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TITELINFO


Kolumbien 2000 : Träume vom Frieden, Realitäten des Krieges / Hans R. Blumenthal. - [Electronic ed.]. - Bonn, 2000. - 30 S. = 92 Kb, Text . - (FES-Analyse)
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT




[Essentials]

  • Wegen der Verknüpfung von Drogenanbau, -handel und Guerilla gilt Kolumbien in den USA als wesentlichstes westliches Sicherheitsproblem und erhält daher mit ca. 300 Mio. Dollar die drittgrößte US-Militärhilfe nach Israel und Ägypten.

  • Die wichtigsten Ursachen des aus einer anderen Gewaltphase des Landes, der violencia (1948-1953: ca. 200.000 Tote) herrührenden vierzigjährigen bewaffneten Konfliktes sind ungelöste soziale Spannungen, die Delegitimierung und mangelnde Präsenz des kolumbianischen Staates in vielen Zonen des Landes und neue, sich aus Globalisierung und Öffnung der Wirtschaft ergebende Probleme. Die Motive von Guerilleros und Paramilitärs sind vielschichtiger.

  • Heute ist die Guerilla mit etwa 27.000 Kämpfern und einer Präsenz in über der Hälfte der etwa 1000 Kommunen Kolumbiens, allerdings meist in abgelegenen Gebieten, stärker denn je. Präsident Pastrana überwand die traditionelle Denunzierung der Guerilla als Delinquenten und erkannte sie als politische Gegner an. Der Friedensprozess brachte kleine Fortschritte: Die Gespräche mit der FARC wurden in einer der Guerilla gegen den Widerstand des Militärs zugestandenen „entmilitarisierten Zone" formalisiert; die Gegner einigten sich zum ersten Mal auf eine gemeinsame Verhandlungsagenda.

  • Die Notwendigkeit einer politischen Verhandlungslösung wird in der kolumbianischen Öffentlichkeit und in der US-Administration inzwischen anerkannt. In ihrer Außenpolitik und konnte die Regierung Kolumbiens Negativimage als Drogenrepublik reduzieren und erläutern, dass eine Lösung des bewaffneten Konflikts zentrale Bedingung für Erfolge im Kampf gegen den Drogenhandel und -anbau, die Verbesserung der ökologischen und – vor allem – der Menschenrechtssituation ist.

  • Der vielfach verwendete Ausdruck der „NarcoGuerilla" beschreibt weder die kolumbianische Guerilla noch ihre Beziehungen zum Drogenhandel adäquat. Erfolge im Kampf gegen Drogenmafia, Drogenanbau und -handel werden daher keine Auswege aus dem bewaffneten Konflikt weisen. Vielmehr ermöglicht erst ein erfolgreicher Friedensprozess Erfolge im Kampf gegen die Drogenmafia.

  • Die Streitkräfte sind gegenüber der Regierung loyal, aber auch überzeugt, daß die politische Führung für den schlechten Zustand Kolumbiens und damit auch den bewaffneten Konflikt verantwortlich sei. Im Militär geht Angst um, ein Frieden könne auf Kosten seiner Ehre und Entscheidungsmöglichkeiten geschlossen werden und insofern Verrat an seinem Kampf und seinen Opfern sein.

  • Die Regierung muß in einen stärkeren Dialog mit der Gesellschaft treten, eine Strategie muß erkennbar werden. Das Projekt des Verhandlungsprozesses muß zum nationalen Projekt Kolumbien werden. Mittelfristig ist die schwierige Aufgabe einer Synchronisation der beiden Agenden mit FARC und ELN anzugehen. Ein Waffenstillstand kann in absehbarer Zeit nicht erwartet werden.

  • Zugleich müssen Reformen (Verwaltung, Justiz, Vertriebene, Soziales usw.) umgesetzt werden, wie sie teilweise im „Plan Colombia" formuliert werden. Die Kosten des Plan Colombia werden für drei Jahre auf 7,5 Mrd. US Dollar geschätzt. 3,5 Mrd. Dollar sollen aus den Ländern des Nordens (USA: 1,5 Mrd.) kommen. Denn diese trügen wegen der Drogenkonsumenten in ihren Ländern, die Teil des internationalen Drogenproblems sind, eine „gemeinsame Verantwortung" mit und für Kolumbien. Die Friedensdiplomatie gegenüber dem Norden ist darauf gerichtet, die enge Beziehung zwischen Verbesserung der Menschenrechtssituation, Reduktion der ökologischen Zerstörungen (Anti-Drogen-Sprühaktionen), Drogenanbau und -handel und der Lösung des bewaffneten Konflikts darzustellen.

  • 1999 erlebte Kolumbien mit einem Minuswachstum von über 5 % und einer ca. 20 %igen Arbeitslosenrate seine schwerste Wirtschaftskrise seit 70 Jahren, was „Verhandlungen im Krieg" nicht leichter machte. Ursachen sind einerseits externe Schocks wie der Preisverfall bei wichtigen Exportgütern (Öl, Kohle, Kaffee) sowie die asiatische und die russische Krise; einen Anteil haben freilich auch eine angesichts der geringen Produktivität vieler Wirtschaftssektoren zu rasche Öffnungspolitik seit Anfang der 90er Jahre wie auch falsche Wechselkurs -, Zins- und eine expansive Fiskalpolitik.

  • Ein IWF-Arrangement und neue internationale Kredite, die Einführung eines „floatenden" Peso, Reduktion der Handelsbilanz– und Leistungsbilanzdefizite, Stabilisierung des Finanzsektors und mehr Austerität in der Haushaltspolitik lassen mit zwei bis drei Prozent Wachstum im Jahre 2000 eine Überwindung der Krise, allerdings noch keine Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt, erwarten.


1. Überblick

Das 20. Jahrhundert schloss für das mit 41 Millionen Einwohnern drittgrößte Land Lateinamerikas wie es begonnen hatte: im (Bürger)Krieg. Der damalige „Krieg der Tausend Tage" zwischen Vertretern der Liberalen und der Konservativen Partei endete im Jahr 1901mit 80.000 Toten und hatte 1903 den Verlust von Panama zum Ergebnis. Der heutige 40 Jahre alte Konflikt ist in den letzten Jahren härter geworden. Beteiligt sind bald 30.000 Guerilleros, 6.000-7.000 Paramilitärs und 157.000 Militärs; pro Jahr sind 3000 Tote zu beklagen - damit so viele wie in 30 Jahren Nordirland-Konflikt-, an die 1.500 Entführungen, 400 Massaker und insgesamt 1,7-2 Millionen durch Gewalt Vertriebene. Die Ursachen des aus einer anderen Gewaltphase des Landes, der sogenannten „violencia" (1948-1953: ca. 200.000 Tote) herrührenden Konfliktes sind zahlreich. Am wichtigsten sind während des 20. Jahrhunderts ungelöste soziale Spannungen, die Delegitimierung und mangelnde Präsenz des kolumbianischen Staates in vielen Zonen des Landes und neue, sich aus Globalisierung und Oeffnung der Wirtschaft ergebende Probleme. Die Motive von Guerilleros und Paramilitärs sind vielschichtiger.

Wegen der Verknüpfung von Drogenanbau, -handel und Guerilla gilt Kolumbien in Macht- und Militärzirkeln der USA als wesentlichstes westliches Sicherheitsproblem. Von einem neuen, unbekannten Kosovo und potentiellen lateinamerikanischen Vietnam wird gesprochen, über einen denkbaren Staatskollaps des Landes spekuliert. Kolumbien erhält mit ca. 300 Mio. Dollar die drittgrößte US-Militärhilfe nach Israel und Ägypten, Präsident Clinton legte im Januar 2000 dem Kongress ein vorwiegend auf Drogenbekämpfung gerichtetes militärisch orientiertes Hilfsprogramm über 1,6 Mrd. US Dollar für zwei Jahre vor.

Seit 20 Jahren haben sechs kolumbianische Präsidenten Anstrengungen unternommen, den bewaffneten Konflikt zu beenden. Drei Regierungen suchten den Verhandlungsweg zur internen Konfliktlösung, möglicherweise am eindeutigsten die derzeitige des Präsidenten Andrés Pastrana Arango (1998-2002). Sein Gesprächsangebot an die Guerilla, ein persönliches Treffen mit dem über 70jährigen Führer der größeren Guerilla FARC bescherten ihm im Sommer 1998 einen überwältigenden Wahlsieg. Auch wegen der Schwäche des kolumbianischen Militärs blieb ihm nur die Option von „Verhandlungen im (sich seither verschärfenden) Krieg" mit Gegnern, deren Friedensmotivationen nicht unbedingt eindeutig sind. Ein bewaffneter Konflikt gilt als reif für Verhandlungen, wenn die Kosten einer Verlängerung des Konfliktes allen Beteiligten höher scheinen als die möglichen Kosten von Verhandlungen. In diesem Sinne scheint der Bürgerkrieg in Kolumbien nicht unbedingt die nötige Reife erlangt zu haben.

1999 erlebte Kolumbien mit einem Minuswachstum von über 5% und einer ca. 20%igen Arbeitslosenrate seine schwerste Wirtschaftskrise seit 70 Jahren, was „Verhandlungen im Krieg" nicht leichter machte. Als Ursachen für das Desaster einer Wirtschaft, die in den letzten 30 Jahren als eine der erfolgreichsten Lateinamerikas galt, werden einerseits externe Schocks wie das Sinken der Preise wichtiger kolumbianischer Exportgüter, Öl, Kohle, Kaffee, sowie die asiatische und die russische Krise genannt; andererseits werden eine angesichts der geringen Produktivität vieler Wirtschaftssektoren zu rasche Öffnungspolitik seit Anfang der 90er Jahre wie auch falsche Wechselkurs -, Zins- und eine expansive Fiskalpolitik aufgezählt. Der Abschluss einer extended fund facilitiy über 2,7 Mrd. US Dollar mit dem IWF im Dezember 1999, neue Kreditfazilitäten über 4,2 Mrd. Dollar durch multilaterale Organisationen (BID, Weltbank, CAF, lateinamerikanische Reservefonds), Einführung eines „floatenden" Peso, Reduktion der Handelsbilanz– und Leistungsbilanzdefizite, Stabilisierung des Finanzsektors und mehr Austerität in der Haushaltspolitik lassen mit zwei bis drei Prozent Wachstum im Jahre 2000 eine Überwindung der Krise, allerdings noch keine Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt, erwarten.

1999 war – in der Sicht der kolumbianischen

Medien – ein Jahr der Wünsche ohne deren Realisierungen, ein verlorenes Jahr: Die Wirtschaftskrise verschärfte und die angekündigten Wirtschaftsreformen verzögerten sich; das Rekonstruktionsprogramm der durch ein Erdbeben zerstörten Kaffeezone brachte nicht die gewünschten Resultate. Die angekündigten radikalen politischen und militärischen Reformen oder eine kohärente Sozialpolitik sind nicht zu erkennen. Der begonnene Verhandlungsprozess mit den „Revolutionären Streitkräften Kolumbiens" (FARC) kam ins Stolpern, die FARC unterbrachen den Prozess mehrmals. Sie schienen das Drehbuch zu schreiben und die Regierung zu improvisierten Reaktionen zu zwingen. Der Beginn eines Verhandlungsprozesses mit der kleineren Guerilla, dem „Heer für nationale Befreiung" (ELN), ist noch nicht gelungen. Beide Gruppen intensivierten den Krieg, Dorfeinnahmen, Massaker, Entführungen. Der ELN, der sich an keine der Abmachungen vom „Himmelspforten-Treffen" in Mainz/Würzburg vom Jahre 98 hielt, überraschte mit spektakulären Entführungen – und qua Sprengung von über 200 Starkstrommasten – mit der „Energie-Entsorgung" ganzer Landsstriche.

