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5. Strukturreform der Ministerialverwaltung - ein neuer, vernetzter Ansatz

Im Prinzip hat sich die ministerielle Arbeit auf Bundesebene in den letzten fünf Jahrzehnten nicht geändert - nur die Zahl der Ministerialen hat sich seit Adenauers Zeiten auf 18.627 (Stand: 6.3.1998) vervierfacht. Die Methoden der Aufgabenwahrnehmung in den Referaten und Abteilungen eines Ressorts sind im wesentlichen unverändert. Und jedes Ministerium achtet nach wie vor akribisch darauf, daß das verfassungsrechtliche Ressortprinzip beachtet wird, wonach jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich „selbständig und unter eigener Verantwortung" leitet (Artikel 65 Grundgesetz) - freilich im Rahmen der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers.

Erst in letzter Zeit sind ernsthafte Zweifel daran geäußert worden, ob eine derartige Arbeitsweise mit den heutigen Anforderungen an eine moderne Verwaltung vereinbar sind. Dr. Hedda von Wedel, Präsidentin des Bundesrechnungshofes, wies im Herbst 1997 in einem Vortrag bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn darauf hin, daß Staatsmodernisierung auch eine „stärkere Bündelung von Aufgaben" verlange. Nur so könne Regierungsarbeit mit all ihren Verzahnungen effektiv wahrgenommen und die Verwaltung organisatorisch gestrafft werden. In der Praxis aber sind mit einer bestimmten fachlichen Aufgabe im Regelfall eine Vielzahl von Behörden befaßt, was die Zersplitterung von Zuständigkeiten auch auf Bundesebene bedeutet. Zum Beispiel im Bereich der Sozialleistungen: In der Ministerialverwaltung des Bundes ist für das Kinder- und Erziehungsgeld das Familienministerium, für das Wohngeld das Bauministerium, für die Ausbildungsförderung das Bildungsministerium, für die Sozialhilfe das Gesundheitsministerium und für sonstige Sozialleistungen das Arbeits- und Sozialministerium verantwortlich.

Die Bündelung von Aufgaben empfiehlt sich auch im Bereich Bildung, Forschung und Technologie; wenn Innovation tatsächlich zu einem ressortübergreifenden Aktionsfeld der Bundesregierung werden soll, müssen die auf mehrere Ressorts verteilten Zuständigkeiten vernetzt werden. In den vergangenen Jahren wurden außer vom unmittelbar zuständigen Forschungsministerium von mindestens acht weiteren Ressorts in jeweils eigener Zuständigkeit Mittel für „Forschung und Entwicklung" in beträchtlicher Höhe vergeben. Beispiel Bundesausgaben 1996:

Auswärtiges Amt (AA)

160 Mio DM

Bundesministerium des Innern (BMI)

231 Mio DM

Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi)

1.008 Mio DM

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML)


447 Mio DM

Bundesministerium der Verteidigung (BMVg)

3.240 Mio DM

Bundesministerium für Gesundheit (BMG)

272 Mio DM

Bundesumweltministerium (BMU)

250 Mio DM

Bundesministerium für Bildung, Forschung, Wissenschaft und Technologie (BMBF)


11.321 Mio DM

Sonstige Bundesinstitutionen

410 Mio DM



Ausgaben „Forschung und Entwicklung" 1996

17.613 Mio DM

Sinnvoll zur Bündelung von Aufgaben im Bereich der staatlich unterstützten Innovation wäre eine Kompetenzerweiterung des Forschungsministeriums um folgende, jetzt auf mehrere Ministerien verteilte Zuständigkeiten:

  • Grundsatzfragen der Bildungspolitik (BMWi, Unterabteilung II A)
  • Ordnung der beruflichen Bildung (BMWi, Referat II A 5)
  • Existenzgründungsförderung (BMWi, Referat II A 6)
  • Innovationsförderung (BMWi, Unterabteilung II C)
  • Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik (BMWi, Referat II C 1)
  • Industrielle Gemeinschaftsforschung (BMWi, Referat II C 3)
  • Forschungs- und Technologiepolitik in den Neuen Bundesländern (BMWi, Unterabteilung II D 6)
  • Bundeszentrale für politische Bildung, Information und Öffentlichkeitsarbeit (BMI)
  • Umwelt und Technik, produktbezogener Umweltschutz (BMU, Arbeitsgruppe G I 6)
  • Projektförderung des Umweltbundesamtes (BMU)
  • Forschungsschwerpunkt Meeresumweltschutz (BMV, Bundesamt für Hydrographie)
  • Forschung Gewässerkunde (BMV, Bundesanstalt für Gewässerkunde)
  • Patentrechtliche Fragestellungen (BMJ)

