Nr. 30 - 1941

1. Oktober

Sozialistische Mitteilungen

News for German Socialists in England

This newsletter is published for the information of Social Democratic
refugees from Germany who are opposing dictatorship of any kind.

[Seite: - 1 - ]

RUDOLF HILFERDING

Rudolf Hilferding ist ermordet worden. Eine Meldung aus Berlin behauptet, er sei in einer Gefängniszelle in Paris am Vorabend seines Abtransports nach Deutschland erhängt aufgefunden worden. Wir wissen: Hilferding hat keinen Selbstmord begangen. Aber wie kam er in die Gefängniszelle in Paris? Die Polizei Pétains hat ihn in Arles, im unbesetzten französischen Gebiet, wo er auf seine Abreise nach New York wartete, auf Befehl der Gestapo verhaftet und an die Gestapo ausgeliefert. Die Schande dieses Bruchs des Asylrechts wird neben allem anderen auf immer auf den Kreaturen Hitlers in Vichy lasten.

Rudolf Hilferding war einer der grössten sozialdemokratischen Theoretiker Deutschlands. Sein Buch "Das Finanzkapital" und seine zahlreichen in der "Neuen Zeit"[1] veröffentlichten Arbeiten haben das Wesen des modernen Finanzkapitalismus beschrieben und durchleuchtet und zur Klärung des Wesens des älteren Imperialismus beigetragen. Vor dem Ersten Weltkrieg gehörte er der Redaktion des "Vorwärts" in Berlin an. Im Weltkrieg diente er als Militärarzt. Nach der Novemberrevolution übernahm er die Chefredaktion der Berliner "Freiheit"[2] des Zentralorgans der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei. Er war es, der diese Partei als ihr geistiger Führer zusammenhielt. Er war der grosse Gegenspieler Sinowjews auf dem Spaltungsparteitag in Halle im Jahre 1920[3], er blieb der Führer der USPD bis zu ihrer Wiedervereinigung mit der Sozialdemokratischen Partei[4].

[Seite im Original:] - 2 -

Die deutsche Reaktion hat ihn gehasst. Zweimal war Hilferding Reichsfinanzminister, zweimal hat ihn die Reaktion gestürzt.[5] Beide Male war es Schacht[6], der in den Kulissen seinen Sturz dirigierte.

Das erste Mal wurde er Reichsfinanzminister am Ende des Ruhrkampfes[7]. Der Geist des hasardierenden Nationalismus hatte Deutschland von der ersten zur zweiten Katastrophe geführt. Die Republik hatte ihre Kraft in grotesker Weise überschätzt, und nach der Niederlage wiederholte sich bis zum Erschrecken alles, was man 1918 erlebt hatte. Hilferdings Aufgabe war es, die wirkliche Lage der Reichsfinanzen festzustellen. Mit Grauen erkannte er, was dieser Kampf Deutschland gekostet hatte; er vollendete, was der Weltkrieg begonnen hatte. Hilferding forderte, dass der passive Widerstand eingestellt werde, dass das Reich aufhöre, den Lebensunterhalt von 15 Millionen Menschen zu bezahlen. Die Operation war notwendig. Der Sozialdemokrat musste den Schutt aufräumen, den die Cuno[8], Helfferich[9] und Genossen hinterliessen, dann wurde er gestürzt. Die nationalistischen Führer des Ruhrkampfes hatten die deutschen Mittelklassen ruiniert - aber sie warfen die Schuld auf den Sozialdemokraten, der das nationalistische Abenteuer liquidieren musste.

Zum zweiten Mal wurde er 1928[10] gestürzt, als er den Versuch machte, die unverantwortliche Stellung Schachts und des Bankkapitals anzugreifen - die Reaktion konnte keinen sozialdemokratischen Reichsfinanzminister ertragen, als sie an die geheime Vorbereitung der deutschen Wiederaufrüstung ging.

Hilferding gab danach im Auftrage des Sozialdemokratischen Parteivorstandes die Monatsschrift "Die Gesellschaft"[11] heraus, die eine der besten kritischen wissenschaftlichen Zeitschriften Deutschlands gewesen ist.

Nach Hitlers Machtantritt musste er Deutschland verlassen. Vom ersten Tage des Exils an hat er den literarischen Kampf gegen das Dritte Reich aufgenommen. Vom ersten Tage an erkannte er: Das dieser Herrschaft innewohnende Gesetz ist der Krieg. Im Oktober 1933 schrieb er in der ersten Nummer der vom PV in Prag herausgegebenen "Zeitschrift für Sozialismus"[12]:

"Die ganze Ideologie der Nationalsozialisten schafft akuteste Friedensbedrohung. Sie ist um so grösser, als kein Zweifel daran gestattet ist, dass grosse Teile

[Seite im Original:] - 3 -

des deutschen Volkes begeistert dem 'heroischen Ideal' des neuen Krieges anhängen. Es ist nur die Ungleichheit der Chancen, die Ueberlegenheit der Gegner, die den Frieden vor dem heutigen Deutschland sichert. Daher das fieberhafte Streben nach der 'Gleichberechtigung'. Daher der Ruf der Rechtsvergewaltiger nach der Gerechtigkeit, dessen Erfüllung nur die Kriegsgefahr steigern, die Welt der faschistischen Verbrecherpolitik ausliefern würde."

Weil er das wahre Wesen der Hitlerdiktatur durchschaute u[nd] die Kriegsgefahr erkannte, hat er sich mit Entschiedenheit gegen die aus der Weimarer Republik übernommene Forderung der Gleichberechtigung in der Rüstungsfrage gestellt. In einem Aufsatz im "Kampf"[13] hat er gezeigt:

"Wer Deutschland gleiche Rüstung zugesteht, bewaffnet den Angreifer, unterstützt den deutschen Hegemonieanspruch, begünstigt den nächsten Krieg."

Hilferding hat den Kampf gegen den deutschen Nationalismus unermüdlich weitergeführt. Jede Woche unterzog er im "Neuen Vorwärts" erst in Prag, dann in Paris die Wirtschaft des Dritten Reiches eingehender Kritik. Er lehrte, dass sie zur Funktion der Kriegsvorbereitung geworden war. Seine Diagnosen zeigten das Wachsen und Herannahen der akuten Gefahr.

In grossen Aufsätzen analysierte er die zum Kriege treibende Aussenpolitik des Systems und zugleich die Schwäche der europäischen Widerstandskräfte gegen die Gefahr.

Aber es war ein undankbares Geschäft, zwischen 1933 und 1939 das Herannahen des Krieges zu zeigen und zu warnen! Die Erkenntnis blieb dem Ausland in fast allen seinen sozialen Schichten und politischen Parteien verschlossen, bis es zu spät war.

Hilferding hat den Kampf gegen Hitler vom europäischen Standpunkt aus geführt. Am 31. Dezember 1939 schrieb er im "Neuen Vorwärts" einen glänzenden Artikel über den Sinn des Kriegs, in dem er sich rückhaltlos und ohne Vorbehalt auf die Seite Englands, des Westens, der Kultur und der Menschheitsentwickelung stellte und den Sieg der westlichen Demokratien über die totalitären Staaten überhaupt als geschichtliches Schicksal aufzeigte.

Welch tiefe Tragik, dass dieser grosse Kämpfer für die Freiheit und Menschenwürde, für die Ideen und die Kultur des Westens untergehen musste, weil ihn Franzosen an die Vorkämpfer der Barbarei auslieferten!

[Seite im Original:] - 4 -

Die Kriegslage an der Ostfront ist kritisch geworden, seit Hitlers Armee der Durchbruch am Dnjepr gelang. Kiew musste von der Roten Armee geräumt werden. Die Ukraine ist zu mehr als zwei Dritteln von den Angreifern besetzt, die sich zum Vorstoss auf das reiche Kohlengebiet der Donez-Niederung bereit machen, die Krim-Halbinsel abgeschnitten haben und, wenn sie nicht wirksam aufgehalten werden, zu den Oelquellen des Kaukasus vorzudringen drohen, von denen das Funktionieren des industriellen und agrarischen Lebens der Sowjetunion entscheidend abhängt. Man muss der Tatsache ins Gesicht sehen, dass der Vormarsch der Angreifer im Süden auch durch die vorgerückte Jahreszeit nicht behindert werden kann und dass der Krieg in Russland nach drei Monaten am Südteil der Front eine ernste Wendung genommen hat. Aber noch ist keine Entscheidung abzusehen.

Der gegen Moskau gerichtete Vorstoss scheint zum Stehen gebracht zu sein, und wenn auch Leningrad eingeschlos[sen] ist, so ist doch damit zu rechnen, dass im nördlichen und mittleren Frontabschnitt ein langsames Erlahmen des Kampfes eintreten wird.

Inzwischen wachsen die Verluste der Kämpfenden unaufhörlich. Niemand kennt ihre grauenhafte Zahl. Die Sowjet-Schätzung, dass Hitler bereits ein Drittel seiner Armee geopfert habe, mag übertrieben sein. Die Nazis, die noch keine hunderttausend Todesopfer zugeben wollen, verheimlichen dem deutschen Volke die Namen der Gefallenen, um ihre eigene Lüge nicht zu widerlegen. Sicher ist, dass die neutrale Schätzung, die von 2 Millionen Toten, Verwundeten und Gefangenen der Hitler-Armee spricht, der Wahrheit nahekommen und dass es sich um ein Viertel der Hitlerschen Heere im Osten handeln dürfte. Bei den "Hilfsvölkern", die sich in Hitlers Heerbann befinden, machen sich bereits Ermüdungserscheinungen bemerkbar.