Was den Friedensprozess angeht, ist aber auch eine positive Lesart möglich: Die Gespräche mit der FARC wurden in einer der Guerilla gegen den Widerstand des Militärs von der Regierung zugestandenen „entmilitarisierten Zone" formalisiert; die Gegner einigten sich zum ersten Mal in der kolumbianischen Geschichte auf eine gemeinsame Verhandlungsagenda. Die Notwendigkeit einer politischen Verhandlungslösung des Konflikts konnte in der kolumbianischen Öffentlichkeit und in der US-Administration etabliert werden. Die Beteiligung der „Zivilgesellschaft" ist von Seiten der Regierung und der FARC in Form öffentlicher Anhörungen vorgesehen. In einer Serie von Gesprächen mit dem ELN in Cuba und Venezuela ist ein Verhandlungsbeginn auch mit der kleineren Guerilla näher gerückt. Auch in ihrer Außenpolitik und Friedensdiplomatie blieben der Regierung Erfolge nicht versagt: sie vermochte im Ausland verbreitete Mythen über Kolumbien als Drogenrepublik zu reduzieren und Realitäten in dem Sinne zu erklären, dass eine Lösung des bewaffneten Konflikts zentrale Bedingung für Erfolge im Kampf gegen den Drogenhandel und -anbau, die Verbesserung der ökologischen und – vor allem – der Menschenrechtssituation im Lande ist.

Wie kann der Prozess weitergehen? Vier Szenarien sind möglich. Sicher scheint, dass die Überwindung des Konfliktes nicht dem klassischen Schema einer Demobilisierung, Entwaffnung und Reintegration der Guerilla ins bürgerliche Leben folgen wird. Vielmehr sind – im Erfolgsfalle – ein neuer „Sozialvertrag", eine noch zu bestimmende Fusion der beiden Kolumbien mit Elementen starker regionaler Autonomie, Vereinigungen in neu zu bildenden Streitkräften, Legalisierung der Guerillavermögen etc. am Ende des Weges zu erwarten. Sie werden sowohl erhebliche politische und finanzielle Kosten verursachen, als auch große Toleranz der kolumbianischen Bevölkerung und der kolumbianischen Nachbarn fordern. Sicher erscheint auch, dass der Prozess ohne eine aktive Beteiligung der internationalen Gemeinschaft, auch der Länder der EU, keine Erfolgschance haben wird.

2. Verhandlungen für den Krieg versus Krieg für Verhandlungen

Das 20. Jahrhundert endete in Kolumbien wie es begonnen hatte: im (Bürger)krieg. Damals lebten die Kolumbianer im "Krieg der Tausend Tage" zwischen Vertretern der Liberalen und der Konservativen Partei, der mit ca. 80.000 Toten 1901 sein Ende fand und 1903 den Verlust von Panamá zum Ergebnis hatte. Danach genoß Kolumbien einige Jahrzehnte lang Frieden, doch die zweite Hälfte des Jahrhunderts bedrohte die Bevölkerung mit Konflikten und Gewalt, Verhandlungen, Amnestien, Hoffnungen und Enttäuschungen. Die sogenannte "Violencia" mit ihren ländlichen Stellvertreterkriegen der beiden großen Parteien nach der Ermordung des liberalen Parteiführers Jorge Eliecer Gaitan forderte zwischen 1948 und 1953 ca. 200.000 Opfer. Der bewaffnete Konflikt während der 60er und 70er Jahre zwischen in der Erbfolge der „Violencia" gegründeten Guerillagruppen, den in den 80er Jahren von Guerillaopfern, Großgrundbesitzern und Drogenhändlern wie auch Teilen des Militärs entwickelten und gestützten Paramilitärs, dem kolumbianischen Militär und - als Opfer - der kolumbianischen Zivilbevölkerung kostet jährlich etwas mehr als 3000 Menschenleben, also pro Jahr soviel wie die Gesamtzahl der Opfer in über 30 Jahren Nordirlandkonflikt.

Dennoch zeichnete sich das politische System seit Jahrzehnten durch erstaunliche Stabilität aus. Von 1850 bis heute wird Kolumbien von den gleichen zwei Parteien, der Liberalen und der Konservativen Partei, regiert. Unüblich für Lateinamerika gab es Militärregierungen lediglich 1853 nach einem Putsch und 1953 - 1957 mit General Gustavo Rojas Pinilla und einer Militärjunta, letztere von den großen Parteien installiert. Zwischen 1958 und 1974 (de jure) bzw. 1990 (de facto) regierte eine große Koalition aus beiden Parteien. Diese "Ultrastabilität" und Rigidität der politischen Institutionen schloß große Teile der kolumbianischen Bevölkerung von politischer Mitbestimmung aus. Ohne parlamentarische Opposition, politische Mitbestimmung und Kontrolle wucherten Klientelismus und Korruption, die ihrerseits die Glaubwürdigkeit der politischen Klassen und Institutionen verfallen ließen. Die Verbreitung des Drogenhandels nach Ende der „Nationalen Front" trug zur Delegitimierung des politischen Systems weiter bei.

Im Unterschied zum "Krieg der Tausend Tage" und der "Violencia" ist diesmal der bewaffnete Konflikt nicht Ausdruck der Eliten bzw. Der Parteienkonkurrenz und kann daher auch nicht von diesen mit einem gentlemen-agreement beendet werden.

Wie erklärt sich der seltsame Anachronismus des nach Ende des Kalten Krieges zunehmenden Wachstums finanzieller und militärischer Potenz einer Guerilla, die politisch isoliert, weder in der Bevölkerung verankert, noch von deren Sympathien getragen ist? Stimuliert von der Nachfrage des US-Marktes, zunächst gespeist durch die Coca-Paste aus Bolivien und Peru und begünstigt durch seine geostrategische Lage zwischen Atlantik und Pazifik, entwickelten sich seit den 70er Jahren Drogenveredelung und -export, seit Mitte der 80er Jahre auch der Drogenanbau in Kolumbien. Da illegal, war und ist das Drogengeschäft eine nicht versiegende Quelle von Reichtum und Gewalt, Chaos und Korruption, nicht nur von Politikern, sondern auch von Journalisten, Sportlern, Intellektuellen, Künstlern, Rechtsanwälten und Unternehmern. Dank der "Besteuerung" des Drogenhandels und -anbaus konnten die beiden relevanten Guerillagruppen, FARC und - in erheblich geringerem Maße - der ELN, seit Ende der 80er Jahre ihre finanzielle und militärische Stärke erlangen. Hinzu kamen die erheblich Summen aus ihren kriminellen Praktiken der Erpressung und des - inzwischen industriell betriebenen - Entführungsgeschäftes.

Kolumbien lebt in einem internen Krieg, der, von den Bürgern nicht getragen und akzeptiert, vor allem Bürger zum Opfer hat. Vom lateinamerikanischen Vietnam, dem anderen Bosnien, dem neuen, unbekannten Kosovo, von Balkanisierung und davon, daß Kolumbien Cuba als wesentlichstes westliches Sicherheitsproblem abgelöst habe, ist in der US-amerikanischen Presse die Rede. In Macht- und Militärzirkeln Washingtons wird über einen Staatskollaps in Kolumbien spekuliert. Kolumbien hat mit Somalia, Afghanistan, Bosnien-Herzogovina oder dem früheren Libanon, die als klassische Beispiele für solche Staatszusammenbrüche gelten, einige Charakteristika gemeinsam, wie beispielsweise die große Menge - bis zu 2 Mio. geschätzte - von durch Gewalt Vertriebenen, eine tiefgreifende Delegitimierung des Staates, die Aufgabe seines Gewaltmonopols, hohe Straflosigkeit, die schärfste Wirtschaftskrise seit vielen Jahrzehnten, Verschlechterung der öffentlichen Dienstleistungen etc. Anders als in den genannten Ländern ist der kolumbianische Konflikt jedoch nicht ethnischen, linguistischen oder religiösen Gründen geschuldet.

2.1 Die Guerillabewegungen

Die Motivationen der kolumbianischen Guerilla sind vielschichtig und erscheinen daher verschwommen. Ursprüngliche Motive des Kampfes für soziale Gerechtigkeit, Land-, Einkommens- und Vermögensverteilung, stärkere Teilnahme an politischer Macht sind

weiter vorhanden. Die Guerilla, vor allem die FARC, vertritt in den von ihnen beherrschten, meist abgelegenen, vom kolumbianischen Staat traditionell vernachlässigten Gebieten Recht und Ordnung und die Interessen vieler zigtausender cocaleros, also kleiner Kokabauern, die in diese Gebiete gezogen sind, da Drogenanbau eher ein Überleben sichert als der üblicher Produkte wie Manioc oder Kartoffeln. Die politischen Motive der Guerilla werden zugleich überlagert von militärischen, territorialen und finanziellen Motiven, wie auch von den Wirkungen jahrzehntelangen, isolierten Kampfes in abgelegenen Regionen des Landes. Ein Guerillero verdient ca. zwei Mindestlöhne pro Monat. Für die Jugendlichen in den von ihnen beherrschten Zonen ist der Guerilla-Beitritt häufig eine Art dauerhaften Ersatzmilitärdienstes. Nicht nur wegen der derzeitigen Wirtschaftskrise bedeutet Guerillero-Sein Arbeitsplatzsicherheit und eine Lebensform, Mitgliedschaft in einer gutfinanzierten "Standesorganisation". Söhne und Enkel von Guerilleros ergreifen den Beruf ihrer Vorfahren.

Die beiden verbliebenen großen Guerillaorganisationen, die Fuerzas Armadas Revolucionarias Colombianas - Ejercito Popular (FARC - EP) und der Ejercito de Liberación Nacional (ELN) wurden vor über 30 Jahren gegründet, ihre Vorläufer existieren seit Ende der 40er Jahre. Während der 70er infiltrierte die Guerilla zunehmend die Ränder der damals populären Bauernbewegungen und Gewerkschaften. Das Scheitern der Agrarreform und die Repression der sozialen Bewegungen durch die Regierung Turbay Ayala (1978 - 82) stärkten die Guerilla. Sie füllte die durch die Repression entstandenen Legitimationsleerräume der Bauernbewegung und der linken Opposition. Während der Regierung Turbay stieg die Zahl der Guerilleros von ca. 1000 auf ca. 4000.

Einen ersten Verhandlungsprozess unter Präsident Belisario Betancur (1982-1986) und den Pakt zwischen der Regierung und der urbanen Guerilla M19, der EPL und den FARC, nützten FARC und ELN zur Expansion ihrer Präsenz in bis zu 12 Departements. Die Übergabe ihrer Waffen, Demobilisierung und Rückkehr ins zivile Leben der Guerillagruppen M-19, des EPL und der kleinen Guerilla Quintin Lame und PRT zwischen 1989 und 1991 wie auch die Bombardierung und anschließende Besetzung der Casa Verde, des Hauptquartiers der FARC, durch kolumbianische Sicherheitskräfte im Dezember 1990 desorganisierten und schwächten sie zeitweise.

Ab 1992 begann ihr Wiederaufbau. Die Legitimationskrise der Regierung des Präsidenten Samper, dessen Wahlkampf u.a. von der Drogenmafia finanziert worden war, führte zur ihrer Stärkung, begleitet von einer Expansion paramilitärischer Gruppen. Heute ist die Guerilla mit einer Präsenz in über der Hälfte der etwa 1000 Kommunen Kolumbiens, allerdings meist in abgelegenen Gebieten, kräftiger als je zuvor. Ihre Anzahl wird auf ca. 27.000 Kämpfer geschätzt, von denen mehr als 20.000 den FARC, ca. 5000 - 6000 der ELN und 500 - 700 der kleineren EPL zugeschrieben werden.

