CENSORSHIP POSTAL PERMIT B 9692 |
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SOZIALISTISCHE MITTEILUNGEN News for German Socialists in England |
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This newsletter is published for the information of Social Democratic
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Nr. 72 - 1945 |
März |
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Ueber die Zukunft Deutschlands
wird in der Erklärung von Jalta[1]
von den drei Grossmächten gesagt:
"Nazi-Deutschland ist dem Untergang geweiht. Das deutsche Volk wird seine Niederlage nur noch schwerer gestalten, wenn es versucht, den hoffnungslosen Widerstand fortzusetzen.
Wir haben uns auf eine gemeinsame Politik und auf gemeinsame Pläne geeinigt, die bedingungslose Uebergabe Nazi-Deutschlands zu erzwingen, deren Modalitäten wir festsetzen werden, sobald der bewaffnete Widerstand Deutschlands endgültig zerschlagen ist. Die Bedingungen werden nicht bekanntgegeben werden, bevor die endgültige Niederlage Deutschlands herbeigeführt ist.
Nach den vereinbarten Plänen werden die Truppen der drei Mächte je eine separate Zone Deutschlands besetzen. Der Plan sieht vor, dass eine koordinierte Verwaltung und Kontrolle durch eine zentrale Kontrollkommission ausgeübt wird, die aus den Oberbefehlshabern der drei Mächte besteht und ihren Sitz in Berlin haben wird. Es besteht Einigkeit darüber, dass Frankreich von den drei Mächten eingeladen werden soll, wenn es den Wunsch haben sollte, eine Besatzungszone zu übernehmen und als vierte Macht der Kontrollkommission beizutreten. Die Abgrenzung der französischen Zone wird von den vier beteiligten Regierungen durch ihre Vertreter in der Europa-Kommission vereinbart werden.
Es ist unser unumstössliches Ziel, den deutschen Militarismus und den Nationalsozialismus zu zerstören und die Sicherheit zu schaffen, dass Deutschland nie wieder in der Lage sein wird, den Weltfrieden zu stören.
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Wir sind entschlossen: alle bewaffneten deutschen Streitkräfte zu entwaffnen und aufzulösen;
für alle Zeiten den deutschen Generalstab zu beseitigen, der immer wieder die Auferstehung des deutschen Militarismus ins Werk gesetzt hat;
die gesamte militärische Ausrüstung Deutschlands zu beschlagnahmen oder zu zerstören;
diejenigen deutschen Industrien, die für die Rüstungszwecke dienen könnten, zu beseitigen oder unter Kontrolle zu stellen;
alle Kriegsverbrecher schnellstens vor Gericht zu stellen und zu bestrafen und die entsprechende Wiedergutmachung aller durch die Deutschen verursachten Zerstörungen herbeizuführen;
die Nazipartei, Nazigesetze, Organisationen und Einrichtungen auszulöschen;
alle nationalsozialistischen und militärischen Einflüsse auf öffentliche Aemter und das kulturelle und wirtschaftliche Leben des deutschen Volkes zu beseitigen;
in gegenseitigem Einverständnis alle anderen Massnahmen in Deutschland zu ergreifen, die für die Zukunft des Friedens und der Sicherheit der Welt notwendig sind.
Es ist nicht unsere Absicht, das deutsche Volk zu vernichten, aber nur, wenn der Nationalsozialismus und Militarismus ausgerottet sind, besteht für die Deutschen Hoffnung auf ein anständiges Leben und auf einen Platz innerhalb der Gemeinschaft der Nationen.
Wir haben die Frage des von Deutschland in diesem Krieg den alliierten Nationen zugefügten Schadens untersucht und halten es für gerecht, dass Deutschland verpflichtet werden soll, diesen Schaden in grösstmöglichem Ausmass wiedergutzumachen. Eine Wiedergutmachungskommission wird eingesetzt werden. Diese Kommission wird den Auftrag erhalten, die Frage des Ausmasses und der Methoden für die Wiedergutmachung von Schäden zu prüfen, die von Deutschland in den alliierten Ländern angerichtet worden sind. Die Kommission wird ihren Sitz in Moskau haben."
Zwischen Jalta und San Francisco
Ueber dies[es] Thema spricht Erich Ollenhauer Sonnabend, den 17. März 1945 ab[en]ds 7 Uhr, in einer Mitgliederversammlung der "Union" im Austrian Labour Club, London N.W.6.
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Die Neuwahl des Londoner Ausschusses der SPD
erfolgte in der Jahres-Versammlung der registrierten SPD-Mitglieder in London am 17. Februar 1945. Wilh. Sander erstattete den Jahresbericht, in dem er über die Mitgliederbewegung, die Finanzlage, die Veranstaltungen der Partei und die Tätigkeit des Londoner Ausschusses und die politischen und organisatorischen Aktivitäten berichtete. Der Bericht wurde nach kurzer Aussprache zustimmend zur Kenntnis genommen. Die Neuwahl des Ausschusses erfolgte einstimmig. Aus beruflichen Gründen musste Herta Gotthelf ausscheiden. Diese Stelle wurde auf Vorschlag Herman Meyers durch Möller-Dostali besetzt. Der Londoner Ausschuss der SPD setzt sich für das Jahr 1945 wie folgt zusammen: Wilh. Sander (Vorsitzender), Gerh. Gleissberg, Fritz Segall, Kurt Weckel, Heinr. Sorg, Paul Heide, Rud. Möller-Dostali, Erich Ollenhauer und Hans Gottfurcht.
Totentafel |
Paul Junke, ehemaliger Bezirks-Sekretär der SPD und MdR für Braunschweig, verstarb nach längerer schmerzhafter Krankheit am 5. Februar 1945 in Basel. Als Stadtrat und Landtagsabgeordneter leistete er fruchtbare Arbeit in Braunschweig.[2]
Wilhelm Pargmann starb am 4. Dezember 1944 in der Emigration in Basel. In Stettin entwickelte er den dortigen Parteiverlag und die Druckerei der Zeitung "Volksbote" zu einem der besten Parteiunternehmen. P[argmann] gehörte der deutschen Nationalversammlung und dem Preussischen Staatsrat an. Die Nazis nahmen ihn längere Zeit in Haft. Später gelang es ihm, [in die] Schweiz zu flüchten.[3]
Oskar Skaller, ein aus Schlesien stammender alter Berliner Parteigenosse, der in der Konsumgenossenschaftsbewegung zu Anfang des Jahrhunderts tätig war, ist im Herbst 1944 in Johannesburg, Südafrika, als Siebzigjähriger verstorben. Mit einer Reihe führender Genossen seiner Generation war [S]k[aller] persönlich befreundet. Als im März 1920 Otto Wels wegen seiner Ausrufung des Generalstreikes gegen Kapp-Lüttwitz von den Rebellen gesucht wurde, fand er während der kritischen Tage in der Charlottenburger Wohnung Skallers Unterschlupf[4].
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Welt-Gewerkschafts-Konferenz in London 1945
Ich[5] habe der Welt-Konferenz vom 6. bis 17. Februar 1945 als Besucher beiwohnen können, und ich will den Versuch machen, ein Stimmungsbild von der Konferenz zu geben und ihre wichtigsten Beschlüsse zu erläutern.
41 Länder mit 55 Organisationen waren vertreten; hierzu kommen die 13 internationalen Berufssekretariate[6], der IGB, die Lateinamerikanische Föderation7 und die Christliche Gewerkschafts-Internationale8. Man schätzt, dass etwa 60 Millionen organisierte Gewerkschafter vertreten waren.
Die geistige Struktur der Konferenz
ergab sich aus der Vielfalt der Delegationen und den erkennbar werdenden verschiedenartigen politischen und ideologischen Konzeptionen.
Der Britische Gewerkschaftsbund und einige Organisationen der britischen Völkerfamilie waren typisch für die Gruppe von Organisationen, deren Zugehörigkeit und Treue zum IGB und [zu] den Berufssekretariaten nicht nur eine Angelegenheit der Vergangenheit, sondern auch ein fundamentaler Beitrag bei der Grundsteinlegung jeder neuen internationalen Zusammenfassung sein wird.
