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EU-Ostseepolitik

Es hat mehrere Jahre gedauert, bis Europa den Ostseeraum als eine Region von Bedeutung wahrgenommen hat. Der Systemumbruch in den sozialistischen Staaten, die Norderweiterung der EU, die Verbindung Norwegens mit der EU in der EWG, die Europaverträge mit Polen und den drei Baltischen Staaten sowie das paraphierte Partnerschaftsabkommen mit Rußland sind die neuen politischen Koordinaten im Nordosten des Kontinents und verbinden die Region mit der EU. Vor diesem Hintergrund haben die politischen Akteure des Ostseeraumes die EU seit langem gedrängt, aus ihrer gesamteuropäischen Verantwortung heraus aktiv zur regionalen Entwicklung der Ostseeraumes beizutragen.

In der Ostseeregion trifft die EU auf Mitgliedstaaten und Länder, die eine Mitgliedschaft in der EU anstreben. Die Probleme einer konsistenten EU-Ostseepolitik liegen darin, beide Bereiche in angemessener Weise zu verbinden, die regionale Entwicklung zu fördern und das Engagement der EU nicht nur als Fortsetzung ihrer Politik gegenüber Osteuropa zu betrachten. Dies wird dadurch erschwert, daß die bestehenden Förderinstrumente der EU einerseits auf Erfordernisse innerhalb der Mitgliedstaaten und andererseits auf spezielle Hilfsmaßnahmen in den Nichtmitgliedsländern, in diesem Fall Polen, die Baltischen Republiken und Rußland, ausgerichtet sind. Ein Engagement der EU in der Ostseeregion ist umstritten. Südeuropäische Mitgliedstaaten sehen in der Ostseeregion einen lästigen Konkurrenten. Einen politischen Gegensatz zwischen der Zuwendung der EU zur Ostseeregion oder zur Mittelmeerregion zu konstruieren, greift aber zu kurz. Beide Regionen haben für die Weiterentwicklung Europas ihre spezifische Bedeutung, die weder miteinander verglichen und schon gar nicht gegeneinander aufgerechnet werden sollte.

Mit der Annahme der von der Kommission vorgelegten Leitlinien für ein Konzept der EU für die Ostseeregion durch den Ministerrat im Mai 1995 steht die Ostseeregion auf der Tagesordnung der EU. Die Europäischen Räte von Cannes (Juni 1995) und Madrid (Dezember 1995) haben sich ausdrücklich zu dem Erfordernis, die Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung der Region zu fördern, bekannt. Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung als Zielsetzung unterstreichen, daß die EU ihre Ostseepolitik dazu nutzen möchte, den Heranführungsprozeß der MOE-Staaten an die EU, in der Ostseeregion also Polen und die drei Baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen, zu unterstützen und zu fördern.

Inzwischen hat die Kommission einen Bericht über die gesamten internationalen und nationalen Finanzzuweisungen an den Ostseeraum und im Hinblick auf den Ostseegipfel in Visby eine eigene Baltic Sea Region Initiative vorgelegt. Der Vorschlag, die Kommission als Vollmitglied am Ostseerat zu beteiligen, die Ostseeberichte des Europäischen Parlaments, die Einrichtung einer "Arbeitsgruppe Ostsee" des Ausschusses der Regionen, machen deutlich, daß die EU an der Ostseeregion nicht mehr vorbeigeht.

In ihrer "Ostseeinitiative" begrenzt die Kommission das Engagement der EU zur Förderung der regionalen Entwicklung auf zwei Aufgaben: Festlegung von Entwicklungsprioritäten und Beitrag zur Stärkung der regionalen Koordination und Zusammenarbeit. Die Bereitstellung zusätzlicher Mittel zur Verwirklichung ihrer "Ostseeinitiative" oder eine Überarbeitung der bestehenden EU-Förderprogramme sind nicht vorgesehen. Hinweise auf eine mögliche Erweiterung der EU um Polen und die Baltischen Republiken enthält die vorsichtig formulierte "Ostseeinitiative" ebensowenig wie sie die Bereitschaft erkennen läßt, die Handelskontingente der Länder mit der EU auszuweiten, was zu ihrem Wirtschaftsaufschwung beitragen würde. Zur Umsetzung ihrer Initiative setzt die Kommission, ähnlich wie die Regierungschefs, auf den Demokratisierungsprozeß, auf politische Stabilität und die wirtschaftliche Entwicklung in den Staaten der Region.

Zur Definition von gemeinsamen Entwicklungszielen und Prioritäten fordert die EU Kommission vom Ostseerat, ein Gesamtkonzept für die Ostseeregion vorzulegen, das prioritäre Ziele, einzelne Sektoren, Projekte der Zusammenarbeit, Träger und Finanzierungsmöglichkeiten und die Formen der Beteiligung der regionalen Gebietskörperschaften aufzeigt. Um eine Koordination ihrer eigenen Maßnahmen und die der Regierungen des Ostseeraumes zu erreichen, möchte die Kommission den PHARE Begleitausschuß, dem die EU Kommission und alle Ostseeanrainerstaaten angehören, zu einem gemeinsamen Koordinationsinstrument der EU Ostseepolitik ausbauen.

Zur Förderung der regionalen Entwicklung durch grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit wird die Kommission die bestehenden Förderprogramme PHARE (Hilfsprogramm für die MOE-Staaten), TACIS (Hilfsprogramm für die GUS), INTERREG (Förderung grenzüberschreitender Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten) und BSPF (Baltic Small Projects Facility) einsetzen: Mit der Schaffung des neuen Instrumentes BSPF und INTERREG II C ist ein erster Schritt zu einem einheitlichen EU-Programm für die Zusammenarbeit aller Ostseeanrainer in Ost und West getan worden.

Baltic Small Projects Facility (BSPF): Für eine Pilotphase hat die Kommission hierfür 5 Mio. ECU aus dem EU-Programm ECOS/OUVERTURE bereitgestellt. In diesem Pilotprogramm können Projekte in den Bereichen lokaler und regionaler Demokratieentwicklung, lokaler ökonomischer Entwicklung, städtischer und regionaler Dienstleistung sowie Umwelt- und Energieprojekte gefördert werden. Teilnahmeberechtigt sind Projektpartner aus den EU-Ostseeanrainerstaaten, den Baltischen Republiken sowie aus den polnischen Wojewodschaften an der Ostseeküste.

INTERREG II C: Im Ostseeraum werden die EU-Mitgliedstaaten Deutschland, Dänemark, Schweden und Finnland dieses Programm (1996 bis 1999 31,8 Mio. ECU) gemeinsam nutzen. Eine Beteiligung von Drittstaaten (die Baltischen Republiken, Polen und Rußland) wird aus Mitteln aus den EU Programmen PHARE und TACIS angestrebt. Zusammen mit den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften erarbeiten die Mitgliedsregierungen ein operationelles Programm mit Förderschwerpunkten und Handlungsfeldern. Gefördert werden vor allem Projekte, die die Integrationsdynamik des Ostseeraums stärken. Über die neu zu schaffenden Strukturen und über die Mittelvergabe wird die Kommission noch im Sommer 1996 entscheiden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 1999

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