Ein weiteres Beispiel: die Entwicklungszusammenarbeit. Die Qualität staatlicher Entwicklungspolitik wird entscheidend bestimmt durch die Wirksamkeit und die Effizienz der ausführenden Verwaltung. Insofern gehört zur Reform der Entwicklungspolitik zwingend auch die Modernisierung der entsprechenden Regierungsorganisation. Oberste Priorität sollte der Bündelung aller entwicklungspolitischen Funktionen in einem Ministerium gebühren. Zur Zeit werden in der Bundesregierung zahlreiche Aufgaben mit entwicklungspolitischen bi- und multilateralen Bezügen nicht allein im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), sondern in über 30 Referaten in insgesamt 13 Bundesressorts vom Auswärtigen Amt bis zum Wirtschaftsministerium wahrgenommen.

Diese Zersplitterung von Zuständigkeiten führt unvermeidbar zu unterschiedlichen entwicklungspolitischen Zielsetzungen der einzelnen Ministerien, die nicht unbedingt miteinander harmonieren, außerdem zu Ineffizienz bei der Aufgabenwahrnehmung und der Mittelvergabe, zu Reibungsverlusten und zu unnötiger Doppelarbeit. Eine sinnvolle Koordinierung sämtlicher entwicklungspolitischer Aktivitäten der Bundesregierung ist unter diesen Umständen nicht möglich; dem BMZ wurde bislang auch nicht die Kompetenz zur ressortübergreifenden Koordinierung der Entwicklungspolitik übertragen.

Um Entwicklungspolitik als Querschnittsaufgabe „aus einer Hand" betreiben zu können, müßten die verschiedenen Aufgaben und Kompetenzen auf Bundesebene in einem Ministerium für globale Zukunftssicherung gebündelt werden. Das neue Ministerium sollte für folgende Politikbereiche federführend sein: internationale humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe, Maßnahmen der Infrastruktur- und Demokratisierungshilfe, Nord-Süd-bezogene internationale Umweltpolitik, Entwicklungszusammenarbeit mit den Staaten Mittel- und Osteuropas und der früheren Sowjetunion. Sinnvoll wäre auch die Zuständigkeit für die Wahrnehmung deutscher entwicklungspolitischer Interessen bei der EU und bei den Vereinten Nationen (samt ihrer Unterorganisationen).

Stärker noch als bisher werden in Zukunft bei entwicklungspolitischen Entscheidungen der Bundesregierung Aspekte der Außen-, Wirtschafts-, Finanz-, Umwelt- und Bildungspolitik und des Technologietransfers Berücksichtigung finden müssen.

Vorrangige Aufgabe des Ministeriums wird es deshalb sein, Entwicklungspolitik mit all den betroffenen Politikbereichen innerhalb der Regierung, mit den Zielsetzungen privatwirtschaftlicher Entwicklungszusammenarbeit und auch der Nichtregierungsorganisationen zu vernetzen. Das erfordert ein hohes Maß an Koordination und Kommunikation - also ein Qualitätsmanagement, was bislang eher nicht zur methodischen Grundausstattung von Ministerien gehörte.

Die beispielhaft für Forschung und Entwicklungspolitik dargestellten Möglichkeiten einer Bündelung von ministeriellen Aufgaben auf Bundesebene ließen sich auf andere Politikbereiche anwenden. Damit würde sich auch die Zahl der Ministerien deutlich verringern gegenüber dem derzeitigen Stand von fünfzehn. In der ihm eigenen, ebenso nüchternen wie klaren Sprache hält es auch der Bundesrechnungshof aus Anlaß des Regierungsumzugs nach Berlin für „unabdingbar, geeignete ressortinterne und ressortübergreifende Projektstrukturen zur vernetzten Gesamtwahrnehmung von Regierungsfunktionen einzurichten" (Bericht des Bundesrechnungshofs vom 31.12.1996).

Die Bundesregierung scheint von dieser Überzeugung noch meilenweit entfernt. In den vielen Aktionsprogrammen und Konzepten zum „Schlanken Staat" jedenfalls tauchen keine praktikablen Vorschläge zur effizienten Bündelung von ministeriellen Aufgaben auf, von der Umsetzung entsprechender Konzepte ganz zu schweigen. Auf Länderebene, wie zuletzt bei der Kabinettsumbildung in Nordrhein-Westfalen, ist die Bereitschaft zur Bündelung von Ressorts erkennbar größer.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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