Präsident Pastrana konzentrierte seine Friedensbemühungen vor und nach seinem Amtsantritt im August 98 auf die FARC. Dies auch, da die FARC mit dem über 70jährigen Manuel Marulanda, alias Tirofijo („Sicherer Schuß") sowohl einen unbestrittenen Führer als auch eine klare Kommandostruktur hat. Anders als beim ELN mußte die FARC nicht erst einen vertikalen Verhandlungsprozess innerhalb ihrer selbst führen, um dann in Gespräche mit der Regierung eintreten zu können. Allerdings wird in der kolumbianischen Presse über Konflikte zwischen einem politischen Flügel der FARC, für den der Guerillero Alfonso Cano stehen soll, und dem militärischen Flügel unter Führung Jorge Briceño¢s, alias „Mono Jojoy", spekuliert. Beide sollen zugleich für Spannungen zwischen zwei FARC-Generationen stehen: Cano für die ältere, politisch motivierte, Mono Jojoy für die Nachgeborenen, die nur militärischen Kampf als Lebensform erlebten.

Die FARC scheinen militärisch den Lehren Mao Tse-tungs zu folgen: Über Jahre verfolgten sie die klassische Guerillastrategie des Zuschlagens und des sich schnellen Zurückziehens. Später aber, im Endkampf, - so Mao - gelte es, sich zu konzentrieren und zu Taktiken des regulären Kriegs mit größeren Truppenmengen, in Bataillonsstärke, 400 Mann/Frau und mehr, überzugehen. "Las Delicias" vor 3 Jahren, später Patascoy und Mitu, in denen die FARC bis zu 2000 Kämpfer aufboten, stehen für diese Art erfolgreicher Strategie, die das kolumbianische Militär demoralisierten.

Seit Frühsommer des Jahres 99 scheint sich dies geändert zu haben. Das Militär hatte Erfolge, Hunderte von Guerilleros sind gefallen. Die FARC hatten nicht bedacht, daß die neue kolumbianische Regierung die durch Drogengelder im Wahlkampf des früheren Präsidenten Samper verursachte Isolierung gegenüber den USA so rasch überwinden konnte. Zwar sind noch nicht die militärischen Güter in dem Maße eingetroffen, wie sie die Regierung wünscht. Aber offensichtlich hat sich die Aufklärungsarbeit mit Hilfe der USA erheblich verbessert. Die Konzentration von mehr als 200 Kämpfern und deren Wärmeausstrahlung lassen sich über Satelliten und "Plattform-Flugzeuge" leicht entdecken. So war es den kolumbianischen Militärs in letzter Zeit möglich, ihre Luftwaffe/Hubschrauber rechtzeitig einzusetzen und den FARC Verluste zuzufügen. Den FARC bleibt als Antwort die Alternative Rückzug auf die klassische Guerillastrategie oder aber Kauf von tragbaren Boden-Luftraketen, mit denen sie Helikopterangriffe erfolgreich abwehren können. Gerüchte über massive Einkäufe aus dem Bestand der ehemaligen Guerilla FLMN El Salvadors, der angebliche Kauf von acht Helikoptern und tausenden ostdeutschen Waffen wie auch die selbstbewußten bis arroganten Aussagen verschiedener militärischer Führer der FARC deuten eher auf letzteres, also auf die Möglichkeit weiterer Eskalationen des Krieges hin.

Mit der von den FARC geforderten und von der Regierung als Ort der Friedensverhandlungen zedierten „zona de despeje" (entmilitarisierte Zone) in ungefährer Größe der Schweiz oder El Salvadors scheinen die FARC jedenfalls Clausewitz berühmten Satz „Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" erfolgreich realisiert zu haben.

Die FARC haben in der Zone, die annähernd das Doppelte des Territoriums des Staates Israel ausmacht, ein autoritäres Regime errichtet, sie sind das Gesetz. Während früher etwa 45 Morde pro Monat registriert wurden, sind es jetzt lediglich 5. Die FARC nutzen die Zone zur Rekrutierung neuer Kämpfer, ca. 2000 schätzt man im letzten Jahr, und als Aufmarsch- und Rückzugsgebiet nach militärischen Operationen. Nach Angaben der Militärs trainieren Spezialisten aus Nicaragua, El Salvador und dem Iran Kämpfer in der Zone. Kolumbianische Experten glauben, daß die entmilitarisierte Zone der Guerilla erlauben könnte, ihre Zahl auf über 30.000 zu erhöhen. Die Rebellen sehen die Zone auch als soziales Laboratorium, in der sie ihre Theorien des Kampfs gegen Korruption und für eine Sozialreform realisieren können. Etwa 2000 Zivilisten sind aus der Zone geflohen, vor allem, um zu vermeiden, daß ihre Kinder für die Guerilla rekrutiert werden.

Allerdings ist das Gebiet nicht nur von Vorteil für die FARC. Es bindet viele ihrer Kräfte, erleichtert den Militärs die Aufklärungsarbeit und erlaubt ihnen Angriffe beim Rückzug der FARC in ihre Zone. Nicht nur im Establishment, sondern auch in der Guerilla werden daher die Vorteile bzw. strategischen Nachteile der entmilitarisierten Zone diskutiert. Mitte November 1999, einer heftigen Kritik des Präsidenten an den FARC folgend, schien es gar so, als wolle die Guerilla die Zone wieder zurückgeben.

12000 ha, damit ein Sechstel bis ein Achtel (je nach Quelle) der Coca-Anbaufläche liegen in der entmilitarisierten Zone. Auch in anderen Gebieten mit großen Anbauflächen haben der ELN und vor allem die FARC (allerdings auch Paramilitärs) Gebietshoheit. Über eine Art "progressive" Mehrwertsteuer, die beim Verkauf der Cocablätter, dann beim Verkauf der Paste erhoben wird, über Schutzgelder für Drogenlabors und "Flughafensteuern" auf Transporte von landefähigen Pisten finanziert sich die FARC zum größeren Teil. Vermutlich sind auch einzelne „Frentes" der Guerilla direkt in Drogenanbau und -handel verwickelt. Dennoch scheint der von früheren kolumbianischen Regierungen, Teilen des kolumbianischen Militärs, der US Administration und des US-Repräsentantenhauses verwendete Ausdruck der „NarcoGuerilla" weder die kolumbianische Guerilla noch ihre Beziehungen zum Drogenhandel adäquat zu beschreiben.

In den 80er Jahren kämpften Teile der Drogenmafia gegen die FARC in den Gebieten, in denen der Coca-Anbau begann (Meta, Guaviare, Caqueta und Putumayo), um die Durchsetzung ihres jeweiligen Gesellschaftsmodells: Die Drogenhändler bevorzugten Marktregulation mit hohem Niveau von Chaos und Gewalt, die Guerilla ein autoritäres Modell nach ihrer Planung und lediglich dem Maß an Gewalt, das Anbau und Vertrieb der Drogen sichern konnte. Die Guerilla setzte sich letztlich durch. Der geldträchtigere Teil des Drogenhandels, Vertrieb und Export, Geldwäsche und Schmuggel, verblieb gänzlich in Händen der Drogenmafia und ist z.T. nach Mexiko abgewandert. Auch wenn die Drogenbesteuerung die Guerilla finanziell unabhängiger und damit militärisch stärker macht, hängt die Dynamik des kolumbianischen Krieges nicht von den Einkünften des Drogenanbaus und -handels ab. Denn deren Reduktion würde durch stärkere Aktivitäten der Erpressung und Entführung kompensiert, wie dies ohnehin bei den „Frentes", die keinen Zugang zu Coca- oder Mohnanbau haben, der Fall ist. Erfolge im Kampf gegen die Drogenmafia, Drogenanbau und -handel werden daher keine Auswege aus dem bewaffneten Konflikt Kolumbiens weisen. Vieles spricht allerdings dafür, daß ein erfolgreicher Friedensprozess Erfolge im Kampf gegen die Drogenmafia vielversprechender werden lässt.

Der mit 5000 bis 6000 Kämpfern erheblich kleinere Ejercito de Liberación Nacional (ELN) wählte einen anderen Verhandlungsweg als die FARC. Während letztere zunächst direkte Verhandlungen mit der Regierung suchte, wollte der ELN erst mit der "zivilen Gesellschaft" ins Gespräch kommen. Der ELN hat in den letzten Jahre durch Tod, Gefängnis und Rückkehr einer Untergruppe der „Renovación Socialista" ins zivile Leben wichtige Führer verloren. Auch durch ihren Milizcharakter mit geringer Trennung zwischen militärischem und politischem Flügel, vor allem aber wegen der Schläge der Paramilitärs ist sie militärisch und politisch geschwächt. Ihre lange Zeit unklare Kommandostruktur und Zwiste zwischen ihren Führern verzögerten das Gespräch mit der Regierung. Der Versuch des ELN, sich durch spektakuläre Entführungsaktionen - ein Avianca-Flugzeug mit 80 Personen, über 100 Besucher einer Messe in einem wohlhabenden Viertel Calis, Sportfischer auf ihrem Sonntagsausflug in Barranquilla usw. - stärker ins Spiel zu bringen, scheiterten und führten zu weiterer Isolierung und der Verstärkung der Juniorrolle des ELN gegenüber den FARC.

Die Forderung des ELN, nach dem Vorbild der FARC ebenfalls eine entmilitarisierte Zone in ihrem Stammgebiet im Süden des Departaments Bolivar zu erhalten, wurde zunächst von der Regierung abgelehnt, da diese Zone, im Vergleich zu der der FARC, erheblich bevölkerungsreicher und geostrategisch und wirtschaftlich von ganz anderer Bedeutung für Kolumbien ist. Gespräche zwischen dem Friedensbeauftragten des Präsidenten und der ELN in Venezuela und Cuba führten im Dezember 1999 jedoch zu einem Einlenken. Die Regierung will nun der ELN die Zone zur Verfügung stellen, kann es jedoch nicht wegen des Widerstandes der dortigen Bevölkerung, der Bürgermeister und des Gouverneurs einerseits und der Paramilitärs, die große Teile Zone von der ELN übernommen haben, andererseits. Die Guerilla glaubte, über das Zugeständnis der „entmilitarisierten Zone" Teile ihrer Stammzone zurückzuerhalten, die sie militärisch weitgehend verloren hatte. Der ELN, der wegen seiner relativen militärischen Schwäche und wegen seines angenommenen größeren intellektuellen Potentials als friedensbereiter als die FARC gilt, müßte seine Taktik und Strategie wandeln, um aus dem Schatten der FARC zu treten: er müßte weniger Forderungen vor Beginn des Prozesses und mehr danach stellen, auch könnte er mit der Möglichkeit eines Waffenstillstandes, der für die FARC noch nicht attraktiv ist, spielen, um so wieder einen gewissen Protagonismus zu gewinnen.

2.2 Selbstverteidigungsgruppen und Paramilitärs

Zu Zeiten der Regierung Turbay, also zu Anfang der 80er Jahre, weitete die Guerilla ihre Aktivitäten in Viehzüchtergegenden, im Magdalena Medio, Uraba und Cordoba aus. Als Antwort auf diese Expansion, ihre Erpressungen und Entführungen stellten Großgrundbesitzer, mittlere Bauern und Händler mit Unterstützung des kolumbianischen Militärs eigene „Selbstverteidigungsgruppen" auf. Etwa zur gleichen Zeit (bis heute) nutzten Teile der Drogenmafia den Exodus der von der Guerilla bedrohten Grundeigentümer, um große Ländereien in diesen Gegenden zu erwerben. Als Reaktion auf Entführungen von Familienmitgliedern der Drogenhändler durch die Guerilla wurden Todesschwadrone organisiert, in denen auch Offiziere des Heeres vertreten waren. Die schon bestehenden Selbstverteidigungsgruppen wurden zunehmend abhängiger von Geldern der Drogenmafia. Vor allem „El Mejicano" Gonzalo Rodriguez Gacha, der inzwischen tote blutrünstigste der Drogenbosse, nutzte sie - aus eigenen antikommunistischen Impulsen -, um Guerilleros, deren zivile Sympathisanten und Teile der 3000 aktiven Mitglieder der legalen, FARC-nahen Partei „Union Patriotica" zwischen 1986 und 1990 umbringen zu lassen.