In Finnland wächst die Friedenssehnsucht, und Ungarn und Rumänien werden sich zu fragen beginnen, was es für sie noch zu gewinnen gibt.

Und werden nicht auch jene Deutschen zu zweifeln beginnen, die sich von Hitlers Siegen blenden lassen?

Die militärischen Erfolge gegen die zahlenmässig überlegene Rote Armee mögen ihnen phantastisch erscheinen, die fürchterlichen Verluste mögen ihnen unbekannt sein;

[Seite im Original:] - 5 -

aber kann die Frage zum Verstummen gebracht werden, wann u[nd] wo dieser Feldzug enden soll? Ein Blitzsieg ist nicht gelungen. Ein Vorstoss durch die Türkei - von Bulgarien her oder übers Schwarze Meer - wäre der Beginn eines Feldzuges, der erst am Suezkanal oder in Indien enden könnte. Ein Eingreifen Japans - von der Mandschurei her - würde im nächsten Jahre ganz Asien zum Kriegsschauplatz machen. Es ist ein Marsch ins Grenzenlose, den Hitlers Heere antraten, als sie in Russland eindrangen.

Schon zeigen sich die ersten Krisen, die sich für Hitlers Herrschaft au[s] dem Mehrfronten-Charakter dieses Krieges und der ungeheuren Expansion seiner Macht ergeben.

Der britische Handstreich auf Spitzbergen zeigte Grenzen der Nazimacht.[14] Ein Streik in Norwegen konnte nur durch blutigsten Terror gegen die Führer der Arbeiterschaft verhindert werden.[15] Im besetzten Frankreich mehren sich die Attacken auf die Besatzungstruppen, je lichter ihre Reihen durch Abberufung an die Ostfront werden. In Serbien kämpfen Rebellen-Banden, die Spannungen in der Tschechoslowakei haben den "Protektor" von Neurath zum Rücktritt veranlasst.[16] Und Westdeutschland muss die Bombenangriffe der britischen Luftwaffe aushalten, ohne dass die "Vergeltung" erfolgt.

Selbst die Nazi-Presse muss zugeben, dass mit dem Regierungswechsel im Iran und der Kontrolle des Landes durch britische und russische Truppen die Lage der Engländer im Nahen Osten erheblich sicherer geworden ist.

Britische Truppen haben die Möglichkeit, aktiv im Kaukasus oder in der Türkei einzugreifen, und solange Hitlers Heere in Russland gebunden sind, besteht wenig Gefahr für die britische Position in Nordafrika und im Mittelmeer, umso mehr die Gefahr für die Italiener.

Ungebrochen steht die Macht der westlichen Demokratien, und unaufhaltsam nähern sich die Vereinigten Staaten Amerikas dem offenen Zusammenstoss mit den Achsenmächten. Noch hat Roosevelt Widerstände zu überwinden, aber die deutlichen Umtriebe der Nazis in Südamerika und die von Japan drohenden Gefahren sind die stärksten Argumente gegen die Isolationspolitiker. Auf der Fahrt über den Atlantik sind amerikanische Schiffe torpediert worden, und Roosevelt hat mit einem Schiessbefehl an die Flotte geantwortet und die Bewaffnung der Handelsschiffe und die Aufhebung der Neutralitätsgesetze zur Diskussion gestellt. -

[Seite im Original:] - 6 -

Den Völkern der Erde ist in der "Atlantic Charter" das hohe Ziel des Kampfes der westlichen Demokratien verkündet worden, und auch die mit England alliierten Regierungen haben jüngst die dort verkündeten Grundsätze bejaht. Das war notwendig, um Europas willen, das nach Hitlers Sturz am dringendsten der demokratischen Neu-Ordnung bedürfen wird, - einer Ordnung, die, weil sie Gerechtigkeit verwirklichen will, vor keiner Grenze wird Halt machen können.




Ein Nationalrat der Freien Franzosen
ist von General de Gaulle in London gebildet worden.[17] Ihm gehört als Direktor des Arbeitsressorts der französische Sozialist Hauck[18] an.

Sir Herbert Emerson
der Hochkommissar des Völkerbundes für Flüchtlingsangelegenheiten, ist als Nachfolger des zurückgetretenen Lord Lytton zum Vorsitzenden des Beratungskomitees für Ausländerfragen beim Foreign Office ernannt worden.

Entlassungen von Ausländern
aus den Government Training Centres ohne Beschaffung einer Arbeitsstelle, wie sie sich in letzter Zeit ereigneten, sollen in Zukunft, wie wir von der Arbeitsvermittlung für Deutsche und Oesterreicher in London erfahren, nicht mehr erfolgen. - Allen arbeitsuchenden Deutschen und Oesterreichern - soweit sie in London wohnen - ist zu empfehlen, sich nicht nur bei der Local Labour Exchange, sondern auch im Arbeitsnachweis für Deutsche u[nd] Oesterreicher, Hanover House, 73 High Holborn, WC1, (Tel: HOLborn 1253) wegen Arbeitsvermittelung zu melden.

Die internierten Flüchtlinge in Kanada
werden, wie der "Manchester Guardian" berichtete, seit kurzem nicht mehr als "Kriegsgefangene" behandelt, sondern als Flüchtlinge, was Vorteile bez. der Korrespondenz, der Kleidung und der Lagerbesuche zur Folge hat.

Unsere jugendlichen Genossen zwischen 14 und 20 Jahren
wollen sich zu einer Jugendgruppe zusammenschliessen. Wir bitten um die Einsendung von Adressen unserer Jugendlichen.

[Seite im Original:] - 7 -

Isolationism is loosing ground!

Public opinion in USA

We received the following report from a friend living in Brooklyn, New York:

"At the end of the second year of war, we see here a national leadership speaking more definitely against Hitlerite Germany and not lacking in action which shows the good will of giving real and decisive aid to the democracies of the Old World. At the same time, however, a large section of the population is maintaining its ignorance and apathy with regard to European questions to an exasperating degree. It is difficult to judge, from New York, how large that section is which still listens to the isolationists.

A competent observer who travelled recently in the south told me that the south is ready for intervention, unconditionally, even more than the New England States, which show a very strong feeling for intervention.

Further, the Middle East of the USA including New York is definitely 'pro-British', and it is Wall Street and the upper class that is supporting Roosevelt's foreign policy and even advocating immediate declaration of war against the Axis, which is the policy of Mr. Willkie, Roosevelt's opponent of last year.

In the Far West and the Mountain States the isolationists seem to be an eloquent minority - 'Hi' Jones[19] in California, and Wheeler[20] in Montana.

The Prairie States and the important States of the northern Middle East are clearly hotbeds of isolationism. But it must be admitted that even in other parts of the country, where the indifference towards events across the Atlantic or the Pacific is not so easily explained by geographical and economical reasons, anything said and done by Roosevelt in order to stir up the feelings of the 'man in the street' failed to be really effective. Roosevelt himself knew it best, and it was evident why he used such strong words in his 'Labor Day address'[21].

There are, however, some indications of the fact that isolationism is loosing ground, even in the Middle West.

[Seite im Original:] - 8 -

The New York State branch of the 'American Legion'[22], the organisation of the old soldiers of the last World War, issued, some weeks ago, a surprisingly isolationist resolution; but quite different views were later expressed in some State convents of that organisation in the Middle West and in the West.

Addressing the 'Front Soldiers Day'-Meeting[23] in Illinois, the National Commander of the organisation, Milo J. Warner[24], of Toledo (Ohio), linked his organisation officially with Roosevelt's followers, without meeting any opposition.

The Executive of the 'American Legion' demanded already last spring in a formal resolution that the USA-fleet should be used for escorting the transports of material to Britain. The same 'Legion' urged, one month after the outbreak of hostilities in Europe, absolute neutrality, and keeping America out of the war at all costs.

Like the 'Legion' the other Union of 'Veterans of the Foreign War'[25] has changed its attitude under the influence of the growing menace resulting from the course of war in Europe. Formerly radically pacifist, it is now almost openly interventionist. It is most likely that the attitude of the 'National Convent' of the 'Legion' when it meets in Philadelphia on September 15th, will be similar. (A forecast which has proved to be correct in the meantime. Ed.)

It may have been remarked even in Europe that, on Labor Day not even John L. Lewis[26], the old miner and 'father' of the Congress of Industrial Organisations dared any longer to challenge Roosevelt's foreign policy as an ally of his friend Wheeler. To sum it up: interventionism seems to be slowly growing, but is still meeting great obstacles, and just at the moment a drastic rise in taxes, increasing food prices, petrol shortage and closing of shops (as a result of armament-priorities) have effects favourable to the isolationists.




"Die USA und der Krieg"
über dies Thema spricht Mittwoch, den 1. Oktober, nachm[ittags] 5.30 Uhr im Trade Union Club, London WC1

Friedrich Stampfer - New York
in einer Versammlung der SPD London.

[Seite im Original:] - 9 -



FLUECHTLINGE IN FRANKREICH

Ein Bericht und ein Appell. Die folgenden Zeilen berichten über die Not der deutschen sozialistischen Flüchtlinge in Frankreich und das Werk zur Rettung dieser Flüchtlinge.

- . - . - O - . - . -

Juni 1940. Waffenstillstand. Ein ungeheurer Flüchtlingsstrom - fast 13.000.000 Menschen - hatte sich über Frankreich ergossen. Aus Dörfern wurden Städte. Toulouse wuchs in 72 Stunden von 250.000 auf 700.000 Einwohner. Es gab kein leeres Zimmer, kein Bett mehr. Massen kampierten in Sälen, Bahnhöfen, Hallen, Kasernen, Schulen, auf der Strasse. Niederlage und Flucht hatten ihnen alles genommen: Hoffnung, Energie, Heim, Güter, und eines verschafft: die Gewissheit, erlösend und schmählich zugleich, "für uns ist der Krieg zu Ende!"

