FES | ||
|
|
TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: 25]
4. Entwurf, Entwicklung und Anwendung von "Produkten der Zukunft" auf dem Gebiet der IuK-Techniken
4.1. Umweltverträglichkeit der Computerhardware
Die Debatte über eine umweltschutzorientierte Bessergestaltung von iuk-technischer Hardware beschränkt sich bislang fast ausschließlich auf den PC-Bereich. Die Prinzipien für diese Umgestaltung weisen über die Produktklasse PC hinaus und sind in der Hardwareentwicklung und -produktion insgesamt von Bedeutung. Der PC ist jedoch nur ein Teil der eingesetzten Hardware. Insbesondere die nach wie vor bestehenden Großrechnersysteme sowie die anderen Großsysteme im betrieblichen Bereich, die auf der Grundlage von Netzwerkentwicklungen Hunderte, Tausende oder in Einzelfällen Zehntausende von Rechnern (PC, Work Stations und auch Mainframer) verbinden und umfassen, werden damit nicht oder nicht adäquat erfaßt. In der Zukunft werden aber gerade diese komplexen, netzförmig organisierten Systeme die Entwicklung auf dem Gebiet der IuK-Techniken bestimmen. Gerade im Zuge der weiteren Vernetzung, des Ausbaus der Telekommunikationsnetze, des Internet, des Aufbaus unternehmensinterner Netze (Intranets) oder auch der LANs (local area networks) tauchen weitere mit der Hardware verbundene Umweltprobleme auf. Dazu zählen z.B. die klimatisierten Betriebsräume in Rechenzentren, die Lichtwellenleiter (Glasfaser), die speziellen Einrichtungen der Satellitenkommunikation, des Mobilfunks u.a. Sie sind mit den für den PC-Bereich entwickelten Alternativen (Green PC) nicht erfaßt oder nur zum kleineren Teil erfaßbar. Soweit die Prozessor- und Speichertechnik (Chiptechnologie), die Gehäuse- und Montagetechnik betroffen sind, sind natürlich die Erkenntnisse über Recyclierbarkeit, Trennbarkeit, Demontierbarkeit, Nichtbrennbarkeit, Verzicht auf umweltschädliche Chemikalien wie Brandhemmer und PVC übertragbar bzw. waren z.T. vor den PC-bezogenen Erkenntnissen bereits vorhanden. Auch bei Großrechnern gibt es seit langem, selbst wenn die Stückzahlen bei weitem nicht so groß sind, Entsorgungsprobleme, spielen Fragen der Wiederverwertung von metallischen Substanzen usw. eine Rolle. Ob eine Maxime der möglichst weitgehenden Recyclierbarkeit zweckmäßig ist, ist im übrigen in der gegenwärtigen Diskussion wieder in Frage gestellt worden. Die Debatte über den Öko-PC, abgesehen davon, daß sie häufig nicht praktikable Verhaltens-regeln aufstellt (s. 3.1.) krankt daran, daß sie im Gegensatz zur tatsächlichen Entwicklung, in der das Schwergewicht nach wie vor bei den Betrieben und ihren Beschaffungsent- [Seite der Druckausg.: 26] scheidungen liegt, das Konsumentenverhalten als korrigierende Größe erschließen will (was nicht falsch, aber unzureichend ist). Die bisherige Diskussion über den "Green PC" hat, trotz ihrer Nischenhaftigkeit, spüren lassen, daß durchaus auch der individuelle Anwender für die Umweltaspekte seiner Hardware sensibilisierbar ist. Eine umfassendere Lösung kann aber wohl nur darin bestehen, daß die verdienstvolle Debatte über den Öko-PC aus ihrer Nische herausgeholt wird. Die darin entwickelten Produktions- und Anwendungskonstanten (die Verringerung des Energieverbrauchs z.B. für den aktiven Betrieb und den Stand-by-Betrieb des PC) müssen allgemeiner diskutiert und gefaßt werden. Ein Instrument dazu könnte eine ständige Umweltkonferenz von Vertretern der Hardware-Produzenten - einige sitzen ja durchaus markterfolgreich in Deutschland - mit Vertretern der Umweltverbände, der Wissenschaft, auch der Verbraucherorganisationen sein mit dem Ziel, anhand der neueren technischen Entwicklung jeweils die umweltrelevanten Aspekte zu ergründen und gegebenenfalls auch Forschungsaufträge zu vergeben sowie Empfehlungen an Hersteller und Vertreiber auszusprechen. Die gewichtigen Entwicklungen im Zusammenhang mit der "Großtechnologie", IuK-Technik z.B. im Zusammenhang mit der Telekommunikationsentwicklung, sind wohl nur durch industriepolitische Ansätze lösbar und das unter Einbeziehung des Staates, der selbst bei weitestgehender Privatisierung wichtige Sicherungs-, Normierungs- und auch gewisse Ausgestaltungskompetenzen immer noch wahrnehmen muß. Vor Illusionen bei der Ökologisierung der Hardware-Produktion und auch des Betriebs der entsprechenden Hardware-Einrichtungen muß jedoch gewarnt werden. Noch weniger als beim Verkehrswegebau - insbesondere beim Autobahnbau - ist von einer "Wende" oder gar einem "Ausstieg" weit und breit etwas zu sehen. Die Bevölkerung auch nur ansatzweise für die Fragen der Hardware-Ökologie so zu sensibilisieren wie beim Verkehrswegebau, erscheint kaum möglich - Fragen des "Elektrosmogs" z.B. stoßen auf ein um Größenordnungen geringeres Interesse als die des klimatisch bedingten "Smogs". Die konkrete Entwicklung von "Hardware-Produkten der Zukunft" stößt aber insbesondere auf die Grenze der vom Markt und dem Wettbewerb geforderten Steigerungen bei Leistungsparametern und der entsprechenden Kostensenkungen. Die Attraktivität der in kurzen Abständen erfolgenden