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TEILDOKUMENT:




Neue Wege der eigenständigen Alterssicherung von Frauen - Reformmodelle in der österreichischen Diskussion
Ein Beitrag von Dr. Christopher Prinz, Wien


A. Braun

Meine Damen und Herren, ich würde ganz gerne zum Beginn drei technische Bemerkungen machen. Erste Bemerkung: das Hotel wäre wirklich froh, wenn Sie dann in der zweiten Pause spätestens, also wenn wir dann um10 Uhr 30 eine Pause machen, um 11 hier wieder anfangen, die Zimmer räumen könnten, den Schlüssel abgeben, wer heute abreist. Die müssen da rein und wieder neu richten, weil sie heute nachmittag neue Gäste bekommen. Dann als zweites: wer muß denn heute nachmittag - so kurz nach 16 Uhr fahren, glaube ich, einige Züge - wer muß die erreichen, wenn Sie mal Ihre Hand hoch nehmen könnten, damit wir sehen, wieviel Leute das sind. Also acht Leute; gehen wir mal davon aus, daß die Gruppe um 16 Uhr 06 am Bahnhof abfährt, das heißt wir müßten hier mit zwei PKW um 15 Uhr 45 losfahren. Das werden wir organisieren. Wir werden sehen, daß wir um 15 Uhr 30 zu Ende kommen; anschließend kriegen Sie noch einen Kaffee und einen Kuchen, wenn Sie mögen.

Das dritte: erhebt jemand datenschutzrechtliche Einwendungen dagegen, wenn wir die Anwesenheitsliste, die wir nachher laufen lassen und in der Sie sich dann noch handschriftlich eintragen, um ihre Anwesenheit zu bestätigen, wenn wir den maschinengeschriebenen Teil, der enthält also nur ihren Namen und ihre Adresse, den zu einer Gesamtteilnehmerliste hier zusammenschneiden und vervielfältigen?

Gestern abend tauchte offenbar bei der Nacharbeit zu dem Tag die Frage auf, was denn dieser merkwürdige Deutsche Frauenrat sei. Und wir haben jemand, der bereit ist, da einen kurzen Kommentar dazu abzugeben. Ich würde sagen, wir machen das jetzt für alle öffentlich, damit dann kein Zweifel mehr daran herrscht, welch bedeutende Institution auch hier vertreten war.

C. Riedel

Ja, guten Morgen, ich bin Christel Riedel, ich bin die Rechtsreferentin vom Deutschen Frauenrat und Sie haben Interesse zu wissen, was der deutsche Frauenrat ist. Der deutsche Frauenrat ist eine Dachorganisation oder Schirmorganisation und er vereinigt jetzt 52 Mitgliedsverbände. Das sind im wesentlichen Frauenverbände aber auch Frauengruppen gemischter Verbände, gemischter Organisation, wie zum Beispiel der politischen Parteien. Da sind also die ASF und die liberalen Frauen und die Frauenunion und jetzt auch die Gruppe von Bündnis 90/Grüne bei uns Mitglied geworden. Dann die Frauenabteilung von den Gewerkschaften, vom deutschen Sportbund. Das wären schon mal im wesentlichen die gemischten Organisationen. Ansonsten sind es eben Frauenvereine. Und da ist das gesamte Spektrum bei uns Mitglied. Das sind einmal die berufsorientierten, dann die konfessionellen, dann die überparteilichen, also berufsorientierte Ärztin, Journalistin, Juristin, Sekretärin, Arzt-, Zahnarzt-, Tierarzthelferinnen, also Sie sehen, das ist wirklich ein ziemlich großes Spektrum. Die konfessionellen, das ist klar, dann die überparteilichen, die überkonfessionellen, das ist zum Beispiel der deutsche Frauenring. Also, ich denke es ist deutlich geworden, daß das also eine ziemlich bunte und vielfältige Mischung ist, die da im deutschen Frauenrat zusammengekommen ist. Wahrscheinlich sind Sie über ihre Mitgliedsorganisationen auch bei uns dabei, sofern Sie selbst organisiert sind, und wissen es nur nicht. Das erleben wir öfter. Es gibt keine persönliche Mitgliedschaft sondern nur Verbandsmitgliedschaft. Ja, wir treffen uns jedes Jahr einmal zur Mitgliederversammlung, jetzt ist das wieder Ende November und da werden dann Anträge gestellt und Beschlüsse gefaßt und daraus ergibt sich dann sozusagen die politische Marschrichtung für den Vorstand und die Geschäftsführung. Alle zwei Jahre Wahl, derzeit ist Helga Schulz unsere erste Vorsitzende. Helga Schulz kommt von der deutschen Steuergewerkschaft, vom deutschen Beamtenbund und ist eine sehr ausgewiesene Steuerfachfrau, was in der gegenwärtigen politischen Diskussion ausgesprochen hilfreich ist. Unsere Stellvertreterin ist einmal Gisela Breil, von der Abteilung Frauen des deutschen Gewerkschaftsbundes, und eine Ärztin, Dr. Ursula Sotto, vom deutschen Ärztinnenbund. Ansonsten haben wir noch fünf Beisitzerinnen.

So, jetzt, vielleicht interessiert Sie noch kurz, was so das politische, die politische Marschrichtung im Moment ist. Es ist klar, das wird diktiert, durch das politische Geschehen, Sozialabbau, da versuchen wir natürlich mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln ein bißchen dagegen anzugehen. Wir machen also Stellungnahmen zu allen Gesetzentwürfen, wir sind in den Anhörungen vertreten, wir werden gehört aber ohne jedes Ergebnis, weil das ist ja das übliche Verfahren, sobald der Referentenentwurf das Ministerium verläßt, ist das Gesetz im Grund beschlossen. Alles was dazwischen stattfindet, ist mehr oder weniger Kosmetik. Das muß man in dieser Schärfe und Härte wohl so sagen, Anhörungen und Ausschußberatungen haben nur in ganz seltenen Fällen noch irgendetwas zur Korrektur beitragen können. Gerademal beim letzten Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz haben wir es geschafft, die vorgezogene Anhebung des Renteneintrittsalters für Frauen um 5 Jahre zu verschieben, aber, wir freuen uns natürlich, daß wir es geschafft haben, aber es ist sicher nicht optimal.

Einzelne sind besonders dankbar, aber es ist gemessen an dem, was ansonsten an Abbau passiert ist, natürlich nur eine ganz kleine Sache. Ja natürlich die Vergewaltigung in der Ehe, die Strafbarkeit, das ist auch ein Erfolg, den Frauenverbände in der letzten Zeit nach endlosen Mühen endlich mal erreicht haben, aber es ist noch einiges, was wir machen müssen und einiges was vor uns liegt. Und das liegt im wesentlichen auf dem Gebiet des „Sozialreformen", wobei eben der Abbau der Hinterbliebenenversorgung droht und es einfach zu besorgen ist, zu befürchten ist, daß die Frauenverbände, wenn sie nicht ganz schnell wirklich ganz heftig aus den Puschen kommen, dann doch keine ordentliche Position haben, Forderungsposition haben, was dagegen stehen soll.

Wenn ich noch einen Satz sagen darf zur Rente. Der deutsche Frauenrat hat folgende Beschlußlage: wir fordern wie in der Schweiz, das Rentensplitting - deswegen hat mich das auch gestern so besonders interesssiert. Also getrennte individuelle Rentenkontoführung für Mann und Frau. Von Beginn der Ehe an beziehungsweise durch die gesamte Ehe durch, sollte die Ehe scheitern, nimmt jeder sein Konto mit. Sollte sie, was ja auch passieren soll, Bestand haben bis zum Ende, dann bleibt im Grunde alles wie beim alten. Dann ist die Aufteilung einfach nur eine virtuelle. Aber diese individuelle Rentenkontoführung ist aus unserer Sicht eben ganz wesentliche Voraussetzung für Chancengleichheit, für eigenständige wirtschaftliche und soziale Sicherung. Und ich beglückwünsche Sie zu dieser Veranstaltung, weil ich denke, in der nationalen Diskussion, die wir jetzt hier haben, die auch immer wieder festgefahren ist, ist es ganz besonders wichtig, eben über den Tellerrand zu gucken und die Vorbilder Schweden, Schweiz, Niederlande, die ja nun wirklich sehr deutlich bessere Modelle haben, als sie bei uns jemals diskutiert werden, das ist ja auch hier sehr deutlich geworden, daß wir uns die angucken und daß wir selber in der politischen Diskussion sagen, also das Äquivalenzprinzip ist nicht gottgegeben. Und verschiedenes, was bei uns in der Rentendiskussion immer als dogmatisch unverrückbar dargestellt wird, ist keineswegs gottgewollt und andere Länder fahren anders mit anderen Methoden und sind auch noch nicht dem Ruin nahe und haben vielleicht höhere Lohnnebenkosten als die Bundesrepublik und sind daran noch lange nicht gescheitert; haben jedenfalls nicht daran gedacht alles, abzubauen so wie bei uns. So, ich danke Ihnen.

A. Braun

Und dieses Vereinsmuster, also alle auf einen großen Haufen, das haben dann die Seniorenverbände nachgeahmt und das heißt dann dort Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen BAGSO. Da ist der deutsche Frauenrat Mitglied und es spiegelt sich da auch. Wir haben diese Entschließung des deutschen Frauenrats in der Ausfertigung wie sie in den BAGSO-Nachrichten erschienen, kopiert und draußen ausgelegt. Vielen Dank für diese Vorstellung; und jetzt zu Herrn Prinz.

Dr. Christopher Prinz

Danke schön. Ich wünsche Ihnen auch eine schönen guten Morgen, meine Damen und Herren. Ich bedanke mich für die Einladung zu dieser Veranstaltung, es ist mir immer ein Vergnügen, auf einer Veranstaltung, die von Frauen dominiert ist, auch mitzureden. Ich selbst bin seit mittlerweile 9 Jahren berufstätig, habe eine Familie, unser zweites Kind ist jetzt gerade etwa 30 cm groß und kommt im Jänner zur Welt. Lassen Sie mich kurz sagen, wie ich zu dem Thema gekommen bin. Ich habe zunächst Statistik studiert, bin also von der methodischen Seite gekommen, habe dann ein Doktorat in Demographie gemacht und habe mich dann mehr und mehr mit der Frage beschäftigt, wie gesellschaftliche Veränderungen mit Sozialpolitik im Zusammenhang stehen. Ich bin über diesen Zugang an das Thema Alterssicherung geraten und habe mich dabei dann vermehrt mit der Situation der Frauen, vor allem in Österreich, aber auch im europäischen Vergleich beschäftigt.

Und zum Thema Alterssicherung habe ich in letzter Zeit insbesondere zwei Gutachen erarbeitet. Das eine zur Frage über Reformen, die eine nachhaltige langfristige Finanzierung der Pensionen sicherstellen könnten und das zweite Gutachten, über das ich heute großteils sprechen werde, war ein Gutachten mit dem Thema „Wege zur eigenständigen Alterssicherung von Frauen in Österreich". Dieses Gutachten habe ich im Auftrag der Frauenministerin erstellt und in diesem Gutachten geht es im wesentlichen um zwei Dinge. Im einem ersten Teil geht es um eine Analyse der Probleme des österreichischen Systems, insbesondere um eine Analyse der Nachteile aus der Sicht der Frauen. Wir haben über die Benachteiligungen, so wie sie sich auch im österreichischen System darstellen, gestern schon sehr viel gesprochen, insbesondere über die Arbeitsmarktbenachteiligungen, sei es durch geringere Löhne, durch Berufsunterbrechungen der Frauen, durch geringere Karriereaufstiegschancen. Es ist gerade auch darum gegangen, Risikogruppen zu identifizieren und auch Unterschiede, sehr große Unterschiede zwischen Frauen zu thematisieren.

Und der zweite Teil dieser Studie beinhaltet vor allem Modellrechnungen. Es ist darum gegangen, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Lage der Frauen verbessert werden könnte, wie Reformmodelle aussehen könnten, wobei es insbesondere darum gegangen ist, durchzurechnen, wie die Verteilungswirkungen dieser Reformmodelle aussehen würden. Und all diese Berechnungen sind immer unter der Prämisse gelaufen, daß das neue System nicht mehr kosten dürfe als das gegenwärtige System. Deshalb sind alle Alternativvorschläge, die wir gerechnet haben, aufwandsneutral gestaltet.

Wir haben eine Fülle von circa 15 verschiedenen Modellen analysiert, aber sie beruhen im wesentlichen auf drei verschiedenen Grundideen. Die eine Idee ist, daß wir das gegenwärtige System, über das ich in Folge noch etwas ausführlicher sprechen werde, erweitern um ein Pensionsplitting. Wie wir jetzt gerade gehört haben, ist es auch etwas, was der deutsche Frauenrat fordert, das heißt, wir würden das System an sich beibehalten mit dem einzigen Unterschied, daß die Pensionsansprüche von Lebenspartnern - es müssen nicht nur verheiratete Partner sein - geteilt würden.

Zwischenruf

Nur bei den Pensionen oder auch bei den Renten?

C. Prinz

Es ist interessant: „Rente" ist für uns eher sehr abwertend. Es gibt einen Mindestrentner, aber ansonsten spricht man nur von Pensionen. Also, das ist aber identisch.

Der zweite Systemtyp, der sozusagen als Basis gedient hat, das ist im wesentlichen das skandinavische Modell, in dem wir so ein Zwei-Säulen-System hätten, eine erste Säule, die die Grundsicherung für alle garantieren würde, und eine zweite Säule, die erwerbs- bzw. beitragsorientiert gestaltet wäre.

