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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 45]



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Gerechte Weiterentwicklung der Grundsteuer


Die jetzige Grundsteuer ist reformbedürftig, nicht zuletzt nachdem ihre Bemessungsgrundlage, der Einheitswert, nach den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts 1995 zur Erbschafts- und Vermögenssteuer in Zweifel gezogen worden ist. Die Einheitswerte werden heute ausschließlich noch für die kommunale Grundsteuer ermittelt. Reformbedarf wird auch im Zusammenhang mit dem Bewertungsniveau und den Bewertungsdisparitäten, dem Verwaltungsaufwand und den unzureichenden oder fehlgerichteten Wirkungen auf den Bodenmarkt gesehen.

Da die bisherige Einheitsbewertung von Grundvermögen in einem völligen Missverhältnis zu den Verkehrswerten steht (nach dem Gutachten des DIW liegt sie bei etwa 15 % des Verkehrswertes), resultieren hieraus sowohl falsche Standortentscheidungen im Stadt-Umland-Verhältnis, als auch ein falscher Umgang mit der Bodennutzung überhaupt. Außerdem führt das bisherige Grundsteuerrecht dazu, dass vorhandenes, erschlossenes Bauland nicht im notwendigen Umfang dem Markt zugeführt wird, sondern mangels Kostendruck ungenutzt brachliegt und somit das Baulandangebot künstlich verknappt wird. Eine reine Bodenwertsteuer ohne Gebäudewertanteil bringt baureife Grundstücke schneller auf den Markt und dämpft dadurch die Preise. Die Nutzung des Bodens und damit vor allem der erschlossenen Siedlungsflächen wird effizienter, und die Infrastrukturkosten der Gemeinden können schneller refinanziert werden. Ökonomische, ökologische und soziale Zielsetzungen sprechen daher für die Einführung einer Bodenwertsteuer. Die Praxistauglichkeit ist inzwischen durch ein vom Deutschen Institut für Urbanistik durchgeführtes Planspiel nachgewiesen. Die Diskussion über eine solche Grundsteuerreform ist aber noch nicht zu Ende geführt.

[Seite der Druckausg.: 46]



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[Seite der Druckausg.: 47]




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Stabilisierung und Weiterentwicklung des genossenschaft-
lichen Wohnens


Die Wohnungsgenossenschaften haben in Deutschland eine mehr als 100jährige Tradition. Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Wohnraumversorgung ihrer Mitglieder, sie arbeiten nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung, Selbstverantwortung und Selbsthilfe. Prinzipien, die in einer modernen Zivilgesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen. Diese selbstbestimmte Form des Wohnens muss neben dem Wohnen zur Miete und dem selbstgenutzten Wohneigentum gestärkt und weiterentwickelt werden.

Die rd. 2.000 Wohnungsgenossenschaften in der Bundesrepublik Deutschland haben mehr als 3 Mio. Mitglieder und verfügen über einen Bestand von 2,2 Mio. Wohnungen. Zu ihren unverzichtbaren Vorzügen gehören der Dauernutzungsvertrag und das lebenslange Dauernutzungsrecht, das den Mitgliedern eine eigentumsähnliche Wohnsicherheit garantiert.

Diese Form der Selbsthilfe, der Selbstverantwortung und Selbstbestimmung mobilisiert Eigenkapital, Eigenleistung, ehrenamtliches Engagement und führt zu guter Nachbarschaft. Die Prinzipien des Genossenschaftswesens sind demokratische. In einer Zeit, in der die Anspruchshaltung gegenüber dem Staat diesen zunehmend überfordert, sind die mit den genossenschaftlichen Grundsätzen verbundenen Tugenden ein wichtiger Beitrag zur Bewältigung künftiger Aufgaben, zur Bewahrung sozialer Stabilität, zum Ausgleich zwischen den Generationen, zur guten Nachbarschaft auch gegenüber den immer älter werdenden Mitbewohnern und zur nachbarschaftlichen Hilfe.