Nachdem die Regierung Barco 1989 den Drogenhändlern den Krieg erklärt hatte, entschieden sich die Selbstverteidigungsgruppen unter Fidel Castaño zunächst für einen Waffenstillstand, wechselten später aber ihren Kurs. Nun kämpften sie zum einen gegen das Medellin-Drogenkartell von Pablo Escobar, zum anderen gegen die Guerilla.

1997 wurden die „Autodefensas Unidas de Colombia" (Vereinigte kolumbianische Selbstverteidigung) unter ihrem Führer Carlos Castaño gegründet, der in Interviews angibt, 6000 bis 7000 Kämpfer zu haben. Die Paramilitärs agieren in den Gebieten, in denen die Guerilla einflußreich ist. Ihr Kampf richtet sich jedoch meist nicht gegen die Guerilla, sondern mit Massakern und selektiven Mordaktionen, Entführungen und Erpressungen gegen deren angenommene Sympathisanten, Informanten und Unterstützer in der Zivilbevölkerung. Etwa 75% der Menschrechtsverletzungen in Kolumbien werden den Paramilitärs zugeschrieben. Ihre Kampfform dezimiert die Guerilla weniger, als daß sie sie in andere Gebiete vertreibt. Zwischen 1990 und 1997 wurden zwischen kolumbianischem Heer und Selbstverteidigungsgruppen sieben, zwischen Heer und Guerilla 5000 bewaffnete Kontakte gezählt. Diese „Neutralität", nicht unbedingt aktive Unterstützung des Militärs erleichterten den Paramilitärs die Erweiterung ihres Aktionsradius und Erfolge gegen die Guerilla. Am Beispiel der Paramilitärs zeigt sich Doppelmoral als ein Charakteristikum des politischen Lebens in Kolumbien. So werden vom Militär oder vom kolumbianischen Unternehmertum jegliche Verbindungen zu Paramilitärs geleugnet, man gibt sich indigniert und spricht von kriminellen Organisationen. Privat jedoch wird ohne Scheu über die Notwendigkeit ihrer Unterstützung gesprochen. Der Chef der Paramilitärs, Carlos Castaño, scherzt, er fühle sich wie eine geheime Geliebte, die man benötige, aufsuche, aber immer leugne.

Die Paramilitärs versuchen, sich zunehmend als „rechte" politische Gruppierung zu profilieren. Als solche fordern sie direkte Verhandlungen mit der Regierung. Da aber die FARC damit drohen, die Gespräche abzubrechen, sollte die Regierung keine Erfolge im Kampf gegen die Paramilitärs aufweisen oder gar Gespräche mit ihnen aufnehmen, ist derzeit ein Verhandlungsprozess mit ihnen nicht möglich. Ohne Verhandlungen mit den Paramilitärs wird es allerdings in Kolumbien langfristig nicht zum Frieden kommen können.

2.3. Das Militär

In Umfragen genießt das kolumbianische Militär derzeit erheblich größeres Vertrauen als in früheren Jahren. Viele Kolumbianer setzen es in der Vertrauensskala direkt nach der Kirche an die zweite Stelle. Auf Druck der USA und - paradoxerweise - der FARC, aber auch aus Überzeugung hat der Präsident im Frühjahr 99 drei im Kampf erprobte und in ihrer Organisation angesehene Generale entlassen, da sie der Unterstützung von Paramilitärs verdächtigt wurden. Er handelte sich damit den Rücktritt seines angesehenen Verteidigungsministers und seine bisher schwerste Kabinettskrise ein. Gegen über 3000 Militärangehörige wurden im Jahre 1999 wegen Menschenrechtsverletzungen, Unterstützung der Paramilitärs oder anderer Unregelmäßigkeiten Prozesse eingeleitet bzw. Verurteilungen ausgesprochen.

Vertrauen gewann das Militär nach jahrelangen Niederlagen aber auch wegen militärischer Erfolge gegenüber der Guerilla im letzten Jahr. Präsident Pastrana, seinerseits Präsidentensohn, wusste bei Amtsantritt, daß ihm nur der Verhandlungsweg offenstand, da eine militärische Lösung des bewaffneten Konflikts bei der geringen Schlagkraft der ererbten Streitkräfte nicht denkbar war. Der Präsident, sein Verteidigungsminister und die neue militärische Führung versprachen daher radikale Reformen, beispielsweise die Umstellung auf ein Berufsheer im Jahre 2000. Solche Reformen lassen bisher auf sich warten. So verbringen auch heute noch mehr Offiziere ihre Zeit hinter Schreibtischen als mit ihrer kämpfenden Truppe. Von insgesamt ca.157.000 Militärs sind lediglich etwa 35.000 operativ eingesetzt bzw. einsetzbar.

Aber auch kleine taktische und strategische Veränderungen, von denen man sich wundert, daß sie nicht früher eingeführt wurden, hatten Erfolg: So wurde der Wert der hohen Beweglichkeit von Hubschraubern entdeckt, wie auch, daß die Guerilla im Moment der Schwäche, also beim Rückzug aus einem angegriffenen Gebiet oder Dorf, nicht während dessen Besetzung, angegriffen werden muß. Vor allem hat sich die „Intelligence", die Aufklärungsarbeit der Militärs, dank amerikanischer Unterstützung verbessert. Man hört systematisch die Kommunikation zwischen der Guerilla ab und entdeckt über Infrarotdetektoren auch deren Zusammenballungen.

Die Streitkräfte sind gegenüber der zivilen Regierung loyal, aber auch davon überzeugt, daß die politische Führung für den schlechten Zustand Kolumbiens und damit auch den bewaffneten Konflikt verantwortlich sei. Im Militär geht Angst um, ein Frieden könne auf Kosten seiner Ehre und seiner freien Entscheidungsmöglichkeiten geschlossen werden, Frieden könne insofern Verrat an seinem Kampf und seinen Opfern sein.

Manche Zirkel innerhalb und außerhalb des Militärs stricken an einer Art Dolchstoßlegende, nach der weder die öffentliche Meinung, noch die Guerilla das kolumbianische Militär schlagen oder schwächen können, sondern nur der Staat in einer konzertierten Aktion von Exekutive, Justiz und Kongress. Durch die „demente" Politik Pastranas, so heißt es, werde Kolumbien von der Agonie in den Zusammenbruch geführt. Präsident Pastrana sei naiv, entscheide voreilig unter Druck der Verbündeten der Aufständischen und verschenke Kolumbien.

2.4 Eliten und Zivilgesellschaft

Über 200 Entführungen pro Monat durch die Guerilla, durch Paramilitärs, durch private Banden, die die Entführten an Guerilla und Paramilitärs weiterverkaufen, durch organisierte oder nicht organisierte Kriminalität, Morde ohne klare Autorenschaft usw. haben den bewaffneten Konflikt auch in den städtischen Zentren und im Establishment fühlbar gemacht. Entführungsrisiken scheinen vielen zu groß, um mit dem Auto über Land zu reisen.

Am 26. Oktober 1999, dem Tag des Neubeginns der Verhandlungen zwischen FARC und der Regierung, gingen ca. 10 Millionen Kolumbianer in verschiedenen Städten des Landes mit „No Mas!" (Nicht Mehr – Es reicht!) auf die Straße. Dieser Marsch, den die FARC zunächst als Aktion des Establishments abqualifizieren wollte, steht für den Veränderungsprozess der traditionellen Haltung des radikalen Individualismus, des Vertrauens ausschließlich in die Familie und den engsten Freundeskreis, gepaart mit politischer und sozialer Apathie. Kolumbiens Gesellschaft agiert inzwischen gegen Korruption und Gewalt. Zunehmend ist Bereitschaft zu erkennen, eine neue Nation in kollektiver Art und Weise konstruieren zu wollen. Die bis zu 2 Mio. durch Gewalt Vertriebenen, fast ausschließlich aus den ländlichen Gebieten, die die Städte erreichen, die schweren Verletzungen der Menschenrechte und die Entführungsindustrie lassen sich nicht mehr wie in früheren Zeiten als regionale in einzelnen abgelegenen Gebieten Kolumbiens vernachlässigbare Phänomene verdrängen.

Interessanterweiser hat sich auch die Unternehmerschaft, anders als in den 80er Jahren, während der sie sich gänzlich abseits hielt und gar gegen die Versuche eines Friedensprozesses agitierte, aktiv in den Friedensprozess eingeschaltet. Als Erklärung wird angeboten, daß in den 80er Jahren die kolumbianische Wirtschaft relativ abgeschlossen war und so die ca. drei bis sieben Prozent Zusatzkosten des Konflikts auf die Konsumenten abgewälzt werden konnten, in den 90er Jahren aber nach der wirtschaftlichen Öffnung der Konflikt einen klaren Konkurrenznachteil darstellen.

Die kolumbianische Unternehmerschaft versteht sich zunehmend als Teil der zivilen Gesellschaft. Natürlich spricht sie nicht mit einer Stimme, die Interessen der ländlichen Unternehmer sind andere als die jener, die in die globalen Märkte integriert sind. Bei ersteren wird man stärker auf eine militärische Lösung setzen, bei letzteren auf den Verhandlungsweg. Die stärkere Formierung und Beteiligung der sogenannten Zivilgesellschaft, zahlreicher NGOs und sozialer Netze, die auch von der Guerilla in Form thematischer Anhörungen zu den einzelnen Punkten der Friedensagenda gewünscht wird, ist - neben der stärkeren internationalen Präsenz - die wichtigste Garantie für den Fortgang des Prozesses.

2.5 Präsident Pastrana und seine Regierung

Präsident Pastrana wird vorgeworfen, er kümmere sich nicht um Details, nehme Akten und technische Vorgänge kaum zur Kenntnis, delegiere zu viel, dies mit dem bestätigten Risiko der Verzögerung von Vorgängen und ihrer Lösung. So dauerte die Entwicklung einer einigermaßen kohärenten Wirtschaftspolitik über ein Jahr. Eine Sozialpolitik ist bisher nicht zu erkennen. Das Rekonstruktionsprogramm der durch ein großes Erdbeben zerstörten Kaffeezone hat nicht die erhofften und gewünschten Resultate gebracht. Die angekündigte radikale politische und administrative Reform ist im Nichts verblieben.

Der Friedensprozess jedoch ist eine Ausnahme: Hier engagiert sich der Präsident rückhaltlos. Er ist „sein" Projekt mit historischer Dimension. Obwohl klassischer Vertreter des kolumbianischen Establishments und mithin ein stolzer bis arroganter Mann, war Pastrana bereit, Verzögerungen und Arroganz der Guerilla bis hin zu Demütigungen zu ertragen, um den Prozess weiterlaufen zu lassen. Im Unterschied zu manch früheren Präsidenten stellt Pastrana sein Land - auch im Ausland - als das vor, was es ist: Er beschreibt den bewaffneten Konflikt, er stellt das Verhältnis von Gewalt, Guerilla und Drogenhandel adäquat dar. Diese - wohl zum ersten Mal - fast rückhaltlose Offenheit mag Kolumbien manche Direktinvestitionen gekostet haben. Sie hat aber auch dazu gedient, die Kolumbianer von der Notwendigkeit zu überzeugen, die Probleme nicht weiter zu verdrängen, sondern anzugehen. Pastrana überwand die traditionelle Denunzierung der Guerilla als Delinquenten und erkannte sie als politische Gegner an; er sah die Notwendigkeit einer entmilitarisierten Zone und setzte sie auch gegen den Widerstand der Militärs und Teile des kolumbianischen Establishments durch.

