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TEILDOKUMENT:
[Essentials]
[Überblick] Die japanische Wirtschaft hat drei schwere Probleme. In der Reihenfolge ihrer Dringlichkeit sind dies erstens ein makroökonomische Problem: die unzureichende Entwicklung der Nachfrage, insbesondere des privaten Verbrauchs; zweitens ein Sektorproblem mit gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen: die Krise des Finanzsektors; und drittens ein Strukturproblem: Verzerrungen und Rigiditäten, die auf exzessive staatliche Regulierungen oder private Praktiken der Unternehmensführung zurückgehen. Den drei Problemen entsprechen drei Lösungsansätze: erstens makroökonomisches Krisenmanagement (eine expansive Geld und/oder Fiskalpolitik); zweitens die Reform und Reregulierung des Finanzsektors; und drittens wirtschaftliche Strukturreformen, Re- und Deregulierung sowie (von den privaten Unternehmen zu leistende) Veränderungen in der Managementpraxis. Die japanische Regierung operiert an allen drei Fronten mit im Prinzip" richtigen Ansätzen, gleichwohl wird international die Inkonsistenz der japanischen Wirtschaftspolitik gerügt. Diese Inkonsistenz (der allerdings auch die ausländischen Kritiker oft genug unterliegen) ergibt sich aus der unangemessenen Bewertung der Dringlichkeit der Probleme und daher einer unangemessenen Reihenfolge der wirtschaftspolitischen Schritte. Wenn man etwa in den strukturellen Verzerrungen und Rigiditäten der japanischen Wirtschaft das vordringlich zu lösende Problem der Krise sieht, wäre es sinnvoll, Regulierungen abzubauen, die privaten Restrukturierungsbemühungen der Unternehmen abzuwarten und darüber hinaus auf wirtschaftspolitische Eingriffe zu verzichten bzw. eine orthodoxe Geld- und Fiskalpolitik zu realisieren, um die erwünschten kathartischen Wirkungen der Krise nicht zu unterlaufen. Langfristig würden die großen Unternehmen Überkapazitäten abbauen und sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, womit neue Unternehmen neue und profitable Geschäftsfelder erschließen und neue Produkte und Dienstleistungen anbieten könnten. Die hiermit einher gehende Arbeitslosigkeit und generelle Unsicherheit würde die Nachfrage der privaten Haushalte und die Erweiterungsinvestitionen der Unternehmen kurzfristig weiter schrumpfen lassen, mit der Folge weiterer Wachstumsverluste. Niedriges oder negatives Wachstum würde auch den Finanzsektor belasten, da die Einstufung von Kreditrisiken - die Einstufung eines Kredits als faul" oder gesund" - natürlich auch von den Wachstumsperspektiven des Kreditnehmers abhängt. Wenn man dagegen das vordringlich zu lösende Problem der japanischen Krise im Finanzsektor sieht, müssten auf der einen Seite bestehende informelle Regulierungen, die auf eine staatliche Deckung privater Kreditrisiken hinauslaufen, abgebaut und gleichzeitig neue Standards, die Risiken in der Kreditvergabe sichtbar machen bzw. deren Kosten den privaten Banken auferlegen, eingeführt werden. Ergebnis wäre ein Abbau von Überkapazitäten im Banksektor und eine Neubewertung der Kreditrisiken - mit negativen Folgen für viele nicht-finanzielle Unternehmen, insbesondere für die kreditabhängigen kleinen und mittleren Unternehmen. Wenn man schließlich in der unzureichenden Nachfrageentwicklung das dringlichste Problem Japans sieht und die Nachfrage durch eine expansive Geld- und Fiskalpolitik anzukurbeln versucht, nimmt man in Kauf, daß sich die Lösung der strukturellen Probleme des Banksektors wie der Gesamtwirtschaft verzögert; man schafft eine künstliche" Umwelt, in der wirtschaftliche Aktivitäten überdauern können, die der freie Markt bereinigen" würde. Die Wahl, vor der die wirtschaftspolitischen Akteure in Japan stehen, ist eine Wahl zwischen einem kurz- und einem langfristigen Lösungsansatz. Langfristig, so läßt sich zumindest behaupten, wird der Markt" - den Abbau staatlicher Interventionen vorausgesetzt - schon dafür sorgen, daß Überkapazitäten abgebaut, strukturelle Verzerrungen korrigiert und Rigiditäten aufgelöst werden. Allerdings: Langfristig sind wir alle tot". Die Kosten, die mit dem Warten auf die heilsame Wirkung der Marktgesetze verbunden wären, wären so hoch, daß sie nicht akzeptiert werden können. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2000 |