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TEILDOKUMENT:
2. Neuer medienpolitischer Gestaltungsrahmen Seitenzählung der Druckausg.: 19 Im Übergang zur Informationsgesellschaft vollziehen sich in der Medienlandschaft grundlegende Veränderungen, die herkömmliche Regulierungen in Frage stellen und die Politik zur Reflexion und Innovation bisheriger Ansätze zwingen: Die Digitalisierung ermöglicht eine Fülle neuer Angebote und Nutzungsformen und läßt traditionelle, auf technischen Unterscheidungsmerkmalen basierende Abgrenzungen zunehmend brüchig erscheinen. Im Zuge der Kommerzialisierung der audiovisuellen Medien wird das Kulturgut" Rundfunk zunehmend zur marktgängigen Ware. War und ist Medienpolitik in Deutschland eine primär föderale - und nur in sehr begrenztem Maße auch nationale - Veranstaltung, so führt ein ausgeprägter Trend zur Internationalisierung der Medienmärkte zunehmend zum Auftritt großer, hochkonzentrierter und global agierender Konzerne, deren Operationsgebiet den regionalen Kompetenzbereich der bestehenden Regulierungsinstanzen weit überschreitet. Medienpolitik sieht sich im Ergebnis dieser Veränderungen mit einer neuen Realität konfrontiert: Die Grenzsteine der alten Medienwelten werden virtuell, zementierte Strukturen werden flüssig, Trennwände werden transparent und durchlässig, scheinbar Unvereinbares wird zusammenwachsen" (Wolfgang Clement). Die Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages hat zu diesem Komplex in ihrem ersten Zwischenbericht Meinungsfreiheit, Meinungsvielfalt, Wettbewerb - Rundfunkbegriff und Regulierungsbedarf bei den Neuen Medien" vom Oktober 1996 ausführlich Stellung genommen, ohne dabei in zentralen Punkten - z.B. hinsichtlich der Zukunftsaufgaben und Entwicklungsperspektiven des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - Konsens erzielen zu können. Mit den zum 1. August 1997 in Kraft getretenen Regelungswerken des Mediendienstestaatsvertrags der Länder und des Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes des Bundes wurde ein erster Versuch zur regulatorischen Abgrenzung von Tele- und Mediendiensten unternommen, der jedoch, wie sich bereits heute zeigt, kaum Ewigkeitswert" reklamieren kann. Erste Erfahrungen im praktischen Umgang mit dem Ordnungsrahmen in der ersten Jahreshälfte 1998 lassen nämlich tendenziell erkennen, daß im Zuge der bisherigen Ordnungspolitik ein immenses Ordnungsgebilde errichtet werden muß, das an die Grenzen der Praktikabilität stoßen könnte. Es konnte nicht die Intention aller Reformbestrebungen sein, daß über die Chancen neuer Märkte vor allem die Gerichte zu befinden haben. Eine neue ganzheitliche Politik könnte darin bestehen, statt eines - jeweils an die neuen Entwicklungen anzupassenden - Ordnungsrahmens einen Gestaltungsrahmen zu ziehen, der mithilfe von normativen Eckpunkten den Weg für die zukünftigen Entwicklungen markiert. Es gibt deutliche Hinweise darauf, daß sich im gegebenen Ordungsrahmen die notwendigen technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Elemente der künftigen Infrastruktur nicht gedeihlich entwickeln. Infrastrukturen bestehen immer aus Technik, Organisation und Umgangskompetenz. Es war ein großer Fehler der politischen und ökonomischen Diskussion der achtziger Jahre, den Infrastrukturbegriff auf die Technik zu reduzieren, etwa auf die Fragen von Netzen und Endgeräten. Was in den Jahrzehnten zuvor als Erfolgsmodell erschien, nämlich die systematische Verkabelung für den Telefondienst als Vorleistung für dessen späteren Erfolg, konnte schon aus den Ergebnissen der Kommission für den Ausbau des Technischen Kommunikationssystems (Witte 1973-1976) für alle Anwendungen über das klassische" Telefonieren hinaus deutlich als defizient erkannt werden. Aber nicht nur in der Individualkommunikation, sondern auch und gerade beim Rundfunk (Radio und Fernsehen) war schon nach der Aufbauphase der flächendeckenden Vollversorgung deutlich, daß es mit der Infrastrukturlokomotive Technik" allein nicht mehr getan sein konnte. Man denke daran, wie vieler oberster Gerichtsentscheidungen und wie vieler Ministerpräsidentenbeschlüsse es bedurfte, um auch nur zusätzliche Pro- Seitenzählung der Druckausg.: 20 gramme so in unsere gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung zu etablieren, daß die Rahmenbedingungen für alle Beteiligten erträglich und für unsere gesellschaftlichen Strukturen noch verträglich bleiben konnten. Das Rahmenwerk für das 21. Jahrhundert muß zukunftsgerichtet sein. In jüngster Zeit hat sich die medienpolitische Debatte - nicht zuletzt aufgrund der Entwicklungen und Kontroversen im Bereich des digitalen Fernsehens - weiter intensiviert. Spätestens mit der Vorlage des EU-Grünbuchs zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologien und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen" im Dezember 1997 ist deutlich geworden, daß der Medien- und Kommunikationssektor im europäischen, aber auch im nationalen Kontext vor einer tiefgreifenden Neuordnung steht. Medien- und Kommunikationspolitik wird in naher Zukunft entscheidend durch das Thema Konvergenz" geprägt sein. Dabei stellt sich die Frage, ob auf das technische Zusammenwachsen und die ökonomische Annäherung von Medien, Telekommunikation und Informationsverarbeitung zwingend die Integration bisher getrennter Regulierungsregime folgen wird. Die EU-Kommission dürfte nach Abschluß der Konsultationsphase zum Grünbuch in den nächsten Monaten entsprechende politische Initiativen ergreifen.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im dualen System" - ein Modell mit Zukunft Öffentlich-rechtlicher Rundfunk hat auch in der neuen Medienlandschaft des 21. Jahrhunderts ei-nen unverzichtbaren, verfassungsrechtlich legitimierten und geforderten Grundversorgungsauftrag. Dieser umfaßt die flächendeckende Verbreitung von Programmen, ein inhaltlich umfassendes und qualitativ hochwertiges Angebot und die Wahrnehmung einer demokratie- und kulturstaatlichen Aufgabe. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht deshalb nicht zur Disposition, sondern muß in seinen Entwicklungsperspektiven gesichert bleiben. Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen:
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Neue Kooperationen im Bund-Länder-Gefüge Klare und tragfähige Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen Bund und Ländern in der Medienpolitik, wie sie im Nebeneinander von Mediendienstestaatsvertrag und IuK-Dienstegesetz noch einmal für eine begrenzte Übergangszeit versucht worden sind, dürften in naher Zukunft zunehmend weniger möglich sein. Dies macht eine neuen kooperativen Föderalismus" in der Medienpolitik erforderlich, der zu neuen institutionellen Formen der Zusammenarbeit im Bund-Länder-Gefüge führen sollte. Bund und Länder werden sich auch deshalb in diesem Politikfeld neu und gemeinsam positionieren müssen, um Deutschland in einem zunehmend durch Kompetenzen der Europäischen Union bestimmten Regulierungsumfeld eine innovative und einflußreiche Rolle zu sichern.
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© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999 |