Von vielen Kolumbianern wird allerdings die langfristige Strategie des Präsidenten als Nach-giebigkeit und Schwäche gedeutet: „Falta Jefe" (es fehlt ein Chef) heißt es in den kolumbianischen Medien. In der Tat spricht manches für zuviel Improvisation, Ambivalenz und Unklarheit seitens der Regierung. So waren offensichtlich die Konsequenzen der Entscheidung für eine „entmilitarisierte Zone" unbedacht geblieben. Die Regierung tendiert dazu, sich abzuschotten, Expertenwissen bleibt unbefragt, Opposition und Zivilgesellschaft werden zu wenig eingebunden.

Mangels Alternativen muß die Regierung Pastrana „Verhandlungen im Krieg" führen. Dessen Brutalisierung und Intensivierung, die Vertiefung der Wirtschaftskrise, 20%ige Arbeitslosigkeit, zunehmende Armut und Ungleichheit und der Mangel an greifbaren Erfolgen im Friedensprozess ließen die mit dem Amtsantritt Pastranas im August 98 verbundenen übergroßen Hoffnungen der kolumbianischen Bevölkerung zerrinnen. Heute herrscht Skepsis vor. Nur noch 32% (zur Jahresmitte 1999 knapp über 20%) unterstützen die Amtsführung des Präsidenten. Daß Pastrana auf seinen Auslandsreisen gute Figur macht und das Verhältnis zum wichtigsten „Partner", den USA, erheblich verbessert und damit normalisiert hat, wird allerdings auch von seinen Kritikern anerkannt.

3. Kolumbianische Friedensdiplomatie - Absicherung des Prozesses nach außen

Seit 20 Jahren haben sechs Präsidenten in Kolumbien Anstrengungen unternommen, den bewaffneten Konflikt zu beenden. Drei Regierungen suchten den Verhandlungsweg zur internen Konfliktlösung: Belisario Betancur Cuartas (1982-1986) mit zunächst gutem Erfolg, aber ohne die gewünschten Ergebnisse gegen Ende seiner Amtszeit, Ernesto Samper Pizano (1994-1998) ohne irgendeinen Erfolg und - eindeutiger als jede andere Regierung vor ihm - Andrés Pastrana Arango (1998-2002).

Basis der Friedensdiplomatie Pastranas ist ein Paket von fünf internen Strategien, die im sogenannten „Plan Colombia" zusammengefasst sind. Erstes Element ist der Friedensverhandlungsprozess, der die Notwendigkeit von politischen, rechtlichen und sozialen Reformen akzeptiert und den Frieden als Resultat eines breiten, sozialen Konsens mit allen wirtschaftlichen, politischen und bewaffneten Akteuren fokusiert. Weitere Elemente sind:

  • eine Reaktivierung der Wirtschaft mit Anpassungsprogrammen, Investitions- und Exportsteigerung und einem speziellem Programm zur Verbesserung der Situation auf dem Arbeitsmarkt; eine Reform des Justizsektors zur Verbesserung der rechtsstaatlichen Situation, die u.a. Enteignungen von durch Geldwäsche, Drogenhandel, Schmuggel und Korruption erworbenen Gütern vorsieht;

  • eine Strategie zur Drogenbekämpfung und zur Verbesserung der nationalen Sicherheit, die eine Reduktion der Anbauflächen um 50 Prozent in den nächsten sechs Jahren anstrebt. Flankierend ist ein Programm der Substitution des Anbaus von Coca und Mohn (Amapola) durch andere Agrarprodukte vorgesehen, zugleich ein Programm zum Schutz der Ökologie der Anbaugebiete im Choco, Amazonas- und Orinocogebiet. Um die Drogenkartelle erfolgreich bekämpfen zu können, wird eine Restrukturierung und Modernisierung der Streitkräfte, der Polizei und damit eine Verbesserung der Menschenrechtssituation im Lande angepeilt.

  • Letztes Element ist ein Programm, das „Demokratisierung und Sozialentwicklung„ genannt wird. Es umfasst Hilfsprogramme für Opfer des Konfliktes, Kinder, alleinstehender Mütter, alte Menschen, ethnische Gruppen und insbesondere die Gruppe der durch Gewalt Vertriebenen. Mit einem weiteren Subprogramm soll nachhaltige Entwicklung in ökologisch gefährdeten Zonen, also vor allem Drogen- und Konfliktzonen, gefördert werden.

Die Kosten des Plan Colombia werden von der Regierung für drei Jahre auf 7,5 Mrd. US Dollar geschätzt. 3,5 Mrd. Dollar sollen durch die Länder des Nordens (USA: 1,5 Mrd.) aufgebracht werden. Begründet wird die Beteiligung der internationalen Gemeinschaft

mit dem Prinzip der „gemeinsamen Verantwortung": Ohne die Drogenkonsumenten in den entwickelten Ländern, den USA und Europa - so die Argumentation - würde eine Bekämpfung des Drogenanbaus durch große Sprühaktionen (ca. 130.000 ha in den letzten 10 Jahren) mit ihren katastrophalen ökologischen Nebenwirkungen (Kolumbien ist das Land mit der zweithöchsten Biodiversität der Welt) unnötig werden. Da die Drogenanbaugebiete zu großen Teilen von der Guerilla, zu kleineren Teilen von den Paramilitärs beherrscht werden, eine Lösung des bewaffneten Konflikts folglich eine conditio sine qua non zur erfolgreichen Bekämpfung des Drogenanbaus und –handels sei, müssten Nordamerika und Europa mit und für KolumbienVerantwortung tragen: bei der Überwindung des bewaffneten Konflikts wie bei der Bekämpfung des Narcotráfico, bei der Wiederherstellung des durch die Drogenbekämpfung zerstörten ökologischen Gleichgewichtes und letztlich damit auch bei der Förderung nachhaltiger Entwicklung in den Konflikt- und Drogenzonen. Kolumbiens Friedensdiplomatie gegenüber dem Norden ist darauf gerichtet, der internationalen Gemeinschaft die enge Beziehung zwischen Verbesserung der Menschenrechtssituation, Reduktion der Zerstörungsprozesse der Umwelt, vor allem im Amazonas- und Orinoco-Gebiet, Drogenanbau und –handel und der Lösung des bewaffneten Konflikts in Kolumbien darzustellen.

Bisher war der Friedensdiplomatie, vor allem in den USA, Erfolg beschieden. Kolumbien erhielt 1999 ca. 295 Mio. US Dollar an US-Militärhilfe, die dritthöchste US-Zuwendung nach Israel und Aegypten und mehr als ganz Lateinamerika inkl. der Karibik zusammen. Präsident Clinton legte dem Kongress im Januar 2000 ein Hilfspaket für Kolumbien im Wert von zusätzlichen ca. 1.274 Mio. Dollar für die Jahre 2000 bis 2001 vor. Von dieser Summe sind 115 Mio. für „alternative Entwicklung", also Drogenanbau-Substitutions- und oekologische Programme, und 93 Mio. Dollar zur Verbesserung der Menschenrechtssituation, des Justizwesens etc., vorgesehen.

Über 1 Mrd. US$, fast 80 Prozent, sind dagegen für Helikopter und Waffen, Aufbau weiterer mobiler Drogenbekämpfungs-Bataillone etc., also für Militärs und Polizei bestimmt. Offiziell dient die Aufrüstung der Drogenbekämpfung im Süden des Landes. Da aber die meisten Drogenanbaugebiete dort von den FARC beherrscht werden, wird diese Art US-Hilfe - so die Befürchtung vieler kolumbianischer Experten - vor allem der Kontinuität und Intensivierung des Konflikts dienen.

Für die Europäische Union hat Lateinamerika und damit auch Kolumbien bisher keine internationale Priorität. Europa wird daher in Kolumbien gelegentlich als „die große Abwesende" (la gran ausente) bezeichnet. Für einen Erfolg des kolumbianischen Friedensprozesses, nicht nur für die Finanzierung des Plan Colombia ist eine aktivere Beteiligung Europas, - und nicht nur die der USA in der beschriebenen Weise -, nicht zuletzt auch aus der Sicht der Guerilla, unabdingbar.

Eine zweite Linie der kolumbianischen Friedensdiplomatie ist auf seine Nachbarn gerichtet. Kolumbien hat über 6000 km meist unbewohnte Grenzen: 2219 km mit Venezuela, 1645 km mit Brasilien, 1625 km mit Peru, 586 km mit Ecuador und 266 km durch den unerschlossenen Darien gänzlich unkontrollierbare Grenzen mit Panamá. Man schätzt, daß an den kolumbianischen Grenzen 71 Gruppen der Guerilla mit ungefähr 10.000 Kämpfern und 45 Gruppen der Paramilitärs mit ca. 2000 Mann operieren, ebenso etwa 30.000 kolumbianische Militärs und Polizeitruppen.

Neben Waffenschmuggel, dessen Opfer Kolumbien ist, beklagen die Nachbarn den Missbrauch der Grenzgebiete ihrer Staaten als Rückzugs- und Ruheräume durch die Guerilla. Venezuela scheint von allen Ländern am ehesten gerüstet, seine Grenze mit ca. 20.000 Soldaten in 105 Militärposten gemeinsam mit etwa 17.000 kolumbianischen Militärs kontrollieren zu können. An der Grenze zu Brasilien hat Kolumbien rund 5000 Mann stationiert, Brasilien etwa 10.000. Panamá, das lediglich über Polizei, nicht aber über Militär verfügt, ist nicht in der Lage, seine Grenzen zu kontrollieren. Der Oberkommandierende der (US-) Streitkräfte Süd, General Wilhelm, stellte daher im Sommer 1999 fest, Panamá könne wegen der Präsenz der FARC an seinen Grenzen nicht die Sicherheit des Kanals garantieren.

Aber nicht nur in den USA wird die „kolumbianische Gefahr" als Argument für die Durchsetzung anderer politischer Interessen genutzt. Der peruanische Präsident Fujimori trieb mit dem Hinweis auf die kolumbianische Bedrohung erfolgreich Wahlkampf. In Ecuador heißt es, Kolumbien und Kolumbianer würden traditionell mit dem Begriffen Gott und Teufel assoziiert. Die Vision des venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez über seinen Weg zum kolumbianischen Frieden ist keineswegs die der kolumbianischen Eliten. Während diese die uneingeschränkte Unterstützung der USA suchen, befürchtet Chavez, daß eine verstärkte Einflußnahme von US-amerikanischen Beratern und Geldern in Kolumbien die Realisierung seines bolivarianischen Projektes mit neuen lateinamerikanischen Unabhängigkeitsräumen gegenüber den USA erschweren bzw. eine neue Ära amerikanischen Interventionismus in Südamerika einleiten könne. Brasilien scheint die rationalste und kooperativste Außenpolitik gegenüber der „kolumbianischen Bedrohung" zu betreiben.

Kolumbiens Nachbar-Friedensdiplomatie bemüht sich, unerwünschte Interventionen im Friedensprozess ebenso wie einen angeblich ursprünglich von den USA geplanten „cordon sanitaire" seitens der Nachbarn zu vermeiden. Die Unterstützung einzelner Nachbarstaaten, vor allem Brasiliens und Venezuelas (auch wegen des Einflusses von Präsident Chavez auf die FARC), zwecks Bildung eines „Freundeskreises" oder eines „Verifikationskomitees" wird man zu gegebener Zeit suchen müssen.

Kolumbiens Friedensdiplomatie ist bisher bilateral ausgerichtet, eine klare Vorstellung über die Rolle multilateraler Institutionen, der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) oder der UNO, scheint noch nicht gefunden. Die Bestellung des ehemaligen norwegischen Vize-Außenministers, Jan Egeland, durch Generalsekretär Kofi Anan zum UN-Kolumbien-Beauftragten, könnte Wege weisen.