Der Russische Gewerkschaftsbund verkörperte in seiner Delegation den Willen einer machtvollen Bewegung, aktiv in der Welt-Gewerkschafts-Bewegung mitzuarbeiten und sich nicht durch weltanschauliche oder politische Meinungsverschiedenheiten von diesem Ziel abbringen zu lassen.
Der "Congress of Industrial Organisations" (CIO) Nord-Amerikas, der bekanntlich 1935/36 durch Loslösung von der "American Federation of Labor" (AFL) entstanden ist, demonstrierte seine erste unmittelbare Zusammenarbeit im internationalen Feld. Die von dem CIO auf der Konferenz betriebene Politik war ausgerichtet auf die Schaffung eines neuen Welt-Gewerkschaftsbundes, sie nahm jedoch vorsichtig darauf Bedacht, die Beziehungen auch zu all denen günstig zu gestalten, die infolge ihrer alten internationalen Beziehungen den Problemen nüchterner gegenüber standen. Unverkennbar war auch das Bestreben, die Tür offen zu halten für die Einbeziehung der "American Federation of Labor" in neue Kombinationen.
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Frankreich war - wie andere Länder - nicht nur durch freie, sondern auch durch christliche Gewerkschafter vertreten. Die Delegation des freien französischen Gewerkschaftsbundes (CGT) spiegelte die Tatsache wieder, dass Frankreich sich politisch und gesellschaftlich "im Umbruch" befindet. Der CGT, eine alte Mitglieds-Organisation des IGB, gehört trotzdem zu den stärksten Kräften, die etwas Neues schaffen wollen.
Die lateinamerikanischen Gewerkschaften sind typische Ausdrucksformen junger, schnell gewachsener, einflussreicher und von Traditionen wenig belasteter Organisationen. Sie gehören, wie der Russische Gewerkschaftsbund, wie der CIO und wie einige andere Verbände zu der grossen Gruppe derer, die bisher keine oder geringfügige Beziehungen zum IGB und den Berufssekretariaten hatten und die demzufolge völlig ausgerichtet waren auf die Schaffung eines in jeder Beziehung neuen Weltbundes.
Die Kolonial-Gewerkschaften fallen in eine andere Kategorie. Es war ein für jeden echten Internationalisten erhebendes Bild, unsere Gewerkschaftsfreunde schwarzer Hautfarbe gleichberechtigt neben den Vertretern der weissen Kontinente zu sehen. Es ist verständlich, dass die Sorgen der Kolonial-Gewerkschaften auf anderer Ebene liegen als die Probleme hochentwickelter Industriestaaten. Die Eingliederung in die grosse Familie aller Gewerkschaften und die Erkämpfung gleicher Rechte für alle Menschen ohne jeden Unterschied, sind die Hauptwünsche kolonialer Gewerkschafts-Vertreter.
Der heroische Kampf Chinas und die Rolle der chinesischen Arbeiter fanden lebendigen Ausdruck, und die Darstellungen hierüber sorgten dafür, dass nicht nur vom europäischen Krieg und [von] europäischen Problemen die Rede war.
Die neutralen Länder waren vertreten. Die Schweiz und Schweden hatten ihre Vertreter entsandt; Irland fungierte als Neutraler, der Delegierte wies jedoch darauf hin, dass der Irische Gewerkschaftsbund nicht in Nord und Süd gespalten sei und dass er demzufolge teilweise ein kriegführendes und teilweise ein neutrales Land vertrete; die Spanier fungierten als Neutrale, sie verwehrten sich hiergegen mit dem Hinweis, dass Franco-Spanien ein Feind der Freiheit sei und dass spanische Gewerkschafter nach wie vor sich als mit ihm im Kriege befindlich betrachten.
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Christliche Gewerkschafter waren aus Frankreich, Belgien, Jugoslawien und anderen Ländern erschienen. Die Christliche Internationale war offiziell nicht in dieser Eigenschaft vertreten, machte aber wiederholt ihre Auffassungen geltend, begünstigt durch den Umstand, dass sich in der französischen und belgischen Delegation einige ihrer prominenten Funktionäre befanden. Obwohl die Auffassung über die Frage, wie die Zusammenarbeit oder Zusammenfassung oder Schaffung organisatorischer Einheit freier und christlicher Gewerkschafter [geschehen soll], in den einzelnen Ländern und Organisationen auseinander geht, der Wille und die Entschlossenheit, zu einer Einheit zu kommen, waren unverkennbar.
Der Internationale Gewerkschaftsbund und die Berufssekretariate manifestierten ihren Willen, zur Schaffung einer neuen, weltweiten Internationale nach besten Kräften beizutragen. Sie kamen nicht in der Absicht, an alten Formen bedingungslos festzuhalten. Ihre Auffassung, dass das Neue erst erfolgreich geschaffen sein muss, ehe man dem Alten Lebewohl sagen kann, fand in den schliesslich gefassten Beschlüssen Ausdruck.
Diese ungeheure Demonstration der weltweiten Bedeutung des Gewerkschaftsgedankens konnte auch dadurch nicht abgeschwächt werden, dass
ihren offenen oder versteckten Ausdruck fanden. Kein Wort ist notwendig, um die Bedeutung der Spaltung der nordamerikanischen Bewegung in CIO und AFL zu illustrieren. Die Aufspaltung der spanischen Emigrationsgruppen von Gewerkschaftern in rivalisierende Gruppen, die Existenz zweier indischer Verbände, von denen der eine uneingeschränkt für den Kriegseinsatz eintritt und [der] andere mehr von national-indischen Gedanken geleitet ist, der schwere Konflikt zwischen jüdischen Gewerkschaften und arabischen Verbänden in Palästina, dies sind nur einige der zu Tage getretenen Spannungen. Optimisten glaubten auf der Konferenz, dass das allgemeine Bedürfnis nach Einigkeit schliesslich auch diese, im Verhältnis zum Gesamtproblem klein erscheinenden Streitfälle lösen würde.
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Präsidium, geschäftsordnungsmässige Fragen
Die Konferenz wählte sich 3 Präsidenten, und zwar G. A. Isaacs[9] vom britischen Gewerkschaftsbund (TUC), R. J. Thomas10 vom amerikanischen CIO, V. V. Kuznetsow11 vom Russischen Gewerkschaftsbund, sowie 3 Vizepräsidenten, und zwar L. Saillant12 von [der] französischen CGT, Chu Hsuch Fan13 vom Chinesischen Gewerkschaftsbund und V. L. Toledano14 von der Lateinamerikanischen Föderation. Das Sekretariat der Konferenz war in den Händen von Walter Citrine, dem Generalsekretär des britischen TUC, der bekanntlich auch Präsident des IGB ist.
Die Tatsache, dass der TUC alleiniger Einberufer der Konferenz war und dass demzufolge der grösste Teil aller technischen Vorbereitungen in seinen Händen gelegen hatte, machte es unvermeidlich, dass einige geschäftsordnungsmässige Fragen der hierfür eingesetzten Kommission nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereiteten, obwohl im Dezember 1944 und am Tage vor Konferenzbeginn ein aus britischen, russischen und amerikanischen Vertretern bestehendes Vorbereitungskomitee die Lösung der meisten Punkte versucht hatte. Stark umstritten war die Frage, ob es sich um eine beratende oder beschliessende Konferenz handeln sollte. Die Vertreter Russlands, Frankreichs, beider Amerikas u.a. legten Wert auf Beschlüsse. Der TUC führte die Gruppe derer, die es ablehnten, bindende Beschlüsse zu fassen. Sie argumentierten, dass nur allgemeine Uebereinstimmung sinnvoll sei und dass Mehrheitsabstimmungen der erstrebten Einheit nur schaden könnten. Der CIO bemühte sich um ein[en] Kompromiss, [der] dann auch zustande kam. Es blieb beim Prinzip der Notwendigkeit allgemeiner Uebereinstimmung. Mehrheitsabstimmungen waren zugelassen, falls ein Drittel aller Delegationen bereit war, einen Antrag zu unterstützen. Dieser Fall trat während der ganzen Konferenz nicht ein, und alle Beschlüsse, insbesondere die 4 grossen Entschliessungen, wurden einstimmig gefasst.
