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Mythos Mittelstand / E. Ulrich Cichy. - [Electronic ed.]. - Bonn, 2000. - 16 S. = 50 Kb, Text . - (FES-Analyse)
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT




[Essentials]

  • Weite Bereiche des Mittelstands sichern mit ihren traditionellen und nur bedingt auf Wachstum ausgerichteten Aktivitäten die „Grundlast" der Beschäftigung und des Wohlstands in Deutschland. Nur ein vergleichsweise kleiner Teil setzt Marksteine für eine langfristige Wachstumsdynamik.

  • KMU haben größen- und strukturbedingte Hemmnisse, die zu einer begrenzten Risikofähigkeit bzw. Risikobereitschaft führen. Politik und Finanzwirtschaft müssen hierauf reagieren. Betriebsgrößenbedingte Restriktionen begrenzen das Internationalisierungspotential. Hier können öffentliche Hilfen (z.B. Messeförderung, Finanzierungshilfen im Außenhandel) unterstützend wirken.

  • Weite Bereiche der KMU werden kaum von den direkten, sondern eher von den positiven gesamtwirtschaftlichen bzw. handelsstiftenden Effekten (u.a. auch als Zulieferer für Großunternehmen) der Euro-Einführung profitieren; die einmal dafür zu entrichtenden Umstellungskosten sind hoch, aber zu verkraften.

  • Bei der Osterweiterung der EU sind die Chancen des Mittelstands gut. Freilich profitieren zunächst und wahrscheinlich auch in erster Linie die Großunternehmen. KMU ziehen aber aus mittelbaren Effekten wie z.B. positiven Wachstumsimpulsen ihren Nutzen.

  • Deutschland benötigt weniger Regulierungen. Es ist im Sinne einer „Mittelstandsklausel" zu prüfen, wie man die Interessen der KMU besser berücksichtigen kann. Es darf jedoch nicht zu einer generellen „Entregulierung" kommen, notwendig sinddessen Mechanismen, die eine flexiblere und unternehmensnahe Umsetzung von staatlichen Auflagen sicherstellen.

  • Der deutsche Mittelstand braucht eine weitere Verringerung der Einkommensteuerlast, die auch die kleineren gewerblichen Einkünfte erreicht. In diesem Sinne haben die gegenwärtigen Reformkonzepte den Charakter eines zielführenden Zwischenschritts.

  • Öffentliche Hilfen müssen noch stärker auf ihren Sinn und ihre Effizienz überprüft werden, die Förderhilfen des Bundes und der Länder sind aufeinander abzustimmen. Die Schwerpunktsetzung der EU auf die Unterstützung des Mittelstands ist sinnvoll, sollte sich jedoch auf die Kofinanzierung spezifischer Programme in den Mitgliedsländern beschränken.

  • Für die KMU ist es falsch, generell „weniger Staat" zu proklamieren. Notwendig ist vielmehr, in der öffentlichen Diskussion ständig die rationale Begründung mittelstandspolitischer Maßnahmen einzufordern, Hilfen kontinuierlich und in sich schlüssig fortzuentwickeln, dem Mittelstand mehr Wachstumschancen verschaffen und sich gegebenenfalls von überkommenen Vorstellungen zu lösen.

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind die Basis der deutschen Wirtschaft, sie sichern Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung. Wenn auch die wirtschaftliche Dynamik in weiten Bereichen durch die Großunternehmen bestimmt wird: KMU bergen erhebliche Potentiale für Innovations- und Wachstumserfolge. Beispiele hierfür sind u.a. die innovativen Unternehmen des mittelständischen Maschinenbaus oder die „neuen Selbständigen" im Dienstleistungssektor oder der Informationstechnologie.

Das Expansionspotential der KMU ist jedoch beschränkt. Die KMU partizipieren zu wenig am technischen Fortschritt und sind nicht ausreichend in die wachsenden Märkte des europäischen Raums und der Welt eingebunden. Deshalb bedarf es einer „neuen Mittelstandsorientierung", die u.a. durch Abbau von Bürokratie und Abgabenlasten, durch weitere Verbesserungen in der öffentlichen Förderung und die Entwicklung einer neuen (Wagniskapital-)Finanzierungskultur gekennzeichnet ist.

Der Mittelstand gilt als Hoffnungsträger der deutschen Wirtschaft. In so mancher Sonntagsrede zu Wirtschafts- und Beschäftigungsproblemen wird er mit freundlichen Worten bedacht. Aber allzu oft sind die gut gemeinten Argumente im Sinne der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) widersprüchlich, und ebenso häufig entsteht der Eindruck, daß die Großunternehmen trotz aller Mittelstandsrhetorik einen größeren Einfluß in unserer Gesellschaft geltend machen können als die kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Dieser Widerspruch wird unter anderem dadurch verursacht, daß das Phänomen Mittelstand wenig greifbar erscheint und Meinungen und Vorurteile die belegbaren Fakten dominieren. Daraus entwickelt sich der „Mythos" vom Mittelstand, denn dasexistiert der„Mittelstand".Das Phänomen der KMU„Mittelstand" wird häufig in seiner Differenziertheit nicht verstanden, obwohl es oft Gegenstand der öffentlichen Diskussion istDifferenziertheit verstanden wird. Es bedarf größerer Klarheit darüber, was Mittelstand ist, welche Rolle er in unserer Industriegesellschaft spielt und wie man seine Entwicklung am besten fördert, um positive gesamtwirtschaftliche Effekte zu erzielen. Deshalb werden hier geläufige Vorurteile und Meinungen zusammengestellt und kritisch befragt. diskutiert.

(1) „Der Mittelstand ist die ‚Basis‘ der deutschen Wirtschaft, der Motor von Wachstum und Beschäftigung".

Diese weit verbreitete Meinung scheint zahlenmäßig gut belegbar zu sein. Immerhin stehen hinter dem Begriff „Mittelstand" rund 3,2 Mio. kleine und mittlere Unternehmen (Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern). Auf diese entfallen:

  • 99,6 % aller steuerpflichtigen Unternehmen
  • 80,0 % der Ausbildungsleistung,
  • 68,0 % der Arbeitnehmer,
  • 53,0 % der Bruttowertschöpfung aller Unternehmen,
  • 46,9 % der steuerpflichtigen Umsätze,
  • 45,4 % der Bruttoinvestitionen.