Verbesserungen des Preis-Leistungs-Verhältnisses, die auf den oben skizzierten technischen Produktionsbedingungen und ihren Ergebnissen beruhen, darf nicht übersehen werden. Realistisch ist daher neben der Verwirklichung produktimmanenter umweltgünstiger Konstruktionsprinzipien die Verbesserung der Dokumentation über umweltrelevante Fragen im Zusammenhang mit Beschaffung, Betrieb und Entsorgung von Rechnersystemen. Warum sollte die Betriebssoftware von Rechnersystemen nicht auch ausführliche Informationen für die ganze Palette von ökologisch relevanten Vorfällen mit entsprechenden Handlungsempfehlungen beinhalten, also z.B. für den Betrieb des Rechners im Hinblick auf Energieverbrauchsminderungen (bei Netz-, Batterie- [Seite der Druckausg.: 27] und Stand-by-Betrieb), für die Erweiterung im Hinblick auf ökologisch günstigere Produkte? Warum sollte eine auf den privaten Haushalt bezogene Abwandlung des betrieblichen Umweltinformationssystems - wenn es das eines Tages im vollen Anspruch des Begriffs gibt - nicht die Hausfrau oder den Hausmann bei dem am wenigsten umweltbelastenden Gebrauch von Haushaltsgeräten, von Energie, von Reinigungsmitteln usw. unterstützen? Damit sind wir aber bei dem Bereich der iuk-technischen Entwicklung, der wohl das größte und nachhaltigste Potential für eine umweltgünstigere Nutzung dieser Techniken beinhaltet, nämlich der Software.
4.2. Software für Umweltschutz, -planung, -forschung
Wesentliche Beiträge zur Entwicklung und Anwendung der IuK-Techniken zur umwelt-orientierten Bessergestaltung vor allem der modernen Produktion können im Rahmen der Softwareentwicklung erbracht werden. Bei der Softwareentwicklung sind entsprechend der jeweiligen Umweltproblematik im jeweiligen Anwendungsbereich die relevanten Daten und Informationen, sowie ihre Verarbeitung, Speicherung und Ausgabe (u.a. Visualisierung ) analytisch zu erfassen und in entsprechende Programmstrukturen und -module umzusetzen. Angesichts der weitgehenden Unüberschaubarkeit des Softwareangebots und der Schwierigkeiten, beliebigen Softwareprodukten ökologische Effekte hinreichend genau zuzuordnen, ist derzeit eine Festlegung von Kriterien für die Ökologisierung der Softwareprodukte in ihrer Gesamtheit kaum möglich. Die Entwicklung einer allgemeinen "Software-Ökologie" - analog zur "Software-Ergonomie" - erscheint derzeit nicht oder nur in sehr ferner Zukunft etwa auf der Grundlage eines erst noch zu gewinnenden Erfahrungswissens möglich. Sie wäre dann ein Zweig der Technologiefolgenabschätzung. Angesichts des Umfangs betrieblicher Investitionen in Software-Produkte ist jedoch selbst die nur grobe Klassifizierung von allgemeinen Software-Produkten nach ökologischen Kriterien auf längere Sicht durchaus bedeutungsvoll. Logisch übergeordnete Grundkategorie kann der jeweilige Entropie-Zuwachs sein: Je geringer dieser ist, um so ökologisch besser ist das System. Das Potential der Softwareentwicklung für Verbesserungen des Umweltschutzes, der -forschung, -planung, -politik, für eine Ökologisierung der modernen Produktion insgesamt liegt aber eher in der systematischen Orientierung, dem Entwurf, der Entwicklung, Produktion und Anwendung von Softwaresystemen zur gezielten Lösung von Umweltproblemen. Schlüsselbedeutung kommt hier inzwischen der Umweltinformatik zu. Sie gibt insbesondere Mittel an die Hand, um die Produktion selbst in ihren verschiedenen Phasen im Sinne dieser Zielsetzung zu erfassen. Dabei erlaubt sie, nicht nur auf die Konsumgüterproduktion, die heute in der ökologischen Diskussion im Vordergrund steht, einzuwirken, sondern ebenso auf die Investitionsgüter- und auch die der Produktion zuliefernden Verbrauchsgüterindustrie. Letzlich wird damit auf das Geflecht der Stoffströme, die die vielen verschiedenen Produktionsstufen in einer modernen und mit erheblicher Fertigungstiefe ausge- [Seite der Druckausg.: 28] statteten Volkswirtschaft wie der deutschen verbinden, zugegriffen. Schon eine Dokumentation dieser Stoffströme in umweltbezogenen Kategorien ist von Wert. Die Dokumentation von Stoff- und Energieströmen in den Betrieben - wo immer noch die hauptsächlichen Ressourcen- und Energieverbräuche und auch die umfangreichsten Umweltbelastungen und -schädigungen ihre Ursache haben - ergänzt diese interindustrielle Betrachtung. Sie gibt zugleich im Aktions- und Entscheidungszentrum jeder marktwirtschaftlichen Ordnung Möglichkeiten an die Hand, durch entsprechende Entscheidungen auf ökologisch wünschenswerte Verbesserungen hinzuwirken. Die systematische Entwicklung, Nutzung und Umsetzung der Methoden und Anwendungskonzepte der Umweltinformatik kann daher eine umfangreiche und wichtige Klasse von Produkten der Zukunft im Sinne ökologischer Zielsetzungen darstellen. Sie stellt als Teil der Angewandten Informatik vor allem deren Methoden für Umweltschutz, -forschung, -planung und auch -politik bereit. Damit können ökologisch relevante Daten erfaßt, aufbereitet, gespeichert, vor allem verarbeitet, übertragen und ausgegeben werden. Solche Methoden sind: