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Die Mischfinanzierung in der Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik bewirkt unverzichtbare Innovationen; sie sollte beibehalten werden


Bund und Länder haben in der Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik eine gemeinsame Verantwortung, die auch und insbesondere bei der Finanzierung nicht in Frage gestellt werden sollte. Das gilt vor allem für die Fortführung der Mischfinanzierung in der Wohnungs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik. Dabei wird grundsätzliche oder auf einzelne Maßnahmen bezogene Kritik an den Mischfinanzierungen durchaus ernst genommen.

Neuerdings ist die kritische Diskussion unter den Gesichtspunkten der Verantwortungsvermischung zwischen Bund und Ländern, aber auch Gemeinden, den mit mangelnder Transparenz verbundenen Problemen der demokratischen Kontrolle sowie der Komplexität und vermeintlichen Schwerfälligkeit der Administration – neben dem Aspekt der Einschränkung der Gestaltungsrechte der Länder über ihre Haushalte durch den Bund –, verstärkt entbrannt. Hinzu kommt eine Debatte über die Zukunft des deutschen Verfassungsföderalismus über die Rolle der Bundesländer, ihre Rechte und Pflichten im Verhältnis zum Bund und die Entwicklung der Europäischen Union.

Der Arbeitskreis bekennt sich ausdrücklich zum Länderföderalismus und unterstützt alle Debatten, bei denen diese Grundsätze auf Dauer bewahrt werden. Soweit in diesem Zusammenhang die Mischfinanzierung in Frage gestellt und abgeschafft werden soll, werben wir eindringlich dafür, in der Debatte zu differenzieren und die heutige Mischfinanzierung für die Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik nicht in Frage zu stellen. Sie ist auch in Zukunft unverzichtbar.

Denn eine Wohnungs- und Städtebaupolitik ohne Mischfinanzierung wäre in der Gefahr, dass die Länder mit starkem Wirtschafts-

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wachstum und hoher Steuerkraft für ihre Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Gemeinden sehr viel und die ärmeren Länder sehr wenig oder gar nichts tun können. Im Blick auf die unterschiedlichen Anforderungen in den Ländern ist allerdings eine verstärkte Differenzierung mit zu prüfen.

Keine Instanz würde die dann sehr unterschiedlichen Standards bewerten und ändern. Im Globalisierungswettbewerb um die besten Standorte würden Regionen und Städte abgekoppelt und der Verfassungsauftrag zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse wäre nicht mehr einzulösen.

Angemessene Wohnraumversorgung und sozialer Friede in den Wohnsiedlungen der Städte und Gemeinden sind jedoch ein Grundbedürfnis aller Menschen, und zwar unabhängig davon, an welchem Standort und in welcher Stadt der Bundesrepublik Deutschland sie leben. Ohne das Instrument der Mischfinanzierung werden sich die sozialen und ökonomischen Probleme zu Lasten der ärmeren Regionen weiter verschärfen. Zwar werden Wohn- und Lebensverhältnisse immer verschieden sein. Aber die Grundausstattung für funktionierende, lebenswerte Städte und Gemeinden und ihre Wohnquartiere darf sich in der Bundesrepublik Deutschland nicht so weit auseinanderentwickeln, dass die dadurch bewirkte höhere Attraktivität der wachstumsstarken Regionen und Länder zusätzlich zur Binnenwanderung Probleme zu Lasten der ohnehin schwächeren Regionen und Länder auslösen. Um solchen Tendenzen entgegenzuwirken und sie abzumildern, ist die Beibehaltung der Mischfinanzierung in der Städtebau- und Wohnungspolitik unverzichtbar. Die Mischfinanzierung ist damit zugleich ein wesentliches Instrument, um einen Mindeststandard gleicher Lebensverhältnissen in allen Ländern der Bundesrepublik zu verwirklichen.

Der Länder- und Verfassungsföderalismus der Bundesrepublik Deutschland kann nur dann ohne Schaden weiterentwickelt und bewahrt werden, wenn in den Grundansprüchen die funktionsfähige soziale Stadt und die Sicherheit des Wohnens unabhängig von der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder im Interesse der Bürgerinnen und Bürger bewahrt werden.

Hinzu kommt, dass die Mitverantwortung des Bundes und das Instrument der Mischfinanzierung gewährleisten, dass Innovationen

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durch den Bund gemeinsam mit den Ländern flächendeckend auch in Zukunft initiiert werden können. Insoweit steckt in der Mischfinanzierung auch ein unverzichtbares Potential für wohnungs- und städtebauliche Innovationen. Das klassische und jüngste Beispiel dafür ist das erfolgreiche „Programm Soziale Stadt„.

Insoweit sollte es im Interesse aller Länder sein, die Mitverantwortung und Mitfinanzierung des Bundes bei Grundsatzfragen der Wohnungs- und Städtebaupolitik durch das Instrument der Mischfinanzierung auf Dauer zu sichern.

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Wir dürfen in
Ostdeutschland nicht auf halbem Weg
stehen bleiben.
Unser Ziel ist der Stadtumbau Ost.