Die pauschal als KMU beschriebenen Unternehmen bilden tatsächlich aber ein großes Konglomerat unterschiedlicher Betriebsgrößen und Strukturspezifika:

  • So haben 29,3 % der deutschen Unternehmen nur einen Beschäftigten, 51,1 % zwischen zwei und neun und 9,9 % zwischen zehn und 19 Arbeitnehmer; acht von zehn deutschen Unternehmen sind somit so klein, daß sie weniger als zehn Personen beschäftigen.

  • Von den deutschen Unternehmen können rund 900.000 oder 28,6 % dem Handwerk und dem handwerksähnlichen Gewerbe zugeordnet werden, sie bilden den klassischen Kernbereich des Mittelstands.

  • • Ein großer Teil der KMU ist am Vertrieb konventioneller Güter, an einem begrenzten Kundenkreis und an einem engen regionalen Markt orientiert. Die Absatzradien beispielsweise des nordrhein-westfälischen Handwerks erstrecken sich zu 55 % auf den Standort (Stadt, Gemeinde) und zu 70 % auf einen Umkreis von 20 km.

KMU sind die Basis der deutschen Wirtschaft, die wesentlichen Träger von Ausbildung und Beschäftigung. Sie gehören i.d.R. nicht einer abstrakten Gemeinschaft von Kapitaleignern, sondern einer Einzelperson oder einem engen Personenkreis, oft einer Familie mit einer dominierenden Unternehmerpersönlichkeit an der Spitze.

KMU existieren überwiegend als klassische „Selbständigenunternehmen", die sich eher statisch verhalten oder nur geringe Wachstums- und Entwicklungspotentiale aufweisen. Die Dynamik der deutschen Wirtschaft wird daher eher von reaktions- und standortflexiblen Großunternehmen bestimmt. Ausnahmen bilden die „großen Mittelständler", insbesondere in der Industrie (z.B. Maschinenbau, Elektrotechnik), die i.d.R. eine überregionale bzw. internationale Orientierung haben. Diese Unternehmen stehen in Deutschland, aber auch auf Auslandsmärkten bereits heute in einem z.T. heftigen Wettbewerb mit ausländischen Anbietern.

Unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten sind jene KMU von besonderem Interesse, die auf neuen Märkten oder innovativen Feldern aktiv sind und deshalb schnell wachsen. SieDiese weisen wegen ihrer strategischen Offenheit aber auch eine hohe Standortflexibilität auf und reagieren stark auf die Signale unterschiedlicher Märkte in Europa. Diese z.T. auch unter dem Begriff „neue Selbständige" zu subsumierenden Unternehmen (z.B. im Dienstleistungssektor oder in der Informationstechnologie) werden wegen ihrer geringen Größe häufig den eher statischen Kleinstunternehmen zugeordnet, entwickeln aber schnell ein erhebliches Wachstums- und Internationalisierungspotential.

Fazit: Weite Bereiche des Mittelstands sichern mit ihren traditionellen und nur bedingt auf Wachstum ausgerichteten Aktivitäten die „Grundlast" der Beschäftigung und des Wohlstands in Deutschland. Nur ein vergleichsweise kleiner Teil setzt Marksteine für eine langfristige Wachstumsdynamik.

Gleichwohl nimmt die Bedeutung des Mittelstands als Partner der Wirtschaftspolitik im Vergleich mit den Großunternehmen zu. Sie sichern nicht nur in erheblichem Maße die Beschäftigung, sondern sind auch wichtige Steuerzahler. Dies steht im Gegensatz zu so mancher Großbank oder zu so manchem Großunternehmen, deren Repräsentanten sich gern zu Anwälten des Standorts Deutschland aufspielen, aber hier z.T. über Jahre hinweg keine Körperschaftssteuer auf die Einkommen der Unternehmen gezahlt haben.

(2) „Der Mittelstand ist inflexibel und steht sich oft selbst im Weg."

Hier ist die Veränderungsfähigkeit der KMU angesprochen. Es geht um die spezifischen Hemmnisse, die aus der Eigentums- und Leitungsstruktur der KMU herrühren: Begrenzte Managementkapazitäten sind ein wesentliches Kennzeichen der KMU. Unter anderem wegen ihrer Prägung als „Familienunternehmen" haben sie häufig eine stark zentralisierte Entscheidungsstruktur, innerhalb derer ausschließlich der Unternehmensleitung Entscheidungsbefugnisse zukommen. Diese Zentralisierung resultiert noch aus den Anfängen des Unternehmens, in der der Firmengründer das einzige Entscheidungszentrum innerhalb des Betriebs bildete. So werden beispielsweise 72,9 Prozent der Industrieunternehmen vom Eigentümer bzw. von der Familie geführt. In diesen Unternehmen besteht eine Personalunion von Leitung und Eigentum, die eine enge Verzahnung von Familieninteressen und Unternehmenspolitik impliziert. Einer strukturierten Managementebene wird in einem solchen Unternehmen kein Platz eingeräumt. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen ist ein Alleinunternehmer bzw. ein einziger geschäftsführender Gesellschafter jedoch nur bedingt dazu befähigt und daran interessiert, neue Entwicklungsfelder zu besetzen. Neue Märkte werden oft eher „zufällig" in Angriff genommen.

Ein besonderes Problem stellt die unzureichende Ausstattung mit Kapital dar. Die Kreditwirtschaft sieht sich den KMU gegenüber häufig in einer „Gläubigerposition", verhält sich dementsprechend restriktiv und orientiert sich an den nur begrenzt vorhandenen dinglichen Sicherheiten. Hier wirken eine möglicherweise zu hohe Risikoscheu der Kreditinstitute und die gesetzlich auferlegten Sicherungsverpflichtungen dergestalt zusammen, daß KMU zu große Hürden bei der Bankenfinanzierung zu überwinden haben. Es zeigt sich, daß der Kredit als mittelständisches Finanzierungsinstrument nicht ausreicht.