Umweltmonitoring, Umweltdatenbanken, raumbezogene Datenverarbeitung, entsprechende Verfahren des Information Retrieval und der Visualisierung, Umweltmodellierung und Simulation, Expertensysteme, Künstliche Neuronale Netze, Datenaustausch und -integration u.a. Auch Verfahren der Software-Ergonomie spielen bei der Entwicklung ökologisch relevanter Produkte der IuK-Techniken eine Rolle, etwa weil die aufgabengerechte Nutzung der erfaßten, verarbeiteten, ausgegebenen Daten und Informationen natürlich auch von der Übersichtlichkeit der Darstellungsform abhängt. Die Software-Ergonomie bezieht sich zwar ganz überwiegend auf die Form. Die Darstellungsform ist aber auch ein wichtiges Element bei der Vermittlung der Erkenntnisse aus dem Softwaresystem an die Anwender oder Benutzer. Das Potential der Umweltinformatik wird beispielhaft anhand zweier Methoden, des Umweltmonitoring und der Simulationstechnik, ersichtlich: Umweltmonitoring, u.a. bekannt aus der Luft- und Meeresoberflächenbeobachtung, umfaßt die möglichst zeitlich und räumlich lückenlose automatisierte Erfassung und Beobachtung des Zustandes der Umwelt. Dazu gehört z.B. die Beobachtung des Zustandes von Umweltmedien (Luft, Boden, Wasser) mit dem Ziel, frühzeitig Störfälle und -entwicklungen aufzuzeigen und damit die Möglichkeit zu bieten, präventiv einzugreifen oder zumindest - wie bei der Ozonbeobachtung - entsprechende Verhaltensänderungen anzustoßen. Der theoretische Anspruch des Umweltmonitoring stößt allerdings häufig ins Leere, und es ist auch fraglich, ob Biotope mit automatisierten Systemen einem Monitoring unterworfen werden sollen. Hier geht es jedoch darum, dieses Prinzip auf die industrielle und die sonstige Produktion zu übertragen, also mit automatisierten Systemen teil- oder vollautomatisierte industrielle Prozesse zu erfassen und zu überwachen, wie es bereits in vielen Fällen geschieht, z.B. im Rahmen der Aggregateüberwachung mit [Seite der Druckausg.: 29] entsprechender Behandlung von Störfällen. Die Erfahrung in der Chemie zeigt allerdings, daß hier noch erheblicher Entwicklungsbedarf besteht. Die entsprechenden Datenstrukturen und Verarbeitungsfunktionalitäten müssen in die entsprechende Prozeßüberwachungs- und -steuerungssoftware integriert werden. Die Entwicklung derartiger Umweltmonitoringsysteme hat noch eine weitere grundlegende Anstoßfunktion: Die Erfassung der Urdaten setzt die laufende Überwachung der Schnittstellen von Maschinerie und Prozeßabläufen einerseits und Umwelt andererseits voraus. Dafür müssen Einrichtungen der Sensortechnik und Strukturen der Informationsweiterleitung geschaffen werden. Die sich mit dem Umweltmonitoring abzeichnenden Entwicklungen können Anstöße in der Aktortechnik, in der Mikrosystemtechnik, im Maschinen- und Anlagenbau, bei den Umwelttechniken ergeben. In Diskussion ist auch die Nutzung von Hochseeschiffen oder Flugzeugen, die, mit Sensoreinrichtungen, Rechnern und Übermittlungsgeräten (Sendern) ausgestattet, über spezielle Satelliten ihre Meßergebnisse und Standortkoordinaten an Land- bzw. Bodenstationen kommunizieren, so daß dort für beliebige Zwecke ein Bild der jeweiligen Luft- oder Wasserqualität in Echtzeit entstehen kann. Weitere Beispiele sind das Monitoring der Radioaktivität um Atomkraftwerksstandorte oder die Ozonüberwachung. Entscheidendes Element dabei ist die für die verschiedenen Erfassungs-, Verarbeitungs- und Übertragungsvorgänge unerläßliche Software, deren Entwicklung wegen der Massen sowohl von Rohdaten als auch der Daten für die Bildverarbeitung (Fest- und Bewegtbild) besonders schwierig und herausfordernd ist. Die Simulationstechnik stellt ein besonders interessantes Forschungsgebiet dar. Entstanden im Zusammenhang mit der Sicherung alliierter Geleitzüge im Nordatlantik während des Zweiten Weltkrieges als eines der klassischen Verfahren des Operations Research, dient diese Technik heute in großer Vielfalt zur Analyse von Wirkungszusammenhängen und zur Abschätzung von Auswirkungen unter Bedingungen, unter denen sich Untersuchungen "am realen Objekt" verbieten: die Untersuchung von Biotopen, die vorbeugende Simulation der Ausbreitung von Verunreinigungen auf der Meeresoberfläche, die Simulation von Störfällen oder gar eines GAU. Die Umweltinformatik ist dabei, für den alltäglichen betrieblichen Einsatz - z.B. zur Störfallsimulation mit dem Ziel des präventiven Eingreifens etwa in der chemischen Verfahrenstechnik - Erfahrungswissen zusammenzutragen und auf dieser Grundlage allgemein verwendbare Modelle und Softwaresysteme (einschließlich entsprechender Simulationsprogrammiersprachen) zu entwickeln. Auf der Simulationstechnik beruhende Softwareprodukte können für die weitere Entwicklung der industriellen Produktion - gerade unter High-Tech-Bedingungen - eine entscheidende, ökologisch relevante Innovation verkörpern. Die Simulationstechnik ist natürlich abhängig von den Erkenntnissen über die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Bestandteilen des simulierten Systems, also z.B. eines Fertigungssystems und des zugehörigen