Noch unterstützt die amerikanische Administration die Friedensbemühungen Pastranas, eine Intervention über die Nachbarstaaten wird ausgeschlossen. In vielen Dokumenten der US-Administration wird jedoch auch der totale Staatszusammenbruch Kolumbiens bedacht. In diesem Falle wäre eine andere und verstärkte Präsenz ausländischer Akteure im Lande nicht auszuschließen. Auch daher sollten die Länder der Europäischen Union ihre bisherige Zurückhaltung im kolumbianischen Friedensprozess überdenken.

4. Zur Zukunft des Friedensprozesses: Vier Szenarien

„Friedensverhandlungen im Krieg", in einem sich verschärfenden Krieg mit mehr Massakern, Attentaten, Morden, Entführungen und Vertreibungen mit einer Mehrzahl von Akteuren mit nicht unbedingt eindeutigen Friedensmotivationen in einer Wirtschaftskrise, wie sie das Land seit 70 Jahren nicht erlebt hat, stellen große Herausforderungen an Umsicht und Planung, an politische Fähigkeiten einer Regierung. Mehr noch, wenn das Ziel des Verhandlungsprozesses unklar ist und lediglich feststeht, daß es nicht das übliche Schema Waffenstillstand - Demobilisierung der Aufständischen und deren Reintegration in die Gesellschaft sein kann. Notwendige Unklarheit über einen möglichen Ausgang, der Mangel an bisher Greifbarem, stattdessen zunehmende Intensivierung des Krieges ließen Skepsis und Wünsche nach einer militärischen Lösung in der Bevölkerung wachsen. Dies wiederum könnte auf Dauer die Befürworter einer Verhandlungslösung schwächen und konservative Ultras im Militär, Establishment aber vor allem auch in der Guerilla stärken.

Ein bewaffneter Konflikt ist reif für Verhandlungen, wenn die Kosten einer Verlängerung des Konfliktes allen Beteiligten höher scheinen als die möglichen Kosten von Verhandlungen. In diesem Sinne scheint der Bürgerkrieg in Kolumbien noch nicht die nötige Reife erlangt zu haben. Die FARC, weniger der ELN, kann sich ausrechnen, auf militärischem Gebiet noch manches zu erreichen. Ähnlich denken Kreise des Militärs und des Establishments. Auch daher gibt es „Verhandlungen im Krieg" und nicht Verhandlungen nach einem Waffenstillstand.

Dennoch ist seit Amtsantritt des Präsidenten Pastrana, trotz Unzeitigkeiten, Pattsituationen, Unsicherheiten und Verzögerungen manches - für einen in 40 Jahren verkrusteten Konflikt, dessen soziale Ursachen nicht beseitigt sind - erreicht worden: Der Dialog mit den FARC ist formalisiert, eine gemeinsame Verhandlungsagenda etabliert worden. Die Beteiligung der Zivilgesellschaft ist über öffentliche Anhörungen zu jedem Agendapunkt vorgesehen. Auch im Verhältnis zum ELN wurden viele Hindernisse und Verwerfungen überwunden, der Beginn eines Dialoges in absehbarer Zeit ist vorstellbar.

Wie könnte der Prozess weitergehen? Vier Szenarien sind vorstellbar:

Option 1: Dank großzügiger und steigender US-amerikanischer Hilfe, Helikopter, Flugzeuge, Flussbote, Aufstellung weiterer - als der bisherigen vier - mobiler Elitetruppen, Training und Restrukturierung von Einheiten der Luftwaffe, der Marine und des Heeres, Verbesserung der Kommunikation und der Aufklärungsarbeit gelingt es, den Vormarsch der Aufständischen einzudämmen und letztlich ein Sieg über sie. Obwohl das kolumbianische Militär im letzten Jahr einige Erfolge aufzuweisen hatte, steht seine Restrukturierung noch am Anfang. Die Guerilla, vor allem die FARC, rekrutieren neue Kämpfer, kaufen neue Waffen, verfügen über fast unbeschränkte finanzielle Mittel, operieren in Gebieten, die für jede Infanterie, nicht nur die kolumbianische, äußerst schwer zugänglich sind. Diese Option ist daher auf absehbare Zeit äußerst unwahrscheinlich. Auch, da die kolumbianische Bevölkerung nicht bereit wäre, die Kosten/Opfer einer für einen Sieg nötigen Mobilisierung zu tragen.

Option 2: Hauptsächlich die FARC, marginal auch der ELN, intensivieren ihre militärischen Aktionen, gewinnen ihre Dominanz auf den Flüssen zurück, können kolumbianische Truppen einkreisen und schlagen, arbeiten mit Guerillataktik, stellen sich aber auch massierten Truppen im offenen Kampf und gewinnen allmählich. In diesem Falle stünden die USA vor einem Dilemma: Entweder intervenieren sie direkt in Kolumbien, eine Möglichkeit, die nach dem Vietnamkrieg kaum möglich scheint, oder sie bewegen Nachbarstaaten Kolumbiens zu einer von ihr maßgeblich unterstützten Intervention. Alternative wäre, die US-Administration fände sich mit einer „Guerilla-Regierung" mit Verbindungen zum Drogenhandel und einem den Interessen der USA nicht unbedingt entsprechenden Gesellschaftsbild ab. Auch diese Option ist in absehbarer Zeit nicht wahrscheinlich. Jedoch gilt Clausewitz¢ Weisheit, daß der Krieg das Reich der Unsicherheit ist. Immerhin würden nach Umfragen vom Sommer letzten Jahres bis zu 65 Prozent der Kolumbianer eine militärische Intervention von Außen begrüßen.

Option 3: Der Verhandlungsprozess wird zwar formell nicht abgebrochen, kommt aber nicht voran. Man spricht über Verfahrensweisen, jedoch nicht über Inhalte. Vermehrt erscheinen gewünschte und ungewünschte Vermittler, auch aus dem Ausland, Enttäuschung und Skepsis in der kolumbianischen Bevölkerung wachsen, die Regierung wird zunehmend diskreditiert. Kolumbianische Experten berechnen, behalte man die Geschwindigkeit der Verfahren des Jahres 99 bei, dauere der Friedensprozess an die 19 Jahre. Setzt man die Dauer der Verhandlung für jeden der 47 Unterpunkte der Verhandlungsagenda auf 3 Monate, so müsse der Gesamtverhandlungsprozess 11 ¾ Jahre dauern. Da ein Waffenstillstand nach Aussagen der FARC erst nach Behandlung von 80% der Agenda möglich ist, stünde ein solcher in etwa 9 ½ Jahren in Aussicht. Diese Option ist daher nicht unwahrscheinlich, allerdings würde sie über kurz oder lang zu einem der anderen drei Szenarien führen.

Option 4: Die Verhandlungen über die Themen der Friedensagenda beginnen, der Prozess läuft. Sollte dieses mögliche, wenn auch optimistische Szenarium eintreten, so sind vielerlei politische Konflikte vorauszusehen. Man stelle sich beispielsweise die Debatte zum Punkt „Rolle des kolumbianischen Militärs" vor und darin die Diskussion über eine mögliche Integration von Kämpfern der Guerilla und regulären Soldaten in neuen Streitkräften oder aber die Diskussion um das „ökonomische Modell". Wie sollte der Agendapunkt einer in Kolumbien nie durchgeführten Agrarreform behandelt werden? Beträfe sie lediglich unbewohnte oder staatliche Ländereien, dürfte es keine größeren Probleme geben. Wie aber wird man die weiträumigen, bestenfalls extensiv genutzten und möglicherweise von Paramilitärs geschützten Ländereien der Drogenhändler oder Großgrundbesitzer behandeln, oder Großgrundbesitz, der intensiv genutzt wird?

Es werden sich also viele voraussehbare Konflikte ergeben. Hinzu kommen die vorgesehenen öffentlichen Anhörungen mit der Zivilgesellschaft, aus denen wiederum eine Unzahl von neuen Verhandlungsthemen, die über die der Zwölf-Punkte-Agenda hinausgehen, erwachsen können. Die Anhörungen werden im Territorium der FARC, der entmilitarisierten Zone, stattfinden. Deren Hauptstadt, das 20.000 Einwohner zählende Kleinstädtchen San Vicente del Caguán, könnte so zur heimlichen politischen Hauptstadt Kolumbiens werden. Es könnte eine Dynamik entstehen, die alle mit Mühe und Klage Beladenen, Familienmitglieder von Entführten, Bauern ohne Land, Gewerkschaften, die sich gegen die Privatisierung ihres Unternehmens wehren, Bekannte und Verwandte von Drogenhändlern, die an die USA ausgeliefert werden sollen, etc. nach San Vicente pilgern lassen, um die Unterstützung der FARC zu erbitten. Um solches zu vermeiden, müsste die Regierung ihre bisherige gelegentlich an einen Vermittler erinnernde Rolle ändern und in die des wahren Vertreters der kolumbianischen Bürgerschaft wachsen.

Hierzu sind manche Veränderungen des bisherigen, verschlossenen, abgeschotteten Stils der Regierung nötig. Die Regierung muß in einen stärkeren Dialog mit der Gesellschaft treten, eine Strategie muß erkennbar werden. Das Projekt des Verhandlungsprozesses muß zum nationalen Projekt Kolumbien werden. Mittelfristig ist die schwierige Aufgabe einer Synchronisation der beiden Agenden mit FARC und ELN anzugehen. Ein Waffenstillstand kann in absehbarer Zeit nicht erwartet werden. Derzeit dienen die Verhandlungen vor allem der Kriegsstrategie von FARC und Teilen des Establishments. Erst wenn der Prozess voranschreitet, wird der Krieg umgekehrt der Stärkung der Verhandlungsposition dienen können.

Was am Ende des Friedensprozesses stehen könnte, unter welchen Konstellationen eine Integration der Guerilla bzw. eine Fusion der beiden Kolumbien denkbar wäre, wird im Lande erstaunlich wenig diskutiert. Grund dafür mag sein, daß jegliche Konstellation am Ende des Prozesses für die große Mehrheit der Bevölkerung z.Zt. kaum vorstellbar oder akzeptabel erscheint. Ausgangspunkte für Endspielüberlegungen sind:

Die Guerilla wird ihren bewaffneten Kampf nicht beenden, wenn sie keine attraktive Alternative der Ausübung politischer Macht findet. Sie ist militärisch stark, aber politisch schwach. In Umfragen zeigen nur sechs bis maximal elf Prozent der kolumbianischen Bevölkerung gewisse Sympathien für sie. Trotz der weit verbreiteten Unzufriedenheit mit den herrschenden Parteien, der Liberalen und der Konservativen Partei, können sich höchstens zwei von zehn Befragten das Mitmachen in oder die aktive Unterstützung einer anderen Partei bzw. einer anderen politischen Bewegung vorstellen.

Warum sollte sich also eine militärisch starke Guerilla Wahlen stellen, in denen sie nicht siegen kann? Das Beispiel der Anfang der 90er Jahre ins Zivilleben reintegrierten Guerillabewegung M19, die in Wahlen keine Rolle mehr spielt, ebenso wie die Erfahrungen mit den reintegrierten Guerillabewegungen in El Salvador und Guatemala werden von FARC und ELN nicht unberücksichtigt bleiben.

Die Guerilla benötigt klare Garantien für die Sicherheit ihrer Mitglieder und die dauerhafte Einhaltung der mit ihr getroffenen Vereinbarungen. Auch nach Unterzeichnung eines Friedensabkommens wäre es utopisch anzunehmen, die Guerilla würde ihre Waffen abgeben und sich in ihre Stammzonen zurückziehen. Nicht nur die Erfahrung mit ca. 3000 von Paramilitärs, undefinierten Todesschwadronen und wohl auch von Militärs ermordeten Mitgliedern des früheren politischen Arms der FARC, der „Patriotischen Union", läßt eine Verweigerung in dieser Hinsicht logisch erscheinen. Gibt aber die Guerilla ihre Waffen nicht ab, so wird ein Zusammenleben mit „normalen" Kolumbianern kaum möglich sein. Der Vorschlag eines Führers der ELN, die Guerilla müsse sich später in ein neu zu schaffendes kolumbianisches Militär integrieren, könnte die benannten Probleme, abgesehen vom Widerstand der derzeitigen militärischen Führung, nur begrenzt lösen. Die vom früheren Chef der Liberalen Partei, Horacio Serpa, und anderen vorgetragene Vorstellung einer späteren Koalitionsregierung aus „Establishment" und Guerilla, die letzterer mehr Einfluss zugestehen würde als ihr nach Wahlen zustehen, müsste zeitlich begrenzt sei und könnte letztlich wohl kaum den Machtambitionen der Guerilla entsprechen.