Es handelt sich hier um Probleme in der Gründungsphase von Unternehmen. von Unternehmen, da diese iDiese können im Gegensatz zu den etablierten Unternehmen nicht mit Erfolgskennziffern aus der Vergangenheit oder mit angewachsenen Vermögenswerten aufwarten. Freilich haben

Allerdings sollte auch hingewiesen werden die kritische Prüfung und Ablehnung von Finanzierungsanträgen viele Gründer und Unternehmer auch schon vor Vorhaben mit wenig Erfolgschancen geschützt und so langfristige Negativfolgen für Betriebe und Privatvermögen vermieden. werden konnten.

Die spezifischen Probleme bei der Bankenfinanzierung werden voraussichtlich in den Wachstumsbereichen, z.B. in der Informationstechnologie und im Dienstleistungssektor, zunehmen. Hier handelt es sich häufig um Firmen, deren Geschäftsidee sich nicht in Maschinen und Immobilien niederschlägt. denen z.B.Beispielhaft hierfür sind Unternehmensgründungen von Hochschulabsolventen mit einer geringen Kapitalausstattung. Ihre FirmenSolche Unternehmen bestehen dann ofthäufig nur aus einigen gemieteten Räumen und den für einen Geschäftsbetrieb notwendigen geleasten Anlagen (Fax, Computer).mieten. Die klassische, an Sicherheiten orientierte Bankenfinanzierung stößt hier schnell an ihre Grenzen, so daß externe Wagniskapitalgeber das haftende (Eigen-)Kapital der Unternehmen aufstocken müssen.

Viele Engagements von KMU bedürfen deshalb keiner Kredit-, sondern einer Wagniskapitalfinanzierung. Die Unternehmensfinanzierungskultur in Deutschland leidet trotz eines ausreichenden Angebots an Wagniskapital an der unzulänglichen Information über den Umpfang und die Bedingungen der Inanspruchnahme von Risikokapital. Dies führt zu einer geringen Nutzung der vorhandenen Möglichkeiten. Hier bedarf es einiger Veränderungen. Darüber hinaus muß eine öffentliche Förderung von Unternehmensgründungen etabliert werden.

Fazit: KMU haben größen- und strukturbedingte Hemmnisse, die zu einer begrenzten Risikofähigkeit bzw. Risikobereitschaft führen. Politik und Finanzwirtschaft sind aufgefordert, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten Verbesserungen zu bewirken.

(3) „Der Mittelstand ist ein wesentlicher Träger von Innovationen, hat aber auch Schwierigkeiten, technologische Neuerungen zu entwickeln und umzusetzen."

Diese widersprüchliche Aussage bedarf vor dem Hintergrund von Globalisierung und internationalem Innovationswettlauf einer Klärung: In der öffentlichen Berichterstattung werden als Belege für die Innovationsfähigkeit häufig die jungen Unternehmen z.B. aus der Informations- und Kommunikationstechnologie hervorgehoben, die von Hochschulabgängern unmittelbar nach dem Studium gegründet werden und die auch schnell in internationale Märkte hineinwachsen (Stichwort: neue Selbständige). Zudem wird gern über vergleichsweise große KMU, z.B. aus dem Maschinenbau berichtet, die expandieren und in neue Marktsegmente vorstoßen und dort ebenfalls Wachstum und internationale Präsenz zeigen.

Beim ersten Beispiel handelt es sich um Personen mit noch jugendlicher Spontaneität, die zwar die Risiken sehen, sich aber nicht von der Begeisterung für ihr ehrgeiziges Lebensprojekt abschrecken lassen. Beim zweiten sind es oft „knochige" Unternehmerpersönlichkeiten, diewelche einer unternehmerischen Familientradition entstammen und die sich nun den neuen Aufgaben stellen. Aber derartige Unternehmer sind nicht die Regel, was folgende Zahlen belegen: Unter den KMU im Produzierenden Gewerbe (von denen nach Größe und Struktur her von vornherein eine höhere Innovationsdynamik als z.B. von Einzelhändlern und kleinen Dienstleistern zu erwarten ist) bezeichnet sich die Hälfte als nicht innovatives Unternehmen. Und nur 13 % der sich selbst als innovativ einschätzenden Unternehmen verfügen über eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung.

Insgesamt scheint die Innovationsbereitschaft im Mittelstand jedoch zu steigen. Der Mittelstand zieht nicht nur aus seiner „flachen" Organisationsstruktur spezifische Vorteile; auch Outsourcing und die Beschränkung auf das Kerngeschäft bei den Großunternehmen eröffnen neue Geschäftsfelder. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß in den 90er Jahren von den KMU mehr neue Produkte als von den Großunternehmen eingeführt wurden.

Die genannten Hemmnisse bleiben jedoch weiterhin bestehen. Hinzu kommen die spezifischen Finanzierungsprobleme von KMU, die nur wenig „Luft" für umfangreiche Neuentwicklungen Entwicklungen mit langen Durststrecken lassen.

Fazit: Durch die begrenzte Betriebsgröße wird es auch weiterhin eine mittelstandsspezifische Eigenschaft bleiben, daß wegen der Überschaubarkeit des Unternehmens besondere Flexibilitäts- und Neuerungsspielräume bestehen, diese aber aufgrund marktspezifischer und finanzieller Restriktionen nicht voll genutzt werden können.

(4) „Der Mittelstand hat Hemmungen, auf Auslandsmärkten anzutreten."

Dieses Vorurteil steht im Zusammenhang mit der Behauptung vonVorurteil von der Innovationsfeindlichkeit kleiner und mittelständischer Betriebe: Neben der Zurückhaltung gegenüber neuen Produkten und Verfahren wird auch eine zu geringe Risikobereitschaft in Hinsicht auf neue Märkte vermutet.