Und ein dritter Systemtyp, um den wir unsere Reformen aufgebaut haben, darüber brauche ich gar nicht viel zu sagen, außer daß es quasi dem SPD-Konzept entspricht, das heißt, Sie wissen darüber schon sehr viel. Ich werde darüber noch ein bisserl erzählen, aber in der Grundidee wissen Sie, was gemeint ist. Eine Versicherung, die alle Personen mit einschließt.

Und in diesem Projekt haben wir sehr ausführlich die unterschiedlichen Verteilungswirkungen der verschiedenen Systeme analysiert mit dem Ziel, Vorschläge zu machen, was denn nun für die österreichische Situation ideal wäre.

Aber ich möchte, nachdem wir gestern schon sehr viel über die Problematik gehört haben, versuchen, mit dem Vortrag auch noch einige neue Aspekte ins Spiel zu bringen und nicht zu sehr das zu wiederholen, was wir schon gehört haben. Ich möchte aber natürlich auch zuerst einmal ein bißchen das österreichische System vorstellen und seine Besonderheiten gerade aus Frauenperspektive, damit Sie verstehen, worum es in Österreich ungefähr geht. Ich möchte dann ein bisserl diskutieren über das, aus meiner Sicht, ideale Modell für die österreichische Situation und möchte im letzten Abschnitt meines Vortrags auf den Untertitel eingehen, der da geheißen hat „Reformmodell in der österreichischen Diskussion", ein Untertitel, der von Herrn Braun gewählt wurde, der aber mich zu einigen Überlegungen angeregt hat.

Grundsätzlich ist das österreichische System dem deutschen System sehr ähnlich. Wir haben also auch wie in Deutschland im wesentlichen zwei Zugänge zur Alterssicherung. Das eine ist der direkte Zugang über eigene Pensionsansprüche, die sich aus Erwerbstätigkeit bzw. geleisteten Beiträgen ableiten und der zweite Zugang ist über die Ehe bzw. eigentlich erst über das Ende der Ehe, nämlich die Verwitwung.

Die Eigenpensionen, die beitragsabhängig sind, sind also im wesentlichen von der Dauer der Erwerbstätigkeit und insbesondere vom Einkommen abhängig. Und wenn man versucht, das Ausmaß des Einflusses der beiden Komponenten zu differenzieren, so zeigt sich, daß die Einkommenshöhe eigentlich der absolut bestimmendste Faktor ist. Und was das österreichische System tut, ist im wesentlich, Einkommensunterschiede, die im Erwerbsleben bestehen, fortzuführen. Aber es geht leider noch einen Schritt weiter, denn es werden diese Einkommensunterschiede deutlich verstärkt. Das sieht man also sehr schön in dieser Grafik hier.

Hier sind die Einkommensunterschiede der Geschlechter nach dem Alter dargestellt, und zwar ist hier das Fraueneinkommen in der Relation zum Männereinkommen, das jeweils 100 % entspricht, gesetzt. Wir sehen also, schon bei den jungen Frauen gibt es Einkommensunterschiede, die im wesentlichen begründet sind in unterschiedlichen Berufssparten und einem unterschiedlichen Berufseintritt von Männern und Frauen. Was wir aber deutlich sehen, ist dann in der Familienpause ein ganz massiver Einkommensrückgang; nach der Familienpause haben Frauen in etwa, und zwar jene Frauen, die erwerbstätig sind, ein Einkommen, das etwa nur zwei Drittel von jenem der Männer beträgt. Und bei Pensionsantritt fällt das Einkommen schlußendlich auf etwa die Hälfte des Einkommens der Männer zurück. Das heißt, das System schreibt nicht nur diesen Einkommensunterschied fort, sondern es wird durch die Multiplikation mit den Erwerbsunterbrechungen die Pensionshöhe quasi noch weiter gedrückt. Das ist wahrscheinlich in Deutschland sehr ähnlich, ist aber eben zu einem System wie in Skandinavien das genaue Gegenteil. Da könnte es durchaus ein System geben, das bewirkt, daß die Einkommensunterschiede aus dem Erwerbsleben in der Pension eher geringer werden.

Das System ist sehr wesentlich dadurch in seinen Verteilungswirkungen beeinflußt, daß das Einkommen der besten 15 Jahre als Basis herangezogen wird, das heißt, wir haben eine systeminterne Umverteilung in verschiedensten Richtungen, die zum Teil sehr wenig thematisiert und auch gar nicht sehr bekannt sind. Wir haben außerdem die Situation, daß Beamte ganz anders versorgt sind, die haben ein eigenes System, bei dem das Letzteinkommen als Basis für die Berechnung der Pension herangezogen wird.

A. Braun

Und die heißen „Ruhegenüsse" und als genau das würde ich sie auch bezeichnen.

(Gelächter)

C. Prinz

Das heißt, das Ergebnis ist im wesentlichen, daß wir in unserem System eine starke Umverteilung zugunsten der Beamten haben, wir haben durch die Regelung, daß die besten 15 Einkommensjahre herangezogen werden auch eine systematische Umverteilung zugunsten der Angestellten, zugunsten der Besserverdienenden, zu Gunsten jener, die Karriere machen, daher im allgemeinen auch eher zu Gunsten der Männer als zugunsten der Frauen. Wir haben aber zusätzlich - und darauf komme ich noch ein bisserl im Detail zurück - auch eine systeminterne bedarfsgeprüfte Grundsicherung, die bewirkt, daß wir auch eine gewisse Umverteilung zu den niedrigsten Einkommen haben. Also grob gesprochen, würde ich sagen, wir haben eine Umverteilung von der Mitte sowohl nach oben als auch nach unten.

Über die Hinterbliebenenversorgung haben wir außerdem eine ganz massive Umverteilung zugunsten der Verwitweten bzw. eine Subvention der Ehe. In diesem Fall ist es großteils zu Gunsten der Frauen, allerdings erst nach dem Tod des Ehemannes. Außerdem ist in diesem Fall die Versorgung gänzlich abhängig - wie auch in den anderen Ländern - vom Einkommen des Ehemannes und außerdem von Bestand der Ehe. Denn für geschiedene Frauen sieht die Situation ganz anders aus. Geschiedene Frauen haben nicht vergleichbare Hinterbliebenenansprüche, wie wir gestern etwa in Frankreich gehört haben, wo kein Unterschied zwischen geschiedenen und verwitweten Frauen besteht. In Österreich ist es vielmehr so, daß eine geschiedene Frau nur dann auch Anspruch auf eine Hinterbliebenenleistung hat, wenn der Mann schuldig geschieden wurde und daher Unterhaltszahlungen bestehen. Das ist nach wie vor so, und die Hinterbliebenenpension kann nicht höher sein als dieser Unterhaltsanspruch. Und der ist im allgemeinen höchstens 33 % des Einkommens des Mannes, im Vergleich zur Witwenpension die ja 60 % beträgt. Das heißt, selbst im günstigsten Fall haben geschiedene Frauen etwa nur einen halb so hohen Hinterbliebenenanspruch, aber die meisten Frauen haben diesen Anspruch überhaupt nicht, weil auch in Österreich mittlerweile gut 90 % einvernehmlich, das heißt ohne Schuldigen und daher auch ohne Unterhaltszahlungen geschieden werden.

Es gibt durchaus Bestrebungen, das zu intensivieren und zu verstärken bzw. auch die Unterhaltszahlungen nicht mehr von der Verschuldensfrage sondern nur von den Einkommenssituationen abhängig zu machen. Aber noch gibt es diese Verschuldensfrage. Und da ist durchaus recht interessant, wenn man Vorträge von Scheidungsrichterinnen hört, oder Anwältinnen besser in dem Fall, daß ist wirklich sehr, sehr schwierig für eine Frau, dem Mann das alleinige Verschulden nachzuweisen oder anzuhängen, denn es genügt die geringste Weigerung, den Haushalt zu führen oder so etwas, die dazu führen, daß eine Teilschuld und daher auch nicht mehr die alleinige Schuld des Mannes besteht.

Zwischenruf

Wie ist es, wenn nach einer einvernehmlichen Scheidung Unterhaltszahlungen vereinbart wurden?

C. Prinz

Bei einer einvernehmlichen Scheidung gibts natürlich einvernehmliche Unterhaltszahlungen, die berechtigen aber nicht zu einer Hinterbliebenenleistung. Das heißt, es ist tatsächlich so, daß geschiedene Frauen, wenn sie in höherem Alter geschieden werden, in großem Maße durchfallen durch das Netz und entweder auf ihre Familie oder auf die Sozialhilfe angewiesen sind.

Lassen Sie mich ein paar Elemente des österreichischen Systems im Detail schildern, Elemente, die aus meiner Sicht frauenspezifisch sind, wären oder sein könnten. Wir haben zum Beispiel die Möglichkeit einer freiwilligen Selbstversicherung. Das heißt in Wahrheit ist es so, daß auch Nichterwerbstätige sich in dem System versichern lassen könnten und Pensionsansprüche erwirken könnten, wobei die Beitragszahlungen nicht so gering sind, und es gibt auch eine freiwillige Weiterversicherung für jemanden, der aus dem Erwerbsleben ausscheiden, vorübergehend unterbrechen möchte. Der kann sich in der Zeit freiwillig weiterversichern, wobei im ersten Jahr der Weiterversicherung genau der gleiche Beitrag zu zahlen ist, wie im Jahr davor aufgrund der Erwerbstätigkeit; danach kann man um eine Herabsetzung des Beitrages ansuchen. Interessant ist, daß weder die Weiterversicherung noch die Selbstversicherung von irgendeiner relevanten Personengruppe in Anspruch genommen wird. Was schade ist, es gäbe damit wirklich die Möglichkeit, Erwerbslücken zu überbrücken; aber offensichtlich ist es in der öffentlichen Meinung nicht so durchgedrungen, daß das eine Bedeutung hätte.

Zwischenruf

Was kostet die Weiterversicherung?

C. Prinz

Es ist nicht wirklich so teuer, wie es im ersten Moment erscheint: die Selbstversicherung kostet vergleichsweise etwa 200 DM pro Monat. Es würde natürlich, wenn man immer nur selbstversichert ist, auch ein minimaler Pensionsanspruch resultieren. Aber gerade für die Überbrückung von Erwerbsunterbrechnungen wäre es wirklich lukrativ, sich weiter zu versichern. Das wäre ein Instrument, von dem man viel mehr Gebrauch machen könnte. Aber in der jeweiligen Situation, also zum Beispiel bei der Weiterversicherung ist es so, daß man ein Jahr lang Beiträge in der Höhe des Vorjahrs zahlen muß. Das kann also wesentlich mehr als 1500 Schilling sein und zwar muß man hier Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag zahlen. Das heißt, das ist natürlich schon in dem ersten Jahr eine massive Belastung, die zwar danach deutlich herabgesetzt werden kann; es würde sich lohnen in einer Lebenslaufperspektive, mehr als lohnen, aber in dem jeweiligen Moment erscheint es als zu kostspielig.

Wir haben eine Schulzeitenregelung, die ich gestern schon angesprochen habe, hier haben wir auch sukzessive Verschärfungen erlebt. Zur Zeit ist die Lage so, daß man bis zu 6 Schuljahre nachkaufen kann, 2 Schuljahre und 4 Universitätsjahre bzw. Jahre, die über die allgemeine Schulbildung hinausgehen und diese 6 Jahre würden gegenwärtig etwa vergleichsweise 70.000 DM kosten. Es bringt sehr viel, weil man damit 6 zusätzliche Jahre bekommt, die im allgemeinen nicht in die Bemessungsbasis eingehen, die ja die besten 15 Einkommensjahre bilden, sondern schlicht und einfach die Möglichkeit geben, schon früher in Pension zu gehen oder halt die Versicherungsverläufe entsprechend zu verlängern. Das Ergebnis ist, daß im allgemeinen über den Daumen gesagt, nach 6 bis 9 Pensionsjahren die Kosten bereits wieder hereingeholt sind; und wenn man, je nachdem in welcher Situation man sich befindet, eben länger als diese Zeit in Pension ist, dann fängt das an, ein Geschäft zu werden.

Diese Regelung ist auch aus der Frauenperspektive besonders interessant, weil ja Frauen in Österreich früher in Pension gehen können, daher ist der Nachkauf der Schulzeiten besonders für Frauen lohnend. Andererseits ist es wiederum so, daß die Schulzeiten, wie ich auch gestern kurz gesagt habe, nicht für alle gleich bemessen werden, sondern anhand der später erzielten Bemessungsbasis. Ich zahle zunächst einen Fixbetrag, aber dann sind diese Jahre zusätzliche Jahre und haben keinen Einfluß auf meine Bemessungsbasis. Ein Mann, der später Karriere macht und an der Höchstbeitragsgrundlage verdient, profitiert von diesen nachgekauften Schulzeiten ein vielfaches gegenüber einer Person, die nicht eine derartige Karriere gemacht hat.

