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2. Zusammenfassung: Der gesetzgebungspolitische Handlungsbedarf

Druck-Ausgabe: Seite 11

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Ausgangspunkt

1. Das Urheberrecht ist ein dem Eigentumsrecht vergleichbares gesetzliches Ausschließlichkeitsrecht mit persönlichkeitsrechtlichen und vermögensrechtlichen Zügen. Es ist daher Grund- und Menschenrecht unter dem Schutz von Art. 1, 2 Abs. 1 und 14 GG. Das Urheberrecht schützt die Schöpfer von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst (von Text, Musik und Bild bis hin zu Datenbanken und Computerprogrammen) sowie eine Reihe von Beteiligten der Kulturwirtschaft (insbesondere ausübende Künstler, Tonträger- und Filmhersteller, Sendeunternehmen).

2. Das Urheberrecht sichert Schöpfern und Produzenten sowohl die Kontrolle als auch die Beteiligung an der wirtschaftlichen Verwertung ihrer geschützten Werke und Leistungen; anders als beim Eigentum an körperlichen Gegenständen steht den Urhebern dabei grundsätzlich das Recht zu, nicht nur die erste, sondern auch jede weitere Werkverwertung zu erlauben oder zu verbieten.

3. Bereits vor der digitalen "Revolution" hat die Urheberrechtsindustrie einen Beitrag von rd. 3% des Bruttosozialproduktes erwirtschaftet; die digitale Immaterialisierung wird zu einem weiteren Anstieg führen. Dem Urheberrecht kommt daher eine (mit) entscheidende Bedeutung für die Sicherung der Arbeitsplätze und den Industriestandort Deutschland zu.

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Probleme der digitalen Werknutzung

4. Digitale Technologie ermöglicht die Kopie geschützter Werke und Leistungen ohne Oualitätsverlust zu geringen Kosten und in kürzester Zeit; hinzu kommt die Anfälligkeit digitaler Datensätze gegen Manipulationen ("Digipulationen") Dritter. Damit entsteht ein Kontrollverlust bei Datensätzen, auf die Dritte - und sei es erlaubterweise - Zugriff nehmen können. Dieser Kontrollverlust ist bei digitalen online Medien (Internet, proprietary Networks, Intranets u.a.) noch erheblich größer als bei digitalen online Medien (Disketten, DAT, CD-ROM, DVD u.a.).

5. Da das deutsche Urheberrechtsgesetz (UrhG) sprachlich an analogen Verwertungstechnologien ausgerichtet ist, bestehen im Hinblick auf die Verwertung in digitaler Form in einigen Fällen Lücken, in vielen Fällen Unsicherheiten. Das gleiche gilt auch auf internationaler Ebene; denn es ist zwar die globale digitale Vernetzung durch die Ubiquität der im Netz eingespeisten Werke gekennzeichnet, ein "Welturheberrecht" jedoch wird es auch in naher Zukunft nicht geben. Da es also bei dem Bündel nebeneinander bestehender nationaler Urheberrechte verbleibt, besteht hier ein weltweiter Harmonisierungsbedarf im Hinblick sowohl auf das materielle Recht als auch auf Fragen des anwendbaren Rechts, der internationalen gerichtlichen Zuständigkeit sowie der Wirkung, Anerkennung und Vollstreckbarkeit inländischer Urteile im Ausland.

6. Aus der Sicht der Rechteinhaber drohen Kontrollverlust und rechtliche Unsicherheit einen Investitionsverlust nach sich zu ziehen. Dies könnte zu einer nicht wünschenswerten Zurückhaltung bei den Investitionen in die digitale Infrastruktur und beim Angebot attraktiver Inhalte fahren. Verstärkt wird die Zurückhaltung in der Praxis noch dadurch, daß sich Art und Ausmaß der Substituierung der analogen durch die digitale Verwertung (die mittel-, wenn nicht gar langfristig nebeneinander bestehen werden) gegenwärtig in vielen Bereichen noch nicht ab-

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sehen lassen. Auseinander gehen die Vorstellungen von Urhebern und Produzenten noch darüber, wie die Rechte innerhalb der Anbieterseite verteilt sein sollten. Entgegen kontinentaleuropäischer - den Urheber als den eigentlichen Schöpfer und als die schwächere Vertragspartei schützender - Tradition wollen Produzenten von den Urhebern idealiter möglichst alle Rechte auf einmal und zentral von einer Stelle erwerben (sog. "buy-out" im sog. "one-stop-shop"). Dagegen sind sich Urheber und Rechteinhaber weitgehend einig in der Forderung nach einer Verstärkung des urheberrechtlichen Schutzes, die den entstandenen Kontrollverlust auszugleichen vermag.