Folgende Zahlen scheinen für dieses Vorurteil zu sprechen: Die Exportquote der KMU im produzierenden Gewerbe beträgt nur 17,2 %. Lediglich 3,1 % der Handwerksunternehmen exportieren und tätigen dabei 1,8 % ihres Umsatzes mit dem Ausland. Die Exportquote von Großunternehmen beträgt 35,6 %. Entsprechend der geringen Exportquote besteht in weiten Bereichen des Mittelstands zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch kein Anlaß, im Ausland zu investieren.

Für die einzelnen Bereiche des Mittelstands gelten folgende Exportquoten:

  • Exporte bis zu 20 % des Umsatzes: Chemie, Elektrotechnik, Luft- und Raumfahrt/sonstiger Fahrzeugbau, Mineralöl, Nahrungs- und Genußmittel, Papier, Straßenfahrzeugbau;

  • Exporte von 21 bis zu 40 % des Umsatzes: Glas/Keramik, Gummi/Kunststoff, Leder, Maschinenbau, Metall;

  • Exporte von 41 bis zu 52 % des Umsatzes: Bekleidung, Druck/Verlag, Holz, Musik-/Spiel-/Schmuckwaren, Textil.

Bei den Daten zu den mittelständischen Exporten muß zudem berücksichtigt werden, daß noch eine gewisse Menge an indirekten Ausfuhren über Groß- und Handelsunternehmen hinzukommt.

Die z.T. recht erheblichen Exportanteile zeigen, daß dem Mittelstand eine generelle Exportfeindlichkeit nicht nachgesagt werden kann. Dies gilt insbesondere für grenznahe Regionen, wo die Exportintensität z.T. deutlich ansteigt, die Exportchancen hier also auch von kleineren Unternehmen stärker erkannt und genutzt werden.

Im allgemeinen besteht aber ein enger Zusammenhang zwischen Exportintensität und Unternehmensgröße.

Fazit: Insgesamt begrenzen betriebsgrößenbedingte Restriktionen das Internationalisierungspotential. Hier können öffentliche Hilfen (z.B. Messeförderung, Finanzierungshilfen im Außenhandel) unterstützend wirken. Insgesamt bedarf es eines angemessenen Betriebsgrößenwachstums, um sich auf ausländischen Märkten durchzusetzen. Wie umfangreich das Wachstum des jeweiligen Betriebes ausfallen muß, um erfolgreich im Auslaänd zu agieren, hängt von von den Gegebenheiten des Marktes und der Zielregion ab.(nach Markt und Zielregionen unterschiedlich) eines angemessenen Betriebsgrößenwachstums.

(5) „Der Euro gibt den KMU Chancen, eine Internationalisierung im europäischen Maßstab zu verwirklichen."

Für diese Auffassung sprechen die zunächst unbestreitbar positiven Effekte der Euro-Einführung: Die Kosten des Währungstauschs und der Kurssicherung entfallen, die europäischen Märkte werden transparenter und zugänglicher. Dies vereinfacht nicht nur den Handel in Europa, sondern wird auch sein Wachstum fördern. Die deutsche Wirtschaft kann die aus Rationalisierungs- und Innovationsanstrengungen resultierenden Wettbewerbsvorteile besser sichern, die in der Vergangenheit nur allzu oft durch die Aufwertung der DM eingeebnet wurden.

Darüber hinaus werden Standortvergleiche und damit auch die Möglichkeit, sich in anderen europäischen Ländern niederzulassen, einfacher. Auch die Effekte der zusammenwachsenden Finanzmärkte mit transparenteren Bedingungen und zinssenkenden Wettbewerbseffekten sind hiervernachlässigen. von großer Bedeutung.

Nur: Von den positiven Effekten werden weite KMU-Bereiche wenig profitieren. Wegen ihrer vorrangigen Orientierung an regionalen Binnenmärkten verschafft ihnen die Euro-Einführung kaum Vorteile. Tendenziell nehmen die Vorteile der Euro-Einführung mit der Unternehmensgröße zu.

Die Euro-Einführung ist bei Großunternehmen nicht nur deshalb positiv besetzt, weil die Einführungskosten einen degressiven Verlauf haben und deshalb bei großen Produktmengen zu einem vergleichsweise geringen Stückpreisaufschlag führen. Hinzu kommt, daß vor allem Großunternehmen wegen der grenzüberschreitenden Aktivitäten unter der Währungsvielfalt in Europa zu leiden hatten und nun besonders vom Euro profitieren werden.

Entsprechende Effekte lassen sich z.B. auch bei der Kreditwirtschaft beobachten. Hier eröffnen sich den Großbanken Chancen, ihre Geschäfte am Finanzplatz Europa noch mehr zu straffen und Geschäftsinteressen zu konzentrieren. So ist es ihnen leichter möglich, Wertpapierdepots zusammenzuführen, einheitlich zu verwalten und für die Durchsetzung ihrer Interessen zu nutzen. Dies sind Möglichkeiten, von denen die regional orientierten Sparkassen und Genossenschaftsbanken nur träumen können. Erringung voUm Chancengleichheit zu erringen, müssen diese ihre AktivitätenKonzentration bzw. Aktivitätsverlagerung auf zentrale Gemeinschafts-Institutionen verlagern.

Im Gegensatz zu den Großunternehmen schlagen bei den KMU die Umstellungskosten vergleichsweise stark zu Buche. Laut Schätzung des IfM in Bonn entfallen im Durchschnitt auf jedes deutsche Unternehmen 7.700 DM für die Umstellung von DM auf Euro. Für Handwerksunternehmen wird die durchschnittliche Belastung (nach Angaben der früheren Bundesregierung) durch den Umstellungsvorgang rund 30.000 DM betragen. Dabei deutet sich eine deutliche Ungleichverteilung zum Nachteil des Mittelstandes an: Kleine Unternehmen (bis zu 1 Million DM Jahresumsatz) müssen mit einer Kostenbelastung von 2 Prozent des Jahresumsatzes rechnen, während große (bis zum 100 Mio. DM Umsatz) mit nur 0,04 Prozent betroffen sind.