Fertigungsprozesses. Dabei lassen sich unterschiedliche [Seite der Druckausg.: 30] Zusammensetzungen von Fertigungsaufträgen zu Losen simulieren und in Abhängigkeit davon die Abfallmengen oder die Verbräuche von Hilfsstoffen wie Wasser und Energie ermitteln. Darüber hinaus werden Simulationsmodelle und - techniken auch eingesetzt, um die Betriebsmittel zu planen. Damit kann der Entstehung "struktureller Überkapazitäten" entgegengewirkt werden, deren ökologische Kosten in der ökonomischen Diskussion leider völlig vernachlässigt worden sind. Z.B. kann die Simulation der Flächennutzung bei Werks- und Betriebsstättenplanungen die Umwelt erheblich schonen und damit den "Flächenfraß" im Zuge der weiteren Ausdehnung der Industrie- und Dienstleistungsproduktion verringern. Nach niederländischen Untersuchungen ist der gewerbliche Bau noch vor dem Verkehrswegebau und dem Wohnungsbau der "Flächenfresser" Nummer Eins. Der Umweltinformatik kommt vor allem die Bedeutung des Methodenlieferanten oder -arsenals zu. Freilich hat der derzeitige Entwicklungsstand dieser jungen Teildisziplin der Informatik die methodischen Probleme bei weitem noch nicht im Griff. Ökologische "Objekte", z.B. Biotope oder Wetterlagen, sind extrem komplex, gelegentlich hoch dynamisch. Riesige Mengen an Rohdaten sind gleichwohl oft lückenhaft und unvollständig. In der Produktion gibt es zwar mitunter ähnliche Bedingungen. In der Regel sind aber die Daten in notwendiger Masse und Dichte vorhanden, weil für die Planung, Steuerung und Organisation der Produktion im Detail auch entsprechende Daten über Verbräuche u.ä. unerläßlich sind. Insofern steigt die Umweltinformatik im Betrieb auf einen fahrenden Zug auf. Was häufig fehlt, sind die Daten zu den Auswirkungen auf die Umwelt, z.B. auf Ressourcen außerhalb des Betriebs wie Luft und Wasser. Hierfür sind Einrichtungen zu schaffen, auch wenn das mit Aufwendungen verbunden ist Im betrieblichen Bereich sind die Methoden der Umweltinformatik, die Datenbankentechnik oder die wissensbasierten Systeme (Expertensysteme zur Analyse chemischer Substanzen) häufig noch nicht weit genug entwickelt. Es besteht noch erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Besonders bedeutsam ist aber, daß Entwicklungen und Anwendungen der Umweltinformatik im Betrieb Zug um Zug zu entwerfen, zu entwickeln und zu realisieren sind und das integriert mit anderen betrieblichen Informationssystemen z.B. bei der Planung und Steuerung der Produktion, im Beschaffungswesen oder in der Logistik. Damit gewinnt die Einbindung der Methoden der Umweltinformatik in die komplexen Anwendungskonzepte betrieblicher Art besondere Bedeutung (s. 4.4.)
4.3. Telekommunikationsnutzung im Umweltschutz
Der Infrastrukturbereich der IuK-Techniken umfaßt u.a. die inzwischen sehr ausdifferenzierten Einrichtungen der Telekommunikation vom koaxialverkabelten Telefon bis zur Lichtwellenleitertechnik einerseits und zur Satellitentechnik andererseits. Auch hier sind in allen Zyklenphasen des Produktlebens umweltschutzorientierte Verbesserungen notwendig. Teilweise beruhen die Probleme auf ähnlichen Strukturen wie in der Mikroelektronikproduk- [Seite der Druckausg.: 31] tion: Die hohen Leistungsanforderungen bei Lichtwellenleitern beispielsweise setzen entsprechende Produktionsbedingungen und Werkstoffe voraus. Die Übertragung von mehreren hundert Millionen Signalen in der Sekunde erfordert derart reine Werkstoffstrukturen, wie sie nur in technisch aufwendigen Fertigungsanlagen garantiert werden können. Hinzu kommen Umweltprobleme im Zusammenhang mit der Bautechnik und der Raumnutzung (z.B. bei Mobilfunknetzen) oder auch des Elektrosmogs. Die Computertechnik dringt hier immer weiter als Organsisations-, Steuerungs- und Verwaltungstechnik (z.B. als sog. Knotenrechner oder als Abrechnungscomputer) vor, so daß die Problemstruktur sich insoweit der der Computerhardware annähert. Auch hier ist, trotz der Dynamik bei Haushaltsnutzungen, der betriebliche Bereich maßgebend. Die Netzwerke, die heute und zukünftig noch deutlicher die iuk-technische Entwicklung prägen, stammen ursprünglich aus dem militärischen Bereich. Diese haben dann aber ihre ersten zivilen Nachfolger in unternehmensinternen Netzwerken im Zusammenhang mit dem Aufkommen der Bildschirmarbeitsgeräte gefunden. Eine neue Phase der Vernetzung setzte ein, als "intelligente" Bildschirmgeräte bzw. PC "interaktiv" über das Telefonnetz zu "kommunizieren" begannen. Die Möglichkeit des Datenaustauschs über Telefonleitungen bestand allerdings in Westdeutschland schon seit Anfang der 70er Jahre. Die derzeitige Entwicklung ist durch die Dynamik des Internet, aber auch durch eine weitgehende Unerfahrenheit hinsichtlich des Gebrauchswerts des Internet in weiten Bereichen der Benutzer geprägt. Ansätze für eine systematische ökologische Kritik und Bessergestaltung der Telekommunikationsentwicklung liegen vor, können aber für die Leitungsnetze selbst keine Alternativen entwickeln. Die Kritik orientiert sich, außer an den Arbeitsplatzfolgen, an den durch die Telekommunikation