Im letzten Jahr wurden die Schulzeiten wesentlich verteuert, es gab aber noch ein halbes Jahr die Möglichkeit, sie zu dem jeweiligen Preis zu kaufen; in dem Jahr wurde sehr deutlich Gebrauch gemacht von diesem Nachkauf. Es sind, glaube ich, etwa eine Milliarde Schilling eingenommen worden allein aufgrund dieses Schulzeiten-Nachkauf. Es ist in Zukunft so, daß die Schulzeiten mit dem Alter auch teurer werden, daß sie für einen 50jährigen etwa doppelt so teuer sein werden wie für einen 30jährigen. Es ist aber sehr schwierig zu beurteilen, wie sich das weiter entwickeln wird: also einerseits ist es eine interessante Regelung, weil der Einzelne jetzt überlegen kann, lohnt sich das für mich oder nicht; es hängt aber sehr eng damit zusammen, wann man in Pension gehen möchte und was für eine Karriere man macht. Also lauter Dinge, von denen man eigentlich nicht so genau Bescheid weiß. Es ist also nicht leicht möglich, Empfehlungen abzugeben, was man tun sollte. Zum Beispiel in meiner speziellen Situation: ich habe nicht vor, vor dem 65. Lebensjahr in Pension zu gehen, in diesem Alter hätte ich bereits 40 Versicherungsjahre und damit hätte ich auch schon den Höchstanspruch von 80 % meiner Bemessungsgrundlage erreicht und würde durch eine Schulzeitennachkauf nichts gewinnen. Daher habe ich zum Beispiel für mich beschlossen, sie vorläufig nicht zu kaufen. Für die alten Frauen, für die noch das geringere Pensionseintrittsalter Gültigkeit hat, ist es zu empfehlen, die Schulzeiten nachzukaufen. Aber das hängt natürlich auch davon ab, ob eine die Kosten jetzt zu sehr belasten oder nicht.

Summa summarum: für das Maximum von sechs Jahren Nachkauf muß man mit etwa 70 000 DM Kosten rechnen, die Pension erhöht sich aber bei durchschnittlicher Laufzeit um ein Vielfaches davon. Andersherum: für den Fall, daß man nachher von der Mindest pension leben muß, weil man überhaupt keine Karriere gemacht hat, lohnt es sich nicht. Aber bei Leuten, die Studienzeiten nachkaufen, ist das relativ selten der Fall.

Um auf das Pensionsalter einzugehen: das gesetzliche Pensionsalter beträgt 65 Jahre für Männer und 60 Jahre für Frauen. Und dann gibt es auch ein Vorpensionsalter aufgrund langer Versicherungsdauer, das 5 Jahre darunter liegt (60 für Männer, 55 für Frauen).

Interessant ist, wie das Ganze zustande gekommen ist. In der Zwischen-kriegszeit, als das eingeführt wurde, wurde es damit begründet, daß Männerbeiträge die Witwenpensionen mitfinanzieren müssen, Männer daher länger arbeiten müßten, und damals hat sich das auch tatsächlich gerechnet: bei der damals relativ kurzen Pensionsdauer nach dem Alter von 65 Jahren bei Männern wurden damit aus den Beiträgen wirklich weitgehend die Hinterbliebenenrenten finanziert. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Regelung dann beibehalten; in diesem Fall wurde anders argumentiert: nämlich daß Frauen einerseits weniger belastbar sind und daher schon vorzeitig schwächlich werden; der zweite Aspekt war natürlich auch die Vorstellung, daß die Doppelbelastung so kompensiert werden könnte. Heute ist es so, daß ähnlich wie in vielen anderen Ländern so argumentiert wird, daß erst nach einer Gleichstellung der Frau in allen übrigen Bereichen auch akzeptiert werden kann, daß das Pensionseintrittsalter für beide Geschlechter gleich hoch liegt. Aber inzwischen haben wir - und ich komme darauf auch später noch einmal zu sprechen, auch schon ein Gesetz, mit dem beschlossen wurde, wann und wie das Pensionseintrittsalter angepaßt wird: das wird passieren in den Jahren 2023 bis 2033 und das ist also reichlich weit in der Zukunft.

Aber hier haben sich die Frauenorganisationen wirklich durchsetzen können: weil eine Angleichung wird „gestattet", wenn eine Gleichstellung erreicht wird. Eigentlich ist so, daß selbst dann noch im Jahr 2018, oder wann auch immer das sein soll, neu geprüft werden müßte, ob die Gleichstellung schon erreicht ist, und nur dann sollte dieses Gesetz wirklich in Kraft treten. Allerdings zweifelt kein Mensch daran, daß das Gesepz mit Sicherheit in Kraft treten wird. Ich komme darauf später noch in meiner Analyse zu sprechen.

Wir haben weiters eine Ausgleichs-Zulagenregelung, die als bedarfsorientierte Grundsicherung fungiert. Die ist so gestaltet, daß es gegenüber einer strikten Grundsicherungsregelung einerseits Vorteile und andererseits Nachteile dabei gibt. Ein Nachteil ist, daß man den Anspruch auf eine derartige Grundsicherung nur hat, wenn man überhaupt einen Pensionsanspruch hat, und den erwirbt man in Österreich erst nach 15 Versicherungsjahren. Das heißt, all jene, die keine 15 Versicherungsjahre erreichen, haben auch niemals einen Anspruch auf diese bedarfsorientierte Mindestsicherung.

Weiter ist es so, daß es sich nicht um eine individuelle Mindestsicherung handelt, sondern eben um eine bedarfsorientierte, am Familieneinkommen bemessene Sicherung. Das heißt, der Großteil jener Gruppe, der im Prinzip aufgrund seiner geringen Rentenhöhe Anspruch auf so eine Zahlung haben müßte, nämlich Frauen mit sehr geringen Einkommen, haben wahrscheinlich keinen Anspruch, weil sie einen Ehemann haben, der ebenfalls ein Einkommen hat, und daher kein Anspruch auf Ausgleichszulagenzahlung möglich ist. Der Richtsatz für eine alleinstehende Person ist zur Zeit etwa 1100 DM pro Monat und für ein Ehepaar 1600 DM. Die Ehepaar-Ausgleichszulage wird relativ selten bezahlt, es fällt im Prinzip nur dann an, wenn es einen Mann mit niedrigem Einkommen und eine Frau ohne Pensionsanspruch gibt. Und die Einzelpersonen-Ausgleichszulage wird de facto vor allem an Witwen ausbezahlt. Denn auch Witwen, die nicht 15 Versicherungsjahre und daher keinen eigenen Pensionsanspruch haben, sehr wohl aber über die Ehe oder die Verwitwung in das Pensionssystem kommen, haben in dem Moment auch Anspruch auf diese bedarfsorientierte Grundsicherung. Das heißt, Witwen stellen den Großteil der Personen, die so eine bedarfsorientierte Grundsicherung beziehen.

Die Hinterbliebenenpension ist ähnlich wie in Deutschland im allgemeinen 60 % der Pension des Verstorbenen. Es gibt kaum Anrechnungsregelungen. Es ist so, daß es eine gewisse Reduzierung dieses Anspruchs gibt, je nach dem Einkommensunterschied der beiden Partner. Hatten sie ein gleiches Einkommen, würde der Prozentsatz sich auf 52 % reduzieren. Wie gesagt, im allgemeinen ist es für Frauen aber doch 60 %; im schlimmsten Fall könnte es sich, für den, der mehr verdient hat, auch auf 40 % reduzieren.

Interessant ist aber, daß das nicht anknüpft an einer Einkommenshöhe sondern nur an einer Einkommensdifferenz. Das heißt also zum Beispiel, die Witwe eines Arbeiters mit geringem Einkommen, deren Ehemann ebenfalls ein sehr geringes Einkommen hatte, die bekommt dann 52 % von diesem geringen Einkommen. Die Witwe eines Hofrats, die selbst ein gutes Einkommen hatte, auch als Beamtin, wie das sehr häufig ist bei Beamtenehepaaren, die kriegt dann 60 % seines sehr hohen Pensionsanspruchs, weil er selbst noch ein Vielfaches ihres gutem Einkommens hatte, was wirklich aus meiner Sicht absolut idiotisch ist. Denn angerechnet wird nicht ihr tatsächliches Einkommen, sondern die Anrechnung läuft über die Einkommensdifferenz, in dem Fall also de facto ohne Anrechnung. Wenn er nur ein kleines bißchen mehr verdient hat - und da genügen schon 15% - dann kommt es zu keiner Anrechnung.

Zwischenfrage

Werden Pensionen versteuert?

C. Prinz

Selbstverständlich sind sämtliche Pensionsansprüche 100% steuerpflichtig.

Vielleicht noch zwei Aspekte die interessant sind: also ich habe gesagt, die besten 15 Einkommensjahre gelten als Bemessungsbasis; das kann natürlich zum Teil für manche Frauengruppen auch sehr vorteilhaft sein, nämlich genau dann, wenn sie 15 Vollzeitjahre haben und darüber hinaus nur Teilzeitjahre. Da gehen praktisch nur die 15 Vollzeitjahre in die Bemessungsbasis ein und die Teilzeit verringert den Pensionsanspruch nicht. Und es gibt in Österreich ähnlich wie in Deutschland eine Geringfügigkeitsgrenze, die auch fast auf der gleichen Höhe - ein bißchen darunter - und rechtlich genauso geregelt ist wie in Deutschland.(Sie liegt jetzt bei vergleichsweise 550 DM statt Ihrer 610 DM.) Wir sind allerdings in der Diskussion schon einen Schritt weiter: es sieht so aus, als ob noch heuer die Sozialversicherungspflicht auch für geringfügig Beschäftigte eingeführt würde.

Lassen Sie mich zurückkommen auf die Situation der Frauen, bedingt durch diese Regelungen. Hier eine Grafik zur Frage, wie sieht die Versorgung der Frauen im Alter aus? Auf dieser Grafik sind jetzt alle Frauen im Alter von über 60 Jahren dargestellt, also nicht nur jene, die Pensionsansprüche haben. Das eine Bild gibt Auskunft über die Herkunft der Pensionen. Also die Frage, ob es eigenständige Ansprüche gibt oder nicht.

Es gibt also etwa 18 % der Bevölkerung über 60 Jahre im Jahr 93/94, die keinerlei Pensionsanspruch hatten. Das sind allerdings großteils Frauen, verheiratete Frauen, die irgendwann im Verlaufe des Lebens wohl noch eine Witwenpension beziehen werden, sofern sie das Glück haben, ihren Mann zu überleben. Ein Viertel in dieser Bevölkerungsgruppe hat lediglich einen Hinterbliebenenpensionsanspruch - in der gegenwärtigen Situation ist die Hinterbliebenenpension immer noch ein ganz wichtiger Bestandteil der Alterssicherung von Frauen überhaupt.

Insgesamt gibt es nicht mehr als 3 bis 4 % Frauen über 60, die tatsächlich niemals einen Pensionsanspruch erwerben, sondern auf Sozialhilfe angewiesen sind.

Etwa ein Drittel der Frauen ist vom Typus der zukünftigen Frau, nämlich daß sie lediglich eine Eigenpension haben. Etwa ein Fünftel der Frauen über 60 haben sowohl eine Eigen- als auch eine Hinterbliebenenpension, und das sind im wesentlichen die Einzigen, die wirklich relativ gut abgesichert sind im österreichischen System. Interessanterweise so, daß der durchschnittliche Pensionsbezug einer Doppelpensionsbezieherin praktisch identisch ist mit dem durchschnittlichen Männerpensionseinkommen.

Die andere Grafik gibt nur Auskunft darüber, wie hoch diese Ansprüche sind. Und zwar habe ich das alles in Relation gesetzt zur sogenannten Ausgleichszulage, die 1100 DM pro Monat beträgt. Es gibt nur 49 % oder knapp die Hälfte der Frauen, die tatsächlich eine Pension beziehen, die über dieser Ausgleichszulage liegt. Diese Ausgleichszulage hat sich in Österreich auch als Armutsgrenze etabliert.

Wir haben nach wie vor diese 18 % ohne Pensionsansprüche und etwa zwei gleich große Gruppen von Frauen, die entweder eine Pension haben, die so niedrig ist, daß sie auch tatsächlich eine Ausgleichszulage bekommen, und eine zweite Gruppe, die auch einen Pensionsanspruch hat, der niedriger ist als diese 1100 DM, aber keinen Anspruch auf diese Zulage. Das sind also vornehmlich nicht die, denen die 15 Jahre fehlen, sondern das sind die, die nach Bedarfs-, also Haushaltseinkommensprüfung keinen Anspruch auf die bedarfsgeprüfte Mindestsicherung haben. Das sind alles verheiratete Frauen, deren Ehemänner über ein Einkommen verfügen. Das heißt, diese Frauen sind unter Umständen sehr, sehr gut abgesichert über ein gutes Familieneinkommen. Das läßt sich aus dieser Grafik überhaupt nicht herauslesen.

Die Frage ist, wohin entwickelt sich das oder würde sich das in Zukunft entwickeln. Es ist so, daß die Erwerbsquoten der Frauen in der Vergangenheit stark gestiegen sind und immer noch weiter steigen, das heißt, das wird mit Sicherheit einen höheren und weiter steigenden Anteil an Frauen geben, die einen eigenen Pensionsanspruch haben. Es ist auch so, daß die Zahl der Verheiratungen deutlich zurückgegangen ist, das heißt, es wird immer weniger Frauen geben, die einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenleistung haben. Und das ergibt eine recht eigenartige Situation in der Zukunft. Ich habe hier eine weit in die Zukunft reichende Prognose über die Familienstandsverteilung der Bevölkerung und daraus ist das hier die Gruppe der Frauen über 60 Jahre. Also wir sehen, daß heute etwa die Hälfte dieser Frauengruppe Witwen sind. Das ist deshalb so hoch, wie es auch in Deutschland so hoch ist, weil in dieser Bevölkerungsgruppe noch viele Kriegswitwen darin enthalten sind.