Mögliche Vorteile für den Mittelstand sind eher von gesamtwirtschaftlichen Effekten zu erwarten. So scheinen sich die Vorhersagen zu bestätigen, daß der Euro nicht so stark wie die DM werden und langfristig eher unter Abwertungsdruck stehen wird. Die Auswirkungen auf die Exporte (60 % der deutschen Ausfuhren gehen nicht in den Euro-Raum) und damit auf die gesamtwirtschaftliche Lage setzen sich positiv bis zum Mittelstand fort – zumindest so lange, wie kein chronisch schwacher Euro zu dauerhaft höheren Zinsen führt.

Fazit: Weite Bereiche der KMU werden kaum von den direkten, sondern vor allem von den positiven gesamtwirtschaftlichen bzw. handelsstiftenden Effekten (u.a. auch als Zulieferer für Großunternehmen) der Euro-Einführung profitieren; die einmal dafür zu entrichtenden Umstellungskosten sind hoch, aber zu verkraften.

(6) „Der deutsche Mittelstand ist Gewinner der europäischen Integration und der EU-Osterweiterung."

In der Tat eröffnet die gesamteuropäische Integration dem deutschen Mittelstand (z.B. dem Maschinen- und Anlagenbau) erhebliche Chancen. Erfahrungen zeigen, daß bereits in der Vergangenheit die offenen Grenzen in Westeuropa der exportorientierten deutschen Wirtschaft wesentliche Impulse für ihre Entfaltung gaben. Die stimulierenden Effekte wirkten sich nicht nur auf die größeren bzw. explizit exportorientierten Mittelständler aus, die Wachstumsimpulse waren für alle KMU von Bedeutung. Und es hat den Anschein, daß die negativen Effekte des Wettbewerbs mit Unternehmen aus anderen EU-Ländern in der Summe die positiven Effekte bei weitem nicht überwiegen.

Entsprechend optimistische Vorhersagen beziehen sich nun auch auf die anstehende EU-Osterweiterung. Hier tritt Deutschland wegen der räumlichen Nähe (ähnlich wie in Österreich) als Lieferant von Waren und Dienstleistungen hervor.

Bei den positiven Vorhersagen wird jedoch nicht nur vernachlässigt, daß die Westintegration in einer Epoche mit durchschnittlich höheren Raten des wirtschaftlichen Wachstums vorangetrieben wurde; restriktive Effekte konnten so von der allgemeinen Entwicklungsdynamik leichter kompensiert werden. Hinzu kommt der ungleich größere ökonomische Abstand zwischen Deutschland und den Beitrittskandidaten. Die Einkommensunterschiede schlagen sich in einem entsprechenden Lohnkostengefälle nieder. So verdient ein westdeutscher Industriearbeiter das Neunfache seines tschechischen Kollegen.

Das Faktorpreisgefälle läßt auch erwarten, daß die Beitrittsländer Arbeit „exportieren" und das Arbeitsangebot insbesondere in Deutschland erhöhen. Davon dürfte neben der Landwirtschaft als klassischer mittelständischer Bereich vor allem die Bauwirtschaft betroffen sein. Hier findet zwar schon heute eine Beschäftigung von Arbeitnehmern aus den Beitrittsländern statt. Da diese jedoch durch die Assoziierungsverträge mit der EU geregelt ist bzw. darüber hinausgehend in schattenwirtschaftliche Aktivitäten mündet, hat der Transfer von Arbeitskräften bislang enge Grenzen. Nach einem Beitritt wird man die rechtlichen Barrieren aber schrittweise senken müssen.

Die mittelständische Bauwirtschaft hat hier einen strukturellen Nachteil zu verkraften. Ihr dürfte es im Vergleich zu den Großunternehmen schwerer fallen, über Subunternehmer und andere Formen der Arbeitnehmerüberlassung das Lohnkostengefälle wettbewerbswirksam zu nutzen.

Von Bedeutung für den Mittelstand sind aber auch die arbeitsintensiven Bereiche der osteuropäischen Industriegüterproduktion, die ein verstärktes Interesse an den westeuropäischen Märkten haben dürften.

Es ist offen, ob deutsche KMU mehr von den Vor- oder mehr von den Nachteilen der Ostintegration betroffen sein werden. Auch wenn der deutsche Mittelstand bereits heute außerordentlich stark inm mittelosteuropäischen Ländern engagiert ist, darf nicht übersehen werden, daßss die Großunternehmen auf Grund ihres Einflusses bei den politischen Entscheidungsträgern über besonders große Durchsetzungsmöglichkeiten verfügen.

Fazit: Gerade bei der Osterweiterung sind die Chancen des Mittelstands als vergleichsweise gut einzuschätzen. Dies widerlegt jedoch nicht die Grundtendenz der europäischen Integration, die bereits für die Euro-Einführung zu verdeutlichen war: Es profitieren zunächst und wahrscheinlich auch in erster Linie die Großunternehmen. KMU ziehen vor allem aus mittelbaren Effekten wie z.B. positiven Wachstumsimpulsen ihren Nutzen.

Vor dem Hintergrund gerade auch der Nachteile der KMU im europäischen und internationalen Wettbewerb werden von Unternehmen und Verbandsvertretern häufig die Standortbedingungen in Deutschland kritisiert. Dies schlägt sich u.a. in der folgenden These nieder:

(7) Staatliche Regulierungen sind die Ursache dafür, daßss KMU ihre spezifischen Chanchen nicht hinreichend ausspielen können."

Mittelständische Unternehmen fühlen sich gerade durch den Umfang und die Dauer von Genehmigungsverfahren und durch die Kosten staatlicher Rechtsausübung blockiert. Gemeint ist damit, daß sich Inhalt und Umsetzung staatlicher Rahmensetzung nicht hinreichend den Bedürfnissen der Unternehmen anpassen tund daß wirtschaftsferne Argumente mehr als angemessen ökonomische Notwendigkeiten dominieren. Als Beleg für diese These hat die Deutsche Ausgleichsbank in Bonn „Bürokratiekosten" in Höhe von jährlich 5.000 DM pro Mitarbeiter in Kleinstunternehmen und 1.500 DM in Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten ermittelt. Das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn schätzt die jährliche Gesamtbelastung des Mittelstands für staatlich auferlegte administrative Zuarbeiten auf 56 Mrd. DM.