Ausgehend von diesen Überlegungen könnte folgendes Paket als „Endspiel" angedacht werden:

Den Forderungen vieler Kolumbianer vor allem in Antioquia und in den atlantischen Küstenregionen folgend, würde die derzeitigen Landesgliederung in „Departamentos" aufgegeben, eine gründliche territoriale Neuordnung des Landes betrieben und Kolumbien verfassungsmäßig in eine Art Bundesrepublik, eine föderale Republik mit erheblich größeren territorialen Einheiten, mit Pflicht und Rechten ähnlich denen der bundesdeutschen Länder umgewandelt. Polizeikräfte würden der Länderhoheit unterstellt.

Die Guerilla könnte durch Wahlen in zwei oder mehr der neu geschaffenen „Ländern", beispielsweise Orinoquia und Amazonia, die flächenmäßig etwa die Hälfte Kolumbiens ausmachen, politische Macht und Verantwortung übernehmen. Ehemalige Guerilleros würden mit ihren Waffen den größten Teil der dortigen Polizeikräfte ausmachen. Beides wären Gebiete mit relativ geringer Bevölkerung, aber großen Entwicklungspotentialen und –herausforderungen. Durch besondere Regelungen könnte der kolumbianische Staat verpflichtet werden, für begrenzte Zeit höhere finanzielle Transfers an diese Gebiete vorzunehmen. Da große Teile des Drogenanbaus in diesen Gebieten liegen, könnte die dann Ex-Guerilla über die Erfolge bei der Substitution der Anbauflächen und im Kampf gegen den Drogenhandel zunehmende nationale und internationale Legitimation gewinnen. Hierbei ist zu bedenken, daß die derzeitige Verwendung der Drogengelder durch die Guerilla nicht die Taschen einzelner Führer füllt, sondern „sauberer" gehandhabt scheint als die des kolumbianischen Staatshaushaltes.

Da die aus der Guerilla entstandenen dann existierenden politischen Bewegungen keine Mehrheit in den beiden Kammern, Kongress und Senat, gewinnen könnten, blieben für sie nur Minderheitsbeteiligungen in einer nationalen Regierung. Als Garantie dafür, daß die Vereinbarungen des Friedensverhandlungsprozesses eingehalten werden und die Sicherheit ihrer Mitglieder nicht bedroht ist, müssten der Ex-Guerilla in allen wesentlichen Entscheidungsstellen des Staates Vertretungsrechte, mit oder ohne Entscheidungsrechten, garantiert werden: im Kabinett, im nationalen Rat für Sicherheit und Verteidigung, im Vorstand der Zentralbank u.a.m. Reziprok müsste ein Delegierter des Präsidenten bzw. einer international besetzten Überwachungskommission einen Platz, nur mit Stimme, ohne Entscheidungsmöglichkeiten, in den zentralen Stellen der von der Ex-Guerilla verwalteten Gebieten erhalten.

Die Umsetzung solcher oder ähnlicher Vorschläge würde in jedem Falle enorme Kosten und Zugeständnisse der kolumbianischen Mehrheit an die Guerillaminderheit bedeuten. Auch könnten „freie Wahlen" in Gebieten mit bewaffneter Ex-Guerilla eine - notwendigerweise - zu akzeptierende Farce werden. Erst mit der Zeit könnte es der Guerilla gelingen, demokratische Praktiken zu akzeptieren.

Würden die Bevölkerung und die Autoritäten der „Guerilla-Bundesstaaten" ihr Schicksal akzeptieren oder eher - wie derzeit in den „Elenos", der ELN von der Regierung zugedachten „entmilitarisierten Zone" - alle möglichen Formen des Protestes nutzen? Würden dann separatistische Tendenzen Kolumbien zerreißen? Wie stellten sich die Paramilitärs dazu? Unter welchen Bedingungen könnten die USA und Kolumbiens Nachbarn solche „Lösungen" akzeptieren?

Deutlich wird bei allen Endspiel-Überlegungen wie mühsam der Weg zu einem in Frieden integrierten Kolumbien sein wird. Deutlich wird auch, dass ohne die kolumbianische Bürgerschaft, die „Zivilgesellschaft", ohne Konsens aller gesellschaftlichen Gruppen und ohne aktive Rolle der internationalen Gemeinschaft, also auch der EU-Länder, kein Weg dorthin gefunden werden kann.

5. Wirtschaft: Zusammenbruch einer Finanzblase

Mit voraussichtlich über 5% Minuswachstum und damit der schlechtesten lateinamerikanischen Performance nach Ecuador und Venezuela erlitt Kolumbien 1999 seine schärfste Rezession seit 70 Jahren. Wie kam es zu diesem Desaster einer Wirtschaft, die in den letzten 30 Jahren als eine der erfolgreichsten und in den „verlorenen" 80ern und beginnenden 90ern als die - nach Chile - erfolgreichste Lateinamerikas galt?

Manche glauben, Wachstumspfad und -geschwindigkeit sei in den letzten Jahrzehnten ohnehin günstigen Außenkonjunkturen legaler (Kaffee, Öl, Kohle) und illegaler Art (Drogen) geschuldet, insofern sei das positive Wirtschaftsimage Kolumbiens eine Illusion gewesen. Andere geben die Schuld dem von der Regierung Gaviria (1990-94) eingeführten neoliberalen Öffnungsmodell, wieder andere dem falschen wirtschaftspolitischen Management, sowohl der Regierung Samper (1994-98) als auch der derzeitigen Regierung Pastrana.

Der IWF sieht in einem Gutachten vom Dezember 1999 das Ende des „jahrzehntelangen starken und selbsttragenden Wirtschaftswachstums" als Resultat falscher Fiskalpolitik, externer Schocks und der internen Sicherheitsprobleme des Landes.

In einem inoffiziellen Dokument der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID/IADB) heißt es, die kolumbianische Wirtschaft der 90er Jahre müsse im nachhinein eindeutig als finanzieller Bubble bezeichnet werden. Zwischen 1992 und 95 wurden erhebliche interne Kredit vergeben, die Auslandsschuld stieg um 50%. Zwischen Ende der 80er Jahre und 1996 wuchs der Anteil des Staatssektors am BIP von 24% auf 36% (1999: 38% - 42%). Der bis Anfang der 90er Jahre ausgeglichene Staatshaushalt kumulierte bis 1998 ein Defizit von über 4% (99 ca. 6%). Der Mix von Fiskal- und Geldpolitik überheizte die Wirtschaft. Sicherheitsventil der Überhitzung waren Importe, die sich zwischen 1991 und 95 verdreifachten. So ergab sich seit 1995 ein Leistungsbilanzdefizit von über 5% im Jahr, die Preise der „non tradables", vor allem die von Immobilien, explodierten; typisches Zeichen einer Bubble Economy.

Steigende Staatsquote und Haushaltsdefizit haben unterschiedliche Ursachen: Zum einen die in der neuen politischen Verfassung von 1991 festgeschriebenen Verpflichtungen an zunehmenden „Dezentralisierungstransfers" an Gemeinden und Gobernaciones, zudem Zusatzausgaben durch die Sozialversicherungsreform, Bedienung der ungedeckten Pensionsverpflichtungen, die auf mehr als 4 Mrd. US Dollar geschätzt werden und Schuldendienst. Die Steigerung der staatlichen Ausgaben qua Kreditnahme mit ihren crowding-out-Effekten auf den Privatsektor erhöhten die internen Zinssätze, damit den Wechselkurs des Peso und bewirkten steigende Handelsbilanzdefizite. Gegen die Regeln wirtschaftspolitischer Vernunft steigerte die Regierung des Präsidenten Samper, der tief in einen Skandal um seinen drogenfinanzierten Wahlkampf verstrickt war, um überleben zu können, die öffentlichen Ausgaben weiter. Die Folgen der Erhöhung des internen Zinsniveaus, des Außenwertes des Peso und die Vertiefung des Defizits der Leistungsbilanz ließen zwischen 1995 und 1998 die Wachstumsrate um 5 Punkte auf 0,6 sinken, das Defizit der Zentralregierung auf 5,1% steigen und die Arbeitslosenraten von 7,6% (1994) auf 16% (1998) und schließlich auf ca. 20% (1999) anwachsen. Der Privatkonsum stagnierte, die Investitionen fielen drastisch.

Aufgabe der neuen Regierung Pastrana wäre es gewesen, Staatsausgaben und damit die öffentliche Verschuldung zu reduzieren, Zinssätze zu senken und zugleich eine Abwertung des Peso zu erlauben. Die Regierung begann Mitte 1998 jedoch mit einem ganz anderen policy mix: neue Steuern, z.T. um den Finanzsektor zu stützen, Erhöhung der internen öffentlichen Verschuldung und damit der Zinsraten und Verteidigung des Außenwerts des Peso, eben durch hohe Zinssätze. Als man die wirtschaftspolitischen Fehler einsah, war es zu spät, Investitionen und Wirtschaft steckten in der Krise. Der Preisverfall wichtiger kolumbianischer Exportgüter, Öl, Kohle, Kaffee oder Nickel, die südostasiatische und später russische Finanzkrise, die Kolumbien den Zugang zu internationalem Kapital erschwerte, und die schlechte Wirtschaftslage in den beiden Nachbarländern, Venezuela als zweitgrößtem Handelspartner und Ecuador als viertem, aber auch Erfolge im Kampf gegen den Drogenhandel trugen zur derzeitigen Wirtschaftsverfassung Kolumbiens bei.

Wirtschaftsperformance 1999

Güter, Dienstleistungen, Investitionen: Nachdem 1998 mit einem Wachstum von 0,6% abgeschlossen hatte, hoffte man für 1999 auf eine leichte Erholung (plus 1,5% Wachstum). Das voraussichtliche Minuswachstum von 5,2 % enttäuschte. Die Privatinvestitionen sanken 1999 um ca. 35%, die öffentlichen - trotz steigender Staatsausgaben - um ca. 14%, die Gesamtinvestitionen real um ca. 21% (Gesamtlateinamerika: ca. - 4,4%). Hohe Zinsraten, u.a. zwecks Verteidigung des Außenwerts des Peso im ersten Halbjahr, wegen der realen Abwertung des Peso im zweiten Halbjahr gestiegene Kosten für importierte Investitionsgüter, Unsicherheiten wegen der zunehmenden Intensität des bewaffneten Konflikts, Abnahme des Konsums um 6% und der erneute Rückgang der öffentlichen Investitionen bewirkten die geringen Investitionen.

Der Bausektor nahm, ähnlich wie 1998, um 19% ab, die Industrieproduktion schrumpfte um 4,7%, Dienstleistungen um 3,5%, darin der Handel um 3,6%, die Regierungsdienstleistungen um 2,9% und die Finanzdienstleistungen um 2,8%. Der Landwirtschaftssektor wird, ohne Berechnung des Kaffees, um mehr als 2% und inklusive Kaffee um fast 5% schrumpfen. Lediglich der Minensektor wird wegen Produktionssteigerung des Erdöls und der Erholung seiner Preise (10,7 Dollar pro Barrel im Januar auf 21,6 Dollar im Oktober 99) um ca. 5,2% wachsen. Auch Kohle- und Nickelpreise haben sich leicht erholt.

