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Indirekte Auswirkungen der „Asienkrise"

Die indirekten Auswirkungen der regionalen Wirtschafts- und Finanzkrise machen sich in unterschiedlichen Bereichen bemerkbar. Vier seien genannt:

  • ein rückläufiges Exportwachstum;
  • ein niedrigeres Wachstum bei den Neuabschlüssen ausländischer Direktinvestitionen, bei einem etwa gleichbleibendem Wachstum der realisierten (eingezahlten) Direktinvestitionen;
  • der illegale Kapitalabfluß ins Ausland;
  • die Zunahme des Schwarzmarkt-Devisenhandels.


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Rückläufiges Exportwachstum

Nach einem explosionsartigen Anstieg der Exporte im Jahre 1997 um über 21 Prozent nahm das Exportvolumen Chinas in den ersten 9 Monaten 1998 nur noch um 3,9 Prozent auf 134,13 Mrd. US-$ zu. Da die Importe gleichzeitig um nur 0,4 Prozent auf 98,82 Mrd. US-$ wuchsen, hatte China dennoch bereits zu diesem Zeitpunkt einen Handelsüberschuß von 35,3 Mrd. US-$ vorzuweisen. Allerdings werden die Effekte nachlassenden Exportwachstums durch die schwächer werdende Binnennachfrage verstärkt. Beide Nachfrageschwächen verschärfen das Problem der in zahlreichen industriellen Staatsbetrieben vorhandenen Überkapazitäten. Beides erhöht auch den Druck auf die Preise auf dem Binnenmarkt, die im Konsumgütersektor bereits seit einiger Zeit nachgeben.

Verantwortlich für das – nach chinesischen Maßstäben – geringe Exportwachstum ist einerseits die verminderte Kaufkraft und Aufnahmefähigkeit der asiatischen Krisenländer mit Japan an der Spitze und andererseits die erhöhte Wettbewerbsfähigkeit einiger Exportindustrien in diesen Ländern. Der Wettbewerbsdruck macht sich in den Bereichen Stahl, Schiffbau, Chemikalien und Textilien besonders bemerkbar. Der zweifellos wichtigere Faktor ist jedoch der Rückgang der Nachfrage in den angeschlagenen Ländern Asiens. So schrumpften die Exporte Chinas in die ASEAN-Länder in den ersten 6 Monaten 1998 um 13 Prozent, nach Südkorea um 30 Prozent und nach Japan um 4,3 Prozent. Auf Grund des hohen Volumens der Exporte nach Japan wirkt sich der prozentual geringere Rückgang der Lieferungen in dieses Land für China am gravierendsten aus.

Teilweise kompensiert wird dieser Negativtrend durch das Wachstum der chinesischen Exporte nach Europa (+25,5% in der 1. Jahreshälfte), in die USA (+18,4%), nach Rußland (+48,8%) und nach Afrika (+44,1%).


Abbildung 1: Chinas Hauptexportmärkte im Jahre 1998

(Prozentuale Veränderungen der Exporte gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum)





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Ausländische Direktinvestitionen

China hat in den letzten 6 Jahren einen noch nie dagewesenen Boom bei den ausländischen Direktinvestitionen erlebt. Im Jahre 1997 waren es 45 Mrd. US-$. Dieser Boom geht auf mehrere Faktoren zurück: den ständig wachsenden und potentiell sehr großen Binnenmarkt, die exportorientierte Wachstums- und Entwicklungsstrategie, die zunehmende Liberalisierung der Bestimmungen und eine wesentliche Verbesserung des makroökonomischen Umfeldes. Es kann ohne Übertreibung gesagt werden, daß China unter den Entwicklungsländern das beste Beispiel dafür ist, wie FDI effektiv eingeworben und genutzt werden kann. Im Jahre 1997 nahm China mehr als die Hälfte aller nach Asien fließenden Direktinvestitionen auf, doppelt so viel wie Zentral-, Osteuropa und Afrika zusammengenommen und 11 Prozent der weltweiten FDIs. In vier aufeinanderfolgenden Jahren war China nach den USA dem Volumen nach der zweitgrößte FDI-Empfänger der Welt.

Der Negativ-Effekt der „Asienkrise" auf das FDI-Niveau in China blieb bislang bemerkenswert schwach. Während sich die benachbarten Krisenländer in Südost- und Ostasien heute nicht nur mit der panikartigen Flucht spekulativen Portfolio-Kapitals, sondern auch mit einem Rückgang der Direktinvestitionen auseinanderzusetzen haben, gibt es über ausländische Direktinvestitionen in China immer noch Positives zu berichten. So stieg das Volumen der FDI-Neuverträgen in den ersten sieben Monaten des Jahres 1998 um 7,3 Prozent auf 28 Mrd. US-$. Das Volumen tatsächlicher FDI-Zuflüsse betrug in der genannten Periode 23,9 Mrd. und bewegte sich damit auf dem Niveau der Vorjahresperiode.