ermöglichten Expansionseffekten und ihrer ökologischen Problematik. Darüberhinaus werden umweltschutzrelevante Betrachtungen häufiger auch zur Propagierung der Teleheimarbeit herangezogen. Die Erwartungen hinsichtlich der Expansion der Telearbeit sind allerdings bisher grotesk ins Leere gelaufen. Statt hunderttausender Mitte der 80er Jahre erwarteter Telearbeitsplätze wurden es in ganz Westdeutschland gerade etwas über 1000. Die Erklärung ist im wesentlichen, daß es in einer marktwirtschaftlichen Ordnung zu viele Hemmnisse bei der Auslagerung von Informationen und Informationsverarbeitung gibt. Zuvorderst steht der im betrieblichen Bereich prioritäre Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, ferner viele Faktoren, die mit der lokalen Präsenz der Arbeitskräfte und ihres Wissens oder mit der betrieblichen Sozialisation und Disziplinierung zu tun haben. Die Teleheimarbeit wird gerade heute wieder propagiert - aus Beschäftigungsgründen (die EU-Kommission wollte in der EU bis zum Jahre 2000 10 Millionen derartige Teleheimarbeitsplätze schaffen), aus Kostengründen (die auch in den Dienstleistungssektoren inzwischen sehr hohen Arbeitsplatzkosten, in den Banken über 300 000 DM je Arbeitsplatz, sollen dadurch sinken) und aus ökologischen Gründen (ein Groß- [Seite der Druckausg.: 32] teil des Pendlerverkehrs z. B. soll dadurch hinfällig werden). Auch dieses Mal werden die positiven oder negativen Erwartungen enttäuscht werden: Derzeit werden in ganz Deutschland zwischen 30 000 und 150 000 Teleheimarbeitsplätze geschätzt - darunter zählen auch Anwälte und sonstige Freiberufler, die zu Hause mit dem Laptop arbeiten. Die ökologischen Erwartungen auf eine Entlastung von Teilen des Pendlerverkehrs scheinen sich ohnehin nicht zu erfüllen: Das Mobilitätsverhalten der Pendler führt eher dazu, daß sie den Wegfall des Pendelns dazu nutzen, weiter aus der Stadt hinauszuziehen. Teleheimarbeit, auf die Spitze getrieben durch die "virtuelle Firma" mit der völligen Ablösung der Arbeit und der Leistungserbringung von einem konkreten Ort, ist bei kleinen, hochspezialisierten Dienstleistungen oder Produktionen denkbar, jedoch keine Organi-sationsform für mittlere und größere Betriebe, die z.B. Güter und Dienstleistungen für den anonymen Markt produzieren. Sie wird eine eher exotische Ausnahme bleiben. Auch die Hoffnungen, durch telekommunikationsgestützte Systeme die Verkehrsvolumina in der modernen Produktion - z. B. durch Telekonferenzen - zu reduzieren, sind bisher enttäuscht worden. Der umweltschutzorientierte Wert der Telekommunikationsinfrastrukturen mit ihren spezifischen Leistungen und Diensten ist vielmehr vor allem in der Unterstützung von Informatikanwendungen durch die Fernübertragung von Daten und durch die interaktive Nutzung entsprechender Systeme zur Lösung von Umweltproblemen zu sehen. Die Ergänzung der Verarbeitungs- und Speicherungskapazitäten von Umweltinformationssystemen in den verschiedenen Bereichen durch entsprechend mächtige Fernübertragungsmöglichkeiten und die intelligente Zurverfügungstellung von relevantem Wissen im Betrieb, vor Ort, bei der Produktions- oder Transportplanung, bei der Abwasserbeseitigung oder der Flächennutzungsplanung - das sind die ökologisch bedeutsamen Beiträge der Telekommunikation zur Lösung der Umweltprobleme. Das Internet kann, wenn sich seine Nutzung und die etwas naive Diskussion darüber etwas normalisiert haben, als Medium zum möglichst freien, wenn möglich universellen Austausch problemorientierten Wissens dienen. Es kann jedoch nur ausgetauscht werden, was erarbeitet worden ist. Neue Dienstleistungen, telekommunikationsgestützt im Internet angeboten und nachgefragt, haben ihren Sinn vor allem im Zusammenhang mit der Bearbeitung und hoffentlich Lösung von Umweltproblemen vor allem im betrieblichen Bereich. Eine denkbare Richtung für derartige "Produkte der Zukunft" könnte die wissens- bzw. forschungsergebnisgesteuerte Verteilung umweltrelevanter Ergebnisse entsprechend den Bedarfsprofilen von Betrieben sein. Die Entwicklung solcher Dienstleistungen muß im Zusammenhang mit der Analyse von Umweltproblemen in den Betrieben und in anderen Bereichen erfolgen. Die die Problemsituation und die Lösungsmöglichkeiten strukturierenden Vorgehensweisen bei Entwurf, Entwicklung, Produktion und Realisierung von z.B. betrieblichen Umweltinformationssystemen im Rahmen des Aufbaus eines betrieblichen ökologischen Informationsmanagements werden zu neuen Anfor- [Seite der Druckausg.: 33] derungen an die Entwicklung von Telekommunikationsdiensten führen. Dabei ist zwischen dem innerbetrieblichen Telekommunikationsbedarf einerseits und dem außer- und überbetrieblich zu deckenden Bedarf andererseits zu unterscheiden. Die Zuordnung der Kommunikationsmöglichkeiten und -dienste zu den Funktionen betrieblicher Umweltinformationssysteme ist wiederum weitgehend bestimmt durch die komplexen Anwendungskonzepte, wie sie im Zusammenhang mit der Realisierung etwa des Prinzips des "produktionsintegrierten Umweltschutzes" entwickelt werden.