Weiter sind etwa 5 % dieser Frauengruppe geschieden und jede 10. dieser Personengruppe ist unverheiratet oder war nie verheiratet. Und wir werden also eine Entwicklung haben, daß der Anteil der verwitweten Frauen deutlich zurückgehen wird; das heißt, es gibt immer weniger Frauen, die jemals Anspruch auf eine Doppelpension haben werden. Absolut gesehen wird sich allerdings an der Zahl nichts ändern, durch die Altersstrukturverschiebung, das heißt die Kosten für Hinterbliebenenpensionen werden nicht zurückgehen, die werden ungefähr gleichbleiben. Andererseits wird ein immer größerer Anteil von Frauen, etwa ein Viertel, nicht mehr geheiratet haben in der Zukunft, ein bißchen mehr als ein Zehntel wird geschieden sein. Natürlich stehen hier eine Fülle von Annahmen dahinter, die auch schlußendlich ganz anders laufen könnten, aber das ist das, was aus dem gegenwärtigen Trend herauszulesen sein ist.

Das wichtigste Ergebnis ist, daß anteilsmäßig immer weniger Frauen Anspruch auf eine Doppelpension haben werden, daß aber andererseits von denen, die einen Hinterbliebenenanspruch haben, fast alle auch eigene Pensionsansprüche haben. Das heißt, diese Hinterbliebenenpension wird immer mehr zu einem Luxus - im schlimmsten Fall gesagt, jedenfalls einer sehr großzügigen Versorgung. Und es erscheint wohl sinnvoll, diese hohen Ausgaben besser auf die Frauen zu verteilen.

Aus dieser Analyse des gegenwärtigen Systems leiten sich für mich die wesentlichsten Kriterien für ein mögliches Reformmodell ab. Wir haben das gestern zum Teil auch schon gehört, trotzdem möchte ich meine Vorstellung dazu kurz aufzählen. Das allerwichtigste ist sicherlich eine eigenständige Sicherung für alle Personen, also auch für alle Frauen. Das Zweite ist, daß diese Sicherung auch möglichst unabhängig sein sollte vom Einkommen des Ehemannes und vom jeweiligen Familienstand. Das Dritte, was mir sehr wichtig ist, daß man ein System hat, in dem auch nichtbezahlte Betreuungsarbeit angemessen berücksichtigt wird, wogegen das jetzige System lediglich Erwerbsarbeit und „Ehemannbetreuungsarbeit" berücksichtigt. Ein vierter wichtiger Punkt ist, daß wir eine individuelle systeminterne Armutsvermeidung für jeden über dem Pensionsalter haben, und das Fünfte, was mir wichtig scheint, ist daß das System auch Anreize zur Erwerbstätigkeit für Frauen bieten soll. Im heutigen System ist keiner dieser fünf Punkte erfüllt. Es ist also insofern nicht sehr schwierig, das System zu verbessern. Wir haben, wie ich schon vorhin gesagt hatte, im wesentlichen drei Systemtypen analysiert, und ich möchte sie kurz in Zusammenhang setzen mit den hier erwähnten fünf Zielen.

Wir haben das Pensionssplitting analysiert und zwar im dem Sinne, daß es nicht nachträglich bei Pensionsantritt aufgeteilt wird, sondern laufend während der Ehe ein Ausgleich der Beiträge der beiden Partner erfolgt. Das heißt wir verstehen unter Splitting sehr wohl ein Splitting für Partner, ob sie verheiratet sind oder nicht. Das heißt, es sollte auch bei bestehenden Ehen bei Pensionsantritt gesplittet werden. In einem solchen System ist aber nur ein geringer Teil meiner Zielvorstellungen erfüllt. Wir haben zwar dann eine eigenständige Sicherung für den Großteil der Bevölkerung, aber es könnte noch immer sein, daß Frauen entweder praktisch aus dem System fallen, weil sie nicht erwerbstätig sind oder auch keinen Ehemann haben. Wir haben das eine Ziel der individuellen systeminternen Armutsvermeidung dann zwar für einen Großteil der Bevölkerung gegeben, aber nicht automatisch für alle. Wir haben sicherlich keine Anreize in solch einem System zur Erwerbstätigkeit für Frauen. Jedenfalls nicht so sehr aus der Sicht der Frauen; vielleicht stärker, als das heute der Fall ist, aus der Sicht der Männer, denn sie müssen spürbar etwas von ihrem Einkommen abgeben. Wir haben sicherlich in diesem System nicht Unabhängigkeit vom Einkommen des Ehemannes oder vom Familienstand, denn auch in einem Splittingsystem ist natürlich das Einkommen des Ehemannes maßgebend dafür, was ich bei der Erwerbsunterbrechung als Frau auf mein Konto gutgeschrieben bekomme. Und wir haben auch nicht eine wirklich angemessene Berücksichtigung der Betreuungsarbeit. Auch diese ist praktisch nur über das Einkommen des Ehemannes bewertet. Insofern kann ich also einem Splittingmodell nur sehr bedingt viel Positives abgewinnen. Es sind sicher deutliche Verbesserungen im Vergleich zum gegenwärtigen System, aber es ist noch lange nicht das Optimum.

Ein Zwei-Säulen-System mit einer Grundsicherungskomponente und einer erwerbsabhängigen Komponente, wie es auch Frau Veil gestern als eine sinnvolle Variante ins Spiel gebracht hat, bringt tatsächlich aus meiner Sicht für Frauen sehr, sehr viel. Insbesondere weil dieses System ja auch grundsätzlich, was vielleicht das Sympathischste daran ist, eine Umverteilung eher von oben nach unten bewirkt und eher Einkommensunterschiede aus dem Erwerbsleben abflacht und eben nicht verstärkt, wie es im österreichischen System der Fall ist. Wir hätten also bei einem Zwei-Säulen-System eine Fülle der Ziele erfüllt. Wir hätten selbstverständlich einen eigenständigen Anspruch für alle, er wäre auch systemintern armutsvermeidend für alle und er wäre auch unabhängig vom Einkommen des Ehemannes und vom Familienstand. Wo dieses System allerdings aus meiner Sicht noch verbesserungsbedüftig ist, ist einerseits, daß unbezahlte Betreuungsarbeit nicht wirklich angemessen berücksichtigt wird. Angemessen heißt für mich auch, daß es eben in Zusammenhang steht mit der tatsächlich geleisteten Versorgungsarbeit. Wenn eine Frau oder ein Paar drei Kinder hat oder haben, bedarf es natürlich mehr Versorgungsarbeit als mit einem Kind. Und wir haben gestern schon gehört vom schwedischen System, das kann und wird in einem solchen System nicht berücksichtigt. Aus dem Gesichtspunkt der Erwerbsanreize läßt sich das System etwas schwieriger klassifizieren. Man könnte durchaus sagen, daß die Grundsicherung ein Anreiz zur Nichterwerbstätigkeit bietet. Es ist also auch dieses System aus meiner Sicht noch verbesserungswürdig.

Und damit kommen wir eben zu genau jenem System, das ganz ähnlich dem SPD-Konzept ist, das aus meiner Sicht weitgehend alle diese Ziele erfüllen kann. Ich möchte das gar nicht mal im Detail so sehr alles schildern, weil es sich wirklich relativ wenig vom Vorschlag der SPD unterscheidet. Im Wesentlichen geht es darum, daß wir eine Pflichtversicherung für alle Über-20jährigen einführen wollen. Eine Pflichtversicherung, die so aussieht, daß wirklich jeder, ob erwerbstätig oder nicht, Beiträge in das System einzuzahlen hat. Das heißt, der springende Punkt ist, wer sind nun die Beitragsgaranten, wenn man selbst nicht zahlen kann? In erster Linie ist es einmal der Staat. Der Staat für all jene Fälle, wo jemand aufgrund von Kinderbetreuung nicht zahlen kann, wobei es uns hier ganz wichtig scheint - und das ist ja in Deutschland mittlerweile schon erreicht -, daß der Staat auch dann Beiträge für Kinderbetreuungszeiten zahlt, wenn die betroffene Person erwerbstätig ist. Das heißt Kindererziehungszeiten sind vom Staat nach unseren Vorstellungen auf Basis des durchschnittlichen Erwerbseinkommens mit Beiträgen zu belegen. Kindererziehungszeiten sind also auch keine Ersatzzeiten sondern echte Beitragszeiten und der Staat hat diese Beiträge auch zu leisten, wenn diese Person zusätzlich erwerbstätig ist. Das heißt, es kann sich in diesen Jahren eine sehr hohe Beitragsgrundlage für die Personen ergeben, wenn beides zusammentrifft. Und zwar stellen wir uns vor, daß der Staat für 4 Jahre pro Kind diesen Beitrag zu übernehmen hat. Für Zeiten, die darüber hinausgehen, hat grundsätzlich der Ehemann Beiträge zu leisten. Außer es handelt sich um Arbeitslosigkeit, dann sollte die Arbeitslosenversicherung zahlen, im Krankheitsfall die Krankenversicherung, im Fall von Pflege die Pflegeversicherung, also es sollte für alle Situationen festgelegte Beitragsgaranten geben. Und das interessante für mich ist, daß Umverteilung und Solidaritätsausgleich in diesem System vollkommen transparent und offen gelegt werden. Sämtliche Solidarität erfolgt auf der Beitragsseite. Daher haben wir auch zusätzlich vorgesehen, daß es eine Beitragsssubvention geben solle für jene, die sich diesen Mindestbeitrag nicht vollständig leisten können. Denn der Mindestbeitrag sollte relativ hoch sein, damit er nachher auch armutsvermeidende Pensionen garantiert. Nicht eine komplette Übernahme aber einkommensabhängige, auch hier wieder familieneinkommensabhängige Beitragssubventionen. Das heißt, wir hätten alle Solidaritätselemente lediglich auf der Beitragsseite. Wir müßten keinerlei zusätzliche Maßnahmen mehr auf der Leistungsseite treffen.

Aus meiner Sicht hat dieses System eben auch gerade wegen dieser Transparenz sehr viele Vorteile und außerdem erfüllt es alle oben genannten Ziele. Es ist ein eigenständiger Pensionsanspruch, er ist unabhängig vom Einkommen und Familienstand des Ehemannes, es wird Versorgungsarbeit entsprechend der tatsächlich geleisteten Arbeit berücksichtigt, es ist individuell systemintern armutsvermeidend und es schafft, glaube ich, sehr starke Anreize für Frauen, erwerbstätig zu sein. Das Ergebnis, wenn man sich die Verteilungswirkungen ansieht, ist daher auch aus meiner Sicht sehr positiv zu bewerten.

Es hängt auch noch davon ab, was für zusätzliche Elemente man einführt. Im Prinzip würde ich mir wünschen, daß man zusätzlich auch ein laufendes Splitting der Ansprüche von Lebenspartnern einführt. Was zwar bedeuten würde, daß man zum Teil wieder Ansprüche etabliert, die nicht vom Einkommen des Ehemannes unabhängig sind, aber nur dadurch, glaube ich, können wir erreichen, daß Versorgungsarbeit und Erwerbsarbeit geschlechtsneutral aufgeteilt wird. Also je nachdem, wie man das gestaltet, könnte man dann unter Umständen auch, wie wir gestern schon gehört haben, in gewissen Fällen noch eine Teil-Hinterbliebenenleistung hinzufügen. Das ist sozusagen eine rein politische Frage, was für Er-gänzungselemente man benötigt. Jedenfalls würden insbesondere nichterwerbstätige Ehefrauen von dieser Regelung profitieren, sie hätten einen eigenen Pensionsanspruch und sie hätten auch im Hinterbliebenenfall schlußendlich einen höheren Anspruch als die heutige Hinterbliebenenpension. Natürlich müßten die Ehemänner dieser Frauen Beiträge zahlen. Das ist überhaupt interessant, daß an den Leistungen schlußendlich in einem solchen System sich für die Männer kaum etwas ändern würde; der Unterschied würde darin bestehen, daß sie mehr Beiträge zu zahlen hätten.

Wir haben aber auch Verbesserungen insbesondere für geschiedene Frauen, analog zu den nicht erwerbstätigen Ehefrauen und wir haben unter Umständen, je nachdem wie es gestaltet wird, auch deutliche Verbesserungen für jene Frauen, die lange erwerbstätig sind. Wenn wir also die Hinterbliebenenpension, wie hier vorgesehen, komplett schrittweise abschaffen, ist es auch möglich, die Eigenpensionsansprüche zu stärken, das heißt, es könnte schlußendlich auch jede Alleinerzieherin oder erwerbstätige Ehefrau höhere Eigenpensionsansprüche erwerben. Es gibt aber natürlich in diesem System auch Verliererinnen gegenüber heute. Nämlich genau jene, die über Doppelpensionsansprüche sehr gut versorgt sind; hier gibt es für diese Gruppe natürlich im Hinterbliebenenfall Einkommensverluste, die allerdings im Verhältnis zu den Gewinnen aller anderen Gruppen, glaube ich, leicht verschmerzbar wären. Darum hat mich eben auch besonders interessiert, wie das in der schwedischen Diskussion gelaufen ist, wo sozusagen im Prinzip Ansprüche für Gruppen abgeschafft wurden, die anscheinend gar nicht mehr erforderlich waren, aber sehr wohl gab es dabei Gruppen, die verlieren. Wenn das, in dem Moment, wo es nicht mehr erforderlich scheint, ohne Probleme abgeht, kann man vielleicht daraus auch für Österreich einiges lernen.