Eine andere Streitfrage entstand aus dem Vorschlag der Geschäftsordnungskommission, die ehemals feindlichen Länder Finnland, Italien, Bulgarien und Rumänien einzuladen. Die Befürworter meinten, dass dies eine grosse Ermutigung für die jungen Bewegungen sei.
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Die Gegner des Vorschlages wiesen darauf hin, dass die Zeit zu kurz war, um festzustellen, ob diese neuen Verbände wirklich bona-fide-Gewerkschaften seien oder nicht. Auch hier kam es zu einem Kompromiss. Die Einladungen wurden abgeschickt, und es blieb der Prüfung nach Ankunft der Delegationen vorbehalten zu entscheiden, ob die Zulassung als Delegierte oder als Beobachter erfolgen sollte. Die finnische Delegation kam am vorletzten Konferenztag an, ein Delegierter sprach wenige Worte des Dankes und der Begrüssung und fand von der Konferenz einen warmen Empfang. Es war wiederholt betont worden, dass es nicht so sehr auf das rechtzeitige Eintreffen der Delegationen, umso mehr aber auf die symbolische Bedeutung der Tatsache ankomme, auch die Gewerkschaften ehemals feindlicher Länder wieder in die Familie der Gewerkschafts-Bewegungen einbezogen zu haben. Der Franzose Saillant sagte in seiner Begründung mit besonderem Hinweis auf Italien, aber zugleich zur allgemeinen Nutzanwendung, dass "seine Delegation es ablehne, die Arbeiterklasse irgend eines Landes zu identifizieren mit der faschistischen Diktatur, die ihr Land beherrscht habe".
Meinungsverschiedenheiten entstanden auch über die vorgeschlagene zusätzliche Einladung polnischer Gewerkschafter aus den befreiten Teilen Polens. Eine Einladung war nicht zu erzielen und die Konferenz akzeptierte schliesslich den Vorschlag der Geschäftsordnungs-Kommission, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Die polnische Gewerkschafts-Bewegung war somit nur durch die Gewerkschaftsgruppe in London vertreten.
Schliesslich wurde im Plenum durch Citrine die von der Geschäftsordnungs-Kommission vorgeschlagene Zusammensetzung von Unterkommissionen kritisiert, da der IGB in manchen dieser Kommissionen dem Vorschlag zufolge nicht vertreten gewesen wäre. [Der] hier gefundene Kompromiss beliess es zwar bei der vorgeschlagenen Zusammensetzung von Kommissionen, ermächtigte diese aber, sich zu ergänzen.
Bedeutungsvolle Reden und Ereignisse
Der britische Ministerpräsident Winston Churchill hatte zugesagt, zur Konferenz zu sprechen. Das zeitliche Zusammentreffen mit der Jalta-Konferenz machte es unmöglich, so dass Walter Citrine einen Brief von ihm zur Verlesung
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brachte und der stellvertretende Ministerpräsident Clement Attlee an seiner Stelle sprach.
Namens der Gross-Londoner Munizipal-Verwaltung, in deren Parlamentssaal die Konferenz stattfand, begrüsste Dr. Sommerville Hastings[15] die Konferenz. Walter Citrine sprach gelegentlich eines Essens des Vereins Ausländischer Presse, der Arbeitsminister Ernest Bevin sprach bei einem Frühstück, veranstaltet vom TUC.
Die Vorsitzende der Labour Party, Ellen Wilkinson, und die amerikanischen Delegierten Hillmann[16] und Carey[17] sprachen gelegentlich eines Tees, veranstaltet vom Internationalen Bureau der Fabian Society.
Die Präsidenten und Vizepräsidenten wurden vom König und der Königin empfangen.
Nach Bekanntwerden der Resultate der Jalta-Konferenz wurden Telegramme an Präsident Roosevelt, Ministerpräsident Churchill und Marshall Stalin gesandt. An alle Heerführer der alliierten Armeen wurden im Verlauf der Konferenz gleichfalls Telegramme zur Absendung gebracht.
Raumgründe verbieten es, bei der Behandlung der 4 wichtigen Tagesordnungspunkte auf Einzelheiten in der Diskussion einzugehen, abgesehen von einigen besonders bedeutsamen Bemerkungen. Die Beratung jedes Punktes der Tagesordnung fand ihren vorläufigen Abschluss mit der Einsetzung einer Kommission, die den Auftrag hatte, eine Entschliessung vorzulegen.
"Förderung des alliierten Kriegseinsatzes"
(Furtherance of the Allied War Effort) lautete der erste Tagesordnungspunkt. Kuznetsow für die Russen, Deakin für die Engländer und Robinson[18] für die Amerikaner, Chu Hsuch Fan für die Chinesen, Dupuy19 für die Franzosen und Sprecher vieler anderer, grosser und kleiner Länder hatten in eindringlichen Worten die Leistungen ihrer Länder dargelegt. Eine ausführliche Entschliessung schildert das Erreichte, dankt allen denen, die hierzu beigetragen haben, verpflichtet die Arbeiter aller Länder, mit aller Energie bis zum Endsieg weiterzukämpfen und zu arbeiten, und stellt die Mindestforderungen dar, die für die politische und soziale Gestaltung der Nachkriegswelt aufgestellt werden müssen.
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Die Entschliessung zu Punkt 1 der Tagesordnung
wendet sich an die Regierungen der alliierten Nationen mit dem Ersuchen, die Beziehungen wirtschaftlicher und sonstiger Art mit Franco-Spanien, Argentinien[20] und anderen faschistischen Ländern neu zu überprüfen, da diese unter dem Vorwand der Neutralität dem Feinde Hilfe bringen. Energische Schritte werden gefordert, neutrale Länder wie Schweden und die Schweiz daran zu hindern, weiterhin Hitler-Deutschland mit Lebensmitteln und Rohmaterialien zu beliefern, und von ihnen zu verlangen, dass sie Kriegsverbrechern keine Zuflucht gewähren werden. Die Entschliessung endet mit dem Hinweis, dass die Einigkeit der Vereinigten Nationen die Grundlage für den Sieg im Kriege ist und dass die Fortsetzung der Einigkeit und insbesondere die Einigkeit der Arbeiter allen friedliebenden Völkern den gerechten und dauernden Frieden garantieren wird, der alleine die Anstrengungen und Opfer rechtfertigen wird, die dieser Krieg gefordert hat.
Einstellung der Gewerkschaften zur Friedensgestaltung
(Trade Union Attitude to the Peace Settlement) war der zweite Tagesordnungspunkt. Die einleitenden Ausführungen machte Walter Citrine vom britischen TUC.
An der Aussprache beteiligten sich Delegierte aus Russland, Indien, Palästina, Nord- und Latein-Amerika, Frankreich, Polen, China, Belgien, Zypern, Jamaika, Jugoslawien und Kanada. Die einstimmig angenommene
Entschliessung zu diesem Punkt
ist ein Dokument von 5 engbedruckten Seiten und ist in 33 Abschnitte unterteilt. Die einleitenden 6 Abschnitte beschäftigen sich mit dem bisherigen Verlauf des Krieges und mit der Notwendigkeit, nicht nachzulassen in der jetzt begonnenen letzten Phase des Kampfes gegen die Angreifer. Allen denen, die gekämpft und gelitten haben, wird Tribut gezollt. Der 6. Absatz dieser Entschliessung endet mit dem Satz:
"Der Krieg ist vom arbeitenden Volk durchgekämpft worden, und Frieden kann nicht organisiert werden ohne seine Mitarbeit und wirkungsvolle Anteilnahme an den Beratungen der den Frieden gestaltenden Regierungen."