Letztlich läßt sich nur schwer klären, ob sich „Bürokratiekosten" hinreichend klar ermitteln lassen, wo die Grenze zwischen einem „normalen" bzw. unvermeidbaren Maß an Auflagen und dem „zuviel" zu ziehen ist und wie durch bessere Vorbereitung von unternehmerischen Entscheidungen administrative Verzögerungen vermieden werden können. Die Auseinandersetzungen über die Bedeutung staatlicher Regulierungen haben zu einer Debatte geführt, die sich teilweise weit von den wirklichen Problemen entfernt hat. Die Standortdiskussion der letzten Jahre hat neben notwendigen Bewußtseinsveränderungen und Reformansätzen auch ideologische Blüten getrieben, die nicht nur zu Ansehensverlust im Ausland, sondern auch zu einer partiellen Schieflage in der Selbstwahrnehmung führten.

Trotz aller Einwände: Die Regulierungsdichte in Deutschland ist im internationalen Vergleich zu hoch, die Verwaltungsverfahren sind zu lang und zu kostspielig, die Unternehmen übernehmen zu viele administrative Aufgaben für den Staat.

In der kritischen Durchsicht und Reform der Verwaltungsverfahren liegt erhebliches Potential für eine kurzfristige Verbesserung. Hier bedarf es strukturierterer Verfahrensabläufe, einer klareren Kommunikation mit den Unternehmen und mehr Transparenz für die Antragsteller (Stichworte: Vorberatung, Leitfäden für Unternehmen, Behördenlotsen, Sternverfahren bei Verfahrensabwicklung). Hier sind Veränderungen zumeist im heute vorgegebenen gesetzlichen Rahmen möglich.

In einem weitergehenden Schritt sind mittelfristig bestehende und zukünftige Gesetze sowie Verfahren hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Mittelstand zu überprüfen. Hier sind einerseits die klassischen Verursacher von Bürokratiekosten wie z.B. steuerliche, sozialversicherungsrechtliche und statistische Meldepflichten gemeint. Andererseits sind Auflagen und Genehmigungspflichten z.B. im Bau- und Umweltrecht zu straffen, Verfahrensvorschriften zu vereinfachen und aufeinander abzustimmen.

Fazit: Deutschland bedarf einer deutlich verringerten Regulierungsdichte. Es ist deshalb im Sinne einer „Mittelstandsklausel" zu prüfen, wie man die Interessen der KMU besser berücksichtigen kann. Hierbei darf es jedoch nicht zu einer generellen „Entregulierung" kommen, notwendig sind Mechanismen, die eine flexiblere und unternehmensnahe Umsetzung von staatlichen Auflagen sicherstellen.

Eng verbunden mit der Kritik an den staatlichen Regulierungen ist die Auseinandersetzung mit den steuerlichen Rahmenbedingungen.

(8) „Wir brauchen eine grundlegende Steuerreform, die zu einer deutlichen Entlastung des Mittelstands führt."

Hier ist eine für den Mittelstand zentrale Frage der aktuellen Diskussion angesprochen: Zwei Drittel der KMU sind Personengesellschaften, deren Eigentümer einkommensteuerpflichtig sind und bislang mit einem Grenzsteuersatz von bis zu 47 Prozent versteuert werden. Kapitalgesellschaften erfahren gegenwärtig eine einheitliche Belastung von 40 Prozent.

Die gegenwärtige Steuerreformdiskussion sieht eine deutliche Senkung der Steuersätze bei Schaffung einer Unternehmenssteuer für Kapital- und Personengesellschaften vor, nach der einbehaltene Gewinne mit nur noch 25 Prozent belastet werden. Ausschüttungen bzw. Entnahmen sollen zur Hälfte der individuellen Einkommensteuer unterliegen. Dieses Ergebnis kann nur vorübergehend gelten und bedarf noch einer Fortentwicklung, weil verschiedene Faktoren nicht hinreichend berücksichtigt sind: Nur

• etwa 13 Prozent der einkommensteuerpflichtigen Unternehmer erreichen mit ihrem Einkommen den Höchstsatz der Einkommensteuer, ziehen deshalb aus der Senkung der Höchstbelastung keinen Vorteil.

Die Unternehmen zahlen zusätzlich zur Einkommen- bzw. Unternehmenssteuer noch eine Gewerbesteuer von 12 Prozent, so daß sich die tatsächliche steuerliche Belastung auf mindestens 37 Prozent belaufen wird. Daher wird gefordert, daß

die Steuerpolitik nicht bei einer Verringerung der Steuerhöchstsätze stehen bleiben sollte. Mittelfristig sei eine Senkung über den gesamten Tarifverlauf erforderlich, damit der Mittelstand eine breite Wirkung verspürt.

Unter mittelstandspolitischen Gesichtspunkten sollten auch andere Neuentwicklungen des Steuerrechts überdacht werden. So wurde unlängst die Privilegierung des Verkaufs von Unternehmen durch Halbierung des Steuersatzes auf den Veräußerungsgewinn abgeschafft. Dies betrifft aber gerade auch die mittelständischen Betriebe, die im Rahmen einer Betriebsübergabe an eine neue Unternehmergeneration weiter veräußert werden. In den nächsten fünf Jahren steht in Deutschland bei 800.000 Unternehmen eine Betriebsveräußerung an Nachfolger an, weil der bisherige Eigentümer eine Altersgrenze erreicht hat. Die erhöhten Steuerbelastungen wirken sich jedoch negativ auf die Entwicklung und Umsetzung von Übergabekonzepten aus. Potentielle Nachfolger gibt es ausreichend. Der Engpaß liegt bei denjenigen Unternehmen, die sich dem Übergabeproblem nicht offen genug stellen und auf die falsche steuerliche Signale demotivierend wirken.