4.4. "Produktionsintegrierter Umweltschutz" durch komplexe betriebliche Anwendungskonzepte
Auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Hardware und der für umweltorientierte Probleme und Vorgehensweisen entwickelten Softwaresysteme können komplexe Konzepte entwickelt werden, die es möglich machen, Informationen als Grundlage für ökologische Verbesserungen systematisch, vor allem planmäßig und kontrolliert in die Betriebstätigkeit einzubringen. Derartige Produkte sind z.B. betriebliche Umweltinformationssysteme und Umweltinformationssysteme in der öffentlichen Verwaltung (z. B. ökologische Forschungsdatenbanken im Umweltbundesamt), Systeme für das betriebliche Stoffstrommanagement oder im Bereich der Fertigungswirtschaft das "Öko-PPS", d.h. die systematische Ergänzung von betrieblichen Produktions-Planungs- und -Steuerungssystemen um ökologisch relevante Daten und Datenstrukturen und entsprechende Verarbeitungs- und Visualisierungsfunktionen u.a.m. Diese komplexen Systeme, die im wesentlichen aus Softwarekomponenten und Organisationssystemen mit entsprechenden Strukturen und Abläufen für die betriebliche Organiation bestehen, stellen eine umfangreiche Klasse von "Produkten der Zukunft" dar: Sie ermöglichen den Aufbau eines ökologisch orientierten Informationsmanagements und damit die systematische Berücksichtigung umweltrelevanter Kriterien bei betrieblichen Entscheidungen. Das ist ein wesentlicher Schritt zur "Ökologisierung" des nach wie vor zentralen Bereichs der Gesellschaft, der Produktion, der Wirtschaft, der Betriebe. Darüber hinaus erlauben diese Konzepte, weitere auf ökologische Verbesserungen zielende betrieblichen Aktivitäten (UVP, Öko-Auditing) wirksamer als bisher durchzuführen. Vor allem aber bieten sie die Chance, betriebliche Produktion und Entscheidungen unter neue, ökologisch günstigere Paradigmen ("produktionsintegrierter Umweltschutz", "prophylaktische umweltschutzorientierte Gestaltung von Wertschöpfungsketten") zu stellen. Ein neuer Geist, eine neue Philosophie kann die betriebliche Praxis, die Entscheidungen des Managements und die Planungen der Spezialisten durchdringen, wenn die umweltbezogene Bewertung der Maßnahmen, Entscheidungen, Planungen möglich ist. Dazu gehören auch die den gesamten Betrieb erfassenden Anwendungskonzepte wie das Ökocontrolling (mit seinen verschiedenen Bestandteilen wie "Ökobilanzen" oder auch spezialisierten "Umweltarbeitsplätzen"). Die Konzepte sind insbesondere geeignet, die traditionelle Informationswirtschaft mit ihren [Seite der Druckausg.: 34] beiden Hauptzweigen - dem technisch-organisatorisch orientierten Informationswesen und dem kaufmännisch-wirtschaftlichen Rechnungswesen (Betriebs- und Geschäftsbuchhaltung) - um eine ökologisch orientierte Variante zu ergänzen. Dadurch werden die bislang allzu sehr auf verbrauchernahe Bereiche und auf das Verbraucherverhalten konzentrierte Umweltdiskussion und -politik auf die Betriebe, die Produktion und die in den Betrieben getroffenen Entscheidungen ausgedehnt. Vorstellungen für solche Konzepte werden z.B. gegenwärtig auf freiwilliger Basis in mehreren deutschen Unternehmen - im Rahmen des Öko-Auditing - entwickelt und in Ansätzen bereits praktiziert. Daneben finden in zahlreichen deutschen Unternehmen seit vielen Jahren Systementwicklungen statt, die zumindest ansatzweise oder punktuell zur Ökologisierung der Produktion beitragen. Hierbei handelt es sich um Anwendungen der IuK-Techniken zur Lösung bestimmter Umweltprobleme, etwa in der chemischen Verfahrenstechnik, im Maschinenbau, im Anlagenbau. Diese Ansätze sind in der Regel nicht oder noch nicht betriebliche Umweltinformationssysteme, da sie weder auf der Seite des Betriebes, noch auf der Seite der Umwelt die Gesamtheit der Faktoren bzw. Auswirkungen erfassen. Die Entwicklung eines ökologisch orientierten Informationsmanagements in den Betrieben ist notwendig, aber nicht hinreichend. Die erforderlichen ökologischen Verbesserungen lassen sich - beim Energieverbrauch, bei den sonstigen stofflichen, vor allem technisch bedingten Verbräuchen, bei Immissionen und beim Wasser- und Flächenverbrauch - zumeist erst realisieren, wenn auch bei den jeweiligen Verfahrens- und Produkttechniken Fortschritte erreicht werden. Allerdings erlauben ökologisch aussagefähige, detaillierte und zuverlässige Informationen z.B. in Form entsprechender Mengen- und Zeitgerüste die gezielte Entwicklung der entsprechenden "realtechnischen" Verfahren und Produkte. Derartige Informationen legen auch eine ganz andere Basis für Forschungsvorhaben für weitere "Produkte der Zukunft". Mit den betrieblichen Umweltinformationssystemen werden Informationen und "Wissen" über Schwachstellen in bezug auf Umweltaspekte der Produktion bereitgestellt, die zur Erforschung und Entwicklung neuer Ansätze auf "realtechnischem" und auf informationstechnischem Gebiet Anstoß geben. Die Prozeßhaftigkeit der Informatisierung prägt