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Industriepolitik in Deutschland und Japan: Ein Vergleich

Ob die gezielte Förderung bestimmter Wirtschaftszweige, Produktentwicklungen und Produktionsverfahren ein sinnvoller Weg zur Stärkung des Standort D ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Aber unabhängig von den grundsätzlichen Pro- und Contra-Argumenten leidet die real existierende deutsche Industriepolitik (ob sie mit diesem Namen belegt wird oder nicht) unter eindeutigen Schwächen.

Strukturerhaltung vs. Strukturbereinigung

Dort, wo der deutsche Staat am eindeutigsten diskriminierenden Einfluß auf die Entwicklung der nationalen Wirtschaftsstruktur nimmt, da tut er es mit strukturerhaltender Zielsetzung. Branchen werden massiv unterstützt, die ihre Bestandsgröße am Markt nicht mehr halten können, deren Niedergang aber aus sozialpolitischen, regionalpolitischen oder schlichtweg politischen Gründen nicht hingenommen werden soll. Diese in den Industriesektoren Stahl, Kohlebergbau, Textil und Schiffsbau am deutlichsten zu beobachtende Praxis kommt weitgehend auf den Druck der betroffenen Produzenten (Unternehmer und Arbeitnehmer) hin zustande. Teil des Syndroms ist dabei natürlich die Schwäche der Politik, diesem Druck standzuhalten.

Im Gegensatz dazu dominiert in Japan bei der Unterstützung von „sun-set-Industrien" der Ansatz des kontrollierten, aber dennoch zielstrebigen Kapazitätsabbaus. Er bereinigt dadurch soziale und politische Problempotentiale, ohne dauerhaft Ressourcen zu binden.

„National Champions" vs. Wettbewerb

Die massivste Förderung sogenannter Zukunftsindustrien kam in Deutschland bzw. in EU-Programmen mit maßgeblicher deutscher Beteiligung bislang Großprojekten zugute, deren Ausführung in der Hand von Firmenkonsortien ohne inländische Konkurrenz, sog. „National Champions", lag (Paradebeispiel Airbus).

In Japan forciert der Staat, unbeschadet seiner Unterstützung für begrenzte firmenübergreifende Kooperationen, den Wettbewerb unter den Hochtechnologie-Unternehmen .

Einzelprogramme vs. Synergien

Die deutsche Industrieförderung tendiert zu voneinander völlig losgelösten Einzelprogrammen, die jeweils nach eigenen Kriterien „abgewickelt" werden. Querverbindungen bleiben dabei außerhalb des Blickfeldes. Z.B. vernachlässigten technologieorientierte Existenzgründerprogramme die Beziehungen der Neugründer zu bestehenden Großunternehmen. Programme, die auf letztere zugeschnitten waren, liefen völlig unabhängig von den Existenzgründerprogrammen.

Technologie pur vs. Marktfähigkeit

Das BMFT betrieb in der Vergangenheit die Entwicklung ausgesuchter technologischer Innovationen weitgehend losgelöst von deren Umsetzung in marktfähige Produkte.

Das japanische MITI hingegen legte das Schwergewicht auf die schnelle und möglichst breite Diffusion von Grundlagen-Innovationen. Nicht zuletzt unterwarf es damit die Unternehmen bereits in den ersten Phasen des Produktzyklus einem sehr starken Leistungsdruck in bezug auf Kosten und marktgerechte Ausnutzung ihres innovativen Potentials.

Kurskorrekturen

Zukunftsorientierte Projekte werden in Deutschland, wenn sie einmal angelaufen sind, kaum noch abgebrochen - auch dann nicht, wenn sich die Prämissen der ursprünglichen Entscheidung längst als irrig herausgestellt haben. Dies liegt unter anderem daran, daß für das Handeln der ausführenden Organisationen politische und nicht kommerzielle Erfolgs- und Mißerfolgsindikatoren institutionalisiert sind.

Die japanische Industriepolitik scheint, was die Hochtechnologie betrifft, von dem Ziel des Markterfolges beseelt zu sein. Alles andere hat nur instrumentellen Charakter. Diese Zielorientierung befähigte Japan bislang immer wieder zu bemerkenswert schnellen industriepolitischen Kurskorrekturen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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