutzung unabhängig bleibt. Das heißt, es sind Wohnungen, die man als Wohnungen nutzen kann; es sind Heimplätze und es sind auch so gebaute Plätze, daß die erhöhte Pflege bis zum Tode möglich bleibt. Und wenn wir das als Vorgabe, als Standard nehmen, dann könnte man jedenfalls in dem Bereich neu barrierfrei bauen ziemlich weit kommen. Mir ist unklar geblieben, ob diese Vorschrift in Nordrhein-Westfalen eine baurechtliche Vorschrift ist oder eine förderungsrechtliche. Das heißt, Ziel muß sein, daß wir in die Bauordnung eine Vorschrift bekommen, die sowohl das baurechtliche als auch das förderungsrechtliche verbindet und sagt, mindestens dann, wenn gefördert wird, muß es so sein und im Prinzip auch sonst. Übrigens Förderungsrichtlinien gibt es ja auch nicht nur im sozialen Wohnungsbau, jedenfalls gab es die einmal für den zweiten Förderungsweg.

U. Kruse: Ich wollte einmal als besonders positiv zu dieser Norm sagen, daß Bewegungsflächen gefördert werden, also nicht wieviel Quadratzentimeter darf das Badezimmer haben, sondern wieviel Bewegungsfläche. Und dann gibt es eben eine ganze Menge Sachen in der Norm, die nicht viel kosten würden, sondern nur Aufpassen erfordern, daß eben die Steckdosen hoch sind und nicht unten und lauter solche kleinen Sachen. Es gibt teurere Sachen, das ist die Schwellenfreiheit zum Balkon zum Beispiel, aber das ist lösbar. Was mir immer auffällt, ist, daß wenn Familien beraten werden, wo die Leute sehr unterschiedliche Körpergrößen haben. Wo also für die Größeren die Arbeitsflächen, Spülbecken, Waschtisch usw. verhältnismäßig hoch liegen. Die kleineren Leute, die auch daran im Sitzen arbeiten wollen, da gibt es dafür jetzt verstellbare oder auch kippbare Sachen, das bringt natürlich zusätzliche Kosten, macht es aber für unterschiedliche Größen in einer Familie bewohnbar.

Inge Hoffmann: Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, daß auch das Land Hessen die Förderungswürdigkeit von der Einhaltung der DIN 18025 abhängig macht.

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M. Buhtz: Ich hatte das mit NRW als Einzelfall ja auch schon eingeschränkt auf „meines Wissens"; weil ich mir nicht ganz sicher war.

A. Braun: Um des lieben Friedens mit der Küche willen sollten wir jetzt hier einfach unterbrechen; wir sind eine Viertelstunde weiter als im Plan. Ich werde deshalb, jedenfalls hier oben, wo es ohne Schwierigkeiten geht, das Videoangebot von 13:30 auf 13:45 Uhr schieben. Wer schon schneller fertig ist, möge dann bitte 13:30 erst mal unten sich das Angebot angucken, damit die anderen, die etwas langsamer sind hier noch eine Chance haben. Danke schön. Guten Appetit.


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