Eine wichtige Frage, der wir uns gestern relativ wenig gestellt haben, ist, wie man zu so einem System gelangen könnte. Also wie man ein System umstellen könnte von der heutigen Situation auf etwa ein derartiges Pflichtversicherungsmodell. Keine Frage ist, daß wir hier sehr lange Übergangsregelungen bräuchten. Wichtig scheint mir aber auch, daß wir sehr genau überlegen müssen, daß wir es mit sehr unterschiedlichen Personen-gruppen zu tun haben. Also wir haben sicherlich eine Personengruppe, die noch nicht ins Erwerbsleben eingetreten ist, für die wir sozusagen jegliche Systemumstellung einfach beliebig vornehmen könnten. Wir haben auch gehört gestern, daß das laut SPD-Konzept im wesentlichen so gedacht ist, daß das für die jungen Menschen, die jungen Frauen gilt, aber ich glaube es wäre unbefriedigend, wenn wir es nur für diese Gruppen einführen würden. Das heißt, wir müssen uns auch überlegen, wie die Personengruppen dazwischen behandelt werden könnten. Also ich glaube, daß etwa für jene Personen, die in der ersten Hälfte des Erwerbsleben stehen, sicher ein Großteil dieser Neuregelungen umsetzbar ist. Man könnte noch darauf achten, ob nicht in gewissen Situationen Wahlfreiheit herrschen sollte, also etwa jene Personen, die noch vor der Familienphase stehen, für die wäre das, glaube ich, grundsätzlich attraktiv, umzusteigen, für jene, die vielleicht schon die Familienphase hinter sich haben, wäre der Umstieg nicht mehr sehr lukrativ. Und natürlich gibt es Personengruppen, die dann schon relativ kurz vor der Pension stehen, wo wir solche Änderungen nicht mehr durchführen könnten. Weil hier aber auch Handlungsbedarf besteht, denke ich, daß man für eine Übergangsphase auch unter Umständen andere Regelungen einführen sollte, die man eigentlich langfristig in der Form gar nicht haben möchte. Also zum Beispiel glaube ich, daß das Splitting von Pensionsansprüchen etwas ist, was man sehr rasch einführen könnte und was eben für diese Zwischengeneration greifen könnte, obwohl es langfristig nicht das Idealmodell aus meiner Sicht ist.

Ich möchte jetzt im letzten Abschnitt auf den Untertitel des Referats eingehen „Reformmodell in der österreichischen Diskussion". Ich muß ehrlich zugeben, der Untertitel ist ein bißchen übertrieben. Schön wäre es, wenn es tatsächlich so eine Diskussion gäbe. Es ist zwar in der Diskussion, wann immer ich irgend etwas zu sagen habe, und zum Glück hat sich politisch ergeben, daß das immer wieder Gelegenheiten gibt. Es ist auch ein Thema, wenn die Frauenministerin spricht, und es ist ein Thema bei manchen Frauengruppen in den Organisationen, aber ich muß auch deutlich sagen, daß auch innerhalb der Frauengruppen noch große Uneinigkeit besteht, ob das wirklich das Modell ist, das sie favorisieren sollen. Also ich glaube, das ist noch ein weiter Weg, bis dieses Modell so in der Diskussion ist, daß wir erhoffen können, daß etwas daraus wird.

In Wahrheit ist die Diskussion nämlich überlagert, wie in anderen Ländern auch, einerseits von unmittelbaren Budgetfragen, die Zweifel, die mit dem Maastricht-Kriterien im Zusammenhang stehen, und andererseits auch mit Fragen der langfristigen Finanzierung. Auf das Thema möchte ich noch ein bißchen eingehen, weil ich hier eine Position habe, die sich von jenen der meisten Personen, die mit dem Thema beschäftigt sind, unterscheidet. Weil ich der Ansicht bin, daß es ganz gefährlich ist, wenn wir das Frauenproblem und das Finanzierungsproblem, das in Wirklichkeit nämlich auch ein Verteilungsproblem ist, nämlich die Verteilungsfrage zwischen den Generationen, wenn wir diese beiden Probleme gegeneinander ausspielen. Und das passiert, jedenfalls in der österreichischen Diskussion ununterbrochen. Ich glaube, daß diese beiden Fragen gleich wichtig sind und daß wir nur beide gleichzeitig lösen können.

Ich möchte das ein bißchen skizzieren. Damit unterscheide ich mich natürlich auch sehr deutlich von Gewerkschaftspositionen oder auch von der Position unserer Schweizerischen Kollegen. Das eine Problem der Finanzierung ist die demographische Situation, die Menschen leben immer länger und sie gehen immer früher in Pension. Wir haben hier abgebildet, das hier ist das tatsächliche Pensionsalter zwischen 1910 und 1995, hier die Frauen, hier die Männer und die obere Kurve ist die Lebenserwartung im jeweiligen Pensionsalter. Das heißt die Differenz zwischen den beiden ist genau die durchschnittliche Pensionsbezugsdauer. Und wir sehen also zwischen dem Jahr 1950 und dem Jahr 1995 ist etwa die Pensionsbezugsdauer bei Frauen, die durchschnittliche, von 15 auf 26 Jahre gestiegen und bei Männern von 12 auf über 20 Jahre. Und es ist im Moment keine Trendwende absehbar. Es ist keine Frage, die Lebenserwartung ist in Österreich noch keineswegs am Plafond angestoßen, es gibt jetzt schon Länder, wo die Lebenserwartung wesentlich höher ist. Also allein in der Schweiz, zum Beispiel, ist die Lebenserwartung im Alter von 60 Jahren 1,5 Jahre höher als in Österreich und es gibt auch noch andere Länder, etwa Japan, wo das jetzt schon viel höher ist. Das heißt, es ist ziemlich wahrscheinlich, daß hier noch ein weiterer Anstieg erfolgt und es ist bei gegebenen Regelungen auch so, daß das Pensionseintrittsalter, zumindest bei den Frauen, mit Sicherheit noch zurückgehen wird. Das habe ich vorhin noch nicht erwähnt, die gesetzliche Lage läßt vermuten, daß 5 Jahre Unterschied zwischen Männern und Frauen besteht, in Wahrheit besteht aber nur 1 Jahr Unterschied. Das liegt daran, daß die Frauen leider zur Zeit sehr häufig nicht Anspruch auf eine Frühpension haben, weil sie noch nicht die Versicherungszeiten beieinander haben. Das wird aber aufgrund der Erwerbsquotenentwicklung anders werden und es wird ein immer größerer Teil der Frauen tatsächlich mit 55 Jahren in Pension gehen können. Das heißt, es ist absehbar, daß bei den Frauen ein weiterer Rückgang des Pensionseintrittsalters erfolgt, daß die Pensionsdauer sich 30 Jahren annähern wird. Das ist bei einer Erwerbsdauer von etwa 35 Jahren schlicht und einfach nicht durchhaltbar für unser System. Wir haben nämlich, im Gegensatz zum deutschen System, wesentlich höhere Ansprüche. Denn wir haben also Höchstanspruch 80 % des Einkommens der besten 15 Jahre im österreichischen System auch wenn leider im Moment, wir haben vorhin gesehen, die Leistungen an Frauen im Durchschnitt sehr gering sind. Die Leistungen sind aber relativ zu den Beiträgen eindeutig zu hoch.

Und das zweite Problem ist das demographische Problem, ist die Alterung, die leider auch oft mißverstanden und nur als Katastrophenszenario gezeichnet wird; aber das Problem kommt mit Sicherheit und wir sollten uns rechtzeitig darauf einstellen. Ich habe hier eine Grafik der Alterspyramide heute und im Jahr 2030 in Österreich. Das Rote ist die heutige Alterspyramide. Wir haben also noch einen relativ schmalen Bereich von über 60jährigen. Wir sehen hier ein paar Zacken, die hängen mit den Entwicklungen des ersten und zweiten Weltkriegs zusammen, und wir haben hier, diesen Riesenbalken, das ist der Babyboom in Österreich. Zufälligerweise bin ich ein Vertreter exakt dieser Generation, die den äußersten Spitztrieb hier bildet. Und wir sehen einen deutlichen Geburtenrückgang nachher, das heißt die Basis wird immer schmäler. Im Jahr 2030 ergibt sich das Bild mit aller Wahrscheinlichkeit, das hier in Schwarz gezeichnet ist. Es ist so, daß der Großteil dieser Personen schon auf der Welt sind, das heißt, was im Jahr 2030 mit diesen Altersgruppen passieren wird, kann man mit sehr, sehr hoher Wahrscheinlichkeit sagen. Was wir nicht so genau wissen ist, wie sich die Basis der Pyramide entwickeln wird. Es könnte natürlich sein, daß die Geburtenrate wieder ein wenig ansteigt, dann wäre es denkbar, daß wir statt einem stetigen Rückgang nur etwa einen solchen Rückgang hätten. Das macht allerdings für das Problem so gut wie überhaupt keinen Unterschied. Das Problem ist, daß diese Generation, meine Generation, im dem Moment, wo sie in das Pensionsalter eintritt, ein echtes Problem hervorruft für die nachfolgende Generation. Das heißt, es geht eigentlich in der Pensionsfinanzierungsdebatte darum, die Ansprüche meiner Generation sukzessive zu reduzieren, um auch noch Finanzierbarkeit für die nächste Generation sicherzustellen. Wir wissen ziemlich genau, wie das sein wird im Jahr 2030, weil jene, die im Jahr 2030 in Pension sein werden, die sind alle schon vorhanden, aber auch jene, die im Jahr 2030 im Arbeitsmarkt stehen werden, sind drei Viertel bereits geboren. Das heißt auch die Größe der Erwerbsbevölkerung ist relativ exakt vorhersehbar. Was wir natürlich nicht wissen, ist die Erwerbsquote. Wieviel von denen tatsächlich im Arbeitsmarkt stehen werden und noch wichtiger natürlich auch, was sich mit der Arbeitslosigkeit tun wird. Wir können nur sagen, und das ist eine Grafik, die meiner Meinung nach recht deutlich zeigt, was die Demographie für eine Bedeutung hat. Wir können sehr wohl sagen, wie die Erwerbsquoten aussehen müßten, damit wir gleichbleibende Verhältnisse hätten. Wir können uns anschauen, wieviel Pensionisten oder Pensionen müssen heute von den Erwerbstätigen finanziert werden und wir können uns anschauen, wie hoch die Erwerbsquote etwa jetzt in dem Jahr 2030 sein müßte, damit im Jahr 2030 das gleiche Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Pensionen hätten. Nur dann könnten wir sozusagen das gleiche Pensionsniveau aufrecht erhalten. Und das sieht man in dieser Grafik. Hier ist genau abgebildet die Erwerbsquote, die erforderlich wäre im Jahr 2030. Wir haben die unterste Kurve, das ist die Frauenerwerbsquote im Jahr 1995, wir sehen hier immer noch einen kleinen Knick in der Familienphase, der in vielen Ländern nicht mehr sichtbar ist. Wir haben die Männererwerbsquoten 1995, in beiden Fällen sehen wir eine rapiden Abfall im Vorpensionsalter und die dritte Linie ist die Erwerbsquote für Männer und Frauen, die für das Jahr 2030 erforderlich wäre, um die Belastung gleich zu halten. Und da bleibt nichts anderes, als daß im Prinzip 98 % aller Frauen und Männer erwerbstätig sein müßten und zwar bis zum Alter von 65 Jahren, daß das Pensionseintrittsalter im Durchschnitt bei 67,5 liegen müßte, und daß damit jede Person etwa 46 Erwerbsjahre aufzuweisen hätte.

Also es ist ein Versuch darzustellen, was eigentlich die Demographie ausmacht, und es ist überhaupt kein Problem, wenn wir das erreichen können. Aber das wird wahrscheinlich nicht erreichbar sein Wir haben hier noch überhaupt nicht über Arbeitslosigkeit gesprochen. Wir gehen davon aus, daß die gleichen Verhältnisse diesbezüglich bestehen. Arbeitslosigkeit ist in Österreich immer noch relativ gering mit 4,5 %. Aber wenn diese Kurve erreicht werden soll, würde das heißen, daß wir in Österreich in den nächsten Jahrzehnten eine Million zusätzliche Arbeitsplätze schaffen müßten - also bis zum Prognosejahr 2030. In Österreich haben wir zur Zeit 3 Millionen Erwerbspersonen, dann müßten es 4 Millionen sein.

Ich wollte eigentlich vor allem darauf hinweisen, daß es aus meiner Sicht wichtig ist, die beiden Probleme in Einklang zu bringen. Es gibt in Österreich im Moment eindeutig eine Gruppe, die sagt, es ist weder ein Finanzierungsproblem, noch müssen wir die Situation der Frauen verbessern, das ist typischerweise oder auch komischerweise, die Position der Gewerkschafter. Insbesondere die Arbeitnehmervertreter sind der Ansicht, es braucht überhaupt nichts geändert zu werden. Während die Position der Regierung so aussieht, daß sie meinen, es ist ein Finanzierungsproblem, aber es gibt keinen Bedarf auf der Verteilungsseite. Es gibt keinen Grund aus frauenpolitischer Sicht etwas zu verändern, aber es gibt sehr wohl einen Grund, aus Finanzierungsperspektiven für die Generationen etwas zu tun. Das ist die Position der Regierung, aber auch der Arbeitgebervertreter.