Bund, Länder und Gemeinden, die Wohnungswirtschaft und der Mieterbund in Ostdeutschland haben nach der Vereinigung Deutschlands in einem großen Kraftakt und mit Erfolg den Transformationsprozess zur sozialen Marktwirtschaft eingeleitet und die sozialen Verhältnisse des Wohnens durch eine Fülle von Maßnahmen und Finanzhilfen grundlegend verbessert. Das gilt sowohl für die Modernisierung großer Teile der Plattensiedlungen, den Wohnungsneubau, als auch für die Förderung des Wohneigentums und der Stadtentwicklung. Die zu lange Geltung des Fördergebietsgesetzes und der verständliche Wunsch vieler Familien nach einem Eigenheim haben neben dem allgemeinen Bevölkerungsverlust inzwischen zu einem bedrohlichen strukturellen, also dauerhaften Wohnungsleerstand geführt. Dieser belastet und verschlechtert die Wohnqualität in den Siedlungen, führt zu ruinösen Preisen, schreckt private Investoren ab und hat eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, bei der in vielen Teilmärkten auf Dauer mehr Wohnungen als Menschen und Haushalte vorhanden sind.

Angebot und Nachfrage sind weit entfernt vom Gleichgewicht. Die Folgen für die Städte und Gemeinden in Ostdeutschland sind verheerend, weil die damit einhergehenden sozialen Erosionen die Lebensqualität in den Städten und Gemeinden so beschädigen, dass sie aus eigener Kraft nicht mehr in der Lage sind, für die Menschen attraktive Lebens- und Wohnverhältnisse zu sichern.

Zwei sich überlagernde Phänomene prägen den Wohnungsmarkt und die städtebauliche Situation in den östlichen Ländern: Einerseits entsteht infolge eines erheblichen Angebotsüberhangs ein wachsender Wohnungsleerstand, andererseits eine schleichende Erosion der Innenstädte. Dauerhafter Wohnungsleerstand größeren Ausmaßes gefährdet nicht nur die wirtschaftliche Basis der Wohnungsunter-

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nehmen, sondern führt auch zu erheblichen städtebaulichen Fehlentwicklungen. Größerer Leerstand verschlechtert die Ertragschancen der Nachbarschaftsbestände und zieht so ganze Stadtquartiere in eine Spirale des physischen Verfalls und der sozialen Erosion. Besonders vom Verfall bedroht sind innerstädtische Altbauquartiere; sie weisen extrem hohe Leerstandsquoten auf und sind nur mit einem weit überdurchschnittlichen Kosteneinsatz zu sanieren. Ohne erhebliche Unterstützung durch die öffentliche Hand sind weder die Wohnungswirtschaft noch die Länder, Städte und Gemeinden in der Lage, die Probleme zu lösen. Wohnungs- und Städtebaupolitik müssen dabei Hand in Hand gehen.

Mit ihrem im August 2001 beschlossenen Programm „Stadtumbau Ost„ hat die Bundesregierung in einem Maßnahmenpaket finanzielle Hilfen zur Verfügung gestellt für

  • die Beseitigung des Angebotsüberhangs an Wohnungen,
  • die Aufwertung der vom Rückbau betroffenen Stadtquartiere und
  • eine Konzentration der Wohnungsbauinvestitionen auf den innerstädtischen Altbau.

Voraussetzung für die Gewährung von Fördermitteln sind den Stadtumbau steuernde Stadtentwicklungskonzepte, die Aussagen über den mittel- und langfristigen Wohnungsbedarf enthalten sowie den zum Erhalt, zur Modernisierung und zum Abbruch vorgesehenen Wohnraumbedarf ausweisen müssen. Ziel des Stadtumbauprozesses muss es sein, lebensfähige Innenstädte und intakte Wohnungsmärkte wieder herzustellen. Dadurch werden die Attraktivität der Stadt als Wirtschaftsstandort verbessert, die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen gefördert und die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stadt verstärkt. Die mit dem Stadtumbau in den neuen Ländern gemachten Erfahrungen sind sorgfältig zu analysieren und werden hilfreich sein bei der Bewältigung ähnlicher Probleme in den alten Ländern, die sich in einzelnen Regionen in abgeschwächter Form bereits jetzt abzeichnen und sich künftig verstärkt zeigen werden.

Das Stadtumbauprogramm – gemeinsam mit dem Schlussstrich zum Altschuldenhilfe-Gesetz und der dazu gehörenden Härtefallrege-

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lung, die für Wohnungsunternehmen mit mehr als 15% Leerstand und wirtschaftlichen Schwierigkeiten zur Anwendung kommt – muss mit Hilfe der Städte und Gemeinden und ihrer Stadtentwicklungskonzepte rasch und zügig umgesetzt werden. Die Wirksamkeit dieses Programms und damit seine Umsetzung entscheiden über die Zukunft der Städte und Gemeinden im Osten Deutschlands. Deshalb muss das Programm stetig und zeitnah darauf überprüft werden, ob der Stadtumbau erfolgreich eingeleitet und die Marktbereinigung und Konkursverhinderung der Wohnungsunternehmen, die zugleich Träger dieses Stadtumbaues sein müssen, gewährleistet wird.

Wir brauchen attraktive, wettbewerbsfähige Strukturen, die auch geeignet sind, die Abwanderung, insbesondere junger Menschen, zu stoppen und die Zuwanderung neuer Bürger zu eröffnen.

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Das Foto der Seite 32 der Druckausgabe kann leider in der Online-Ausgabe nicht wiedergegeben werden.







© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | August 2002

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