Unter diesen Millionen waren einige tausend deutsche und österreichische Flüchtlinge, die allen Grund hatten, ganz anders zu reagieren. Für sie begann die Schreckenszeit. Paragraph 19 der Waffenstillstandsbedingungen sah die Auslieferung der Deutschen vor. Fast alle Emigranten fürchteten, man habe diesen Paragraphen ihrethalben aufgenommen. Ihre materielle und seelische Situation war gleich miserabel. Fast alle hatten kürzere oder längere Zeit der Internierung hinter sich, die ehemaligen Spanienkämpfer gar waren seit zwei Jahren hinter Stacheldraht. Wenige hatten ihre Habseligkeiten retten können, die meisten waren fast mittellos und besassen, was sie auf dem Leibe trugen. Zahlreiche Flüchtlinge waren noch oder schon wieder interniert; die übrigen verstreut über die ganze unbesetzte Zone, mit Montauban, Toulouse und Marseille als den Kern- und Sammelpunkten. Manche verkrochen sich in ländliche Einsamkeit, aus Sicherheitsgründen. Einige wenige gingen zurück ins besetzte Gebiet.

hinderte die meisten Emigranten, ihre zufällig gewählten, häufig ungeeigneten Aufenthaltsorte zu verlassen. Es gab zunächst keine Zentrale in all diesem unbeschreiblichen

[Seite im Original:] - 10 -

Durcheinander, an die sie sich hätten wenden können. Die lokalen französischen Partei- und Gewerkschaftsstellen konnten Hilfe nur in sehr begrenztem Umfange und meist nur noch für kurze Zeit leisten. Sie hatten genug eigene Sorgen, waren ohne Mittel, ohne zentrale Leitung und bald ein Opfer der Laval-Regierung. Trotzdem haben sie, ebenso wie führende Genossen der russischen, italienischen und polnischen Emigration, Beweise internationaler Solidarität geliefert, die in dankbarer Erinnerung bleiben werden.

in den letzten Jahren geschürt von den Propagandisten der politischen Rechten, wuchs in diesen Tagen des Zusammenbruchs, der Not, der beginnenden Arbeitslosigkeit, der Waren- und Lebensmittelknappheit. Die Untaten der deutschen Parachutisten und der Fünften Kolonne wirkten sich - wie hätte es denn anders sein können - gegen die deutschen Flüchtlinge aus. Kein Geld, kein Heim, keine Lebensmittel; keine Arbeit und kein Recht auf Arbeit; keine Aufenthaltserlaubnis und keine Erlaubnis, zu gehen; keine Aussicht auf Hilfe, Feindseligkeit, beginnende Wieder-Internierung, Organisierung von Arbeits- und Suspektenlagern, die drohende Auslieferungsgefahr, die Besichtigung der Lager durch Gestapo-Kommissionen und anderes schufen eine verzweifelte Stimmung in der politischen Emigration. Aller Gedanken konzentrierten sich in dem Wunsch: "nur raus, um jeden Preis, raus aus dem Land". - Das war nicht gerade einfach. Die Schweiz schickte nichtfranzösische Flüchtlinge unbarmherzig zurück. Der Schiffsverkehr war verboten, die einzig übriggebliebene Pyrenäen-Grenze gesperrt. Trotzdem flohen Hunderte und Tausende auf abenteuerlichen Wegen, mit nicht immer ganz korrekten Visen und Pässen über Spanien und Afrika, nach Lissabon und Uebersee. Schieber, Schmuggler und Abenteurer hatten Konjunktur. Geld öffnete wie stets viele Türen. Unnötig zu sagen, dass unsere Flüchtlinge kaum zu diesen Glücklichen gehörten.

Die genaue Zahl der sozialdemokratischen Flüchtlinge in Frankreich ist unbekannt, da keine Registrierung erfolgt war. Wahrscheinlich waren es zwischen 700 und 1000, incl. der Familienangehörigen. Fast alle Mitglieder des Parteivorstandes und einige seiner Mitarbeiter fanden Ende Juni

[Seite im Original:] - 11 -

nach einigen Irrfahrten in Castres vorläufige Unterkunft. Die Verbindung mit den übrigen Angehörigen des PV und mit Friedrich Adler konnte bald wieder hergestellt und nächste Massnahmen besprochen werden. Der Partei-Vorstand, obwohl von allen Mitteln und zunächst auch von allen Auslandsverbindungen entblösst (Telegramme, die er verschickte, waren oft sechs Wochen unterwegs), versuchte, für die deutschen politischen Flüchtlinge, auch über den Kreis der Parteimitglieder hinaus, Hilfe zu schaffen.

hatten auch ihrerseits sofort nach dem Zusammenbruch gehandelt und erreicht, dass für eine Anzahl im Ausland bekannter Genossen Visen bewilligt wurden. Die Visen konnten leider nicht mehr ausgehändigt werden, da die englischen Konsulate schon Ende Juni geschlossen wurden.

die Vertretung des PV in Amerika, hatte gemeinsam mit übrigen Emigranten-Organisationen anderer Länder durch die American Federation of Labor Besuchs- oder Not-Visen erwirkt und Genossen Dr. Frank Bohn aus Washington nach Marseille entsandt, der sich in uneigennütziger Weise bemühte, das Hilfswerk einzuleiten. Diese Aktion, im entscheidenden Augenblick von deutschen Sozialdemokraten eingeleitet und durchgesetzt, hat Hunderten von Flüchtlingen verschiedener Nationen das Leben und die Freiheit gesichert. Bei dieser Rettungsaktion ist nicht nach Parteigesichtspunkten verfahren worden, und wenn heute z.B. eine Anzahl bürgerlicher Schriftsteller, Vertreter sozialistischer Gruppen und Politiker anderer Richtungen frei und in [den] USA sind, dann verdanken sie das dieser entschlossenen sozialdemokratischen Aktion. Erst viel später haben sich auch andere Kreise an dem Rettungswerk beteiligt. - Der PV wurde im Juli 1940 von dieser Aktion unterrichtet und gebeten, dem amerikanischen Konsulat und Dr. Bohn bei der Durchführung behilflich zu sein. Er sagte zu und entsandte zwei Mitglieder nach Marseille. Gleichzeitig kabelte er eine erste Ergänzungsliste gefährdeter Funktionäre (die auch leitende Angehörige von Gruppen einschloss) nach USA. Diese Liste wurde bewilligt, die Visen erteilt. Verhandlungen mit USA-Behörden, mit Frank Bohn, Vertretern von Bruderparteien und oppositionellen Gruppen folgten. Es gab niemand, der einen

[Seite im Original:] - 12 -

Ueberblick über die benötigte Anzahl von Visen
hatte. Der PV stellte deshalb unter Hinzuziehung von Vertrauensleuten verschiedener Gruppen ein vorläufiges Gesamtverzeichnis der sozialistischen Emigranten aller Richtungen zusammen, das 451 Namen umfasste.

Marseille, Mittelmeerhafen, grösste Stadt der unbesetzten Zone, Sitz des USA-Generalkonsulats und der Konsulate vieler anderer Länder, wurde rasch Ausreisezentrum und Mekka der Emigranten, die trotz des Reiseverbotes und der strengen Bahn- und Strassenkontrolle einzudringen suchten. Auch der PV übersiedelte. An eine Fortsetzung der früheren Tätigkeit in Frankreich war nicht zu denken. Es wurde daher vereinbart, auszureisen und den Versuch zu machen, die Arbeit in England und Amerika wieder aufzunehmen. Zur Fortsetzung der Hilfsarbeit für die sozialdemokratische Emigration in Frankreich wurde ein Mitglied bestimmt, das in engster Zusammenarbeit mit Frank Bohn wirken sollte.

Washington hatte rund 400 Not-Visen pauschal bewilligt, von denen 118 für deutsche, 23 für österreichische, 47 für italienische und der Rest vorwiegend für russische und polnische Emigranten bestimmt waren. Namen und Verteilungsschlüssel waren in Amerika bestimmt worden. Auf Sozialdemokraten entfiel nicht ganz die Hälfte der deutschen Quote, die anderen entfielen zum grossen Teil auf bürgerliche Schriftsteller, Journalisten usw. Es stellte sich heraus, dass viele Sozialisten und besonders die in Amerika natürlich unbekannten illegalen Mitarbeiter keine Visen erhalten hatten. Die Beschaffung von Visen für diesen Personenkreis und die Organisierung der Ausreise der Visen-Besitzer waren die wichtigsten, aber durchaus nicht die einzigen Aufgaben, die sich stellten.

waren ausserordentlich gross. Die Visenbewilligung war an eine Nachprüfung durch das Marseiller Konsulat gebunden, die in einzelnen Fällen zur Verweigerung, in vielen Fällen zu Schwierigkeiten führte. Das Visum wurde nur gegeben, wenn der Konsul die Ueberzeugung gewann, dass der Interessent entweder ein berühmter Intellektueller oder ein Führer der Arbeiterbewegung oder in unmittelbarer Lebensgefahr war. Das war nicht immer leicht zu 0beweisen. Die Konsuln, weni-

