May, 15th |
No. 10 - 1940 |
Sozialistische Mitteilungen News for German Socialists in England | |
This news-letter is published for the information of Social Democratic |
The Executive Committee of the Social Democratic Party of Germany has drawn up a declaration to the German people which will be distributed in Germany through secret channels. The declaration, which will also be broadcast from Allied countries, reads:
"Men and women of Germany!
Hitler has invaded Holland, Belgium and Luxemburg. His aviators have bombarded open cities in Holland, Belgium and France. Civilian lives have been lost. Hitler has begun the total war.
The invaded countries have called upon the Allies for help. The Allies are determined to fight with all their might to obtain the final victory and to return blow for blow. What will now come is Hitler's doing - is the fault of the criminal whose rule you have submitted to for seven long years. You have been deceived and misled. You are still being deceived. Reasons are being given [to] you to justify this crime of Hitler's, but these reasons are false.
Hitler tells you that the struggle which is now beginning will decide the fate of the German people for the next thousand years. If you take part in this struggle for Hitler, if you share the guilt for his crime, then, woe to Germany!
Therefore we say to all of you: to the soldiers at the front and behind the lines, to men and women who are working in the munition factories, to farmers and agricultural labourers, to those who perform forced labour and who are constructing fortifications and buildings roads, to railwaymen, to sailors and to all who have to work for Hitler's war:
Do not be accomplices either in your acts or in your obedience, in your silence, your toleration or even your
approval. Do not give rise to the impression that Hitler's will is the will of Germany.
Every individual counts for the Hitler-System's war-making. Every individual, therefore, can use his efforts to oppose the Hitlerian war. Every individual has in his hands a particle of the decision as to the future of Germany. People of Germany! You are not fighting for your future in Hitler's army and in his war factories, but in the open and secret struggle against the Hitler System and against the Hitlerian war.
We German Social Democrats appeal to the German people: Overthrow Hitler and save Germany from the terrible results of the total war!
Take every means of making opposition to this criminal war of Hitler's. Join in the struggle against him, each in his place, each according to his possibilities!
Germany's fate is at stake, your own fate, and that of your children is at stake.
Hitler must die, so that Germany may live!"
Dienstag, den 21. Mai abends 7.30 Uhr, spricht Rich. Crossman, Redakteur von "New Statesman and Nation" und Mitglied der Labour Party, bekannt durch die deutsche Sendung der BBC, über das Thema:
Die britische Arbeiterbewegung und der Krieg.
Der Vortragende wird sich mit den aktuellen politischen Tagesfragen beschäftigen und über den Pfingstkongress der Labour Party berichten.
Der Vortrag findet im Saale der YMCA Great Russell Street (Ecke Tottenham Court
Road) statt.
Wir bitten um das Erscheinen unserer Freunde und Genossen.
Es wird ein Unkostenbeitrag von 4 d erhoben.
Die Flamme des Krieges ist aufgelodert, der Wahnsinn des Hitlerismus hat zu seinem brutalsten Ausbruch geführt; noch während um Norwegen gekämpft wurde, ist der neue Schlag gegen Holland und Belgien geschehen und damit der direkte Zusammenstoss mit der französischen und britischen Armee auf dem westlichen Kriegsschauplatz provoziert worden. Das grosse und dann missglückte Umgehungsmanöver im Westen, das die kaiserlich-deutsche Armee im August 1914 ausführte und das ihr die Feindschaft der ganzen Welt und die Niederlage an der Marne einbrachte, ist von der Nazi-Armee in erweiterter Form wiederholt worden. Noch lässt sich nicht sagen, wie weit es führen wird. Auf der einen Seite steht die Tatsache, dass diesmal die französische Nordgrenze besser befestigt ist als damals und dass auch Belgiens militärische Vorbereitungen stärker waren, auf der anderen Seite freilich steht die Tatsache, dass die Nazi-Offensive nicht nur frontal geführt wird, sondern mit einer Zersetzungs- und Verratsoffensive von innen her, mit Bombardierungen des Hinterlandes, mit Fallschirmabsprüngen, teuflischen Maskeraden und Verwirrungsmanövern grossen Stils.
Mit diesem Schlage Hitlers sind die letzten Illusionen vernichtet worden, die hier und da noch in den Köpfen solcher, die nicht sehen wollten, gespukt haben. Die Erkenntnis der Tatsache, dass es sich um einen gesamteuropäischen Krieg handelt, dass es in diesem Kriege keine Neutralität in Europa gibt, dass es kein "imperialistischer" Konflikt zwischen Grossmächten, sondern ein Welteroberungskrieg des Nazifaschismus ist, gegen den die Demokratien den Kampf ihres Lebens führen, - diese Erkenntnis muss jetzt auch denen kommen, die ihr bisher ausgewichen sind.
