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Ist die Wirtschaft Chinas eine bubble economy?

Die chinesische Wirtschaft weist allenfalls an der Oberfläche, vor allem im Bankenbereich, Strukturähnlichkeiten mit den bubble economies der Region auf. Als frühere Zentralverwaltungswirtschaft, die sich heute in einem Zwischenstadium zwischen Plan- und Marktwirtschaft mit noch ausgeprägten planwirtschaftlichen Bastionen befindet, besteht zu den Wirtschaftssystemen Südost- und Ostasiens, die keinen planwirtschaftlichen Hintergrund haben, ein erheblicher Kontrast. So haben die jeweiligen bubbles gänzlich unterschiedliche Wurzeln. Dennoch wurden immer wieder Strukturähnlichkeiten zwischen China und den asiatischen Krisenländern unterstellt, aus denen sich eine besondere Anfälligkeit Chinas für eine analoge Finanz- und Wirtschaftskrise ableiten ließ.

Die am häufigsten hervorgehobene Gemeinsamkeit liegt im hohen Anteil notleidender und uneinbringlicher Kredite sowohl der chinesischen Staatsbanken als auch der Geschäftsbanken in den Krisenländern. Chinas notleidende Kredite konzentrieren sich auf zwei Bereiche: die Staatsbetriebe und den Immobiliensektor. Ungefähr 70 Prozent des gesamten Kreditvolumens von 7,2 Billionen Renminbi (US-$ 870 Mrd.) des chinesischen Bankensystems wurden von vier als „kommerzielle" Banken ausgewiesenen Staatsbanken vergeben. Staatsunternehmen erhielten ca. 80 Prozent aller Kredite. Vermutlich werden weit über 50 Prozent der chinesischen Staatsbetriebe im Industriesektor nur durch direkte und indirekte Subventionen vor dem Bankrott bewahrt. Vorsichtige Schätzungen besagen, daß verlustbringende Staatsunternehmen mindestens 40 Prozent der Kredite an den Staatssektor auf sich vereinigen. Dies wiederum sind 25 Prozent des Volumens aller von den chinesischen Banken vergebenen Kredite. Darüber hinaus haben auch chinesische Banken – wenn auch in wesentlich geringerem Umfang als in den asiatischen Krisenländern – Anfang der 90er Jahre im eigenen Lande fragwürdige Immobilienprojekte finanziert und damit wesentlichen Anteil an einer innerchinesischen property bubble. Notleidende Kredite an Staatsbetriebe und Immobilienprojekte zusammengenommen belaufen sich auf mindestens 30 Prozent des gesamten Kreditvolumens. In einigen asiatischen Krisenländern ist dieses Verhältnis wesentlich günstiger.

Stellt man die Verschuldungs- und Bankenmisere im chinesischen Staatssektor in den Zusammenhang eines insgesamt nur schwach entwickelten Finanz- und Wirtschaftssystems, das noch einen weiten Weg zu effizienten marktwirtschaftlichen Strukturen zurückzulegen hat, so braucht es in Anbetracht eines chaotischen regionalen Umfeldes nicht viel, um Schlimmes auch für China zu befürchten. Dennoch wird es keinen Kollaps des chinesischen Banken- und Finanzsystems bzw. größerer Teile des Staatssektors insgesamt geben. Nicht nur sorgt die chinesische Regierung mit Finanzspritzen für das Überleben der wankenden Banken und Kreditinstitute und gibt den Gläubigern, wie jüngst bei der aufsehenerregenden Schließung des GITIC in Kanton deutlich wurde, für rechtlich zulässige Forderungen Garantien. Auch ist ein genereller Kollaps deshalb höchst unwahrscheinlich, weil die chinesische Regierung aus den Geschehnissen in der Region Lehren gezogen und energische Gegenmaßnahmen eingeleitet hat.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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