7. Demgegenüber befürchten die Nutzer geschützter Werke und Leistungen, daß sie durch eine solche Verstärkung des rechtlichen Schutzes zunehmend vom Werkgenuß ausgeschlossen werden und daß ihnen der Zugang selbst zu ungeschützten Informationen versperrt wird. Es wird darauf verwiesen, daß eine Ausdehnung des Urheberschutzes weite Teile bislang zustimmungsfreier Handlungen fortan zustimmungspflichtig machen würde. Dem Lager der Nutzer schließen sich insbesondere Bibliotheken an, die ihrem Auftrag entsprechend künftig nicht mehr nur analoge Bücher verleihen, sondern digitale Informationsvermittlung betreiben wollen; damit treten Sie jedoch in direkte Konkurrenz zu den Produzenten (Verlegern). Das gleiche gilt weitgehend auch für unabhängige Informationsdienste, die sich die Vorarbeit Dritter zunutze machen.

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Empfehlungen

8. Eine Anpassung des Urheberrechts an die Herausforderungen der Digitalisierung und Vernetzung sollte sich von folgenden Grundsätzen leiten lassen:

  • entgegen anderslautenden Prognosen (Negroponte) wird das Urheberrecht auch in der digitalen Welt als unverzichtbares Instrument kultureller und wirtschaftlicher Steuerung fortbestehen. Einer grundsätzlich neuen Ordnung der Berechtigungen an den wirtschaftlich und gesellschaftlich bedeutsamen immateriellen Gütern bedarf es nicht;
  • die urheberrechtlichen Unklarheiten sollten beseitigt werden. Im übrigen sollte das Urheberrecht tendenziell eher gestärkt und nicht geschwächt werden; denn ein fehlender oder mangelhafter Urheberschutz hat zur Folge, daß die nötigen Investitionen nicht amortisiert werden können und daher letztlich nicht mehr getätigt werden. Fehlen attraktive Inhalte, so ist jedoch der weitere Ausbau der Infrastruktur der Informationsgesellschaft gefährdet;
  • dennoch dürfte der Kontrollverlust durch eine Stärkung des Urheberrechts nur zum Teil ausgeglichen werden können; im übrigen wird die Antwort auf die Probleme der neuen Technik in der Technik selbst zu suchen sein;
  • die Stärkung des rechtlichen Schutzes und die Förderung technischer Zugangs-, Kontroll- und Abrechnungsmechanismen schließt eine Koexistenz von rechtlich geschütztem und "rechtsfreiem" Raum (wie dem jetzigen Internet) auch in Zukunft nicht aus. Darüber hinaus bedeutet freier Zugang zu Informationen nicht notwendig, daß der Zugang zugleich auch kostenlos sein müßte;
  • schließlich muß man sich bewußt sein, daß der von der Technik ausgelöste Zwang zur weltweiten Rechtsangleichung den Raum für nationale Ordnungspolitik drastisch einschränkt. Das gilt nicht allein für das Urheberrecht, sondern für alle durch die Vernetzung betroffenen Rechtsmaterien. Jeder Versuch der Aufrechterhaltung nationaler Besonderheiten kann nur um den Preis der verminderten internationalen Durchsetzbarkeit erkauft werden.

9. Um einen hinreichenden und angemessenen Urheberschutz zu erlangen, bedarf es demnach dreierlei:

  • zum einen ist der Gesetzgeber aufgerufen, Lücken und Unklarheiten im UrhG zu schließen bzw. zu beseitigen und auf internationaler Ebene aktiv auf eine weltweite Harmonisierung des Urheberrechts hinzuwirken. Mit TRIPS, den beiden WIPO Verträgen (WCT; WPPT) und der EU-Harmonisierung ist hier immerhin ein Anfang für das materielle Recht

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    gemacht. Dabei ist unter Berücksichtigung gewachsener Traditionen in besonderem Maß auf einen ausgewogenen Interessenausgleich zu achten (vgl. im einzelnen Anhang I);

  • zum zweiten sind Initiativen der Rechteinhaber zu fordern, die darauf abzielen, die Information über die Rechtsinhaberschaft an einzelnen Werken zu erleichtern, den Zugang zu verbessern und einen flankierenden technischen Schutz zu schaffen;
  • zum dritten obliegt es der Praxis, urheberrechtliche Verträge an die geänderten technologischen Umstände der Verwertung geschützter Werke und Leistungen anzupassen und dabei neben dem bisherigen Modell der kollektiven auch neuartige Modelle einer zentralisierten Rechtevergabe zu entwickeln.

Druck-Ausgabe: Seite 14 = Leerseite


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1999

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