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Die Erklärungen, die nach der Jalta-Konferenz
veröffentlicht wurden, werden in den Abschnitten 7 und 8 begrüsst und bringen das Vertrauen in die Besatzungsbehörden zum Ausdruck, dass diese alle Schritte ergreifen werden, um Deutschland zu entwaffnen, die bewaffneten Kräfte aufzulösen, den Generalstab für alle Zeiten zu beseitigen, die militärischen Ausrüstungen Deutschlands zu beseitigen oder zu zerstören und schliesslich solche Industrien in Deutschland auszumerzen oder unter alliierte Kontrolle zu bringen, die für Kriegszwecke Verwendung finden können. Die Abschnitte 9-13 beschäftigen sich mit den lebenswichtigen Gewerkschafts-Interessen, die bei der Entwaffnung und Entmilitarisierung Deutschlands eine Rolle spielen. Abschnitt 9 stellt eine Anzahl von Forderungen auf.
Alle Kriegsverbrecher müssen der Gerechtigkeit zugeführt werden. Diesem Satz wurde ein weiterer Halbsatz auf Antrag hinzugefügt, wonach in diese Kategorie nicht nur die direkten Kriegsverbrecher, sondern auch alle diejenigen Nazis gehören, die sich irgendwelcher Greueltaten schuldig gemacht haben. Die Abänderung des Satzes erfolgte auch, um die Schandtaten deutscher Nazis gegen deutsche Anti-Nazis zu erfassen. Der Abschnitt verlangt weiter die völlige Liquidierung des Nazi-Systems, die Auflösung aller Nazi-Organisationen und die Beschlagnahme ihrer Vermögenswerte. Es wird verlangt, dass nicht nur die deutsche Schwerindustrie, sondern auch das Transport-System, Banken, sowie landwirtschaftliches und anderes Eigentum, das sich im Besitz von Trusten, Kartellen, Finanzgewaltigen und Junkern befindet, unter alliierte Kontrolle gestellt wird. Die deutsche Industrie und sonstige deutsche Hilfsquellen sollen für die Wiederaufrichtung aller geschädigten Länder Verwendung finden, und eine Maschinerie soll geschaffen werden zur Sicherstellung voller Wiedergutmachung der Schäden, die in anderen Ländern durch Zerstörung und Plünderung angerichtet wurden. Die Länder, die am meisten litten, sollen Vorrang geniessen nicht nur in der Wiedergutmachung, sondern auch bei der aktiven Teilnahme an der Besetzung und den durchzuführenden Kontrollmassnahmen. Abschnitt 10 verlangt, dass bei allen diesen Dingen die Stimme der Gewerkschaften zur Geltung kommen muss. In Abschnitt 11 wird u.a. ausgeführt, dass im Falle einer
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Verwendung deutscher Arbeitskräfte
beim Wiederaufbauwerk, dies unter internationaler Kontrolle, an der auch Gewerkschaften teilnehmen, erfolgen muss. Die Arbeitsbedingungen müssen so gestaltet werden, dass sie die Lebensbedingungen anderer Arbeiter nicht herabdrücken. Es muss dafür gesorgt werden, dass Arbeit dieser Art nicht zu einer Art von Sklavenarbeit herabgewürdigt wird. Die Abschnitte 12 und 13 sind von solcher Bedeutung, dass eine annähernd wörtliche Wiedergabe erforderlich ist. Abschnitt 12 besagt:
"Verbunden mit solcher notwendigen Organisation der deutschen Arbeiter ist die Aufgabe der vollständigen und unwiderruflichen Auflösung der Deutschen Arbeitsfront und - unter internationaler Gewerkschafts-Ueberwachung - die Aufrichtung einer demokratischen Gewerkschafts-Bewegung in Deutschland so schnell wie möglich während der Periode der Besatzung."
Es verlohnt sich darauf hinzuweisen, dass von einer "demokratischen Gewerkschafts-Bewegung" die Rede ist; nach allgemeinem Sprachgebrauch schliesst das Wort "demokratische Bewegung" den Begriff der selbständigen Bewegung ein. Es sei auch darauf hingewiesen, dass von Ueberwachung und nicht von Kontrolle die Rede ist.
Abschnitt 13 besagt:
"Die Welt-Konferenz besteht darauf, Gewerkschaftsfonds und Vermögenswerte, die den Arbeitern von den Nazis weggenommen wurden, sichergestellt und zur Verfügung der Gewerkschaften derjenigen Länder gestellt werden müssen, denen sie weggenommen wurden, um benutzt zu werden zur Wiederaufrichtung freier und demokratischer gewerkschaftlicher Organisationen."
Auch hier ist der Hinweis am Platze, dass alle Länder in Betracht zu ziehen sind, in denen die Nazis die Arbeiter-Bewegung ausgeplündert haben.
Abschnitt 14 verlangt strenge Bestrafung aller Kriegsverbrecher, ohne hierbei Rachegelüste zur Geltung kommen zu lassen.
Die Abschnitte 15 und 16 beschäftigen sich mit der Hilfe, die die Gewerkschafts-Bewegung zu geben in der Lage und bereit ist, sowohl auf dem Gebiet der Erziehung als auf dem Gebiet der Propaganda, Literatur, Presse etc.
In dem dann folgenden Teil der Entschliessung melden die Gewerkschaften der Welt ihre Ansprüche an, in allen internationalen Konferenzen vertreten zu sein, ohne Rück-
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sicht darauf, ob es sich um wirtschaftliche, soziale, politische, finanztechnische, Wohlfahrts- oder sonstige Probleme handeln möge. Es wird der Anspruch geltend gemacht, auf der bevorstehenden Konferenz in San Franzisko vertreten zu sein, in allen etwa folgenden Konferenzen und schliesslich auf der Friedenskonferenz selbst. Die Entschliessung erwähnt die Atlantic-Charter, die Konferenzen von Moskau, Teheran und Jalta, sie erwähnt die Notwendigkeit weiterzuarbeiten an der Beseitigung von Tyrannei, Sklaverei, Unterdrückung, Unduldsamkeit in Fragen der Rasse und Religion und auf vielen anderen Gebieten. Die Entschliessung verlangt in Abschnitt 21, dass kein Staat Anerkennung finden darf, dessen politisches und wirtschaftliches System den Prinzipien widerspricht, die in den oben erwähnten Erklärungen und Konferenzen ihren Niederschlag fanden.
Militarismus und Faschismus müssen überall ausgerottet werden, kein Land darf hiervon ausgenommen sein. Nachdem in Abschnitt 22 die baldige Errichtung der Sicherheits-Organisation gemäss den Vorschlägen von Dumbarton Oaks verlangt wird, sagt Abschnitt 23 etwa wörtlich:
"Die Beseitigung der wirtschaftlichen Ursachen des Krieges ist eines der wichtigsten Probleme, dem die Weltkonferenz überragende Bedeutung beilegt. Die Gewerkschaftsbewegung kann nicht vergessen, dass eine der grundlegenden Kriegsursachen in dem Kampf um Märkte durch Monopolinteressen liegt."
Der Abschnitt 26 beschäftigt sich mit den Leiden des jüdischen Volkes und den notwendigen Wiedergutmachungen sowie Schutzmassnahmen. Der Abschnitt empfiehlt den weiteren Ausbau Palästinas als eine jüdische nationale Heimstätte. Der Abschnitt war sehr umstritten; er führte zu lebhaften Auseinandersetzungen zwischen einem arabischen und anderen Delegierten. Der Versuch, den Abschnitt abzuändern, misslang, dagegen wurde ein Zusatzantrag einstimmig angenommen, der berechtigte Interessen anderer nationaler Gruppen sicher stellen will. Es sei noch erwähnt, dass im Abschnitt 33 die gleiche Behandlung für Japan gefordert wird, wie sie Deutschland zugedacht ist. Die Monarchie in Japan müsse durch eine demokratische Republik abgelöst werden.
