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Ergebnis: Zwang zu einer Stop-and-Go-Politik Sicherlich ist es angesichts der kurzen Zeitspanne noch zu früh für endgültige Urteile über die neue brasilianische Entwicklungsstrategie. Bisher jedoch zeichnet sich eher eine undynamische Form der Weltmarktintegration ab, die wegen des zu erwartenden permanenten Außendefizits eine dauerhafte Abhängigkeit von Kapitalzuflüssen schafft. Erschwerend kommt die eher schleppende Umsetzung zentraler struktureller Reformen hinzu, die das Außendefizit noch einmal vergrößert und insgesamt das Risiko der Transitionsphase erhöht. Auch schon vor der Asienkrise hat sich gezeigt, daß Brasilien aufgrund dieser Entwicklungen zu einer Politik des Stop-and-Go gezwungen ist. Immer dann, wenn ein steigendes Wachstum des Binnenmarktes die Importe und damit das Außendefizit stark ansteigen läßt, muß die Konjunktur gedämpft werden, damit die Abhängigkeit von Kapitalimporten nicht gefährlich groß wird. Kommen dann noch Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten hinzu, wird zumindest kurzfristig eine scharfe Rezession unumgänglich. Schon die Mexiko-Krise 1994/95 hat zu einer solchen Politik gezwungen; und dasselbe wiederholt sich jetzt, allerdings in größeren Dimensionen, mit der Asienkrise. Es ist sehr zu hoffen, daß Brasilien keine weitere Spekulationsattacke erleiden wird. Doch selbst bei Ausbleiben einer solchen ist klar, daß der Anstieg der nationalen Investitionen, der in letzter Zeit zu beobachten war, einmal mehr unterbrochen ist. Brasilien ist ein viel zu großer Markt, um allein auf ausländische Direktinvestitionen zählen zu können - bei denen es zudem einem harten Konkurrenzkampf mit anderen emerging markets unterliegt. Und solange auf dem Binnenmarkt keine Bedingungen für einen dauerhaften Investitionszyklus geschaffen werden können, sind die Chancen für eine dauerhafte Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit ebenso schlecht wie die für eine Ausweitung des Arbeitsmarktes und damit der Erhöhung der sozialen Gleichheit. Selbst wenn die Asienkrise nicht stattgefunden hätte, wäre damit zu rechnen gewesen, daß Brasilien auf jeden Fall einen sehr langen, mühsamen und risikoreichen Weg bis zur endgültigen ökonomischen Konsolidierung vor sich gehabt hätte. Jetzt erweist sich die Lage nicht nur aufgrund der real gestiegenen Konkurrenz der asiatischen Länder gerade auf dem Gebiet von Billiglohngütern komplizierter. Weit darüber hinaus scheint das Verhalten der internationalen Kapitalmärkte zu signalisieren, daß der Weg der nachholenden Modernisierung über eine explizite Außenverschuldung für die Länder der Dritten Welt nicht mehr offen steht, weil in Zeiten globalisierter Kapitalströme die Gefahren von Spekulationsattacken auf Schuldnerwährungen untragbar hoch geworden sind. Wie Brasilien auf diese neue Problemlage reagieren wird, ist noch vollkommen unklar. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 1999 |