FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Vertragsarbeiter. Aus Mangel an Arbeitskräften holte die DDR - verstärkt zu Beginn der 80er Jahre - mehrere tausend Arbeitskräfte überwiegend aus der Volksrepublik Vietnam, Kuba, Mocambique, Algerien und Angola in die DDR. Mit den Herkunftsländern wurden die Bedingungen für diese Arbeitskräfte in bilateralen Regierungsabkommen vertraglich festgelegt (daher die Bezeichnung V.) Die ersten Regierungsabkommen wurden mit Polen (1965/66; Neuregelung: 1988) und Ungarn (1967; Neuregelung: 1973) geschlossen. Später folgten Algerien (1974), Kuba (1978), Mocambique (1979), Vietnam (1980), Angola (1984) und China (1986). Anders als den Gastarbeitern in der BRD wurde den V. in der Regel kein unbegrenztes Aufenthaltsrecht gewährt, die Aufenthaltsdauer betrug in der Regel vier bis fünf Jahre. Viele erlernten in der DDR einen Beruf als Facharbeiter, häufig waren diese Arbeitskräfte aber in Bereichen eingesetzt, um die deutsche Arbeitskräfte einen Bogen machten, z.B. als Näherinnen oder im Schlachthof. Auf die Betriebe verteilt und betreut wurden sie vom FDGB bzw. dessen BGL. Sie sollten die ineffektive DDR-Wirtschaft mit ihrem chronischen Arbeitskräftemangel unterstützen und nach dem Ende ihrer Delegierung wieder in ihrem Entsendeland qualifiziert arbeiten. Die V. füllten zudem die durch Ausreise bzw. sog. Republikflucht tausender DDR-Bürger gelichteten Reihen der Werktätigen auf. Allerdings ergab sich das Problem, dass viele V. nicht wieder in ihre Heimat zurückkehren wollten. An einer sozialen und kulturellen Integration bestand jedoch seitens der SED kein Interesse. So wurde es üblich, dass die V. nach Nationen geordnet in speziellen Wohnheimen bzw. in separaten Neubaublöcken untergebracht wurden, wo sie relativ wenig Kontakt zur deutschen Bevölkerung hatten. Die V. waren bei der Bevölkerung nicht beliebt. Sie galten aber weniger als Arbeitsplatz- denn als Konsumrivalen um die knappen Güter in der DDR.
In den Jahren zwischen 1985-88 verdreifachte sich die Zahl der V. in der DDR. Im Jahr 1989 lebten in der DDR über 90 000 V., davon ca. 60 000 Vietnamesen. Im Einigungsvertrag zwischen der DDR und der BRD wurde 1990 festgelegt, dass die V., die ihre Beschäftigungsverhältnisse vertragsgemäß abwickelten, eine zweckgebundene Aufenthaltsbewilligung erhielten. Ein Daueraufenthaltsrecht bekamen sie nicht.
Al.H.