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Wettbewerbsfähiger Standort: „Eine Obsession"?

Die Krugman-These: Nicht Volkswirtschaften konkurrieren, sondern Unternehmen

Paul Krugman ist einer der innovativsten und renommiertesten US-Ökonomen. Er gehört zu jenen, die in den letzten Jahren in verschiedenen Unterdisziplinen der Volkswirtschaftslehre Orthodoxien mit Erfolg in Frage gestellt und damit den Weg zu einem besseren Verständnis ökonomischer Zusammenhänge geebnet haben. Wenn jemand dieses Kalibers sich zum Thema Wettbewerbsfähigkeit zu Wort meldet, ist dies also zunächst einmal ernst zu nehmen.

In einem Artikel für die angesehene US-Zeitschrift „Foreign Affairs", der u.a. in der „Zeit" nachgedruckt wurde, kritisiert Krugman die „Obsession Wettbewerbsfähigkeit". Sein Argument: Nicht Volkswirtschaften konkurrieren, sondern Unternehmen; daher ist die Kategorie „Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften" unsinnig. Und Unternehmen konkurrieren überwiegend auf nationalen Märkten, so daß auch für sie internationale Wettbewerbsfähigkeit kein besonders vordringliches Problem ist. „Es ist einfach nicht der Fall, daß die führenden Nationen der Welt in einem nennenswerten Umfang wirtschaftlich miteinander konkurrieren oder daß irgendwelche ihrer bedeutenderen wirtschaftlichen Probleme unzureichender Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt zugeschrieben werden könnte."

Dieses Argument ist, zugespitzt wie es ist, falsch. Aber es ist nicht absurd, denn es gibt z.B. nicht eine einzige Volkswirtschaft, die durchgehend - d.h. in allen wirtschaftlichen Teilbereichen - eine Spitzenproduktivität aufweisen kann; und auch der Hinweis auf die begrenzte quantitative Bedeutung der international gehandelten im Vergleich zu den insgesamt produzierten Gütern ist korrekt.

Vier Gegenargumente

Gleichwohl sind Krugman vier Argumente entgegenzuhalten:

  1. Hohe Exportanteile

    Selbst in Ländern, die insgesamt eine geringe Exportquote haben, gibt es einzelne Branchen, deren Exportanteil sehr hoch liegt; und in Exportländern wie Deutschland existieren Branchen (z.B. der Maschinenbau), die mehr als 50% ihrer Produktion exportieren.

  2. Welthandel nimmt an Bedeutung zu

    Der Welthandel wird - nach dem Abschluß der Uruguay-Runde - auch in Zukunft schneller wachsen als die Weltproduktion. Die relative Bedeutung des „Weltmarkts" wird daher zunehmen - auch für kontinentale Volkswirtschaften wie jene der USA.

  3. Standorte konkurrieren um Investitionen

    Mit dem Abbau von Handelshemmnissen haben die Unternehmen größere Spielräume bei Entscheidungen darüber, wo sie neue Fabriken ansiedeln. Die Attraktivität einer Volkswirtschaft für Investitionen ist daher ein zentrales Moment, das über das Beschäftigungsniveau und damit den Wohlstand entscheidet.

  4. Standortfaktoren machen Unternehmen leistungsfähig

    Volkswirtschaften unterscheiden sich sehr stark in ihrer Fähigkeit, das Unternehmensumfeld - den Mesoraum - zu strukturieren. Zwar konkurrieren auf Gütermärkten Unternehmen, doch diese Unternehmen sind keine isolierten Einheiten, sondern mehr oder weniger stark in Netzwerke eingewoben. Die Leistungsfähigkeit dieser Netzwerke hat einen großen Einfluß auf die Leistungsfähigkeit der Unternehmen. In einer Volkswirtschaft, die den Mesoraum besonders gut strukturiert, werden sich daher besonders viele leistungsfähige Unternehmen finden lassen. Der Wettbewerb um den leistungsfähigsten Mesoraum ist der Kern des Wettbewerbs zwischen Volkswirtschaften, und „Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft" ist das Synonym für „Leistungsfähigkeit des Unternehmensumfelds eines Nationalstaats".


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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