Wir haben die Position der Frauenorganisationen, die sagen wiederum, es gibt kein Finanzierungsproblem; vergessen wir das, das ist alles über den Arbeitsmarkt zu lösen, aber wir müssen sehr wohl Umverteilung zwischen den Geschlechtern erzielen. Und es gibt sehr wenige, die meine Position vertreten, daß das beides notwendig ist und daß es sehr wichtig ist, und daß wir wirklich eine Chance haben das Problem in den Griff zu kriegen, wenn wir beides lösen. Und ich habe leider auch von frauenpolitischer Seite im Moment nicht viel Unterstützung, weil hier aus meiner Sicht falsche Dinge gefordert und behalten werden wollen. Es ist so, daß die Frauenorganisationen aus meiner Sicht an vermeintlichen Vorteilen festhalten, anstatt wirklich Vorschläge zu machen, wie man echte Verbesserungen erzielen könnte. Wir haben zum Beispiel eine Position, die in Österreich jetzt heftig in der Diskussion ist, die Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes. Also im Moment werden die besten 15 Jahre herangezogen, es gibt von vielerlei Gruppen die Ansicht, man sollte das wesentlich verlängern. Ich bin tatsächlich der Ansicht es ist unumgänglich, daß wir das Lebenseinkommen als Basis heranziehen, aber es gibt natürlich alle möglichen Gruppen, die sich sofort nur darauf beziehen, für wen das alles Nachteile bringen würde. Wenn man das nur als Einsparungselement verwendet, bringt es selbstverständlich per Definition Nachteile für alle. Daher kann auch jede einzelne Gruppe sagen, für unsere Gruppe bringt es Nachteile. Ich glaube aber, es wäre gut möglich, diese Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes zu einer Umverteilung von Männern zu Frauen zu nützen. Wir könnten also den Durchrechnungszeitraum verlängern und begleiten lassen von Kompensationsmaßnahmen, sei es, wie gestern vorgeschlagen, durch eine bessere Bewertung der Teilzeitarbeit oder in dem Elternteilzeitarbeit überhaupt aus der Bemessungsbasis herausnimmt. Das heißt, es würde also als Resultat bestehen bleiben, daß die Durchrechnungszeiten im wesentlichen nur für Männer verlängert würden, aber für Frauen, die in einer Kinderphase Teilzeit gearbeitet haben und natürlich auch für Männer, falls das der Fall war, könnte sich die Bemessungsbasis wesentlich weniger verändern, vielleicht sogar gar nicht verändern. Daher halte ich es nicht für gscheit, die Verlängerung zu bekämpfen, sondern ich hielt es für gscheit, vorzuschlagen, was man für Begleitmaßnahmen machen sollte.

Der zweite Punkt sind die Hinterbliebenenleistungen. Hier ist es in der österreichischen Diskussion völlig verpönt, das Wort auch nur in den Mund zu nehmen; irgendwelche Veränderungen in diesem Bereich sind unerwünscht. Das ist auch aus der Sicht der Frauenorganisationen zumeist der Standpunkt, es darf sich für niemand irgend etwas verschlechtern, ich glaube aber, wenn wir die Hinterbliebenenleistungen nicht angreifen, werden wir nie eine Umwandlung in bessere, eigenständige Versorgung erreichen. Ich glaube es auch nicht, daß man sagen kann, zuerst braucht man eigenständige Versorgung und dann machen wir was mit den Hinterbliebenenpensionen, ich glaube das hängt unmittelbar zusammen.

Und das Dritte ist auch das Pensionsantrittsalter. Hier bin ich auch nicht sehr glücklich, daß man versucht, die Regelung, wie sie jetzt getroffen wurde, eines Anhebens des Pensionsalters von Frauen erst im Jahr 2023 bis 2033 beizubehalten. Ich glaube nämlich, daß durch diese Regelung eine frauenpolitische Maßnahme von einer ganz speziellen Gruppe bezahlt wird, nämlich nur von den Beitragszahlern. Nachdem wir auch eine Höchstbeitragsgrundlage haben, heißt das, daß alle jene, die sehr viel verdienen, sehr viel weniger beitragen zu diesen Maßnahmen; Beamte tragen überhaupt nichts dazu bei. Außerdem wird damit das frühere Pensionsalter von der nächsten Generation finanziert. Und es läßt sich am besten verdeutlichen, zumindest für mich, am Beispiel meiner beiden Schwestern. Die eine ist zwei Jahre älter, die ist genau so alt, daß sie gerade noch mit dem vorzeitigen Pensionsalter in Pension wird gehen können; und meine jüngere Schwester ist gerade so alt, daß sie das nicht mehr kann. Das heißt also, daß meine jüngere Schwester, diese Maßnahme für meine ältere Schwester mitfinanzieren muß, obwohl sie dann selbst erst fünf Jahre später in Pension gehen kann. Ich hielte es für wesentlich gescheiter, wenn wir die großen Kosten dieses frühen Pensionsantritts für Frauen umwandeln in höhere Pensionen von Frauen. Also ich glaube, es geht nicht darum, die Pensionsphase zu verlängern - sie beträgt jetzt schon 26 Jahre, sie wird dann 30 Jahre betragen - sondern es wäre wesentlich sinnvoller, die Pensionsansprüche der Höhe nach zu verändern.

Was man also sich überlegen könnte, wenn wir das Pensionseintrittsalter doch vorzeitig anheben, wäre, dafür alle Kosten, die damit eingespart werden, ausdrücklich nur für frauenspezifische Maßnahmen zu verwenden. Was da an Potential frei würde und wie man das verwenden könnte, dafür sollte man jetzt Vorschläge machen. Zum Beispiel könnte man leicht - und das wäre noch nicht alles, was man machen könnte - die Bemessungsgrundlage für Kindererziehungszeiten verbessern - die Kindererziehungszeiten sind in Österreich zwar gut geregelt, aber die Bemessungsgrundlage ist ein Witz: es sind nicht einmal 1000 DM und das heißt de facto auch für eine Frau, die drei Kinder hatte, erhöht sich die Pension monatlich nur um etwa 150 DM. Man könnte also sehr leicht diese Bemessungsgrundlage verdreifachen, wenn wir dafür das Pensionsalter früher anheben, wir könnten aber an sich auch noch mehr tun.

Ich habe daher das Gefühl, daß die Chancen für irgendwelche Verbesserungen zur Zeit nicht sehr gut stehen, weil einfach von zu vielen Seiten versucht wird, Bestehendes zu bewahren, anstatt Vorschläge für ernsthafte Verbesserungen zu machen.

A. Braun

Herr Prinz, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Mir wäre es jetzt recht, wenn wir die Diskussion ein bißchen trennen könnten, zunächst in eine Nachfrage- und Klärungsdiskussion für Dinge, die einfach als Sachverhalt nicht klar sind, und uns Stellungsnahmen solange mal verkneifen, wie wir eine Nachfrage zum Sachverhalt haben.

Ute Francke

Ja, also ich fand den Vortrag sehr informativ und ich finde es auch gut, es einfach mal auf den Punkt zu bringen, denn ich glaube das ist der Punkt: natürlich graust es auch mir davor, wenn ich daran denke, bis 67,5 Jahre zu arbeiten, aber meine Frage ist, hat man auch mal daran gedacht, eventuell die Erwerbstätigenquote zu erhöhen, indem sich auch Österreich für Einwanderer öffnet?

C. Riedel

Entschuldigung, ich muß gleich gehen, deswegen wäre ich Ihnen furchtbar dankbar, wenn Sie mich jetzt doch vorlassen würden. Erstens, die Frage der Anhebung des Renteneintrittsalters. Herr Prinz, ich meine das ist durch den europäischen Gerichtshof entschieden, daß da eine Angleichung erfolgen muß und die gilt doch auch für Österreich, also da ist doch so viel Diskussionsspielraum nicht mehr. Also diese unterschiedliche Regelung, meine ich, die muß auch in Österreich nach der Vorgabe des EuGH demnächst geändert werden. Zweitens mit dem Pflichtbeitrag oder Mindestbeitrag. Diese Diskussion, die reizt mich immer wieder zum Widerspruch, ich muß jetzt persönlich sprechen, nicht für den deutschen Frauenrat. Ich finde es gut an den Modellen Skandinavien und Schweiz, daß mit einem Mindestbeitrag eine Mindestrente erzielt wird und daß eine allgemeine Volksversicherung sozusagen eingeführt wird. Aber in der Diskussion wird immer vergessen, daß da die Beitrags-Leistungs-Relation nicht dem bei uns geltenden Äquivalenzprinzip folgt. Der Mindestbeitrag ist nicht so hoch, wie er bei uns jetzt nach unseren Regeln sein müßte, um überhaupt zu einer Mindestrente zu kommen. Sondern man zahlt einen Mindestbeitrag über eine bestimmte Dauer und hat dadurch einen Mindestrentenanspruch. Das Äquivalenzprinzip, die Beitrags-Leistungs-Gerechtigkeit setzt sehr viel später ein. Das wir leider in der Diskussion immer vergessen. Wenn bei uns eine Rente in der Größenordnung von 0,5 Entgeltpunkten erreicht werden müßte, jetzt, nach den geltenden Bewertungsrichtlinien, müßten 400 Mark monatlicher Beitrag als Mindestbeitrag gezahlt werden; das kann kein Mensch zahlen, die Diskussion so zu führen ist meines Erachtens völlig müßig. Und zum anderen, wenn Sie sagen, daß für die Zeiten der Arbeitslosigkeit und Krankheit die Versicherungsträger eintreten müssen als Garanten für die Beiträge, dann heißt das doch nichts anderes, als daß die Generation der jetzt Erwerbstätigen mit ihren Lohnnebenkosten nun noch mal doppelt und dreifach in die Pflicht genommen wird, um im Umlageverfahren der Generationen den jetzt Leistungsberechtigten die jetzigen Bestandsrenten zu garantieren. Es wäre doch sehr viel radikaler und auch sehr viel ehrlicher zu sagen - auch wenn ich jetzt einige von den Älteren damit treffe - gut wir haben hier jetzt eine hohe Arbeitslosigkeit und so wie die Rentner in Zeiten der besseren Prosperität vom Anstieg der besseren Löhne profitiert haben, müssen sie leider jetzt auch zur Kasse gebeten werden in Zeiten wo eben diese Löhne nicht mehr gezahlt werden und wo wir eine hohe Arbeitslosigkeit haben. Die Arbeitslosigkeit oder die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung jetzt nochmal heranzuziehen, um damit die laufenden Renten zu finanzieren, erscheint mir einfach unvernünftig. Das müßte zu Rentenkürzungen führen, so schmerzlich das ist. Mit den Beiträgen, die ich jetzt zahle finanziere ich nichts anderes als die laufenden Renten. Meine eigene Rente im Jahr 2030 wird finanziert von der Generation, die dann Beiträge zahlt.

A. Braun

Es geht nicht um die dann Arbeitslosen, sondern es geht um die Leute, die jetzt arbeitslos sind. Daß die auch Ansprüche an die Alterssicherung erwerben. Die zahlen aber auch in die Rentenversicherung ein. Und zwar aus dem Arbeitslosengeld bzw. aus dem Beitrag zur Arbeitslosenversicherung eines jeden Erwerbstätigen werden Beiträge der Arbeitslosen für die Rentenversicherung entrichtet. Also, im Prinzip werden die Leistungen der Arbeitslosenversicherung und der Krankenversicherung in die Lohnsumme für die Rentenversicherungsbeiträge mit einbezogen. Also wir verbreitern die Lohnsumme auch um diese Einkommen und erheben darauf Beiträge und weil das eine Umlage ist, haben Sie ganz Recht, dient das in dem Moment zu nichts anderem, als die laufenden Renten zu finanzieren.

C. Riedel

Ja, wenn Sie es so sehen, es ist einfach eine Verlagerung, eine Erhöhung der Lohnnebenkosten derer, die jetzt gerade erwerbstätig sind. Die wird einfach dadurch bewirkt, daß von den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen ein großer Anteil, ich glaube es ist ein Drittel, abgeht für die Rentenversichrung. Die Leistungen der Arbeitslosenversicherung sollten doch eigentlich darin bestehen, den Arbeitsmarkt zu konsolidieren und Weiterbildungsangebote und was auch immer für die Erwerbslosen zu finanzieren.

A. Braun

Nein, weniger als ein Drittel! Es ist sehr viel weniger als ein Drittel, wenn Sie davon ausgehen, daß in der Arbeitslosenversicherung etwa nur die Hälfte laufende Leistungen aus der Versicherung sind und wenn Sie darauf dann Beiträge erheben von, was weiß ich, maximal 10 % dann sind Sie also in der Größenordnung von höchstens, von höchstens 10 %.

C. Riedel

Ich bin nicht darauf vorbereitet, aber es ist eine Diskussion, die meines Erachtens anders geführt werden müßte. Aber da scheine ich mich jetzt in der Minderheit zu befinden. Es müßte einfach darauf hinauslaufen, daß Kürzungen auch der Bestandsrenten in der gegenwärtigen Situation einfach hingenommen werden müßten. Das ist meine Position.

A. Braun

Der Punkt, wo wir uns wahrscheinlich streiten würden, ist der Punkt, daß Sie akzeptieren, daß das Lohnnebenkostenargument eine Leitfrage für die Gestaltung der sozialen Sicherungssysteme sein kann. Das würde ich nicht akzeptieren. Denn die Behauptung, daß wir die höchsten Lohnnebenkosten hätten, ist einfach nicht richtig. Andere haben höhere. Wir sind an drittletzter Stelle in der europäischen Gemeinschaft bei der Belastung mit Steuern und Sozialabgaben.

C. Riedel

Wir können das sicher hier jetzt nicht vertiefen, aber Faktum ist, daß wir keine Arbeitsplätze haben, daß aber die laufende Rentnergeneration sozusagen so gestellt wird, wie wenn wir Arbeitsplätze hätten, weil, wie Sie es gerade gesagt haben, die Arbeitslosigkeit in der Rentenberechnung letztlich nicht ins Gewicht fällt. Weil der Arbeitslose genauso Beiträge zur Rentenversicherung zahlt, wie wenn er Arbeit hätte und das Beitragsaufkommen wird von den Erwerbstätigen gestellt. Das ist der Punkt.

A. Braun

Ja, so ist es; und das ist nur eine Umverteilung zwischen Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen in der aktiven Generation.