Ein anderes Problem stellt die erhöhte steuerliche Belastung von Veräußerungsgewinnen aus Anteilen an Kapitalgesellschaften dar. Hier greift neben dem Wegfall des halben Steuersatzes bei der Einkommensteuer die Absenkung der steuerfreien „wesentlichen Beteiligung" auf 10 Prozent (zukünftig 1 Prozent). Dies führt u.a. dazu, daß externe Kapitalgeber, Wagniskapitalgesellschaften oder Business Angels, Unternehmensgründungen nur sehr ungern beitreten, da erhöhte steuerliche Belastungen bei der späteren Weiterveräußerung der Anteile entstehen.

Im übrigen ist es nur bedingt sinnvoll, Steuersenkungen zur Unterstützung von Gründern und ganz jungen Unternehmen zu fordern, weil diese i.d.R. wenig Einkommen bzw. Verluste zu verarbeiten haben. Die geforderte Unterstützung kann der Staat hier besser durch vernünftige Förderkonzepte leisten.

Hier scheint eine Anmerkung zum Thema „Schattenwirtschaft"" angezeigt, denn nach geläufiger Meinung weichen KMU – denen, anders als Großunternehmen, die Verlagerung ihrer Steuerschuld ins Ausland nicht möglich ist – wegen hoher Steuerbelastungen in inoffizielle Aktivitäten aus. Gefordert werden Kontrollen und Sanktionen, um das Angebot im Schatten auszutrocknen. Dabei wird jedoch häufig die Nachfrageseite vernachlässigt. Deren Preisvorstellungen liegen i.d.R. weit unter den offiziellen Preisen, so daß der Mehrwertsteuer"abzug" nur als ein Schritt in die richtig erkannte Richtung angesehen wird. Vermehrte Strafen und Kontrollen führen hier nur bedingt zu einem nachhaltigen Zuwachs an offiziellen Aufträgen.

Fazit: Der deutsche Mittelstand braucht eine weitere Verringerung der Einkommensteuerlast, die auch die kleineren gewerblichen Einkünfte erreicht. Unter diesem Gesichtspunkt haben die gegenwärtigen Reformkonzepte den Charakter eines zielführenden Zwischenschritts.

Wie angedeutet, behält die öffentliche Wirtschaftsförderung auch bei steuerlichen Entlastungen ihre Bedeutung. Ungeachtet dessen wird die Wirtschaftsförderung häufig mit einer Kritik wie der folgenden konfrontiert.

(9) „Im Förderwirrwarr von mindestens zweihundert Programmen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene findet sich kein Unternehmen mehr zurecht."

Hinter dieser Aussage steht nicht nur der Vorwurf unzureichender Transparenz, sondern auch die Vermutung, daß staatliche Wirtschaftsförderung nicht nur die falschen Signale für KMU setzt (wie kann der Staat wissen, was der Markt braucht?), sondern auch noch das Geld verschwendet, das den Unternehmen entzogen wird.

Tatsächlich kann ein Unternehmen nur die Förderprogramme „seines" Bundeslandes in Anspruch nehmen, wodurch sich bei 16 Bundesländern das „Angebot" drastisch verringert. Die Hilfen des Bundes und die wenigen Finanzierungsmittel der EU ergänzen das Angebot an Fördermöglichkeiten. Insgesamt gibt es somit für platte Pauschalkritik keinen Grund; sie belegt eher die oft anzutreffende Unsachlichkeit der Diskussion über die Mittelstandsförderung.entweder Unkenntnis der Materie oder pure Meinungsmache.

Sachlich schließt sich hier der Kreis zu den eingangs beschriebenen Finanzierungs- und Managementproblemen mittelständischer Unternehmen. Die Praxis zeigt, daß viele Gründer, aber auch bereits etablierte Unternehmen bei Wachstumssprüngen, der Besetzung neuer Technologiefelder oder ausländischer Absatzfelder auf dem Markt nicht die notwendige finanzielle Unterstützung finden. Häufig ermöglichen dann nur öffentliche Kredite und Bürgschaften die Umsetzung des Vorhabens. Hier offenbart sich ein Feld des „Marktversagens". Dies ist als Auftrag für staatliches Handeln zu verstehen .

Freilich hat die oft zu pauschal geführte Kritik auch ihre tiefere Ursache darin, daß Unternehmen nicht zu der geeigneten Hilfe finden. Deshalb ist unter dem Stichwort „Transparenz und Konsistenz der Mittelstandsförderung" in Deutschland bereits seit mehreren Jahren ein Diskussionsprozeß im Gange, der im Sinne der KMU Früchte trägt. Ein Beispiel gibt die bislang in Deutschland einmalige Zusammenarbeit zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Bund, bei der die Gründungs- und Wachstumsförderung der beiden Partner zu einem einzigen Förderkonzept zusammengeführt wurde. Hier finden die Unternehmen in einem einzigen Antragsverfahren die Unterstützung durch den jeweiligen Partner.

Wenig sinnvoll ist es freilich, wenn sich die EU mit eigenen Förderansätzen unmittelbar an die KMU wendet. Es ist wenig mittelstandsfreundlich, wenn ein deutsches KMU z.B. mittels Dokumenten in englischer Sprache über einen Unternehmensberater in Belgien Geld aus Brüssel beantragt. Die Schwerpunktsetzung der EU auf die Unterstützung des Mittelstands ist sinnvoll, sollte sich jedoch auf die Kofinanzierung spezifischer Programme in den Mitgliedsländern beschränken.

Fazit: Die öffentlichen Hilfen sind noch stärker auf ihren Sinn und ihre Effizienz hin zu überprüfen, und die Förderhilfen des Bundes und der Länder sind aufeinander abzustimmen. Es ist jedoch wenig hilfreich, die Mittelstandsförderung pauschal anzugreifen, so lange erfolgversprechende Unternehmenskonzepte auf dem Markt nicht die gebotene finanzielle Unterstützung finden.