[Seite im Original:] - 13 -

ger vertraut mit europäischen Verhältnissen, hatten natürlich nur eine sehr begrenzte Personenkenntnis. Sie hatten z. B. niemals zuvor den Namen eines Politikers und Wissenschaftlers von europäischem Ruf, des ehemaligen Präsidenten der Arbeiter-Internationale und Staatsminister, Louis de Brouckère, gehört. Diese Schwierigkeiten wurden später dadurch überwunden, dass das Konsulat schriftliche Zertifikate des PV-Vertreters akzeptierte, die Berühmtheit oder Lebensgefahr des Interessenten bestätigten. Die Konsuln taten, was in ihren Kräften stand, der Andrang war freilich zu gross, auch nur einen wesentlichen Teil der Wünsche und Anträge zu befriedigen. (Es gab Tage mit ca. 4000 Posteing[än]g[en].)

verweigerten deutschen Flüchtlingen die Ausreisegenehmigung. Das unterband eine Zeitlang die Verteilung der Not-Visen, da das Konsulat dieses Ausreisevisum als Vorbedingung für die Erteilung nicht nur des Immigrations- sondern auch des Not-Visums forderte. Es gelang den intensiven Bemühungen der interessierten Kreise, besonders Dr. Bohns, diese Konsulatsmassnahme wenigstens für die Not-Visen wieder rückgängig zu machen. Andere Schwierigkeiten tauchten auf. Kurze Zeit nach dem Zusammenbruch war es einem kleinen Passagierdampfer gelungen, Flüchtlinge auf dem Seeweg, unter Vermeidung des von vielen gefürchteten spanischen Territoriums, nach Portugal zu bringen. Einige weitere Versuche ähnlicher Art, die grosse Ausgaben verursachten, scheiterten, es blieb

der dank der Mithilfe französischer Sozialisten in vielen Fällen erfolgreich beschritten wurde, bis die Spanier die USA-Flüchtlingspässe und die tschechoslowakischen und polnischen (Hilfs-)Pässe nicht mehr akzeptierten und "richtige" Nationalpässe verlangten, zumeist von Flüchtlingen, die schon längst keine Staatsanhörigkeit mehr besassen. Mehrere Monate hindurch sassen daher viele Flüchtlinge mit gültigen Visen an der Grenze, und manchmal schien es unmöglich, einen Ausweg zu finden. Es gelang auf verschiedene Weise, durch Beschaffung anderer Pässe, durch sonstige Mittel und endlich durch die Zurücknahme der spanischen Massnahme. Neue Schwierigkeiten traten an die Stelle der alten.

[Seite im Original:] - 14 -

Reisende in Spanien wurden verhaftet, Portugal verlangte Nachweis der bezahlten Schiffspassage, Spanien forderte Vorlage der französischen Ausreisegenehmigung, Frankreich sagte in Einzelfällen die Erteilung der Ausreisevisen zu, verlangte aber vorherige Vorweisung der spanischen und portugiesischen Transitvisen; - es war das übliche, wohlbekannte Spiel der Bürokraten auf dem Rücken der Wehrlosen. Ausreiseberatung wurde eine Geheimwissenschaft. Ende 1940 gelang es nur ganz wenigen deutschen Flüchtlingen, Frankreich zu verlassen. Um Weihnachten besassen fast 300 deutsche Familien und Einzelpersonen, darunter etwa 30 sozialdemokratische Funktionäre, gültige Not-Visen für [die] USA, ohne Frankreich verlassen zu können. Dank besonderer Umstände gelang es dann, den [Grossteil] dieser Gruppe um Weihnachten nach Lissabon zu bringen. Die dann unter amerikanischem Druck einsetzende Lockerung der Ausreisesperre und die vorübergehende Eröffnung einer Schiffslinie Marseille - Martinique - USA brachten eine weitere Erleichterung der Situation. Im Frühjahr 1941 waren die meisten Inhaber von Notvisen, auch die restlichen Sozialdemokraten, in Sicherheit - mit Ausnahme der von den französischen Behörden an die Gestapo ausgelieferten Genossen Hilferding und Breitscheid, über deren Schicksal bereits berichtet ist.

Einige hundert Flüchtlinge waren in Sicherheit, grösser aber war die Zahl der Flüchtlinge ohne Visen, deren Stimmung durch die kritische Situation Frankreichs und der weiteren Erschwerung der Aufenthalts- und Ernährungsfrage immer verzweifelter wurde. Im Herbst 1940 war es Dr. Bohn gelungen, noch einige USA-Sondervisen in Marseille durchzusetzen, in einer Anzahl von Fällen reichten weniger seriöse Ueberseevisen wenigstens für eine Fahrt nach Lissabon, eine kleinere Anzahl Mexiko- und Brasilienvisen wurden bewilligt - aber all das war völlig ungenügend. Wir hatten uns sofort brieflich und telegrafisch mit unseren Freunden in [den] USA in Verbindung gesetzt und sie um die Beschaffung weiterer Visen gebeten. (In mehr als 150 langen Flugpostbriefen und Telegrammen wurden unsere amerikanischen Freunde über die Situation der Sozialdemokraten unterrichtet.) Als Dr. Bohn im Herbst 1940 nach USA zurückfuhr, führte er einen Situationsbericht von

[Seite im Original:] - 15 -

500 deutschen Sozialisten aller Richtungen mit sich. Das State Department in Washington war - wie sich Oktober 1940 herausstellte - nicht bereit, weitere Pauschalbewilligungen von Notvisen zu machen. Alle unsere und die Bemühungen unserer Freunde in [den] USA blieben vergeblich. Die Regierung war zwar bereit, individuelle Not-Visen zu erteilen, machte die Erteilung aber von der Erfüllung komplizierter Vorschriften abhängig. Die Freunde in [den] USA versuchten, auf diesem Wege eine Anzahl weiterer Visen zu erhalten, und forderten Unterlagen; die ihnen für alle gefährdeten Sozialdemokraten gesandt wurden. Es gelang ihnen jedoch nur noch in ganz wenigen Ausnahmefällen, die Bewilligung zu erlangen. Andere Kreise, erfolgreicher in der Beschaffung der erforderlichen Affidavits, ermöglichten die Ausreise einer Anzahl anderer Emigranten.

- um als Ersatz für die aussichtslos werdende USA-Aktion Visen für andere Länder zu erhalten - , Zusammenarbeit mit jüdischen und christlichen Komitees und Agenturen im Lande wie Anträge bei ausländischen Parteien und Regierungen brachten wenig Hoffnung, viel Arbeit, aber kaum Visen. Illegale Ausreisen, ohne Visen, waren nur in Ausnahmefällen möglich und nicht allzu erfolgreich. Kein Wunder, dass die Stimmung der Zurückbleibenden weiter sank und Selbstmorde und Selbstmordversuche unternommen wurden.

Da es den Mitgliedern der verschiedenen sozialistischen Gruppen im Spätherbst gelungen war, mit ihren Freunden in [den] USA wieder in Verbindung zu kommen, und da die verschiedenen USA-Hilfsorganisationen die Arbeit für die ihnen nahestehenden Kreise aufgenommen hatten, konnten wir uns mehr der immer notwendiger werdenden Hilfe für unsere eigenen Genossen widmen. Die kameradschaftliche Zusammenarbeit mit den anderen Vertretern litt darunter keinesfalls. Gegenseitige Hilfe, guter Wille aller Beteiligten und Verständnis für die Nöte der anderen schufen eine gute Atmosphäre. Im Dezember 1940 hatten wir mit etwa 160 (einschl. der Angehörigen etwa 500) in ganz Südfrankreich verstreuten Sozialdemokraten direkte Verbindung. Davon waren etwa 30 (meist in Gurs) interniert und 40 in Lagern ausländischer Arbeitssoldaten, einige in afrikanischen Ländern.

[Seite im Original:] - 16 -

sind oft mit Recht in der Oeffentlichkeit gerügt worden. Keiner der Lagerinsassen wird diese Zeit je vergessen. Unwille gegen die fremden und unnützen Esser, Hass gegen politisch andersdenkende Ausländer, mangelnde Organisationskunst, vor allem aber Knappheit an allem Nötigen - verursacht durch die Massnahmen der Nazis - waren die Hauptgründe für die vielgerügten Zustände. Nicht viel besser waren die Verhältnisse für die Flüchtlinge ausserhalb der Lager. Frankreich hungert und hat Mangel an allem, - da ist es kein Wunder, dass die Flüchtlinge in grösster Not leben. Eine weitere Härte bildeten die Polizeimassnahmen. Flüchtlingen in Toulouse, Lyon usw. wurde

zugewiesen, wo es meist nicht möglich war, eine Existenzmöglichkeit zu finden. Neue Internierungen, sehr häufige Razzien und Verhaftungen, Wieder-Einziehung bereits demobilisierter Ausländer, Verschickung von Emigranten nach Afrika, stets neue, verschärfte Fremden- und Judenerlasse und die endlose Flut wilder, phantastischer Gerüchte schufen gelegentlich Panikstimmungen, die man erlebt haben muss, um sie zu glauben - und zu begreifen.

Wir versuchten vieles, um unseren sozialdemokratischen Flüchtlingen Hilfe zu schaffen. Es gelang, eine Anzahl unserer Genossen aus den Lagern oder aus polizeilichen Schwierigkeiten zu befreien, wieder andere konnten in bessere Lager (für Alte, Kranke, Auswanderer) überführt werden. Mittel und Methoden mussten dabei den Umständen angepasst werden und waren, wie ja das Leben dieser Zeit, gelegentlich ungewöhnlich. Schwierig zu lösen war die materielle Hilfe. Als die Arbeit begonnen wurde, standen Mittel praktisch nicht zur Verfügung. Die aus Amerika gekommenen bescheidenen Beträge reichten bei weitem nicht aus, die Fahrgelder und Unterhaltskosten auch nur der 'Visa besitzenden' sozialdemokratischen Funktionäre zu decken, geschweige denn die viel grössere Zahl der 'Visalosen' zu unterstützen. Es gelang, einen Teil der benötigten Gelder zu beschaffen. Mehrere hunderttausend franz[ösische] Francs kamen zusammen, zum gr[ossen] Teil dank der Opferwilligkeit einiger führender Genossen, die ihr letztes Geld her-

[Seite im Original:] - 17 -

liehen, zum Teil dank der Hilfe unserer schweizerischen u[nd] schwedischen Freunde und internationaler Gewerkschaftsorganisationen, zum Teil aus anderen Quellen.