C. Prinz

Weil Sie gesagt haben, daß Sie gleich gehen müssen, möchte ich auf Ihre Punkte eingehen. Sie haben drei Dinge angesprochen; das Eine war das Pensionsalter, da gebe ich Ihnen Recht, es gibt nicht viel Handlungsspielraum durch den Beschluß des Gerichtshofs, aber wir haben ja eben beschlossen, es erst bis zum Jahr 2033 anzupassen und das kann man auch in ein Verfassungsgesetz umwandeln und das wäre wahrscheinlich zu halten. Was ich sagen wollte, war, wenn man es früher anhebt, werden Spielräume frei, die man explizit frauenpolitisch verwenden könnte.

Sie haben gesagt, die Beitrags-Leistungs-Relation wird in den skandinavischen Systemen sehr bewußt durchbrochen. Ich glaube, daß man eben auch für die Mindestrenten die Beitrags-Leistungs-Relation sehr wohl einhalten kann. Also ich halte das Prinzip der Beitragsäquivalenz für einen sehr tragfähigen Pfeiler und ich glaube eben, es sollte alles, jegliche Form von Subventionierung und Solidarität, über die Beitragsseite laufen. Das heißt, wenn jemand diesen Beitrag nicht zahlen kann, muß er, von wem auch immer, und darüber muß man sich sehr genau unterhalten, übernommen werden. Aber schlußendlich gilt auch für den mit der Mindestpension die gleiche Beitragsäquivalenz, nur daß dieser Beitrag in einer Umverteilung zustande gekommen ist. Daher glaube ich nicht, daß das skandinavische System für uns ideal ist; ich würde mir ein Grundsicherungssystem gut vorstellen können, aber ich sehe, daß es realpolitisch in Österreich völlig undenkbar ist, und glaube, daß wir an dieser Beitragsäquivalenz doch festhalten sollten.

Und zu den Beitragsgaranten und dem Argument, daß die falsche Generation belastet wird. Das sehe ich ganz anders. Es wird eben genau die richtige Generation belastet, wenn eine Frau jetzt wegen Kindererziehung Zuhause bleibt, dann muß diese gleiche Generation dafür bezahlen, indem sie Beiträge dafür übernimmt und nicht die nächste Generation, indem sie dann nachträglich Ansprüche bekommt, die sie nicht durch Beiträge erworben hat. Das heißt, es geht eben genau darum, daß die gleiche Generation zahlt. Wenn es mir richtig scheint - und das ist genau das, worüber ich noch nicht gesprochen habe - daß wir im Prinzip beim Umlagesystem bleiben, in das wir aber Elemente von anderen Typen, soweit sie Sinn machen, hineinnehmen. Und etwa auch kapitalgedeckte Elemente insofern hineinnehmen, daß nicht unbedingt alles, was an Beiträgen reinkommt, sofort an Pensionen ausgezahlt werden muß. Wenn eben mehr Beiträge reinkommen, als zur Zeit gebraucht werden, dann könnte man diese sehr wohl in Fonds anlegen und für die Generation, die sie eigentlich für sich zahlen mußte, erst später auszahlen. Das Problem ist aber, glaube ich, nur in einer Übergangsphase wirklich virulent, denn schlußendlich wird sich in Zukunft wieder eine etwas stabilere Bevölkerungssituation einstellen, wo wir eh ungefähr die Situation haben werden, daß wir gleichviel Beitragszahler und Pensionisten haben werden, wo im Prinzip genau genommen sich ohnedies jeder oder jede Generation ihre Pensionsleistungen selbst wird zahlen müssen. Insofern wird das System wieder ausgeglichener und es wird nicht so sein, daß sehr viel angespart werden könnte, aber gerade in der Übergangsphase denke ich wäre es schon so.

Und zu ihrem Vorschlag, daß man im Prinzip auch Pensionskürzungen hinnehmen müßte. Von der Logik her gebe ich Ihnen recht, von der Realität her ist das nicht durchzuführen. Was aber schon durchzuführen wäre, sind geringere Anpassungen bei den Pensionen und das wird es in Deutschland wohl eher geben, das wird es mit aller Wahrscheinlichkeit auch in Österreich geben und ich denke, daß das durchaus vertretbar ist.

A. Braun

Bert Rürup geistert halt überall herum !

C. Prinz

Der Herr Rürup, den haben wir importiert, die guten unter seinen Vorschlägen würde ich sicherlich unterstützen. Und ich glaube, dieser „demographische Faktor", der dazu führen könnte, daß die Anpassungen geringer ausfallen, ist eine sinnvolle Errungenschaft.

Kurz zum Thema Einwanderung. Die Einwanderungspolitik, die österreichische ist zur Zeit wirklich eine Katastrophe. Ich weiß nicht, ob Sie schon wissen, was für das kommende Jahr beschlossen ist: das ist wirklich praktisch eine Nulleinwanderung, das ist für mich völlig unverständlich und es ist eine rein politisch-polemische Maßnahme. Ich sehe allerdings im Moment nicht wie das politisch anders aussehen könnte. Also es gibt im Augenblick so starke Widerstände, daß ich mir nicht vorstellen kann, daß man über Einwanderungspolitik die Erwerbsquote wirklich massiv anheben könnte, wobei im Zusammenhang mit der Alterung auch zu sagen ist, daß das natürlich auch nicht immer sehr viel Effekt haben würde. Was Einwanderung bewirken kann, ist natürlich, daß man gerade in den Phasen, wo es extem problematisch ist, das Problem ein bißchen hinausschieben kann, auch an den Spitzen der Probleme es ein bisserl besser verteilen kann, aber schlußendlich ist es natürlich so, daß die Einwanderer genauso ihre Ansprüche erwerben auf eine Pension, das Problem oft damit nur hinausgeschoben würde. Aber dieses Hinausschieben kann eben in manchen Phasen sehr sinnvoll sein. Aber wie gesagt, die österreichische Einwanderungspolitik, da zeichnet sich sicherlich im Moment kein Gegentrend ab, obwohl es aus meiner Sicht katastrophal ist.

A. Braun

Jetzt sind wir natürlich völlig in einer Stellungsnahmendebatte, lassen die Nachfragen glaube ich besser bleiben und machen nur noch Stellungnahmen. Von Frau Hofmann war jetzt die nächste Wortmeldung.

I. Hofmann

Ich hab doch schon auch noch Nachfragen; aber ich versuch ganz schlicht zu denken. Ich bin durchaus für das Splitting und auch dafür, daß Renten aus der eigenen Erwerbstätigkeit kommen. Ich behaupte jetzt, früher, da gab es weder die Pille noch den Anspruch auf Bildung bei Frauen, also auch keine Rente. Heute haben die Frauen Bildung, sie haben Zugriff auf die Pille, aber sie haben nicht den Zugriff auf den Arbeitsmarkt; der wird verwehrt durch ungünstige Rahmenbedingungen. Ich möchte jetzt fragen, wer in Schweden diese Elternkasse finanziert. Machen das alle Eltern oder alle Menschen?

K. Fölster

Das funktioniert genau wie die Krankenversicherung. Also erstmal ist man grundsätzlich drin, und wenn man anfängt, ein Einkommen zu beziehen, so bezahlt jeder rein. Unabhängig davon, ob er oder sie ein Kind kriegt. Wie bei der Krankenversicherung, unabhängig davon, ob man krank wird oder nicht.

I. Hofmann

Wird die Kindererziehung, der Preis der Kindererziehung, wird das den Eltern bzw. den Müttern in die Schuhe geschoben oder trägt es die Allgemeinheit. Und wenn die Frauen entscheiden müssen zwischen Kind und Karriere, was bei uns der Fall ist, dann werden sie sich wohl für das Kind entscheiden müssen im gegenwärtigen System bei uns; was sie in Schweden nicht müssen, dank der wesentlich besseren Einrichtungen für Pflege sowohl der Kinder als auch der Senioren. Das sind also die Rahmenbedingungen für Frauen, nicht ihre Bildung, die sie abhält vom Erwerbsleben. Da muß es doch ansetzen außer an diesem Rentensplittting. Ich muß diese Rahmenbedingungen zur Erwerbstätigkeit der Frauen einfach verbessern. Und dann muß ich eine Umverteilung des Arbeitsvolumens zwischen Frauen und Männern bringen für die Zukunft. Bis jetzt ist ja das Arbeitsvolumen so verteilt, daß die Männer den Hauptbrocken haben und die Frauen haben den kleineren Teil. Und dann haben sie noch den schlechter bezahlten Teil.

C. Prinz

Ich kann Ihnen nur beipflichten. Das ist die Situation, wie sie in Österreich, sicherlich auch wie sie in Deutschland ist. Deshalb ist auch aus meiner Sicht ganz wichtig, daß wir eine kollektive Arbeitszeitverkürzung anstreben, weil ich glaube, nur damit könnte auch eine Umverteilung der Versorgungsarbeit erreicht werden.

M. Veil

Ja ich wollte nur mal sagen, es war ja sehr hilfreich von Herrn Prinz, daß er diese vielen Reformmöglichkeiten mal durchdiskutiert hat und argumentiert hat, unabhängig von den Länderberichten, die wir gehört haben. Ich glaube, für alle Länder hat es so Denkanstöße gegeben auch für das eigene System, wie man da weiterkommen kann. Ich wollte jetzt nur eins zu den Kindererziehungszeiten sagen. Ich habe ja auch darüber nachgedacht, daß wir also gestern gehört haben, in dem steuerfinanzierten schwedischen System gibt es keine Berücksichtigung für Kindererziehung und Sie haben gesagt, in dem Äquivalenzsystem müßte man sich darüber Gedanken machen, was wir ja in Deutschland auch machen. Jetzt habe ich gedacht, ist die Frage nicht eigentlich überflüssig, weil es doch in Schweden die Elternversicherung gibt. Und mit der Elternversicherung gibt es ja eine Lohnersatzleistung. Und mit der Lohnersatzleistung gibt es doch Rentenansprüche. Also diese Fragestellung erübrigt sich. Müßte man das nicht so machen: steuerfinanzierte Systeme ankoppeln an so etwas wie Lohnersatzleistungen in der aktiven Phase, dann bräuchte man ja dann nicht in der Rente zu schauen, wie berücksichtigt man Familienarbeit, wenn man das weitgehend gleichsetzt mit Kindererziehung.

C. Prinz

Ich würde Ihnen auch zustimmen, wobei dann die Frage ist, ob die 1,5 Jahre Ersatzleistungen, die es in Schweden sind, bereits eine angemessene Berücksichtigung sind oder ob das noch zu wenig ist. Aber im Prinzip haben Sie schon recht, ich hab aber hier natürlich angeknüpft an der österreichischen Gesetzeslage, wo es zwar ein Karenzgeld für 1,5 Jahre gibt, das allerdings nicht an den Lohn gebunden ist, - es sind etwa 900 DM monatlich, das bewirkt dann natürlich überhaupt nicht, daß Männer auch in Karenz gehen würden, weil der natürlich besser Verdienende auch den entsprechend höheren Verlust hätte. Ich würde auch zusätzlich meinen, es wäre sinnvoll das an das Einkommen zu knüpfen, ich glaube auch, daß das der einzige Weg wäre, um Männer zu Kinderarbeit zu bekommen. Dann könnte man sich natürlich überlegen, ob man die Kindererziehungszeitenregelung anders gestalten könnte.

I. Ziekursch

Ja, ich wollte mal hören, ob es in Österreich auch Frauen gibt in führender Position, die sich um neue Wege der eigenständigen Alterssicherung von Frauen kümmern?

C. Prinz

Kaum, weder gibt es besonders viele Frauen in Führungspositionen, wobei das wirklich im Steigen ist ...

I. Ziekursch

Aber immerhin: die Ministerin hat Sie beauftragt!

C. Prinz

Das war aber die vorherige Ministerin und es hat uns einige Kraft gekostet, die jetzige Ministerin zu überzeugen, daß es ein weiterhin wichtiges Thema ist. Und es gibt von den Frauen in Führungspositionen leider immer noch eine sehr selektive Gruppe, die nicht wirklich die Frauen repräsentieren, für mich.

Jenny Bernack

Ich wollte etwas auf die Begrifflichkeiten eingehen. „Doppelpensionsanspruch" haben Sie vorhin als Begriff benutzt; wenn Sie das nochmal kurz erläutern würden, was daran doppelt ist. Also das ist mir nicht ganz klar von der Sache her und dann wollte ich daran erinnerj, daß solche Begriffe mit „Doppel" auch immer etwas anrüchiges haben. Also, bei uns gab es ja lange Zeit diese Diskussion über Doppelverdiener und es war ja eine Schande, Doppelverdienerin zu sein. Es ist also negativ besetzt und da müßte man vielleicht auch aufpassen, daß das in der Pensionsdebatte in Österreich nicht auch so passiert.

Dann habe ich noch eine Frage, wie die Selbständigen versichert sind. Wie hoch ist die tatsächliche Einzahlung oder gibt es da eine hohe Rate, daß da die Leute einfach sich auf privatem Wege absichern, also Lebensversicherungen oder Immobilien oder was es da auch immer gibt.

Dann wollte ich auch nochmal darauf aufmerksam machen, daß mir aufgefallen ist, daß Sie noch sehr oft von Ehefrauen sprechen. Also, das ist vielleicht doch ein Zeichen, daß das Bild immer noch so immanent ist, die Frauen sind als Ehefrauen irgendwo abgesichert. Aber die Eigenständigkeit der Frauen sollte sich, denke ich, auch etwas mehr in der Sprache zeigen. Ich bin halt Journalistin und arbeite mit Sprache und da fällt mir das auf und ich denke, man sollte in dem Zusammenhang mal daran erinnern.