Die funktionierende Soziale Stadt braucht auch die Wohnungsgenossenschaften als Partner der Städte und Gemeinden. Deshalb hat der Bundesbauminister die Absicht, eine Expertenkommission zu berufen mit der Aufgabe, Vorschläge für die Stabilisierung und Weiterentwicklung der Wohnungsgenossenschaften zu unterbreiten. Erwartet

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werden Vorschläge mit dem Ziel, Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstbestimmung weiter zu entwickeln und zu stärken. Dazu gehört eine Prüfung, wie die Eigenkapitalbasis der Genossenschaften dauerhaft gesichert und gestärkt werden kann, auch und insbesondere bei neu gegründeten oder neu zu gründenden Genossenschaften.

Die Hälfte der Genossenschaften, das sind rd. 950, verfügen über weniger als 500 Wohnungen. Sie sind auf die ehrenamtliche Arbeit ihrer Vorstände angewiesen, deren Nachfolge, wenn sie aus Altersgründen ausscheiden, sich zunehmend als problematisch erweist. Wenn sich mehrere kleine Genossenschaften zusammenschließen, haben sie die ökonomische Kraft, um hauptamtliche Fachkräfte für ihre Führungsaufgaben zu beschäftigen. Solche sinnvollen Fusionen scheitern heute aber an der fällig werdenden Grunderwerbsteuer. Die Grunderwerbsteuer blockiert im übrigen auch dringend erforderliche Fusionen in den neuen Ländern, jedenfalls dann, wenn von der Insolvenz betroffene Genossenschaften in Ostdeutschland das Überleben durch Fusion mit ökonomisch gesunden Genossenschaften anstreben. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass der Stadtumbau in Ost und West durch Genossenschaftsfusionen hilfreich begleitet werden könnte.

Aus diesen Gründen muss die Abschaffung, zumindest aber in begründeten Fällen der Anspruch auf Erlass der Grunderwerbsteuer, eröffnet werden. Die Sorge der Länder, dass sie dadurch Einnahmen verlieren, ist unbegründet. Denn wenn diese Fusionen nicht stattfinden, gibt es ohnehin keine Steuereinnahmen und die Folgen sind insgesamt kostspielig und verhängnisvoll.

Die Selbstbestimmung der Genossenschaften war durch das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und ist durch die Regelungen des Sozialen Wohnungsbaues (z.B. Belegungsrechte) eingeschränkt bzw. stark fremdbestimmt. Das gilt auch für das Mietpreisrecht. Es wäre deshalb wünschenswert, die Selbstbestimmung als konstitutives Element der Genossenschaften zu stärken, indem beispielsweise abhängig von qualifizierten Mehrheiten in der Mitglieder- oder Vertreterversammlung die Höhe der Nutzungsentgelte durch die Genossenschaftsmitglieder selbst bestimmt werden könnte. Bei der Alterssicherung durch die Riester-Rente sollte eine Öffnung für die Wohnungsgenossenschaften ausdrücklich vorgesehen werden. Die

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aktive Einbindung in die Ziele der sozialen Stadt und die Stärkung der sozialen Aufgaben der Genossenschaften sind anzustreben.

Das sind Beispiele, die alle einem Ziel dienen: das genossenschaftliche Wohnen als eine moderne Antwort auf die Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft so zu entwickeln und zu stärken, dass es auf Dauer Bestand hat und sich stärker als bisher als dritte Säule des Wohnens neben Miete und Eigentum etabliert.

Der Grundgedanke der gegenseitigen Hilfe und Selbsthilfe zum gemeinsamen Wohl aller, der der weltweiten Genossenschaftsbewegung zugrunde liegt, hat insbesondere wegen der intellektuellen Auseinandersetzung in den USA über Kommunitarismus als Alternative zum reinen Ertragsdenken und im Zuge der Diskussion über die Zukunft des Sozialstaats europäischer Prägung sowie der Globalisierungskritik viele neue Impulse erhalten.

Das Wohnen bei Genossenschaften ist insofern einerseits eine Nutzungsform von Wohnraum mit einer langen und vielfältigen Tradition. Es ist andererseits eine Wohnform, die gerade unter den Bedingungen der globalen Netzwerkökonomie, die ein höheres Maß an individueller Zeitsouveränität zulässt, Möglichkeiten bietet, die bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Deshalb besteht hier ein idealer Ansatzpunkt zur Neubelebung des Subsidiaritätsprinzips, das elementarer Bestandteil sozialer Marktwirtschaft ist.

[Seite der Druckausg.: 50]



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