Die Genossen in Lagern und kleinen Provinzorten hatten und haben Bedarf an allem, und unsere Möglichkeiten im Vergleich dazu waren wenige. Die Rationierungen - schon Ende 1940 sehr viel strenger als jetzt in England - erstrecken sich auf fast alles Lebensnotwendige. Die auf dem Papier bewilligten Rationen waren schon 1940 unzureichend und sind seitdem noch wesentlich gekürzt worden. Sehr viele Leute erhielten schon damals weniger, als ihnen zustand, und diese Entwickelung ist in den letzten Monaten katastrophal geworden, Ersetzung der knappen Lebensmittel durch nicht rationierte war und ist "mangels Masse" nicht möglich.

und allen anderen Bedarfsgegenständen war (und ist) in der gleichen Weise vorhanden. Trotzdem wurden nicht [nur] fast alle in Marseille lebenden Sozialdemokraten mehr oder minder ausreichend während durchschnittlich 4 - 6 Monaten unterstützt, sondern auch, bes[onders] ab Weihnachten 1940, die Genossen in Lagern und Provinzorten mit Geld und Lebensnotwendigem versorgt. Wir sandten alles, was wir beschaffen und bezahlen konnten: Mäntel, Hemden, Anzüge, Stiefel, Decken; Wurst, Brot, Margarine, Konserven, Zucker, Kaffee, Tee, Mehl; Seife, Rasiercreme, Klingen, Medikamente; ausländische Zeitungen usw. usw. Viele Wochen hindurch wurden Pakete zu drei und fünf Kilo gesandt. Die Findigkeit und der Eifer unserer Mitarbeiter, die hinter diesen Kostbarkeiten herjagten - weiss der Himmel, wo sie sie auftrieben - ist über jedes Lob erhaben. Wir kamen sehr bald in

der grossen amerikanischen und französischen Flüchtlingshilfe und mit dem Schweizerischen Arbeiterhilfswerk[27]. Diese Organisationen leisteten uns ausserordentlich wertvolle Hilfe in verschiedener Form, besonders dadurch, dass sie einem grossen Teil unserer Freunde mehr oder minder regelmässig Geld und Pakete übermittelten. - Aber, man soll sich nicht täuschen: Alles, was getan wurde und weiter getan wird, reicht bei weitem nicht aus, ganz abgesehen davon, dass diese vorübergehende Hilfe keine Lösung des Problems ist.

[Seite im Original:] - 18 -

Viele Emigranten, einmal dem Konzentrationslager Europa entronnen, neigen unwillkürlich dazu, das Hilfswerk für abgeschlossen zu halten, nun, da sie ja "draussen" sind. Die Tatsache, dass eine Anzahl bekannter Schriftsteller und Politiker gerettet ist, hat - bes[onders] in bürgerlichen Kreisen - wiederholt zu Erklärungen geführt, dass "nunmehr fast alle" gerettet seien. Erst in letzter Zeit wieder sind in New Yorker Emigrantenorganen Darstellungen von Komitees und Organisationen gegeben worden, die den Eindruck hervorrufen können, die Hauptsache sei getan.

Die Wirklichkeit ist anders. Es ist richtig: Viele der bekannteren Schriftsteller, Politiker, Journalisten und Künstler konnten Frankreich verlassen. Aber sehr viele und vor allem viele Mitglieder und

sind noch dort, dem Hunger, der Not, der Verfolgung - und der möglichen Auslieferung ausgesetzt. Das soll nicht vergessen werden! Von über 200 Sozialdemokraten (ohne die Familienangehörigen) sind noch etwa zwei Drittel in Frankreich! Von den 700 Visaanträgen, die ein einziges Komitee in Marseille gestellt hatte, sind noch keine 100 bewilligt worden. Unser Vertrauensmann in Frankreich, der die Hilfsarbeit unter schwierigsten Bedingungen weitergeführt, hat berechnet, dass, gegenwärtig noch etwas über 500 deutsche und österr[eichische] sozialist[ische] Flüchtlinge aller Richtungen (ohne Kommunisten), Familienangehörige nicht eingerechnet, in Südfrankreich sind, für die in jeder Hinsicht volle Garantie geleistet werden könne. In etwa 100 dringenden Fällen drohen Gefahren! Einige wenige von diesen 500 haben Visen, können aber aus verschiedenen Gründen das Land nicht verlassen. Darunter sind einige seit vielen Monaten im Besitz des Notvisums, die ihre vielfachen Ausreiseversuche als vergeblich aufgegeben haben und resignieren.

machen es wahrscheinlich, dass nur noch in Ausnahmefällen Immigrations- oder Notvisen für unsere Freunde bewilligt werden. Die einschneidenden Transfervorschriften in [den] USA, die sich weiter mehrenden Schwierigkeiten bei der Besorgung der Ausreise- und Transitvisen machen die Ausreise selbst für Visenbesitzer mehr als fraglich.

[Seite im Original:] - 19 -

Visen für andere Ueberseeländer sind mindestens ebenso schwer zu beschaffen wie für die USA. Praktisch kommen dafür nur noch Mexiko und Brasilien in Betracht. Es gibt aber bereits jetzt Tausende von Emigranten mit Mexikovisen in Frankreich, die nicht benutzt werden können, da es keine direkten Fahrverbindungen gibt und Transitvisen (via Kuba oder USA) zu kostspielig sind. Seit vielen Monaten sind Bemühungen im Gange, eine Anzahl dieser Flüchtlinge ausser Landes zu bringen. Bisher ist es nur in Ausnahmefällen gelungen.

Uebrig bleibt der Versuch, sich in Frankreich selbst durchzuschlagen und am Leben zu erhalten; ein Versuch, der Glück und Energie erfordert und nicht in allen Fällen erfolgreich sein wird. Die Lebensmittelversorgung ist katastrophal geworden, die Hilfsquellen des Landes sind fast erschöpft. Die Lage der Franzosen ist schon schlimm, die der Flüchtlinge kaum zu schildern. Hilfe von aussen ist kaum zu erwarten. Mehrere Hilfskomitees mussten ihre Tätigkeit unterbrechen oder einstellen. V. M. Fry, ein hochangesehener Amerikaner, wurde [wegen] seine[r] Hilfsarbeit von 6 Polizisten über die spanische Grenze abgeschoben.-

Besonders schwer ist es für die in Frankreich verbliebenen Sozialdemokraten, von denen mehr als ein Drittel der Männer noch in verschiedenen Lagern sind. Einige haben Arbeit in Bergwerken erhalten, einige hungern sich als Köhler, andere als Land- und Forstarbeiter durch, viele sind zu krank, zu schwach oder aus gesetzlichen Gründen nicht in der Lage, etwas zu verdienen. Unterstützungsmittel sind jetzt schwer zu erwarten. Jüdisch-amerikanische Arbeiter-Organisationen haben Anfang 1941 Beträge gesandt, Geldmangel und Transfer schwierigkeiten haben weitere Sendungen offenbar unmöglich gemacht.

scheint im Augenblick das einzige zu sein, das zu helfen vermag, obwohl auch ihre Mittel gering und die an sie gestellten Forderungen gross sind. Da schon seit Januar 1941 die Ausfuhr von Lebensmitteln aus der Schweiz verboten ist, mussten sie die bisherigen Sendungen einstellen und versuchen, einige Farmen für die Flüchtlinge zu erwerben. In

[Seite im Original:] - 20 -

dieser Weise ist man jetzt dabei, in einer (oder einigen) Farmen in Südfrankreich wenigstens einem kleinen Teil unserer Freunde Lebensmöglichkeiten zu verschaffen. Auch auf andere Weise soll Hilfe von der Schweiz aus versucht werden, nachdem bereits im vergangenen Jahre etwas Geld von dort gegeben wurde.

Einzelne unserer Genossen sind auf der Ausreise von Frankreich nach Uebersee stecken geblieben. Einige sitzen in Lagern in Französisch-Afrika in hoffnungsloser Verlassenheit, einige in spanischen Konzentrationslagern, von der Auslieferung nach Deutschland bedroht, und einige - deren Weiterreise wahrscheinlich ist - sind in Martinique, in Casablanca und Lissabon.

Es ist Krieg, Millionen kämpfen und sterben. Einzelschicksale zählen nicht mehr. Unsere Freunde in Frankreich sind eine kleine Minderheit, einige hundert in dem Millionenheer der französischen und ausländischen Refugees.

Noch immer sind Millionen Franzosen fern ihrer Heimatgemeinde; 150.000 Spanier, die Aermsten, Drangsaliertesten von allen Flüchtlingen; Hunderttausende von Italienern, 50.000 oder mehr deutsche und österreichische jüdische Emigranten und viele zehntausend Flüchtlinge vieler anderer Nationen tragen ihr Leid, hungern und frieren. Ueber 10.000 sitzen im Lager Gurs, ebensoviele wahrscheinlich im Lager Argeles, etwa 1000 in Vernet und Tausende anderer in Dutzenden anderer Läger, hinter Stacheldraht. Alle diese Tausende und Zehntausende sind Opfer von Hitlers Taten.