Diese Pflichtversicherung ist ja gut, aber ich habe so die Befürchtung, daß diese 610-Mark-Jobs dafür herhalten müssen, daß die Frauen ihre Pflichtversicherung bezahlen können. In schlechterer Absicht, also da muß man also auch aufpassen, wenn man das nicht abschafft.

Und dann muß ich noch einen Punkt nennen, dann bin ich fertig: Sie haben angesprochen, daß Sie die Änderungen nur schrittweise und sehr behutsam angehen wollen, aber ich denke bei Änderungen muß es auch mal einen Schnitt geben. Zum Beispiel bei uns das Erziehungsgeld, also ich bin ein halbes Jahr zu früh drangewesen mit der Geburt meiner Tochter und habe deswegen kein Erziehungsgeld mehr gekriegt, aber es ist halt so, wenn es ein halbes Jahr später gewesen wäre, hätte ich was bekommen, also man muß dann irgendwo sehen, es gibt einen Schnitt bei Änderungen und das tut jedem irgendwo weh und der andere profitiert davon.

C. Prinz

Das war eine Fülle von Fragen, darum würde ich gerne gleich antworten. Was die Sprache betrifft, muß ich Ihnen leider mit Sicherheit rechtgeben und ich kann mich natürlich auch nicht so rasch davon lösen, ich bin daher froh über jeden Hinweis, daß ich das im nächsten Vortrag etwas besser machen kann. Ich kann Ihnen wirklich nur recht geben.

Auch der Begriff Doppelpension soll nicht anrüchig klingen; in Österreich in der Diskussion ist eigentlich sozusagen eine Unterscheidung Doppelpension wird eindeutig verstanden als Bezug einer Eigenpension und einer Hinterbliebenenpension. Das Anrüchige sind Mehrfachpensionen. Das sind Pensionen aus verschiedenen Pensionsansprüchen. Das hat jetzt nichts mit Hinterbliebenenleistungen zu tun aber zum Beispiel gibt es jede Menge Personen, die eine Politikerpension plus eine Beamtenpension plus noch irgendwo eine Zusatzpension haben; also zum Beispiel es gibt mehrfache staatliche Pensionen. Das ist wirklich eine Katastrophe, denn jede einzelne staatliche Pension ist aus meiner Sicht schon eine Katastrophe, und dann noch mehrere staatliche Pensionen ergibt eine derartig ungerechte Umverteilung, daß es haarsträubend ist. Das ist also das, was in Österreich wirklich anrüchig ist und wo auch schon Schritte gesetzt werden, Mehrfachpensionen einzudämmen. Also Doppelpension soll nicht negativ klingen, obwohl natürlich gerade - wenn ich dann sag’ in Zukunft werden Doppelpensionen ein Luxus sein - hat es sofort wieder diesen Anschein. Aber das ist nicht so gemeint.

610-Mark-Jobs wird es in Österreich in Zukunft möglicherweise auch noch geben aber nicht mit den Vorteilen, die sie jetzt haben. Also es wird noch heuer eine Sozialversicherungspflicht für diese Jobs beschlossen werden. Welchen Effekt das auf den Arbeitsmarkt haben wird, traue ich mich nicht abzuschätzen.

Sie haben gefragt nach den Selbständigen. Die Selbständigen haben an sich genau das gleiche System, wie die Unselbständigen. Mit dem einzigen Unterschied, daß sie weniger Beiträge zahlen. Sie zahlen nämlich nicht Arbeitgeber- plus Arbeitnehmerbeitrag, sondern sie zahlen ein bisserl mehr als der Arbeitnehmerbeitrag aber nicht das gesamte, was eigentlich sozusagen beitragsäquivalent notwendig wäre. Das heißt, in Wirklichkeit profitieren Selbständige besonders stark von dem System. Es gibt daher nicht so viele, die aus dem System hinausgehen und sich Eigenvorsorge statt dessen holen, denn in Wirklichkeit gibt es nicht besseres als die Vorsorge innerhalb des Systems, außerdem lädt das System zu unglaublichem Mißbrauch ein, gerade für die Selbständigen. Also da gibt es eine Menge Verbesserungsmöglichkeiten, denn da kann man relativ leicht zu einer guten Pension kommen, die sozusagen die Beitragsäquivalenz enorm durchbricht.

Und zum letzten Punkt, in dem Sie sagen, manche Änderungen müssen radikal, plötzlich passieren. Man sieht, glaube ich, da muß man ganz unterschiedliche Änderungen haben, ganz unterschiedliche Möglichkeiten, wie sie passieren müssen. Natürlich gibt es gewisse Änderungen, die kann man nur von heute auf morgen einführen, aber gerade bei einem Systemwechsel bei einem Pensionssystem, glaube ich, wäre es wünschenswert, wenn man eher von der Idee her zu einem Stichtag definiert und alles, was vor dem Stichtag war, nach dem alten System laufen läßt, und alles, was danach kommt, nach dem neuen System laufen läßt. Das man sozusagen zwei Systeme parallel laufen hat, wo das eine schrittweise das andere ersetzt. Das ist bei manchen Änderungen ohne weiteres möglich, als wichtigstes Beispiel fällt mir immer ein die Gleichstellung des Beamtensystems, wo man es genau so machen könnte, daß ab sofort entstehende Ansprüche bereits nach dem normalen System behandelt würden und bestehende Ansprüche nach dem Beamtensystem. Aber bei vielen der vorgeschlagenen Änderungen wird es nicht eine derartige pro-rata-temporis-Regelung geben können. Aber von der Idee her wäre es wünschenswert, und man sollte den Schnitt vermeiden, soweit es möglich ist, aber an manchen Stellen, - also ich denke zum Beispiel auch an ein Splitting - könnte man Dinge nur von heute auf morgen einführen.

A. Braun

Ich will nur daran erinnern, daß wir schon wieder eine Viertelstunde in der Pause sind.

H. Schmidt-Nebgen

Herr Prinz, wenn ich das richtig verstanden habe, plädieren Sie dafür, das Pensionseintrittsalter anzuheben. Würden Sie das auch anders sehen, wenn Sie in Deutschland wären, wo die Arbeitslosenrate bei 11 % ist, Sie nannten 5 % für Österreich. Das bedeutet, daß wenn angehoben würde, die Älteren die Plätze blockieren und noch mehr Jüngere ständen auf der Straße. Das wäre in Deutschland verhängnisvoll.

Zweitens ist es nicht dem Arbeitnehmer beliebig gegeben, ob er länger bleibt oder nicht. Also bei uns sind im Moment Entwicklungen, daß die Leute mit 58 Jahren mit Abfindung rausgesetzt werden und dann schaufeln die Firmen sich frei von ihren Belastungen, rationalisieren und also es ist gar nicht der einzelnen Person überlassen, wann er in Rente gehen will.

Schade, daß die Dame weg ist, die nun den Rentnern die Renten kürzen will; ich möchte da nur an den Zugriff für Fremdleistungen erinnern, was gar nicht oft genug gesagt werden kann. Wenn die Gelder noch da wären, brauchten sich viele Gedanken nicht gemacht zu werden. Zum Zweiten ist mir in sehr vielen Fällen schon passiert, daß junge Leute, die jahrelang von BAFöG wunderbar studiert haben, das ja auch irgendwo herkam, daß das nun diejenigen sind, die sagen: also ihr lieben Rentner ihr habt uns zwar jahrelang über Steuern oder sonstwie unser Studium ermöglicht, aber jetzt bitte zur Kasse, es ist nichts mehr da.

Christa Münzner

Mich interessieren vor allen Dingen die Probleme, die hier diskutiert werden über die Gleichstellung der Frau, ich muß sagen, nach der Anwesenheitsliste bin ich die einzige Frau aus Ostdeutschland, und habe den Vorteil, daß ich zwei Leben lebe. Mein Leben, was die Sicherheit angeht, ist auf der Basis eines ähnlichen Systems wie in Schweden passiert oder heute in der Schweiz, und ich muß sagen, daß aus dem, was hier gesagt wurde, nach meiner persönlichen Erfahrung eine Gleichstellung der Frau in erster Linie über das Berufsleben doch zu realisieren ist. Und da entstehen natürlich riesig politische Fragen, wenn wir in Deutschland nicht neue Wege finden, daß man sich seinen Lebensunterhalt durch Arbeit erarbeiten kann, während immer wieder die Probleme der Rente und der Gleichstellung sich im Kreise drehen. So denke ich.

G. Braun

Ganz kurz. Also es geht um den Herrn Rürup. Der Herr Rürup ist wirklich ein ganz toller Mann. Ich habe vor mehr als einem Jahr den zum ersten Mal gehört und habe fasziniert zugehört, was er an Vorschlägen hat. Nur - wenn die Vorschläge des Herrn Rürup, die sehr differenziert sind und die auch zum Beispiel in der Frage der Absenkung nicht von Absenkung reden - sondern der sagte damals, die Zuwächse sollen kleiner werden - wenn die dann in die Hände geraten von Leuten, die nicht so differenziert denken und die dann von einer „Durchschnittsrente" von 70 % reden, die es gar nicht gibt; sondern die 70 % bedeuten ja was ganz anderes. Und dann wird gesagt, da kann man ja ein paar Prozente runtergehen, und wenn die dann auch nicht berücksichtigen, daß das im Endeffekt für die Betroffenen heißt, von einem geringeren Sicherungsniveau dann runterzukommen auf ein noch geringeres, dann ist das auch nicht mehr Rürup, sondern ist was anderes. Nur leider hat er nicht verhindern können, daß dieses Ergebnis, was jetzt beschlossen ist, mit seinem Namen auf ewig verbunden bleiben wird. Und das ist für ihn schade und für die Betroffenen. Denen hilft’s nichts, daß da Rürup als Stempel drauf ist und das finde ich auch schlimm.

A. Braun

So, nehmen wir das als Schlußrunde.

C. Prinz

Drum ist er wahrscheinlich nach Österreich ausgewichen. Zur Frage der Anhebung des Pensionsalters, dem Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit und der Tatsache, daß die Betroffenen nicht wirklich frei wählen können. Es ist alles richtig. Ich glaube das Problem im Moment ist natürlich, daß eine unglaubliche Anreizwirkung für alle Beteiligten geschaffen wurde. Also, ich glaube, daß man vor allem die Anreize für die Arbeitgeber wesentlich reduzieren muß, damit nicht beliebig davon Gebrauch gemacht werden kann. Es ist überhaupt keine Frage, daß es eine Realiät ist, daß Arbeitnehmer heute nicht frei wählen können und quasi gehen müssen. Unsere Vorschläge beziehen sich allerdings auch nicht so sehr auf heute sondern darauf, daß man über die nächsten 20, 25 Jahre Änderungen einführt, die man aber heute beschließen muß. Insofern ist dann das unmittelbare Arbeitslosigkeitsproblem nicht wirklich ein Gegenargument für alle Vorschläge in die Richtung einer Anhebung des Pensionsalters. Ich würde die gegenwärtige Situation noch stärker bewerten, wenn man höhere Arbeitslosigkeit in Österreich hätte. Und hinzu kommt nämlich auch, daß das Pensionsantrittsalter in Österreich um einiges niedriger ist als in Deutschland. Also wir haben eine Situation, wo Männer im Durchschnitt mit 58 in Pension gehen, obwohl das gesetzliche Alter 65 und das gesetzlich Frühpensionsalter 60 ist, gehen sie im Schnitt mit 58, daß heißt die Hälfte geht vor 58. Das ist natürlich entstanden durch massive Anreizwirkungen auch Regelungen, daß man eben schon vor 60 gehen kann, vor 60 schon quasi in Arbeitslosigkeit gehen kann. Das System wird von den Arbeitgebern aufs ärgste benutzt und ganz besonders ist es von den verstaatlichten Arbeitgebern benützt worden, von den öffentlichen Arbeitgebern.

Ich möchte aber insgesamt vermeiden, daß wir irgendwie einen Konflikt zwischen jung und alt bekommen. Also, ich glaube, diese Frage von Kürzungen sollte daher mit entsprechender Vorsicht behandelt werden, und die Frage, die jetzt in die Diskussion kam, hat jemand studiert und sagt dann, so jetzt nehmen wir den Alten was weg; also ich möchte mich auf diese Diskussionen überhaupt nicht einlassen.

Ansonsten kann ich nur zustimmen, zu dem was gesagt wurde. Gleichstellung wird sicherlich in erster Linie über das Berufsleben zu erzielen sein und daher müssen wir auch dort Maßnahmen setzen. Was aber nicht heißt, daß wir im Pensionssystem nicht entsprechende Regelungen schaffen können, die, sollte das nicht gelingen, abfedernd wirken.

Zum Gutachten von Bert Rürup und daß soetwas dann leicht mißbraucht werden könne. Das ist natürlich kein Argument dafür, daß man Rürups Studien nicht machen sollte. Aber gleichzeitig muß ich auch sagen, was ich Rürup in Österreich vorwerfe ist: Österrreich hat er definitiv den Auftrag bekommen Vorschläge für eine langfristige Finanzierung zu machen und hat die gesamten aktuellen Verteilungsfragen, die virulent sind, auch prompt ausgelassen. Ich glaube, er hätte das wesentlich stärker thematisieren müssen und diesen Vorwurf kann man ihm sehr wohl machen. Andererseits, daß Leute jetzt seine Studie beliebig hin und her drehen und interpretieren, dagegen wird man nie gefeit sein, und deshalb wird man natürlich Studien an sich trotzdem brauchen.

A. Braun

Ja, ich würde jetzt gerne abschließen und drum bitten, daß wir bei der Kaffeepause ein bißchen hastig verfahren und uns dann um fünf nach elf hier wieder versammeln.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 1999

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