auch die "Ökologisierung der betrieblichen Informationswirtschaft" über betriebliche Umweltinformationssysteme u.a. Eine ausgesprochene perspektivische Bedeutung kann z.B. die Ausgestaltung des Umweltmonitoring und der Simulationstechnik für vorbeugende Maßnahmen (analog dem "Smogalarm") in der normalen, alltäglichen Produktion mit ihren vielfältigen ökologischen Gefährdungen haben. Zusätzliche Beiträge dazu kann die Einbeziehung von Expertensystemen bzw. sonstiger wissensbasierter Systeme leisten. Eben solche perspektivische Bedeutung kann z. B. der Ausbau des Ökocontrolling zur Operationalisierung einer Politik des "nachhaltigen Wachstums" der Produktion haben. Über "Ökocontrolling" können strategisch vorgegebene Ziele zur Erreichung eines nachhaltigen Wachstums in Steuerungsgrößen umgesetzt werden, die in die tagtäglichen Ent- [Seite der Druckausg.: 35] scheidungen im Betrieb Eingang finden. Es entsteht damit eine operative Ergänzung - analog zum betriebswirtschaftlichen Controlling - zu der etwa in der Philosophie des Ökö-Auditing nach der EG/EU-Richtlinie angelegten Systematik, die Umweltfragen in den Rang von strategischen Schlüsselfragen erheben soll. Ein anderes Produkt der Zukunft könnten Konzepte der Planung sein, die die Visualisierung von ökologisch relevanten Projekten (insbesondere Großprojekten wie Tagebauten, Staudämmen, Flughafenausbauvorhaben etc.) mit Multimediamethoden z.B. unter Nutzung der Verfahren der "Animation" beinhalten. Angesichts des weiter wachsenden Drucks zur Durchführung solcher Großprojekte, sollte die informations- und wissensgenerierende und -organisierende Mächtigkeit derartiger Konzepte für möglichst hohe Transparenz genutzt werden. Daneben bieten die Produkte des "ökologisch orientierten Informationsmanagements" weitere Möglichkeiten zur ökologischen Bessergestaltung betrieblicher Abläufe und der sie bestimmenden Entscheidungen: Ökologische Ziele werden auf diesem Wege integriert in betriebliche Entscheidungsprozesse, die bislang allein im Hinblick auf wirtschaftliche Ziele über technisch-organisatorische Strukturen und damit auch über Verbräuche, Immissionen, Flächennutzung u.a. stattfinden. Dabei entsteht auch eine bessere Basis für die Berücksichtigung ökologischer Ziele bei Investitions- und Standortentscheidungen. Und es entsteht damit auch prinzipiell eine Grundlage für eine verstärkte Einbeziehung der betrieblichen Interessenvertretung der Beschäftigten (Betriebsrat, Wirtschaftsausschuß, Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat, in der Zukunft Euro-Betriebsräte). Die geringe Wirksamkeit der Mitbestimmung in der Vergangenheit in bezug auf z.B. die Beschäftigungssicherung muß allerdings hinsichtlich der als weitaus weniger dringlich empfundenen umweltrelevanten Ziele skeptisch machen. Da ökologische Probleme in den Betrieben eher "Porencharakter" haben, machen sie jedoch auch eine Art "Mitbestimmung am Arbeitsplatz" zweckmäßig: Zu wirksamen Lösungen kommen zu wollen, legt die Einbeziehung des Wissens und auch der Innovationsfähigkeit der betroffenen Beschäftigten, unabhängig vom Kenntnisstand und der Aktionsfähigkeit der betroffenen gewerkschaftlichen Organisationen, nahe. Es ist zu befürchten, daß die Gewerkschaften, die seit Jahren massive Mitgliederverluste und eine hohe Abstinenz junger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hinnehmen müssen, kaum ein wesentlicher Träger einer solchen betrieblichen Ökologisierungspolitik sein können. Die in den Betrieben von den Belegschaften gewählten Vertreter dagegen können für eine solche auf den konkreten betrieblichen Bereich zielende Politik eher wirksam eintreten. Die angesprochenen Konzepte sind zudem häufig schon in dem Sinne "Zukunftsprodukte", als sie auf jeden Fall zunehmend die betriebliche Systementwicklung durchdringen werden und damit die zukünftige Organisation mit ihren Strukturen und Abläufen mitprägen werden. Die zumindest rudimentäre Berücksichtigung umweltrelevanter Aspekte in der betrieblichen Informationswirtschaft, in der Planungs-, Entscheidungs- und Kontrollsystematik des Betriebes, in Automationsprojekten, wird in dem Maße zunehmen, wie die Regelungsdichte im Be- [Seite der Druckausg.: 36] trieb und um den Betrieb herum weiter zunimmt. Entscheidend für Ausmaß und Tempo der Entwicklung ist, wie und mit welcher Verbindlichkeit die Politik derartige Produktentwicklungen durchsetzt bzw. fördert. Pilotprojekte, branchen- und betriebsspezifische Entwicklungen, die charakteristisch für diese Produktklassen sind, Weiterbildungsmaßnahmen, organisiert und getragen vor allem von regionalen wirtschaftspolitischen Instanzen, können wichtige Hebel einer solchen produktorienierten und zugleich ökologisch reflektierten Förderpolitik werden. Für die Gewährleistung eines solchen Prozesses der "ökologischen Informatisierung" kommt der Politik auch und gerade in einer marktwirtschaftlichen Ordnung eine Schlüsselrolle zu.