Und doch wird uns niemand verdenken, wenn wir wieder und wieder unsere Gedanken und Blicke auf dies kleine Häuflein deutscher Sozialdemokraten richten, das da, über viele Orte verstreut, tapfer im Elend ausharrt, abgeschnitten von aller Welt, getragen von der Hoffnung auf den Sturz Hitlers und dem Glauben an die Partei und die Verwirklichung ihrer Ziele.

- . - . - O - . - . -

(Eine Ausgabe dieses Berichtes in englischer Sprache wird vorbereitet.)

[Seite im Original:] - 21 -

Die (in Nr. 29 der SM im Wortlaut zitierte) Atlantische Erklärung Roosevelts und Churchills war Gegenstand einer am 24. September im Londoner St. James-Palast abgehaltenen Konferenz der Vertreter der alliierten Regierungen.

Der Sowjet-Botschafter Maisky gab eine Erklärung ab, in der er es als die erste Aufgabe aller zum Kriege gegen Hitler-Deutschland gezwungenen Nationen und Staaten bezeichnete, die schnellste und entscheidendste Niederlage des Angreifers herbeizuführen. Weiter stehe man der Aufgabe gegenüber, den Grundstein für eine Organisation der internationalen Beziehungen nach dem Krieg zu legen, und zwar so, dass künftigen Generationen die furchtbaren Verbrechen der Nazis erspart blieben. Die Sowjet-Regierung, sagte Maisky, verteidige das Recht jeder Nation auf Unabhängigkeit und territoriale Unantastbarkeit und ihr Recht, eine Gesellschaftsordnung und eine Regierungsform zu wählen, die ihr zur besseren Förderung ihres wirtschaftlichen und kulturellen Gedeihens notwendig erscheint.

Maisky erinnerte daran, dass die Sowjetunion für völlige und allgemeine Entwaffnung eingetreten sei, aber bereit sei, jeden Angriff mit wuchtigen Schlägen zu erwidern. Die Sowjetregierung erkläre ihre Zustimmung zu den Grundprinzipien der Erklärung Roosevelts und Churchills, die unter den gegenwärtigen internationalen Umständen so wichtig sind. Eine folgerichtige Anwendung dieser Prinzipien werde die energische Unterstützung der Regierung und der Völker der Sowjetunion finden.

Eine gemeinsame Resolution der alliierten Regierungen wurde angenommen. Sie lautet:

"Die Regierungen Belgiens, der Tschechoslowakei, Griechenlands, Luxemburgs, der Niederlande, Norwegens, Polens, der Sowjetunion und Jugoslawiens und Vertreter des Generals de Gaulle, des Führers der Freien Franzosen, haben von der Erklärung Kenntnis genommen, die kürzlich von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und dem Premierminister Mr. Churchill namens der englischen Regierung entworfen wurde, und sie erklären nun ihre Anhängerschaft an die gemeinsamen Grundsätzen, die in jener Erklärung ausgesprochen sind, und ihre Absicht, nach besten Kräften an ihrer Verwirklichung mitzuwirken."

In der Aussprache über diese Resolution wurden vom hollän-

[Seite im Original:] - 22 -

dischen Aussenminister Van Kleffens[28] Bedenken gegen Punkt 4 der Atlantischen Erklärung geltend gemacht, die sich auf die "Beachtung der bestehenden Verpflichtungen" bei der Zugänglichmachung der Rohstoffe und des Welthandels für alle Staaten bezogen. Bestehende Verpflichtungen dürfen nicht verewigt werden, wenn sie die allgemeine Anwendung des Prinzips behindern oder seine segensreiche Wirkung vermindern.

Jan Masaryk[29] gab namens der tschechoslowakischen und polnischen Regierung eine Erklärung ab, in der gesagt wird, dass die beiden Regierungen die völlige Zerstörung der Instrumente, mit denen Deutschland in Zukunft einen neuen Versuch der Verwirklichung seiner Angriffspläne machen könnte, nicht für eine ausreichende Garantie gegen einen dritten deutschen Krieg halten. Politische und materielle Garantien müssten geschaffen werden, und die Durchführung der Atlantischen Erklärung im Geiste der Gerechtigkeit erlaube nicht die gleichförmige Behandlung derer, die am Ausbruch von Weltkriegen schuldig sind, und derer, die Opfer dieses Krieges sind.

Der britische Aussenminister Eden hielt eine Rede über die dringendsten Nachkriegs-Probleme, die in folgenden 6 Forderungen gipfelte: 1. Lebensmittel- und Rohstoffversorgung für die von der Nazi-Unterdrückung befreiten Länder. 2. Jede der alliierten Regierungen ist zunächst für die Versorgung ihres eigenen Volkes verantwortlich, aber ihre Pläne sollen koordiniert werden. 3. Die schon getroffenen Vorbereitungsmassnahmen werden begrüsst und der Wille zur Zusammenarbeit zum Ausdruck gebracht. 4. Jede der alliierten Regierungen soll eine Schätzung ihrer Bedürfnisse vorlegen und der Priorität, mit der sie zu behandeln wären. 5. Die Schiffs-Transportmöglichkeiten unter Kontrolle der alliierten und anderer Regierungen sollten nach einem gemeinsamen Plan verwendet werden. 6. Als erster Schritt soll von der engl[ischen] Regierung ein Büro unter dem Vorsitz von Sir Frederick Leith-Ross[30] eingesetzt werden, mit dem die alliierten Regierungen bei der Schätzung ihrer Bedürfnisse und der Wirtschaftspläne zusammenarbeiten sollen.

Edens Vorschläge wurden von allen Delegierten angenommen, nur gegen den 6. Punkt machte der Sowjetbotschafter Einwendungen und wünschte, dass die Kommission einen inter-alliierten Charakter erhalte.

[Seite im Original:] - 23 -

Vom 26. bis 28. September fand in London ein von der "British Association"[31] veranstalteter Weltkongress von Wissenschaftlern statt, zu dem auch emigrierte deutsche, österreichische und italienische Gelehrte eingeladen waren und der mit einer Begrüssungsansprache des Aussenministers Eden eröffnet wurde. Es nahmen an dem Kongress u.a. auch der tschechoslowakische Praesident Dr. Benes, der amerikanische Botschafter Winant und der russische Botschafter Maisky teil, der vor zu grossem Optimismus warnte und auf die Schwierigkeiten hinwies, die der Planwirtschaft in der Sowjetunion begegnet seien. Er bezeichnete die Verhinderung einer Wiederholung der gegenwärtigen Weltkatastrophe als die wichtigste Frage der Nachkriegszeit. Dr. Benes erklärte es als Ziel der Wissenschaft, den Missbrauch ihrer Erfindungen zu verhindern.

In Fach-Referaten wurden die Probleme der Rohstoffvorraete, der Nahrungsmittel und der Wirtschaftsordnung nach dem Kriege behandelt. Der Labour-Abgeordnete Noel-Baker forderte ein internationales Abkommen, das einen Ernährungs-Standard für jeden Bürger der beteiligten Staaten festsetzt. Der Innenminister Morrison würdigte die Bedeutung der Erziehung. In einer Ansprache an den Kongress wies der englische Schriftsteller H. G. Wells auf die geistige Krise unserer Zeit hin und sagte, die menschliche Rasse drohe zu verfallen, wenn sie nicht den Aenderungen der Umstände anpasse. Er forderte Weltkontrolle der Transportmittel und Rohstoffe und Festlegung der Menschenrechte.

Am Schluss wurden Kommissionen zur Untersuchung der Einzelprobleme eingesetzt und eine Entschliessung angenommen, die Freiheit der Wissenschaft und internationale Zusammenarbeit fordert.

Am 27. September hielt in London die "Federal Union" eine Konferenz über das Thema "Europa nach dem Krieg" ab, in der eine Reihe von Rednern aus verschiedenen Ländern ihre persönlichen Auffassungen von den Erfordernissen einer Neugestaltung Europas nach Hitlers Niederlage zum Ausdruck brachten. Unter den Rednern befanden sich der französische Sozialist Louis Lévy, der Vorsitzende der sudetendeutschen Sozialdemokraten, Wenzel Jaksch, der italienische Anti-Faschist Paolo Treves[32], der einstige

[Seite im Original:] - 24 -

ungarische Präsident Graf Karoly[33] und auch ein deutscher und österr[eichischer] Sprecher (H. Fraenkel und Prof. Hertz[34]) sowie Sprecher aus den USA, Polen, [der] Tschechoslowakei und Belgien. Obwohl die Redner in der Beurteilung der Möglichkeiten und Notwendigkeiten der künftigen Neu-Ordnung nicht immer einig waren, stimmten alle darin überein, dass die Aussichten für die Errichtung einer gesamteuropäischen oder einer Welt-Förderation unmittelbar nach dem Krieg nicht gross sein werden, dass aber die Aufgabe einiger Souveränitätsrechte von allen Staaten eine notwendige Voraussetzung eines wirksamen Systems allgemeiner Sicherheit ist. Sie stimmten auch darin überein, dass politische mit wirtschaftlichen und sozialen Massnahmen bei der Verwirklichung einer Neu-Ordnung Hand in Hand gehen müssen. Sie waren ebenfalls darin einig, dass die Einordn[un]g Deutschlands in die künftige europäische Zusammenarbeit das schwierigste Problem sein werde und dass dieses Problem nicht durch extremistische Rache-Forderungen gelöst werden kann, sondern durch verständnisvolle Behandlung der aufbauwilligen Kräfte in Deutschland und entschiedene Vorkehrungen gegen die Wiederholung der verhängnisvollen Politik der letzten Jahrzehnte gelöst werden muss.