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"Nachkriegs-Wiederaufbau und sofortige Gewerkschafts-Forderungen"
(Post War Reconstruction and Immediate Trade Union Demands) war zwar der vierte und letzte Tagesordnungspunkt, ich nehme ihn aber in meiner Berichterstattung vorweg, da sein Thema mit der im zweiten Tagesordnungspunkt behandelten Friedensgestaltung unmittelbar zusammenhängt. Die Aussprache wurde von C. N. Gallie[21](TUC) eingeleitet. Es ist das Schicksal eines letzten Tagesordnungspunktes auf jeder Konferenz, dass für die Aussprache weniger Zeit als notwendig zur Verfügung steht. Trotzdem kann gesagt werden, dass die einstimmig angenommene Entschliessung als ausserordentlich wertvolle Manifestation gewerkschaftlicher Forderungen angesehen werden muss.
Die Entschliessung zu diesem Punkt
geht davon aus, dass der Vormarsch siegreicher alliierter Streitkräfte die Befreiung so lange unterdrückter Länder gebracht hat und dass bei diesem Vormarsch das ungeheure Ausmass der Zerstörung erkennbar wurde. Transportmittel fehlen, lebenswichtige Güter und Lebensmittel müssen herangeschafft werden, das wirtschaftliche und soziale Leben der Länder ist gestört, gelernte Arbeiter wurden deportiert, diese and andere Ursachen und Folgen des Krieges verlangen schnelle Hilfe durch UNRRA und es müsse verlangt werden, dass UNRRA mit bona-fide-Gewerkschaften zusammenarbeiten solle. In Abschnitt 4 der Entschliessung heisst es an einer Stelle, dass "Hilfe in zunehmendem Masse den befreiten Ländern" gebracht werden müsse. Auf Antrag eines palästinensischen Delegierten wurde hinter den Worten "befreiten Ländern" eingefügt, dass diese Hilfe auch "den Teilen der Bevölkerung anderer Länder, die direkte Opfer der Nazi-Verfolgung gewesen sind", zugute kommen solle. In seiner Begründung führte er aus, dass er dabei Gewerkschafter, Sozialisten, Kommunisten, Juden und andere Anti-Nazis innerhalb Deutschlands im Auge habe, die die Nazi-Diktatur überlebt haben werden. Sein Zusatzantrag fand einstimmige Annahme.
Die Entschliessung wiederholt und bekräftigt den UNRRA-Beschluss, dass Hilfsmassnahmen nicht als politische Waffe benutzt werden dürfen und dass kein Unterschied
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bei der Verteilung aus Rasse-, Glaubens- oder politischen Gründen gemacht werden dürfe.
Planvoller Rücktransport der Zwangsdeportierten, ihre Unterbringung und die Unterbringung der Demobilisierten und zurückkehrender Kriegsgefangener in der Industrie sind wichtige Aufgaben, die bei der Ueberleitung von Kriegs- zu Friedensproduktion in allen Ländern, einschliesslich der Kolonien, zu erfüllen sind.
Die Konferenz verlangt öffentliche Kontrolle mit Gewerkschaftsteilnahme bei diesen Aufgaben.
Ausreichende Krankenversicherungen und sonstige Sozialversicherungs-Einrichtungen werden gefordert. Sicherstellung von Arbeitsplätzen, Verbesserung der Arbeitsbedingungen, bezahlte Ferien, eine Höchstarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche, soziale Sicherheit für alle, das sind nur einige der wichtigsten aufgestellten Mindestforderungen. Die Entschliessung weist auf die grosse Gefahr der monopolistischen Industrie-Kontrolle hin und verlangt Abwehrmassnahmen durch gesetzgeberische Akte.
Eine der wesentlichsten Charakteristiken der Entschliessung ist ihre Grundeinstellung auf alle Länder der Welt. Es ist offenbar bewusst davon Abstand genommen worden, die Welt bezw. ihre Länder in Kategorien einzuteilen. Der Abschnitt 10 lautet in ungefährer Uebersetzung:
"Das arbeitende Volk hat überall in dieser Welt den Wunsch und auch den berechtigten Anspruch, in Frieden und Sicherheit zu leben, ohne Furcht vor Arbeitslosigkeit und Armut, unter Bedingungen, die in Uebereinstimmung mit ihrer Menschenwürde sind. Diese Welt-Gewerkschafts-Konferenz macht daher das Recht der Arbeiterschaft geltend, frei zu sein, durch ihre Arbeitskraft ein angemessenes Einkommen für ihre Notwendigkeiten und Bedürfnisse zu verdienen, das in Uebereinstimmung ist mit ihrer Leistungsfähigkeit und ihren Mühen."
In Abschnitt 17 wird zum Ausdruck gebracht, dass alle Wünsche und Forderungen innerhalb jedes Landes vertreten und erkämpft werden müssen, dass ihre schliessliche volle und allgemeine Verwirklichung jedoch abhängt von wirkungsvoller internationaler Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet. Nach einem Hinweis auf die Einigkeit der alliierten Regierungen wird zum Ausdruck gebracht, dass eine starke
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Gewerkschaftsbewegung in jedem Lande und enge brüderliche Zusammenarbeit zwischen ihnen Voraussetzung ist für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt in der Welt.
Gewerkschaften müssen überall das Recht haben, zu existieren und es wird die Aufgabe der Welt-Gewerkschaftsbewegung sein, den notwendigen Druck auszuüben, wenn dies Recht irgendwo in Zweifel gezogen werden sollte. Die Entschliessung endet mit einer
"Charter der Grundrechte der Gewerkschaften und Arbeiter",
die besagt:
a) Arbeiter sollen frei sein, sich in Gewerkschaften zu organisieren und sich frei zu betätigen in allen normalen Gewerkschaftsdingen einschliesslich des Abschlusses von Tarifverträgen;
b) Arbeiter sollen frei sein, Genossenschaften und andere gemeinsame Hilfsorganisationen zu gründen;
c) Freiheit der Rede, der Presse, Versammlungsrecht und Freiheit des religiösen und politischen Zusammenschlusses soll bestehen;
d) jede Form politischer, wirtschaftlicher oder sozialer Ungleichheit (Diskriminierung), ganz gleich, ob aus Gründen der Rasse, der Hautfarbe, des Glaubens oder des Geschlechts, soll ausgerottet werden, und in diesem Sinne soll der Grundsatz des gleichen Lohns für gleiche Arbeit verwirklicht werden. Wenn junge Leute die Arbeit Erwachsener verrichten, sollen sie auch ihre Löhne erhalten;
e) Gleichberechtigung in Schule, Bildung und Berufswahl soll allen Menschen gegeben werden;
f) geeignete Anstellung gegen angemessene Bezahlung soll für alle zur Verfügung stehen, die auf Arbeit angewiesen sind;
g) ausreichender Schutz in allen Umständen des Lebens, in denen dies notwendig werden könnte, soll bestehen und soll soziale und wirtschaftliche Sicherheit für jeden garantieren.
Vor der einstimmigen Annahme der Entschliessung fand eine Aussprache statt, aus der ich zwei Punkte erwähnen möchte. Wie schon bei anderen Tagesordnungspunkten, machten auch bei dieser Gelegenheit
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die Vertreter der Kolonial-Länder
ihre Gesichtspunkte geltend. Ein Sprecher sagte, dass er nach fünf Jahren Gefangenschaft und Exil jetzt hier als Delegierter sei. Er wurde verfolgt, weil er Gewerkschafter war. Gerechtigkeit sei unteilbar, die Welt könne nicht halb frei und halb versklavt sein. Solange nicht die Rassen- und Hautfarben-Ungleichheit abgeschafft sei, solange es koloniale Zwangs- und Kinderarbeit, offene und versteckte Sklaverei, Prügelstrafe für Kontraktbruch etc. gäbe, sei von Gleichheit keine Rede. Andere Redner sprachen davon, dass bei aller Wichtigkeit des Kampfes gegen den Nationalsozialismus, die Bedeutung der Begleiterscheinungen des Imperialismus im Kampf um die Freiheit und Gleichheit der Arbeiterklasse nicht übersehen werden dürfe.