Die Arbeitslosenrate stieg in nur 2 Jahren von 12,1% im Jahr 1997 dramatisch auf - je nach Quelle - 20,1% bzw. 18,6% in den urbanen Zentren Kolumbiens. Etwa die Hälfte gilt als strukturelle Arbeitslosigkeit. Die Rate wird unter Berücksichtigung von ca. 22% geschätzter Unterbeschäftigung und 40% informellem Sektor noch dramatischer. Auch wegen der vielfältigen Streiks und Proteste von Gewerkschaften und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft sprach die Regierung, anders im Jahre 98, nicht mehr von Massenentlassungen im öffentlichen Sektor. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, daß, trotz geringer Sympathien für die Guerilla, ein Teil der von der Wirtschaftskrise Betroffenen deren Reihen über kurz oder lang verstärken könnte.

Finanzsektor: Der Finanzsektor erwirtschaftet etwa 18% des BIP. In Folge einer Finanzkrise von 1982 verbesserte Kolumbien seine Finanzkontrollsysteme und schuf 1985 einen Bankengarantiefonds mit allerdings schwacher Finanzausstattung. Seit 1991 hat Kolumbien eine unabhängige Zentralbank. Andererseits hält der kolumbianische Staat immer noch mit zwischen 12% (Entwicklungsbanken) und 56% (Geschäftsbanken) einen größeren Teil des kolumbianischen Finanzsektors. Dieser Sektor, der durch Liberalisierungsprozesse, Privatisierung von Banken und starke Auslandsinvestitionen in der ersten Hälfte der 90er Jahre mit durchschnittlich fast 10% - gemeinsam mit dem Bausektor - am schnellsten wuchs, war ab 1998 von der Wirtschaftskrise auch am heftigsten betroffen. Die - um den spekulativen Angriffen gegen den Peso zu begegnen - restriktive Geldpolitik der Zentralbank, internationale Finanzkrisen und makroökonomische Ungleichgewichte führten zu extrem hohen Zinssätzen (über 20% real). Sie ließen die Binnenkonjunktur abbrechen und hatten damit auch fatale Auswirkungen auf den Finanzsektor. Während im September 1997 die akkumulierten Gewinne des Finanzsektors noch etwa 484 Mio. US Dollar betrugen, wurden im Dezember 98 970 Mio. US Dollar Verluste ausgewiesen. Ca. 14% der derzeitigen Kredite müssen abgeschrieben werden. Trotz eines im November 98 von der neuen Regierung aufgelegten Emergency-Programms, das u.a. eine 2 Prozent Steuer auf alle finanziellen Transaktionen einführte, mit denen 1999 ca. 1,5 Mrd. US Dollar zur Stützung des Finanzsektor eingenommen werden sollen, hat sich die Krise des Finanzsektors im ersten Halbjahr 1999 weiter verschärft, dann aber entspannt. Eine offensive Geldmengen- und Mindestreservenpolitik der Zentralbank, vor allem aber die Aufgabe des Wechselkursbandes im September ließen die Zinsen von nominalen 44% zu Anfang des Jahres auf 14 %-15 % im Dezember sinken. Auch die im Juni 99 beschlossenen Maßnahmen, über staatliche Subventionen den Finanzsektor zu rekapitalisieren, trugen zur Entspannung bei.

Außensektor: Die Rezession hatte erhebliche Auswirkungen auf die Zahlungsbilanz: Die geringere Binnennachfrage und das Sinken des Peso-Außenwertes haben Importe um 30% sinken und Exporte um ca. 4,4 % steigen lassen. Exporteinbußen nach Venezuela und Ecuador konnten z.T. durch steigende Exporte in die USA ausgeglichen werden. Auch die Verdoppelung der Erdölpreise verbesserte die Handelsbilanz, die nach 5 Jahren Defizit im Jahre 99 im Güterbereich leicht positiv, im Dienstleistungsbereich leicht negativ und insgesamt ausgeglichen abschließen konnte. Das Leistungsbilanzdefizit, das 1998 noch 5,9% des BIP betrug, wird sich im Jahr 99 auf 2 %-1,3 % des BIP reduzieren. Direktinvestitionen sind erheblich zurückgegangen: Betrugen sie 1997 noch 5,7 Mrd. US Dollar, 1998 ca. 3 Mrd. Dollar, so werden 1999 knapp über 300 Mio. US Dollar ausländischer Investitionen erwartet. Kurzfristige Portfolio-Kapitalflüsse sind seit 1998 negativ. Zum Teil erklärlich durch die Performance der kolumbianischen Börse, die bis September 99 die schlechteste in ganz Lateinamerika war.

Die Nettoreserven des Landes verringerten sich im vergeblichen Bemühen, das Wechselkursband beizubehalten, um ca. 750 Mio. Dollar; mit ca. 8 Mrd. Dollar entsprechen sie etwa sechs Monaten kolumbianischer Importe. Die Auslandsschuld stieg auf 34,3 Mrd. Dollar, damit um 8,9 Punkte auf 42,6% des BIP. Das jahrzehntelang positive Außenbild der kolumbianischen Wirtschaft verschlechterte sich 1999 erheblich, was auch seinen Ausdruck in den niedrigeren Einstufungen durch die Rating-Firmen Moody¢s, Standard & Poors und Duph & Phelps fand. Die spreads kolumbianischer Staatspapiere, die 1998 noch etwa denen Mexikos entsprachen, verschlechterten sich im Jahr 1990 und überboten zum ersten Mal selbst die Argentiniens.

Fiskalpolitik: Trotz nicht unerheblicher Reduktion konsumptiver, vor allem aber investiver Ausgaben seitens der Regierung, ließ sich die Regierungsprognose eines konsolidierten Haushaltsdefizits von 2,1% in keiner Weise halten. Das Defizit wird voraussichtlich 6,3% betragen. Hierbei spielten eine Rolle unvorhergesehene Zusatzausgaben für den Wiederaufbau der durch das Erdbeben zerstörten Kaffeezone, Zusatzausgaben für die Sicherheitskräfte, aber auch Transfers an regionale Erziehungskörperschaften und Stützungsmaßnahmen des Finanzsektors. Die Einnahmen aus Zoll, Steuern und Privatisierungen blieben rezessionsbedingt annähernd 14% unter den Erwartungen, trotz aller Erfolge in der Bekämpfung von Schmuggel und Steuervermeidung. Ausweg für die Regierung waren interne und externe Kreditaufnahmen. Die internen Kreditaufnahmen verhinderten ein Sinken der Zinssätze im gewünschten Maße.

Geld- und Wechselkurspolitik: Zur Verteidigung des Wechselkursbandes hielt die Zentralbank, gegen die Empfehlung der meisten Experten, die internen Zinssätze bis zur Jahresmitte 99 hoch. Spekulative Attacken gegen den Peso führten zunächst zu einer Verschiebung der Bandgrenzen nach oben und schließlich im September zum Ersatz der seit 1994 existierenden Wechselkursbandpolitik durch freies Floaten. Indirekt führte die Zentralbank jedoch auch hier eine Art neues Band ein, jenseits dessen Grenzen sie zu intervenieren verspricht. Die Aufgabe des Wechselkursbandes bewirkte Vertrauen und eine Aufwertung des Peso. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Kursrate derzeit nahe am Gleichgewichtskurs ist. Die nominale Abwertung gegenüber dem Dollar betrug 1999 ca. 24%, während die Inflation mit geschätzten 9,6% ein historisches Tief erreichte.

Perspektiven: Das von der Friedrich-Ebert-Stiftung Anfang der 80er Jahre in Kolumbien eingeführte, vom besten Wirtschaftsinstitut des Landes, FEDESARROLLO, realisierte Konjunkturbarometer/Unternehmerbefragung zeigt für das Jahr 2000 eher optimistische Erwartungen. Prognosen unterschiedlicher Institute rechnen mit einem Wachstum zwischen 2 und 3,5% im Jahre 2000 und 4 bis 5% in den folgenden Jahren. Die Hoffnungen basieren auf folgenden Faktoren:

Die Einführung des „floatenden" Peso hat sich als Erfolg erwiesen, der Außenwert der kolumbianischen Währung ist nach September gestiegen.

Handelsbilanz und Leistungsbilanz haben sich wegen Rezession und Abwertung, also sinkender Importe und steigender Exporte, erheblich verbessert; auch die terms of trade von Kaffee (seit Oktober), Kohle und Nickel im geringeren und Öl in erheblichem Maße sind günstiger geworden.

Der Finanzsektor scheint sich in absehbarer Zeit stabilisieren zu können, die Zinsen sinken, der Anteil abzuschreibender Kredite geht leicht zurück, es wird erwartet, dass die Rekapitalisierung des Bankensystems Erfolg hat.

Der „Haushalt der Wahrheit" für das Jahr 2000 sieht eine 3%ige Verringerung der staatlichen Ausgaben vor, die Regierung hat Gesetzesvorschläge zur Reduktion der föderalen Transfers und der unhaltbaren Pensionsverpflichtungen und damit zur Verringerung des Haushaltsdefizites vorgelegt.

Die fortgeschrittene, seriöse Vorbereitung der Privatisierung zweier großer staatlicher Energieunternehmen wird als Beleg für das Engagement der Regierung, struktureller Reformen anzugehen, bewertet.

Die im Juli begonnenen und im Dezember abgeschlossenen Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds über einen Beistandskredit (Extended Fund Facility) von 2,7 Mrd. US Dollar und die damit verbundenen Reformauflagen inklusive der Einrichtung eines Fonds zur sozialen Absicherung der Anpassungsreformen sowie die Bereitstellung von 4,2 Mrd. US Dollar für die Jahre 2000 bis 2002 durch multilaterale Organisationen (BID: 1,7 Mrd., Weltbank: 1,4 Mrd., CAF: 600 Mio., Lateinamerikanischer Reservefonds: 500 Mio.) eröffnen Kolumbien ausländische Finanzierungsmöglichkeiten und Spielräume.

Das IWF-Abkommen sieht vor: Anhebung der Gehälter von Staatsbediensteten unterhalb der Inflationsrate, Reduzierung und Konditionierung der Transfers an Gemeinden und Departamentos, Beschleunigung der Privatisierungsprozesse, vor allem im Energie- und Bankenbereich, Erhöhung der staatlichen Einnahmen durch Verbreiterung der Mehrwertsteuerbasis, Besteuerung der sich derzeit den Steuerzahlungen häufig entziehenden „Selbständigen", Bekämpfung des Schmuggels, der Steuerumgehung und -hinterziehung, Reduktion parafiskaler Sozialabgaben für Unternehmen und Verbesserung der Möglichkeiten für Teilzeitarbeit.

All dies scheint potenziellen Investoren Hoffnung zu geben, allerdings bleibt abzuwarten, ob auch die Implementierung der Vorhaben gelingt. Vor allem die nötige Verfassungsreform zur Modifikation der föderalen Transfers der Zentralregierung und Reformen zur Verbreiterung der Steuereinnahmen werden schwierig werden. Vertreter der Weltbank warnen davor, politischem Druck nachzugeben und dem gescheiterten brasilianischen Experiment einer expansiven Fiskalpolitik aus den Jahren 97/98 zu folgen. Der beste policy-mix sei der Perus und Mexikos einer austeren Fiskalpolitik mit freien Wechselkursen (oder einer an den Dollar fixierten Politik wie in Argentinien). Wenn Kolumbien die Auflagen zur Konsolidierung seines Haushaltsdefizits, vor allem was die Transfers zur Sozialversicherung und die Dezentralisierungstransfers betrifft, erfülle, zugleich die Zentralbank den Wechselkurs floaten ließe und nicht erneut die Zinspolitik zur Bekämpfung von Abwertungstendenzen mißbrauche, könne die kolumbianische Wirtschaft wieder rasch auf einen Wachstumspfad von 4 – 5% zurückkehren, so die Weltbank-Vorhersage.


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