Dies bedeutet, daß ausländische Investoren weiterhin Vertrauen in die mittel- und längerfristige wirtschaftliche Entwicklung Chinas haben. Dies betrifft, wie eingangs angedeutet, vor allem das Engagement der Großunternehmen. Während kleinere – auch deutsche – Unternehmen nicht nur mit Investitionen in China, sondern selbst mit fact-finding- und Erkundungsreisen gegenwärtig noch zurückhaltender sind als bisher (dies spüren in diesem Jahr auch die chinesischen Hotels für ausländische Geschäftsreisende), gibt es im Investitionsverhalten grö-

Abbildung 2: Ausländische Direktinvestitionen in China 1994–1998:
Ausländische Investoren glauben weiterhin an China

ßerer Unternehmen – die in der Regel längerfristig planen und auch Durststrecken besser verkraften können – keinen erkennbaren Knick. Das Krupp Stainless Steel-Projekt in Shanghai, zu dem gerade der Grundstein gelegt wurde, ist mit einem Investitionsvolumen von 1,4 Mrd. US-$ und einem Krupp-Anteil von 800 Mio. US-$ hierfür ein gutes Beispiel.

Die chinesische Regierung unternimmt vor dem Hintergrund der stark gesunkenen Investitionsbereitschaft asiatischer und besonders japanischer Unternehmen verstärkte Anstrengungen, Investoren aus Europa und den USA anzulocken. Daß diese Bemühungen nicht erfolglos sind, zeigt sich auch darin, daß der Anteil der Investoren aus den OECD-Ländern (ohne Japan) ständig steigt.


Abbildung 2: Ausländische Direktinvestitionen in China 1994-1998

Ausländische Investoren glauben weiterhin an China





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Illegale Kapitalabflüsse

Die „Asienkrise" beunruhigt Unternehmen und Privatpersonen in China nicht nur durch verschlechterte Exportaussichten, sondern auch in anderer Hinsicht. Ein Beispiel hierfür ist die in den letzten Monaten festgestellte illegale Flucht aus dem RMB Yuan in Höhe von mehreren Milliarden US-$. Motiv ist die Befürchtung, daß die chinesische Währung in Anbetracht der nachlassenden Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Exportindustrie trotz gegenteiliger Beteuerungen der Regierung in naher Zukunft abgewertet werden könnte.

Bei diesen Fluchtbewegungen erwiesen sich die Akteure einmal mehr als höchst ideenreich. So tauschten chinesische Unternehmen mit gefälschten Papieren lokale Währung in großem Umfang in sogenannten Swap Centers in US-Dollar und transferierten sie ins Ausland. Importe wurden vorgetäuscht, um Devisentransaktionen zu ermöglichen. Andere Firmen verzögerten bei Auslandsgeschäften die Fakturierung oder Buchung der Deviseneinnahmen. Eine dritte Gruppe von Firmen bezahlte ihre Importe im voraus oder versuchte, Kredite vor Fälligkeit zurückzuzahlen.

Die chinesische Regierung hat mehrere Schritte unternommen, um derartige Transaktionen zu unterbinden und Schlupflöcher zu stopfen. Unter anderem dürfen Darlehen nichtchinesischer Kreditinstitute an chinesische Unternehmen nicht vorzeitig zurückbezahlt werden. Alle Zahlungen für Lieferungen von über 100.000 US-$ werden vom Zoll überprüft und sind genehmigungspflichtig. Damit sind unvermeidlich auch Lieferverzögerungen verbunden, die zwei Wochen und mehr ausmachen können. Bei dringlichen Lieferungen etwa von Ersatzteilen kann dies schnell zu kostspieligen Produktionsausfällen führen. Gerade auch ausländische Hersteller, ausländische Handelsunternehmen und ihre lokalen Vertretungen hoffen, daß bald flexiblere Kontrollmechanismen eingeführt werden.

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Schwarzmarkt-Devisengeschäfte

Gespeist durch Abwertungsgerüchte und -ängste tritt in den Straßen der chinesischen Großstädte wieder verstärkt ein Phänomen auf, von dem man glaubte, es würde in dieser Größenordnung der Vergangenheit angehören: der illegale Devisenhandel. Auf diesem meist von Uiguren beherrschten Schwarzmarkt werden US-Dollar zu einem Wechselkurs angeboten, der 5 bis 10 Prozent über dem staatlich festgelegten Kurs liegt. Käufer sind in aller Regel Privatpersonen. Auch wenn das Volumen derartiger Transaktionen insgesamt zu vernachlässigen ist, nimmt die chinesische Regierung dieses Signal eines beginnenden Vertrauensverlustes in die eigene Währung sehr ernst. Sie versichert auch der eigenen Bevölkerung immer wieder, eine Abwertung des RMB Yuan werde auf absehbare Zeit nicht erfolgen. Sie hat darüber hinaus verschärfte Kontrollen zur Bekämpfung der Schwarzmarktgeschäfte eingeführt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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