Einige Delegierte beanstandeten, dass die Entschliessung keinerlei Hinweis auf das gute Werk und die
Bedeutung des Internationalen Arbeitsamtes
enthielte. Die Schwierigkeit einer Behandlung des Themas lag in dem Umstand, dass die russischen, latein-amerikanischen und CIO-Gewerkschaften keine direkten Beziehungen zum IAA haben. Die Aussprache, in der Deakin und Citrine für den TUC und Oldenbroek als Mitglied des Verwaltungsrats des IAA sich stark für dessen Anerkennung eingesetzt hatten, endete zu allgemeiner Zufriedenheit mit einer von Heywood[22] (CIO) in Uebereinstimmung mit den Russen und Lateinamerikanern abgegebenen Erklärung, die etwa besagte: Wir stimmen mit Citrine's Erklärung überein, dass alle hier anwesenden Länder, mit Ausnahme Russlands, dem IAA angehören, dass es sich um eine Körperschaft handelt, die weitgehendes geleistet hat und zu leisten imstande ist und dass man jeden Gebrauch machen müsse von dieser Körperschaft, um das vorliegende Programm zu verwirklichen. Diesen Feststellungen Citrines wolle er noch das dringende Ersuchen der Konferenz hinzufügen, dass alle Nationen, die dem IAA angeschlossen sind, alles tun sollen, um das von der Weltkonferenz beschlossene Programm auch vom Internationalen Arbeitsamt anerkennen zu lassen.
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"Grundlagen eines Welt-Gewerkschaftsbundes"
(Basis for World Trade Union Federation), dies war das Thema des dritten Tagesordnungspunktes. Damit soll nicht gesagt werden, dass nur bei diesem Tagesordnungspunkt das Problem der Schaffung einer neuen Internationale Erörterung fand. Bei jedem Tagesordnungspunkt und in den Geschäftsordnungsdebatten wurde immer wieder auf die Bedeutung dieses Problems hingewiesen.
Die einleitenden Ausführungen wurden von S. Hillman (CIO) gemacht. Seine Auffassungen stellten im wesentlichen eine Zusammenfassung der Gedankengänge derjenigen Delegationen dar, die ohne Hemmung und sofort für die Schaffung der neuen Internationale eintraten.
Unter den 22 Diskussionsrednern war die Darstellung Walter Citrines typisch für die Auffassung derjenigen, die durchaus positiv für eine neue Internationale eintreten, jedoch eine nicht überstürzte und solide Aufbauarbeit für zwingend notwendig halten.
In der gleichen Richtung lagen die Argumente von Schevenels (IGB), Oldenbroek (ITF), Nordahl (Norwegen), Lindberg[23] (Schweden) u.a., während mehrere russische Redner, Frachon[24] (Frankreich), Toledano (Lateinamerika) u.a., der Auffassung Hillmans zustimmten.
Es muss als ein ausserordentlich grosser Erfolg gebucht werden, dass die schliesslich vorgelegte Entschliessung einstimmig angenommen werden konnte; sie basiert im wesentlichen auf den Vorschlägen Citrine's, die er in der Aussprache gemacht hatte und deren grosszügige Auslegung es dem eingesetzten Beratungs-Komitee ermöglichte, zu einem einstimmigen Vorschlag zu kommen.
Die Entschliessung zu diesem Punkt
wiederholt im ersten Teil zunächst den Sinn, den Zweck und die Ziele der Welt-Konferenz, wie sie in den anderen Tagesordnungspunkten ihren Ausdruck fanden. Es wird festgestellt, dass die internationale Arbeiterbewegung ihre Ziele nicht erreichen kann, wenn sie nicht entsprechend organisiert ist. Hieraus ergibt sich die ungeheure Bedeutung der Vereinigung in einer gewerkschaftlichen Welt-Organisation, der alle freiheitsliebenden
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Nationen ohne Unterschied der Rasse, des Glaubens, der politischen, religiösen oder philosophischen (ideologischen) Bekenntnisse angehören müssen.
Das ernste Verlangen und die feste Entschlossenheit, eine machtvolle demokratische Welt-Organisation zum frühest durchführbaren Zeitpunkt zu schaffen, wird bekundet. Zugleich wird die Notwendigkeit betont, Vorsorge dafür zu treffen, dass eine Körperschaft geschaffen wird, die namens der auf der Welt-Konferenz vertretenen Organisationen sprechen und handeln kann in der Uebergangsperiode bis zum Entstehen der neuen Internationale. Nach diesen einleitenden Ausführungen werden in einer Reihe von Punkten folgende Beschlusse der Konferenz formuliert:
(World Trade Union Conference Continuation Committee) wird sofort ins Leben gerufen und beginnt seine Tätigkeit im unmittelbaren Anschluss an die Konferenz. Es handelt bis zur Wiedereinberufung einer Weltkonferenz als die verantwortliche Körperschaft und wird von der gegenwärtigen Konferenz mit der Durchführung folgender Aufgaben betraut:
a) Das Kommittee hat die Empfehlungen der Welt-Konferenz den vertretenen Organisationen zum Zwecke der Ratifizierung zuzuleiten und hat den der nächsten Welt-Konferenz zu erstatteten Bericht vorzubereiten und vorzulegen;
b) das Komitee hat solche gemeinsamen Vorstellungen bei Regierungen oder internationalen Einrichtungen und Organisationen zu erheben, als es die Umstände erfordern, und es hat
c) als Beauftragter der Welt-Konferenz dafür zu sorgen, dass die Gewerkschaften bei der kommenden Friedenskonferenz und allen vorbereitenden Kommissionsberatungen oder Konferenzen vertreten sind;
d) das Komitee hat die von den vertretenen Organisationen angenommen Entschliessungen der Weltkonferenz entsprechend weiter zu bearbeiten;
e) das Komitee hat eine Verfassung für die Welt-Gewerkschafts-Foederation zu entwerfen,
f) es hat diesen Entwurf an die vertretenen Organisationen
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in Umlauf zu setzen und ihnen die Gelegenheit zur Einreichung von Abänderungsvorschlägen zu geben,
g) die Welt-Konferenz nicht später als Ende 1945 wieder einzuberufen, damit die Verfassung endgültig beraten und angenommen werden kann und andere Tagesordnungspunkte Behandlung finden können, die dann zeitgemäss sein werden;
h) das Komitee ist bevollmächtigt, Unterkomitees einzusetzen, insb. ein Verwaltungs-Komitee, das mit allen Rechten ausgestattet ist, die dem Gesamtkomitee zustehen, und zwar in der Zeit zwischen zwei Vollsitzungen;
i) das Komitee kann auch, falls es notwendig wird, eine Not-Welt-Konferenz einberufen
j) und es hat die Aufgabe, die Einladungen zu zukünftigen Konferenzen auszusenden und diese auszudehnen auf solche zusätzlichen Organisationen, die nach Meinung des Komitees hierzu in Frage kommen;
k) das Bureau des Komitees soll in Paris stationiert sein und
l) das Komitee selbst soll die Frage lösen, in welchem Umfang hauptamtliche Sekretariatskräfte anzustellen sind. -
In einem weiteren Abschnitt wird ausgeführt, dass die Unkosten des Fortsetzungs-Komitees durch freiwillige Leistungen der Organisationen zu decken sind.
Das Komitee besteht aus je 3 Mitgliedern der folgenden Länder:
Nordamerika, Gross-Britannien, Frankreich, Russland; je 1 Vertreter der folgenden Länder: Kanada, Australien, Indien, China, Belgien, Holland, Norwegen, Schweden, Schweiz, Jugoslawien, Tschechoslowakei, Spanien, Island, Irland, Bulgarien, Italien, Rumänien, Finnland;
die nicht genannten Länder der britischen Völkerfamilie stellen 2 Vertreter, die Lateinamerikanischen Länder 3 und die Lateinamerikanische Föderation 1 Vertreter, der IGB stellt 2 und die Internationalen Berufssekretariate auch 2 Vertreter. Die christliche Internationale entsendet 1 Vertreter mit beratender Stimme.