Für "feindliche" Ausländer im Feuer-Wachdienst
hat das Home Office neue Instruktionen gegeben. Darin wird festgestellt, dass keine der Verordnungen, die bisher für den zwangsweisen Dienst als "firewatchers" erlassen wurden, auf Personen nicht-britischer Nationalität anwendbar ist. Es wird aber betont, dass die freiwillige Meldung von Ausländern willkommen ist und dass kein Ausländer, der freiwillig Dienst als "firewatcher" übernommen hat, diesen Dienst verlassen darf, wenn er nicht mindestens eine Woche vorher der zuständigen vorgesetzten Stelle Kündigung gegeben hat. Die Polizei ist angewiesen, den Ausländern, die zum Dienst als "fire-watcher" angenommen wurden, eine generelle Befreiung vom "curfew" zu gewähren (nicht mehr nur, wie bisher, für die Nächte, in denen sie Dienst tun) mit der Einschränkung, dass die Ausländer sich nicht aus ihrem Wohnbezirk entfernen.

Die Polizei hat aber das Recht, die Erlaubnis zum "fire-watch"-Dienst nach eigenem Ermessen Ausländern zu verweigern.

[Seite im Original:] - 25 -

Anfang September fand in Edinburgh der Jahreskongress der britischen Gewerkschaften statt. In seiner Eröffnungsansprache betonte der Vorsitzende George Gibson erneut die Entschlossenheit der britischen Arbeiterschaft, den Kriege gegen Hitler und Mussolini bis zum siegreichen Ende zu führen, und er begrüsste die Teilnahme der Sowjetunion an diesem Krieg. Der Kongress stimmte dem Vorschlag zu, ein englisch-russisches Gewerkschaftskomitee zu bilden. Gleichzeitig stellte der Generalsekretär der britischen Gewerkschaften, Sir Walter Citrine, fest, dass sich die ablehnende Haltung der britischen Gewerkschaften gegenüber der britischen Kommunistischen Partei nicht geändert habe, die sich als "völlig unzuverlässig" erwiesen hat. Die britischen Gewerkschaften werden, wenn sie Hilfe für Russland leisten, dabei nicht die Unabhängigkeit ihres politischen Urteils opfern.

Namens der Labour Party sprach C.R.Attlee, der besonders auf die Bedeutung der "Atlantic Charter", der gemeinsamen Erklärung Roosevelts und Churchills, hinwies. Attlee würdigte vor allem die Bedeutung des fünften Punktes dieser Erklärung, der die wirtschaftliche Zusammenarbeit aller Nationen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen fordert, und er wies darauf hin, dass die Labour-Bewegung grossen Anteil an diesem Punkte der Erklärung habe.

Von den zahlreichen Problemen der Kriegswirtschaft, die auf dem Kongress erörtert wurden, seien hier nur zwei genannt: der Regierungsvorschlag, eine Lohnstabilisierung durchzuführen, wurde eindeutig abgelehnt, und die ungleiche Entlohnung der Frauen in der Kriegsindustrie wurde heftig kritisiert.

Mit einer knappen Mehrheit wurde ein Antrag abgelehnt, den Generalrat der Gewerkschaften[35] mit einer Untersuchung über eine Neu-Organisation der britischen Gewerkschaften zu beauftragen. Zur Begründung des Antrages war auf das Problem der "Industrie-Organisationen" und der Facharbeiter-Organisationen hingewiesen worden, - Probleme, die in den britischen Gewerkschaften nicht einheitlich gelöst sind und nach dem Kriege vermutlich sehr akut werden dürften.

Zum Vorsitzenden des Generalrates des Trade Union Congress wurde Frank Wolstencroft[36] gewählt, der seit über 15 Jahren Generalsekretär des Holzarbeiterverbandes ist.

[Seite im Original:] - 26 -

"... In unserer Lage hat sich eigentlich nichts geändert, nur das eine ist neu: Wir hören jetzt viel lieber Radio als vor einigen Monaten, und auch jene, die sich schon angewöhnt hatten, auf diesen Zeitvertreib zu verzichten, stellen nun den Apparat - so sie einen haben - wieder regelmässig an. Gleichzeitig mit der verschlechterten Situation im Reich haben auch unsere Hoffnungen auf eine Heimkehr neue Nahrung bekommen. dass sich die Lage der Nazis trotz grosser äusserer Erfolge erheblich verschlechtert hat, bezweifelt hier niemand, denn die spärlichen Nachrichten, die hier aus der Heimat eintreffen, lassen deutlich erkennen, dass die schweren Verluste an Menschenleben die Leute langsam zum Nachdenken zwingen.

Wir verfolgen hier auch die kluge und konsequente Politik Amerikas; wir haben hier den Eindruck, als ob Roosevelt wie ein genialer Schachspieler immer schon 5 Züge im voraus berechnet hat. Und dann warten wir bald auf eine grosse Aktion Englands, die wir in Afrika, am Kanal oder in unserer Nachbarschaft sich ausleben sehen.

Inzwischen sind wir Deutschen nicht beliebter geworden, das spüren wir auch hier im neutralen Lande. Die Persekutionen in Norwegen haben in Schweden eine tiefe Erregung ausgelöst, und zwar in allen Bevölkerungsschichten. Die Arbeiter erkennen in der Hinrichtung und Einkerkerung ihrer norwegischen Kollegen ihr künftiges Schicksal, wenn Schweden von deutschen Truppen okkupiert werden sollte; die Intellektuellen fühlen sich durch die Massnahmen gegen die norwegischen Universitätslehrer getroffen, die Handwerker und Kleinbürger durch die Auflösung der gewerblichen Organisationen, die Sportler durch die Verhaftung ihrer norwegischen Freunde usw. Erfreulich ist, dass die Nazibarbarei die Abwehrbereitschaft Schwedens sehr gestärkt hat - der eine Zeit lang vorhandene Defätismus ist jetzt wie weggeblasen. Wir wissen jedoch, dass die Kraft des Regimes noch gross ist und dass ein Zusammenbruch nicht so schnell kommen kann.

Sozial geht es uns ganz leidlich. Wer Arbeit hat - und dies ist nun ein erfreulich grosser Teil - kommt ganz gut aus. Bei jenen Genossen, die auf die Unterstützung angewiesen sind, ist natürl[ich] Schmalhans oft Küchenmeister. Die Lebensmittel, die nun fast alle rationiert sind, reichen

[Seite im Original:] - 27 -

gut aus, und, solange die Schweden nicht verhungern, werden auch wir satt werden. Nur die Knappheit des Kaffees ist sehr spürbar, und für einen Emigranten ist es nicht leicht zu tragen, dass dieser Genuss - einer der wenigen, die uns noch zur Verfügung waren - nun seltener wird. Wir tragen diese Fügung mit Fassung und unsere Gaumen gewöhnen sich an die Zichorie. Und wenn der Kaffee einmal ganz zu Ende geht, dann denke ich an die Heimat und an ein Inserat, das ich kürzlich in einer deutschen Zeitung las: zum richtigen Kaffee-Ersatz den richtigen Kaffee-Zusatz!

Wir, die wir keine Arbeit haben, gehen deshalb nicht müssig. Im August haben wir uns an einer für die Volksversorgung wichtigen Aktion beteiligt, am löv- och vasstäckt, an der Laub- und Schilfernte. Wir taten dies nicht, um ein paar Kronen zu verdienen, so erwünscht uns der bescheidene Verdienst auch war, wir taten dies, um dem Gastlande zu Futtermitteln zu verhelfen. Wenn die Kühe zur Kenntnis nehmen, was die Professoren ausgerechnet haben, dass ein Bündel Laub einen Liter Milch ergibt, und das Zeug fressen, werden wir also im Winter genügend Milch und Butter haben.

Die Auswanderungshausse ist abgeflaut. Es ist ja auch so gut wie kein Weg dazu mehr offen, und ausserdem sind die sagenhaften amerikanischen Visa immer noch nicht eingetroffen. Wir hätten uns viel Verdruss erspart, wenn der Weg nach dem Westen über den Osten schon sechs Monate früher versperrt gewesen wäre. Nur ein paar ganz Unentwegte haben die Hoffnung nach Veränderung nicht aufgegeben, sie denken nun an eine Stratosphärenreise. Lyck till! Glück auf, sagt man dazu in Schweden!

... Und wenn ihr mehr von uns wissen wollt, dann erkundigt Euch bei jenem befreundeten sudetendeutschen Genossen, der unlängst das Glück hatte, zu Euch reisen zu können ..."



In London eingetroffen sind
Friedrich Stampfer aus New York, ehemaliger Chef-Redakteur des Vorwärts, Berlin, und Mitglied des deutschen Reichstages, und Ernst Paul (Prag), Parteisekretär und Parteivorstandsmitglied unserer sudetendeutschen Bruderpartei, von Schweden kommend. Genosse Siegfried Taub - Prag, ehemaliger Vize-Präsident des Prager Parlaments und Generalsekretär unserer sudetendeutschen Bruderpartei, befindet sich auf dem Wege von Schweden nach England, den er über Moskau, Wladiwostok und [die] USA antreten musste.

