FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:


Page Top

[Essentials]

  • Seit 1993 sprach man vom „East Asian Miracle". Mitte 1997 kam paradoxerweise der große Umschwung, den scheinbar alle vorausgesehen hatten. Der Fortschrittsoptimismus ist einem lähmenden Realitätspessimismus gewichen sowie einem spürbaren gesellschaftlichen Vertrauensverlust in die Administration und Regierungsfähigkeit einiger Krisenländer.

  • Die Behauptung, in Südostasien sei jahrelang grobe Mißwirtschaft betrieben worden, trifft jedoch nicht zu. Die Entwicklungsleistungen seit Mitte der achtziger Jahre zeigen, daß die Mehrzahl der Länder die Wertschöpfungskapazitäten ihrer Volkswirtschaften mehr als verdoppelt haben, selbst dann, wenn ein Teil durch die Krisenfolgen wieder zunichte gemacht wurde.

  • Asien wurde Opfer seines eigenen Erfolges. Die historisch unvergleichliche Dynamik und die industriellen Überkapazitäten in der Großregion sowie der Mangel an entwicklungspolitisch sinnvollen Investitionsalternativen und der ungebrochene Zufluß günstigen Kreditkapitals haben zur umfassenden Wirtschaftskrise geführt. Die Ursachen liegen sowohl auf nationaler Ebene als auch bei den industriellen Verflechtungstendenzen, deren potentielle Implikationen unbeachtet blieben, und schließlich noch bei der globalen Dimension mit ihren weltweiten Finanzmärkten und -verstrickungen.

  • Die Leistungsfähigkeit der südasiatischen Entwicklungsordnung ist beeinträchtigt, aber nicht endgültig „kollabiert". Doch die notwendigen "Reparatur- und Sanierungsphasen" werden sich über die Jahrhundertwende hinaus hinziehen. Die „Heilung" der südostasiatischen Märkte wird zum großen Teil von der Absorptionsfähigkeit der amerikanischen und westeuropäischen Märkte abhängen, was jedoch nicht gleichzusetzen ist mit der Übernahme des sogenannten „american model" an Stelle des „asian model".

  • Die gravierende Importschwäche der südostasiatischen Länder stellt ein großes Hindernis dar, das einer baldigen Genesung ihrer Volkswirtschaften entgegensteht. Ebenso der Zwang zum anhaltenden Hochwachstum. Unabdingbar ist die baldige Einleitung einer klaren volkswirtschaftlichen Trendwende in den einzelnen Ländern, sonst wächst das Risiko eines langfristigen Entwicklungsrückfalls.

  • Die anhaltende Stagnation der japanischen Wirtschaft ist ein gesamtregionales Problem, auf das nur wenige Beobachter gebührend eingehen. Als drittgrößter Bestimmungsmarkt für Südostasien hat Japan seine „Verantwortung" ab Mitte 1995 nicht mehr wahrgenommen. Das unzureichende „Krisenbewältigungsprofil" Japans ist Resultat einer schweren internationalen Kaufkraftschwäche ganz Südostasiens, die in großen Teilen der Region dem Stand von vor zehn Jahren entspricht.

Page Top

[Überblick]

Vor nunmehr gut dreißig Jahren hat der große schwedische Nationalökonom Gunnar Myrdal sein in der Entwicklungsforschung bahnbrechendes opus magnum "Asian Drama" veröffentlicht und ihm in Anspielung auf Adam Smith den Untertitel "An Inquiry into the Poverty of Nations" hinzugefügt. Myrdal kam zu der deprimierenden Schlußfolgerung, das nachhaltige Entwicklungsversagen in den meisten süd- und südostasiatischen Ländern sei im wesentlichen auf unzulängliche und fehlgeleitete Planung und Organisation der nationalen Entwicklungsprozesse zurückzuführen - ein Erklärungsmuster, das seit Mitte 1997 nach langen Jahren des "Dornröschenschlafes" wieder an Prominenz gewonnen zu haben scheint. Zur Erläuterung seiner Grundthese führte Myrdal den später zum Gemeinplatz gewordenen Begriff soft state ein. Dieser "weiche Staat" stelle seinerseits nichts anderes dar als die negative Erblast entwicklungshemmender politisch-gesellschaftlicher Kulturtraditionen in der asiatischen Großregion, deren Status auch von vielen Asiaten - insbesondere in Japan - noch zu Ende der sechziger Jahre als "weltwirtschaftliches Brackwassergebiet" eingestuft wurde.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2000

TOC Next Page