In der Aussprache wurde die Ergänzung dieses aus 41 Personen bestehenden Komitees verlangt. Forderungen wurden geltend gemacht für Neuseeland, Dänemark, Luxemburg und Polen sowie für eine Erhöhung der Vertretung der Berufssekretariate von 2 auf 3. In Zweifel gezogen wurde die Vertretungsfähigkeit einiger ehemals feindlicher Länder.
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Alle diese Fragen wurden dem Fortsetzungskomitee mit der Vollmacht der selbständigen Entscheidung überwiesen. Es ist inzwischen bekannt geworden, dass das oben unter h) erwähnte Verwaltungskomitee aus 13 Personen besteht, von denen je 2 dem britischen TUC, [dem] amerikanischen CIO, [dem] russischen Gewerkschaftsbund, dem französischen CGT, dem lateinamerikanischen Gewerkschaftsbund und je 1 dem chinesischen Gewerkschaftsbund, dem IGB und den Internationalen Berufssekretariaten angehören.
An einer Stelle der Entschliessung ist von dem Ziel die Rede, "organische Einheit" innerhalb der Bewegung zu erreichen. Ein christlicher Gewerkschaftsvertreter bat um Auslegung dieser Worte.
Der Berichterstatter Hillmann wies darauf hin, dass Zusammenschluss aller nationalen Verbände in eine Zentrale erwünscht sei, dass aber der Anschluss an die Weltorganisation hiervon nicht abhängig gemacht werden dürfe. Er benutzte die Gelegenheit, um auszudrücken, dass die Tür für die AFL selbstverständlich offen steht, obwohl die organische Einigkeit in den Vereinigten Staaten noch nicht erreicht sei.
Eine Unzahl interessanter Einzelheiten könnte noch berichtet werden. Ich möchte mich jedoch mit ein paar kurzen Schlusssätzen begnügen. Die Entschliessung über die neue Internationale schliesst mit dem Satz:
"Es ist die einstimmige Auffassung der Welt-Gewerkschaftskonferenz, dass eine all-umfassende Welt-Gewerkschafts-Föderation eine Notwendigkeit ist; es ist jedoch eine klare und angenommene Tatsache, dass die betroffenen Organisationen das autonome Recht haben, die vorgeschlagene neue Verfassung eines Weltbundes anzunehmen oder abzulehnen."
Der Grundstein für einen Neuaufbau ist gelegt worden, an dem auch die bisherigen Internationalen ihren Anteil haben. Ich schliesse mit der Hoffnung, dass bald auch wieder eine neuerstandene deutsche Gewerkschafts-Bewegung ihren Teil beizutragen vermag.
25. Februar 1945 |
Hans Gottfurcht |
Die vier auf der Weltkonferenz angenommenen Entschliessungen (in englischer Sprache) können gegen Erstattung von 9d bei uns bezogen werden.
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Flüchtlingsleben in Frankreich
Glücklicherweise mehren sich Briefe und Mitteilungen aus Frankreich und der Schweiz, die uns beweisen, dass der grösste Teil unserer Genossen die schweren Zeiten der Besetzung Frankreichs durch die Nazis überlebt hat. In den Briefen wird auch über Todesfälle, schwere Erkrankungen, Not und Elend der letzten Jahre geschrieben und die harten Bedingungen des gegenwärtigen Lebens kommen in jeder Zeile zum Vorschein.
Trotzdem sind unsere Freunde optimistisch, stellen sich der Partei wieder zur Verfügung und erörtern mit stärkstem Interesse auch in ihrem Kreise die Probleme der Gegenwart und Zukunft. Einer unserer Freunde stellt fest:
"Die in Frankreich verbliebenen deutschen Sozialdemokraten, 1933 und in den folgenden Jahren aus Deutschland und Mitteleuropa emigriert, haben 1940 plötzlich aufgehört, Emigranten im landläufigen Sinne des Wortes zu sein. Sie haben zunächst in der Nordzone, dann in ganz Frankreich das tragische Schicksal aller von den Hitler-Armeen und der Gestapo unterworfenen Völkern geteilt, fast ausnahmslos in der französischen Widerstandsbewegung gegen den Nazi-Terror mitgekämpft und die deutschen Geist und Menschlichkeit tötende Militärmaschine wieder aus nächster Nähe miterlebt. Mehr noch als alle anderen deutschen Sozialdemokraten im Auslande sind die deutschen Genossen in den besetzt gewesenen und befreiten Ländern von der Ueberzeugung durchdrungen, dass eine künftige Wiedererrichtung wahrhaft demokratischer Einrichtungen und die Einführung sozialistischer Wirtschaftsmethoden zur Voraussetzung hat die Zerschlagung die unbarmherzige Vernichtung der deutschen Offiziers- und Junkerkaste ..."
In einer anderen Zuschrift wird über einen Freund gesagt:
"... er hat erst in der französischen regulären Armee und dann in der FFI[25] gedient. Er wurde 1940 schwer verwundet und mit dem Croix de Guerre ausgezeichnet ..."
Einem anderen Brief wird ein französisches Zeitungsblatt beigefügt. Es enthält das Bild eines "französischen" Freiheitskämpfers, eines bekannten Reichsbannerfunktionärs aus Leipzig, der von der Gestapo mit anderen französischen Kämpfern der FFI erschossen wurde.
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Einen Brief aus der Schweiz, der etwas über die Lebensbedingungen unserer Freunde in Frankreich berichtet, wollen wir ebenfalls im Auszug bringen. Es wird da geschrieben:
"Paul Junke verstarb am 5. Januar 1945 in Basel an Herzschlag. Mit ihm verband mich eine starke Freundschaft. In Frankreich trafen wir uns im Lager Les Milles bei Marseille, wo er wegen seiner Blasen-, Magen- und Herzleiden in der Krankenstube lag. Wir sind dann gemeinsam in die Illegalität nach Südfrankreich gegangen und waren als Holzfäller in den Cevennen tätig, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Verdienst und Lebensmittel wurden dort im Kollektiv unter den 10 Personen, einschliesslich der Frauen und Kinder, gleichmässig verteilt. Von den 10 Personen konnten nur 6 arbeiten. Paul versorgte oft die Hausarbeit, nur manchmal konnte er im Walde mitarbeiten. Die Arbeit und die Beschaffung der Lebensmittel waren sehr schwer. Die Gegend ist sehr arm. Das Leiden Pauls wurde immer schlimmer. Einen Arzt konnten wir nicht zu Rate ziehen, dafür hatten wir kein Geld. Ausserdem durften wir uns nicht rühren, denn die Gestapo war uns auf der Spur. Einmal hätten sie uns fast ausgehoben, wenn uns nicht die Einwohner des kleinen Ortes geschützt hätten.
Mit Paul und meiner Familie sind wir eines Tages illegal nach der Schweizer Grenze gereist, es waren fast 600 Kilometer. Französisch sprechen konnte nur mein Sohn. Trotz Bahnkontrolle hatten wir Glück. Die Grenzüberschreitung war nicht einfach, die Grenze war stark besetzt. Das Schweizer Arbeiter-Hilfswerk tat alles und tut auch jetzt alles, uns den Aufenthalt zu erleichtern. Ende Oktober betreut das Schweizer AHW 2.200 Flüchtlinge, die sich aus 17 Nationen zusammensetzen. 1.200 stellen die Russen, 450 die Italiener, 220 die Deutschen, 136 die Polen und 80 die Oesterreicher. Gegenwärtig ist das AHW auch besonders in Frankreich tätig. Ganze Familien und Fabrikbelegschaften hat sie in ihre Betreuung übernommen. In St. Etienne wird der gesamte Teil der Hilfsbedürftigen Einwohnerschaft mit Hilfe der Schweizer Spende durch das AHW unterstützt. ... Einer unserer Freunde hat hier eine Wohn-, Schlaf- und Kücheneinrichtung fahrbar konstruiert, die zusammengelegt nicht grösser als eine mittlere Kiste ist. Man interessiert sich stark für diese Kleinstwohnung ..."