4.5 Beiträge der IuK-Techniken zur Ökologisierung der "Informationsgesellschaft"
Die Bedeutung der Informatisierung bei der Ökologisierung der zukünftigen Wirtschaft und Gesellschaft liegt vor allem in ihrem Beitrag zur "Effizienzrevolution". Die bislang dominierenden Bestrebungen zur weiteren Rationalisierung zielen allerdings eher auf die Steigerung der Arbeitsproduktivität. Damit haben sie erheblich zur heutigen Beschäftigungskatastrophe beigetragen. Die rein angebotsorientierte neoliberale Interpretation der Wirkungsweise derartiger Effizienzsteigerungen ist bisher auch in weiter "fortgeschrittenen" Ländern nicht bestätigt worden. Im Zuge der Ersetzung menschlicher Arbeit durch die Arbeit maschineller Systeme treten dabei allerdings immer stärker parallele bzw. komplementäre Steigerungen der Produktivität der maschinellen Anlagen ("Anlagenproduktivität" als Unterfall der "Kapitalproduktivität") in den Vordergrund. Sowohl für die Steigerung der "Arbeitsproduktivität" als auch für die Erhöhung der "Anlagenproduktivität" ist mehr und mehr der Einsatz der IuK-Techniken Grundlage, z.B. zur Beschleunigung von Informationsflüssen, die wiederum die Arbeitsflüsse und Stoffströme zur optimalen Belegung der Anlagen reorganisieren. Erhöhungen der Ressourcenproduktivität" werden zwar im Rahmen umfassender Rationalisierungs- oder Kostensenkungsprogramme ebenfalls angezielt, sind jedoch gebunden an das jeweilige Rationalisierungskonzept. Umweltrelevante Überlegungen sind hierbei immer noch allenfalls unter "ferner liefen" enthalten; primär auf Steigerungen der Ressourcenproduktivität angelegte Konzepte sind die Ausnahme. Gerade hier liegen jedoch erhebliche, wenn nicht die wichtigsten Potentiale zur Verbesserung des Umweltschutzes in der Produktion, aber auch in Haushalten. Die mit der "Faktor-Vier"-Hypothese propagierte Orientierung zielt auf diese Priorität. Die Informatisierung kann - sozusagen im Vorfeld der Veränderungen der materiell-technischen Bedingungen zur Erreichung einer höheren Ressourcenproduktivität - entscheidende Anstöße für eine solche Orientierung als verhaltensbestimmende Norm in den Betrieben liefern. Ein ökologisch orientiertes Informationsmanagement, entwickelt und betrieben auf der Grundlage der Anwendung iuk-technischer Systeme, kann die betrieblichen Entscheidungen so strukturieren und dabei unterstützen, daß sie zu einer höheren Ressourcenproduktivität führen. Vor- [Seite der Druckausg.: 37] aussetzung ist der Aufbau eines entsprechenden Informationswesens analog zum kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Rechnungswesen und zur technisch-organisatorischen Informationswirtschaft der Betriebe. Das Öko-Auditing ist prinzipiell ein erster Ansatz, ein solches Informations- und Umweltmanagement allgemein verbindlich zu machen. Das gilt trotz der derzeit politisch praktizierten Freiwilligkeit des Öko-Auditing in Deutschland. Dagegen steht die erwähnte "Janusköpfigkeit" der Umweltinformatik: Die mit gesteigerter Ressourcenproduktivität erreichten Produktivitäts-, Rationalisierungs- und Einsparungseffekte führen in den Betrieben zu zusätzlichen Mitteln für die wirtschaftliche Expansion, und die damit verbundene Ausdehnung der Produktion ( "Beschäftigung", Menge, Stückzahl usw.) überkompensiert die durch höhere Ressourcenproduktivität erreichten Stoffmengeneinsparungen. Die marktwirtschaftliche Ordnung erfordert nun einmal die Expansion aus kostenrechnerischen Gründen oder aus markttechnischen Gründen (z.B. wegen der Bindung der Märkte an den Betrieb). Daß wir heute in allen Wirtschaftszweigen z.T. hochmoderne Überkapazitäten haben, erhöht den Druck beträchtlich. Hier wird deutlich - und deshalb muß man die Informatisierung in ihrem Gesamtzu-sammenhang sehen -, daß bei aller Bedeutung eines betriebsorientierten Vorgehens bei der Entwicklung von "Produkten der Zukunft" auf dem Gebiet der IuK-Techniken eine rein betriebsorientierte Politik der Steigerung der Ressourcenproduktivität eindeutig unzureichend ist. Es müssen mit marktwirtschaftlichen Mitteln und unter Wahrung der Funktionsfähigkeit der Märkte Ansätze entwickelt werden, die betriebsübergreifend dazu beitragen, die Ressourcenproduktivität so zu erhöhen, daß ein effektiver Abbau von Stoffströmen und der davon ausgehenden Umweltbelastungen und -schädigungen erfolgt. Wie das zu geschehen hat, ist eine der Grundfragen der Wirtschaftspolitik in der modernen Marktwirtschaft. Sie kann nicht allein mit der Betrachtung von "Produkten der Zukunft" gelöst werden. Wohl aber können die Leitlinien zur Entwicklung und Durchsetzung von ökologisch günstigeren Zukunftsprodukten Anstöße für die Entwicklung entsprechender wirtschaftspolitischer Instrumente ergeben (z.B. Konsensrunden, Umweltpläne, industriepolitisch tätige Branchenausschüsse). In jedem Fall ist die Informatisierung, die ja immer in einem gewissen Umfang politisch begleitet und gestaltet wurde ( z.B. über die Telekommunikationspolitik, die Forschungspolitik, die Hochschul- und Bildungspolitik, aber auch über Normierungsaktivitäten und neuerdings über die Medienpolitik ) ein Prozeß, der sich für eine aufgeklärte, intelligente Steuerungspolitik zur Steigerung der Ressourcenproduktivität in der sich entwickelnden "Informationsgesellschaft" anbietet. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2000 |