[Seite im Original:] - 28 -

[Hinweise]

Postversand, Papier, Wachsplatten, Farbe usw. der vorliegenden Nummer kosten uns sh 160/-. Wir müssen deshalb an unsere Leser und Freunde appellieren, uns materiell zu unterstützen. Wir leben im neunten Jahre unserer Emigration und verfügen über keine Geldbestände. Folgende Beträge für die SM gingen bei uns ein, für die wir allen Spendern herzlich danken:

K.D., Wales, sh. 5/-; Ba. 2/6; H.A. 1/-; W.K. 1/-; Prof. K. 5/-; F.I.O.W. 10/-; E.G. 2/-; E. Sch. 3/-; E. Br. 5/-; Dr. J.M. 2/6; L.N., Guildford, 2/-; R.S., Warminster, 10/-; M-L., Kibw., 2/-; Herta Gr., N.W., 2/6; St. N. 2/-; A.R. 1/6; Pionier D. 1/-; HAHA, Chester, 2/-; H.L. 2/6; Dr. A.H. 3/-; Mr. B., Hammersh., 5/-; A. Ci. 5/-, Foreign Res., Oxf., 3/-; Rob.E. 3/-; Dr. B.B. 5/-; W. St. 2/3; Vl. Kl. 10/-; Lisa S-H 3/-; Miss L. 2/6; J. Bé. 5/-; H.G. 2/-; Fr. Sch. 5/-; Wa. 1/-; Alfr. Br. 3/-; Le. 3/-; Br. Iw. 1/6; Ad. B. 2/-; W. Ho. 2/-; A. Ko. 2/6; H. Gr., Yorksh., 3/-; S.R., Oxf., 3/-; Pionier S. 1/5; Lei. 3/-; R.M.D. 1/-; Eu. Pr. 3/-; Kol. L. 3/-; H.J. 1/-; M. Kou. 3/-; E. Bl. 1/-; H. Br. 2/6; K.D. 5/-; Alfr. K. 6/-; P. Sch. 3/-; Mrs. M.E.B. 3/-; Joh. H. 5/-; A.H., Calgary (5 canad. Dollars), sh 22/4; F. St. 10/-; E. Gr. 2/-.

Diese Beträge gingen im August und September ein. Aus Ersparnisgründen senden wir den Spendern keine Quittung zu, die öffentliche Quittung mag genügen.




Für die internierten Sozialisten und Gewerkschafter
wurden bisher vom Int[ernationalen] Sol[idarity] Fund (deutsche Abt[eilung]) im Bloomsbury House, Room 62, £ 277.-.4 gesammelt. Bisher wurden £ 270.2.4 ausgezahlt; auch im September konnte an 11 internierte Freunde ein Betrag verschickt werden.

Die Fragebogen zur Registierung der SPD-Mitglieder
sind nunmehr fast alle zurück geschickt worden. Wir danken für die Einsendung und werden allen Genossen in diesem Monat eine Mitteilung zugehen lassen. Anfragen können deshalb zunächst unterbleiben.




Issued by the London Representative of the German Social
Democratic Party, 33, Fernside Avenue, London NW7.






Editorische Anmerkungen


1 - "Die Neue Zeit", erschien 1883-1923 in Stuttgart und (in den letzten Jahren) Berlin). Die von Karl Kautsky bis 1917 herausgegebene Zeitschrift war das theoretische Organ der deutschen Sozialdemokratie.
Vgl. auch Rudolf Hilferding: Das Finanzkapital. Eine Studie über die jüngste Entwicklung des Kapitalismus, Wien 1910 (= Erstausgabe).

2 - "Die Freiheit" war die Berliner Tageszeitung der USPD, erschien 1918-1922.

3 - Grigorj Sinowjew (1883 - 1936), Vorsitzender des Exekutivkomitees der Komintern ab 1919, wegen "antisowjetischer und trotzkistischer Tätigkeit" zum Tode verurteilt, hingerichtet. Auf dem USPD-Parteitag in Halle im Oktober 1920, auf dem u.a. Sinowjew als Redner auftrat, stimmte die Mehrheit der Delegierten für den Beitritt zur Kommunistischen Internationale. Damit war die Partei gespalten; die "Rest-USPD" bestand noch bis 1922.

4 - Im September 1922 in Nürnberg.

5 - R. Hilferding war Reichsfinanzminister von August bis Oktober 1923 und von Juni 1928 bis Dezember 1929.

6 - Hjalmar Schacht (1877 - 1970), Bankier, 1923-1930 und 1933-1939 Reichsbankpräsident, 1934-1937 zugleich NS-Reichswirtschaftsminister; trug wesentlich zur Rüstungsfinanzierung bei, 1944 inhaftiert.

7 - Im Januar 1923 besetzten französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet als Pfand für angeblich ausstehende deutsche Reparationslieferungen. Die Reichsregierung antwortete mit einem Aufruf an die Ruhrgebietsbevölkerung zum passiven Widerstand.

8 - Wilhelm Cuno (1876 - 1933), Wirtschaftsführer und konservativer Politiker, November 1922 bis August 1923 Reichskanzler.

9 - Karl Helfferich (1872 - 1924), Volkswirt, Jurist und Politiker, 1920-1924 MdR der Deutsch-Nationalen Volkspartei, Agitator gegen die "Erfüllungspolitik" der Weimarer Koalition (Reparationsleistungen im Zusammenhang mit dem Versailler Vertrag).

10 - Zu R. Hilferding: richtige Datierung wie Anmerkung 5.

11 - "Die Gesellschaft" (Berlin), Untertitel: Internationale Revue für Sozialismus und Politik, erschien 1924-1933.

12 - "Zeitschrift für Sozialismus", Untertitel: Monatsschrift für die Probleme des Sozialismus; erschien 1933/34 - 1936 in Karlsbad.

13 - "Der Kampf", eine österreichische sozialdemokratische Exilzeitschrift, erschien 1934- 1938 in Prag.

14 - Anfang September 1941 wurde Spitzbergen durch Großbritannien besetzt.

15 - Die NS-Besatzungsmacht verhinderte in Norwegen drohende Streiks durch die Verkündung des Ausnahmezustandes. Zwei norwegische Gewerkschafter wurden im September 1941 exekutiert, ca. 500 andere Gewerkschafter z. T. zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt.

16 - Konstantin Freiherr von Neurath (1873 - 1956), Berufsdiplomat, 1932-1938 Reichsaußenminister, 1939-1943 sog. Reichsprotektor in Prag (ab 1941 "beurlaubt").

17 - Der Nationalrat wurde am 24.9.1941 ins Leben gerufen. Seine Funktion war die einer französischen Exilregierung.

18 - Henry Hauck (1902 - 1957), SFIO-Funktionär, Gewerkschafter und Sozialpolitiker.

19 - "Jones": Hiram Johnson (1866 - 1945), 1910-1917 kalifornischer Gouverneur, danach US-Senator, schon im I. Weltkrieg Isolationist, gegen Mitgliedschaft der USA im Völkerbund, anfänglich Unterstützer der Rooseveltschen Präsidentschaftskandidatur, ab 1939 Verfechter einer amerikanischen Neutralitätspolitik, allerdings Ende 1941 für den Eintritt der USA in den europäischen Krieg.

20 - Burton Kendall Wheeler (geb. 1882), demokratischer Senator für Montana ab 1923.

21 - Botschaft an das amerikanische Volk zum Tag der Arbeit am 1.9.1941.

22 - Die American Legion war eine der einflussreichsten Organisationen der USA; sie wurde 1919 gegründet.

23 - Am 18.9.1941 in Milwaukee. Auf der Tagung wurde beschlossen, Präsident Roosevelt vorzuschlagen, die Neutralitätsbestimmungen von 1939 aufzuheben.

24 - Milo Joseph Warner (geb. 1891), amerikanischer Anwalt, seit 1940 National Commander der American Legion.

25 - Die Organisation der Veterans of Foreign Wars of the United States (VFW) war 1899 gegründet worden; Mitglied konnte anfänglich nur der werden, der für Kampftätigkeit im Ausland mit Orden oder Medaillen ausgezeichnet worden war.

26 - John Llewelyn Lewis (1880 - 1969), amerikanischer Gewerkschaftsführer, 1937/1938 Mitbegründer des CIO, 1940/41 Isolationist.

27 - Das Schweizerische Arbeiter-Hilfswerk (SAH) war eine zentrale Institution, in der die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS), schweizerische Gewerkschaften und Einzelpersonen u.a. zur Unterstützung von Flüchtlingen zusammenarbeiteten.

28 - Eelco Nicolaus van Kleffens (1894 - 1983), niederländischer Diplomat und Politiker, 1929-1939 Leiter der Politischen Abteilung im Niederländischen Außenministerium, Außenminister von 1939-1946.

29 - Jan Masaryk (1886 - 1948), Sohn des ersten Präsidenten der Tschechoslowakischen Republik, Diplomat, Außenminister und stellvertretender Ministerpräsident der CSR-Exilregierung 1940-1945. 1945-1948 Außenminister der CSR, unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen.

30 - Frederick Leith-Ross (geb. 1887), britischer Finanzsachverständiger in Staatsdiensten; ab 1944 bei der UNRRA tätig.

31 - British Association = Verband zur Förderung der Naturwissenschaften und Forschung. Bei dem erw. Kongress handelte es sich um die London Conference on Sciences and World Order.

32 - Paolo Treves (1908 - 1958), italienischer Sozialdemokrat, vor 1938 unter polizeilicher Bewachung, zweimal in italienischen Gefängnissen, 1938 Flucht nach England, dort journalistische und Rundfunktätigkeit. Nach 1945 italienischer Parlamentsabgeordneter.

33 - Michael Graf Karolyi (1875 - 1955), ungarischer Politiker und Publizist, 1918/19 Staatspräsident Ungarns, seit 1919 im Exil in der CSR, Frankreich, Großbritannien, USA.

34 - Friedrich Otto Hertz (1878 - 1964), österreichischer Soziologe und Publizist, 1938 Emigration nach Großbritannien.

35 - Generalrat = TUC General Council.

36 - Frank Wolstencroft (1882 - 1952), 1926-1948 Generalsekretär der Holzarbeitergewerkschaft, Präsident des TUC 1941-1942.



Zu den Inhaltsverzeichnissen