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Ueber einhundert unserer Flüchtlingsgenossen in Frankreich haben die Verbindung mit der Partei wieder aufgenommen. Sie leben zum grössten Teil in wirtschaftlich unsicheren Verhältnissen, benötigen ärztliche Hilfe, Lebensmittel, Kleidung und Wäsche und Geldmittel. Wir appellieren deshalb an unsere Freunde und Leser in England, ihren Freunden und Brüdern in Frankreich zu helfen. Beteiligt euch bitte an einer Hilfsaktion, die wir durchzuführen gedenken. Bitte sendet einen Geldbetrag zur Unterstützung der Flüchtlinge in Frankreich.
Eine Solidaritäts-Spende für Frankreich
soll möglichst rasch zusammengebracht werden. Doppelt gibt, wer rasch gibt. Freunde, übt Solidarität! Beiträge können an folgende Adresse eingesandt werden:
Wilh. Sander, 33 Fernside Ave., London N.W.7.
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Fortsetzung der Totentafel [von Seite 2b]:
Max Sievers, über dessen Schicksal lange Zeit Ungewissheit bestand, befindet sich [nach] zuverlässigen Mitteilungen unter den Toten. Nach kurzer Verhaftung gelang ihm die Flucht von Belgien nach Südfrankreich, wo er sich kurze Zeit illegal aufzuhalten vermochte. Er wurde von der Gestapo entdeckt, nach Deutschland gebracht und nach kurzem Verhör in Berlin erschossen. Die Witwe lebt in Belgien bei Angehörigen und Freunden.[26]
Jaromir Necas, ehemaliger Wiederaufbauminister der tschechoslowakischen Regierung in London, einer unserer internationalen Freunde in Prag und hier in England ist nach längerer Krankheit am Herzschlag in London gestorben.
Arnold Posner[27], Mitglied unserer Londoner Gruppe, ist kurz vor seinem 64. Geburtstag am 24. Februar an einem Herzschlag verstorben. Drei Wochen vorher hatten er und seine Gattin ihrem einzigen 23jährigen Sohn das letzte Geleit gegeben. Wir beteiligten uns an der Beisetzung und drücken in stummer Trauer der Witwe unsere herzliche Sympathie und Anteilnahme aus.
Alle Verstorbenen fühlten sich mit uns aufs innigste verbunden. Wir danken ihnen allen für ihre Dienste an unserer gemeinsamen Sache und versichern ihnen ein ehrendes Gedenken hier und in der befreiten Heimat.
Issued by the London Representative of the German Social
Democratic Party, 33, Fernside Avenue, London N.W.7.
Editorische Anmerkungen 1 - Die Konferenz von Jalta (Großbritannien, USA, Sowjetunion) fand vom 4. bis 11.2.1945 statt. 2 - Paul Junke (geb. 1886, gest. am 6. Januar [!] 1945), von Beruf Schlosser, SPD-Funktionär, 1920-1924 MdL Braunschweig, 1924-1932 SPD-MdR, 1933 Emigration nach Luxemburg, 1940 nach Frankreich, dort bis 1942 interniert, 1943 in die Schweiz, 1938 ausgebürgert. 3 - Wilhelm Pargmann (1884 - 1944), gelernter Buchdrucker; er gehörte 1919/1920 nicht der Nationalversammlung, sondern der Verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung an, nach 1933 Emigration in die Schweiz. 4 - Oskar Skaller (1874 - 1944), Apotheker und Verbandsstoff-Fabrikant, später Inhaber einer Firma für Krankenhausausrüstungen, 1938 Zwangsverkauf seiner Anlagebeteiligungen und Emigration nach Südafrika. 5 - Ich-Sprecher ist Hans Gottfurcht. 6 - Internationale Berufssekretariate = berufs- bzw. branchenbezogene Gewerkschaftsinternationale unter dem Dach des IGB. 7 - Die Lateinamerikanische Föderation bzw. der Lateinamerikanische Gewerkschaftsbund war die einheitliche Gewerkschaftszentrale Lateinamerikas, die 1938 in Mexiko von 15 nationalen Gewerkschaften gegründet worden war. 8 - Internationaler Bund Christlicher Gewerkschaften (IBCG), 1920 in Den Haag gegründet. 9 - George Alfred Isaacs (1883 - 1979), Labour-MP 1923/24, 1929-1950 und 1950-1959. 10 - Rolland Jay Thomas (geb. 1900), Automobilarbeiter, seit 1939 CIO-Vizepräsident. 11 - "Kuznetsow": Wassilij Wassilijewitsch Kusnezow (1901 - 1990), Ingenieur, 1940-1945 stellvertretender Vorsitzender der Staatlichen Planungskommission für die UdSSR (Gosplan), 1943 Vorsitzender der sowjetischen Gewerkschaft der Eisen- und Stahlarbeiter, 1944-1954 Vorsitzender des All-Unions-Zentralrates der sowjetischen Gewerkschaften, 1945-1953 Vizepräsident des Weltgewerkschaftsbundes (WGB), 1953 stellv. Außenminister und gleichzeitig Botschafter in China. 12 - Louis Saillant (1910 - 1974), französischer Gewerkschafter, aktiv in der Widerstandsbewegung, 1944 Präsident des Nationalrats der Résistance, 1944-1948 Sekretär der CGT, 1945-1969 Generalsekretär des WGB. 13 - Chu Hsüeh-Fan (geb. 1906), chinesischer Gewerkschafter und Kuomintang-Mitglied, 1948 stellvertretender Vorsitzender des All-Chinesischen Gewerkschaftsbundes, später Postminister. 14 - Vicente Lombardo Toledano, kommunistisch orientierter mexikanischer Gewerkschafter, 1945 ff. Vizepräsident des WGB und 1948 aus dem Mexikanischen Gewerkschaftsbund ausgeschlossen. 15 - Sommerville Hastings (1878 - 1956), Labour-MP 1923-1924, 1929-1931 und ab 1945, 1944-1945 Chairman of the London County Council. 16 - "Hillmann": Sidney Hillman (1887 - 1947), US-Gewerkschafter (Amalgamated Clothing Workers of America), Mitglied der amerikanischen Labor Party. 17 - James Barron Carey (geb. 1911), US-Gewerkschafter (United Electrical, Radio and Machine Workers of America). 18 - Arthur Deakin, siehe SM 94, Dez. 1946, Anm. 14
19 - Marc Dupuy (1889 - 1979), französischer Gewerkschafter (CGT), 1932-1950 Mitglied des Zentralkomitees und 1945-1947 Kandidat des Politbüros der französischen Kommunistischen Partei. 20 - Seit 1943 regierten die Militärs in Argentinien. 21 - Charles Neill Gallie (geb. 1887), schottischer Gewerkschafter und ILP-Mitglied. 22 - "Heywood": Nachgewiesen der US-Gewerkschafter Allan S. Haywood (geb. 1888) von den United Steelworkers of America (CIO). 23 - Karl August Lindberg (1885 - 1966), schwedischer Gewerkschafter, 1936-1947 Präsident des Schwedischen Gewerkschaftsbundes (LO) und Sozialdemokrat. 24 - Benoìt Frachon (1893 - 1975), französischer kommunistischer Gewerkschafter (CGT) und Politiker, während des Krieges Untergrundtätigkeit. 25 - = Forces françaises de l' interieur (französische Widerstandsbewegung, die diesen Namen seit Februar 1944 trug). 26 - Die nach London gelangte Information über den Tod Max Sievers war nicht ganz korrekt. Sievers stand 1943 vor dem Volksgerichtshof und wurde zum Tode verurteilt. Er wurde am 17.1.1944 in Brandenburg hingerichtet. Seine Witwe Denise S., geb. Wauquier oder Voquier (1897 - 1951), war zwar 1938 ausgebürgert worden; als gebürtige Belgierin war sie aber wieder belgische Staatsangehörige geworden. 27 - Arnold Posner (1881 - 1945), kaufmännischer Angestellter, seit 1918 Mitglied des Zentralverbandes der Angestellten (ZdA) und seit 1921 der SPD, seit 1939 in Großbritannien. |