Das Marktversagen und der daraus resultierende Auftrag zur staatlichen Förderung sind Eckpunkte für die Fortschreibung der Mittelstandspolitik. Hinzu kommt die Notwendigkeit, den KMU durch kritische Durchforstung der Regulierungen und durch eine wirksame Steuerverringerung Luft zu verschaffen". Nicht zuletzt daraus ergibt sich die Notwendigkeit, mittelständischen Unternehmen ein Wachstum in die für sie geeignete Betriebsgröße hinein zu erleichtern. Dies alles erfordert

einen Wandel, der sich mit der abschließenden These umschreiben läßt:

(10) Wir brauchen eine „Neue Mittelstandsorientierung"

Bislang hat die Mittelstandspolitik vor allem eine betriebsgrößenspezifische Perspektive. Im Zentrum steht die große Anzahl der Selbständigen, die sich an bestehenden Märkten orientieren und z.T. auch in diesen expandieren. Klassische staatliche Instrumente sind z.B. Beratungs- und Investitionshilfen, Messeförderung etc. Diese Maßnahmen helfen zwar im Wettbewerb gegen die „Großen", führen jedoch langfristig nur bedingt zum Aufbau gleichgewichtiger Marktpositionen. Wettbewerbsfähigkeit wird heute von der Reaktionsgeschwindigkeit bestimmt, diese ist bei den KMU häufig zu gering. Mittelstandspolitik muß sich deshalb von der Zielsetzung des Nachteilsausgleichs „klein gegen groß" lösen und darauf abzielen, daß KMU die Chance erhalten, in eine wettbewerbsstärkere Betriebsgröße hineinzuwachsen.

Das bedeutet nicht „Wachstum um jeden Preis" – zu große Unternehmen haben häufig ebenfalls ihre spezifischen Inflexibilitäten.

Dies beinhaltet ebenfalls nicht, Abschied von den klassischen „Selbständigenunternehmen" zu nehmen – diese werden auch in Zukunft zentrale Bedeutung für die deutsche Wirtschaft haben. Sie sichern eine stabile „Grundlast" bei der Wertschöpfung, bei der Beschäftigung, bei der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen.

Aber selbst unter diesen eher statischen Unternehmen befinden sich viele mit erheblichen Wachstumspotentialen, die noch nicht die Anreize für eine mögliche und sinnvolle Expansion erhalten haben. Häufig fehlt es an ausreichenden Finanzierungsmöglichkeiten, mit denen sich eine dynamischere Entwicklung realisieren ließe.

Noch stärker wirken sich die Engpässe bei jungen innovativen bzw. wachstumsorientierten Unternehmen aus, die z.B. aus Branchen innovativer Dienstleistungen und neuer Technologien kommen. Diese Unternehmen haben einen oft schnell wachsenden Finanzierungs- und Kapitalbedarf, der im klassischen Bankengeschäft nicht aufgenommen wird. Wegen der neuartigen Erzeugnisse sind häufig weder die Renditeerwartungen kalkulierbar, noch wird ein Betriebsvermögen aufgebaut, das der Kreditlogik der Banken entsprichtläßt. Ein schnell expandierender Softwareanbieter in gemieteten Räumen und mit begrenztem Sachkapitalbestand eignet sich nur bedingt für die klassische Kreditfinanzierung.

Gerade für diese Unternehmen sind Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen sie die Ressourcen für einen angemessenen Expansionsprozeß finden.

Zentraler Ansatzpunkt einer neuen Perspektive ist die Steuerpolitik. Auch wenn die öffentlichen Haushalte kurzfristig keinen Spielraum für eine nachhaltige Entlastung haben, sollte man mittelfristig die Tarifreform im Auge behalten, um den Mittelstand in seiner ganzen Breite zu unterstützen.

Das Klima für junge KMU hat sich in Deutschland in den letzten Jahren deutlich verbessert. Unter anderem entwickelt sich endlich eine Kultur der Business Angels, die neben persönlichem Rat auch Kapital in junge Firmen einbringen. Eine solche Entwicklung wird aber gerade dann behindert, wenn es dabei bleibt, daß die Gewinne aus dem Verkauf der Anteile der nun lebensfähig gewordenen Betriebe nahezu vollständig zu versteuern sind.

Gerade der letztgenannte Aspekt macht deutlich, daß Mittelstandspolitik vorurteilsfrei gestaltet werden muß. Spekulative Handlungsmotive sind Teil der Marktwirtschaft. Es hat deshalb wenig Sinn, positive Erwartungen in die Wertsteigerung von Unternehmen „bestrafen" zu wollen, wenn damit deren Gründung erschwert oder verhindert wird.

Business Angels sind ebenso wie „Wagniskapitalgesellschaften" Stichworte, die wegweisende Bedeutung für die Mittelstandspolitik haben. Noch nehmen in Deutschland zu wenig Unternehmen Wagniskapital von den einschlägigen Anbietern in Anspruch. Zum Teil mangelt es an der notwendigen Transparenz über das Angebot, zum Teil aber auch an der Bereitschaft der zu finanzierenden Unternehmen, sich zum Zweck der Kapitalbeteiligung zu öffnen; externe Kapitalgeber möchten i.d.R. ein Mindestmaß an Einfluß auf die Geschäftspolitik nehmen.

Die Entwicklung einer den angelsächsischen Ländern vergleichbaren Wagniskapitalkultur läßt sich jedoch nicht verordnen, sie kann nur durch mehr Transparenz und den gebotenen Bewußtseinswandel angestoßen werden. Hier gibt z.B. das Land Nordrhein-Westfalen mit der Agentur „win – Wagniskapital für Innovationen GmbH" und anderen Initiativen im Rahmen der Gründungs-Offensive „GO!" Beispiele für neue Wege.

„Mehr Wagniskapital" ist aber nicht die Lösung aller Probleme des Mittelstands. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Masse der Unternehmen keine Kunden für diese Finanzierungsform darstellt. Bei diesen Unternehmen werden öffentliche Förderprogramme auf Dauer zentrale Bedeutung behalten.

Fazit: Deshalb ist es (nicht nur) aus Sicht der KMU falsch, generell „weniger Staat" zu proklamieren. Notwendig ist vielmehr, in der öffentlichen Diskussion ständig die rationale Begründung mittelstandspolitischer Maßnahmen einzufordern, Hilfen kontinuierlich und in sich schlüssig fortzuentwickeln, dem Mittelstand mehr Wachstumschancen verschaffen – und sich gegebenenfalls von überkommenen Vorstellungen zu lösen.


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