In England haben schon die Ereignisse in Norwegen, die den alliierten Hilfstruppen einen Rückschlag im südlichen und mittleren Sektor des Kriegsschauplatzes brachten und sie zur Räumung der Gebiete um Bergen und Trondheim veranlassten, zu einer Manifestation der ernsten Entschlossenheit und der Einigkeit geführt. Nach einer Parlamentsdebatte, die in ihrer Freimütigkeit und ihrem leidenschaftlichen Ernst noch einmal ein grosser Beweis demokratischer Freiheit und Würde war, haben die Sozialisten eine
Abstimmung herbeigeführt, bei der Chamberlain nur noch eine Mehrheit von 80 Stimmen behielt, da viele Mitglieder der Regierungsparteien gegen die Regierung stimmten. Chamberlain hat daraus die Konsequenz seines Rücktritts gezogen, der nicht etwa die Folge der Kritik war, die an dem zu späten Eingreifen in Norwegen oder an dem Unterbleiben des direkten Seeangriffs auf Trondheim geübt wurde, sondern als Abschluss einer Periode britischer Politik aufgefasst werden muss, die in München ihren sichtbaren Ausdruck gefunden hatte. Churchill, der Chamberlains Nachfolger als Premierminister wurde, Eden, der Kriegsminister wurde, und Duff-Cooper[1], der das Propagandaministerium übernahm, also die drei stärksten konservativen Kritiker jener vergangenen Politik, sitzen im neuen Kabinett, und die Labour Party ist durch Attlee (als Lordsiegelbewahrer), Greenwood (als Minister ohne Portefeuille) im engeren Kriegskabinett, und weiter durch A. V. Alexander[2] als Ersten Lord der Admiralität und Herbert Morrison[3] als Versorgungsminister vertreten, wozu noch der Gewerkschaftsführer Bevin[4] als Arbeitsminister trat.
Damit ist die Garantie einer Zusammenfassung aller Energien des Landes zum Kampfe gegen die immer näher rückende Gefahr gegeben.
Die kommenden Tage und Wochen werden Ereignisse von grösster Tragweite bringen. Sie werden ungezählte Opfer an Leben und Freiheit fordern, sie werden das deutsche Volk vor Entscheidungen stellen, von denen die Zukunft Europas abhängen kann. Der Krieg ist in ein Stadium getreten, in dem es nur noch die Wahl gibt, die Zukunft vom Siege der Waffen entscheiden zu lassen - oder den Anstifter des Blutbades zu beseitigen. Jetzt wird sich zeigen, wen Hitler als Verbündeten findet, welcher Diktator und welche Diktaturanhänger ihm in diesem Kampfe um Leben und Tod zu Hilfe kommen. Jetzt wird sich zeigen, wer noch weiter den Schein der Neutralität in diesem Entscheidungskampfe der Menschheit bewahren will. Und jetzt wird sich zeigen, wer entschlossen ist, an der Vernichtung des Hitlerismus mitzuwirken, ohne Rücksicht auf die Opfer, Schwere und die Dauer des Kampfes.
24 d Porto-Selbstkosten entstehen uns allein für den Versand jeder Nummer dieser "Mitteilungen" im Jahre. Wer die weitere Zustellung dieser SM wünscht,sende uns einen Beitrag.
Die Entscheidung der Labour Party
Am ersten Tage des Parteikongresses der Labour Party in Bournemouth wurde eine von R.C. Attlee vorgelegte Entschliessung mit 2.413.000 gegen 1.700.00 Stimmen angenommen, in der es heisst: "Die Konferenz billigt die einmütige Entscheidung der National Executive, dass die Labour Party ihren Anteil an der Verantwortung als vollberechtigter Partner in einer neuen Regierung nehmen solle, die, unter einem neuen Premierminister, das Vertrauen der Nation geniesst. Die Konferenz drückt weiter ihre loyale Unterstützung für die neue Regierung aus, bei ihren Anstrengungen einen raschen Sieg und einen gerechten Frieden zu sichern." Attlee, der auf der Konferenz mit Begeisterung empfangen wurde, sagte u.a.: "Ich glaube, wir bilden eine Regierung, welche die Kräfte der Nation einigen kann. Ich habe nicht den geringsten Zweifel an unserem Siege, aber ich habe überhaupt keinen Zweifel, was für ein Preis gezahlt werden muss und welche Anstrengungen nötig sind. Wir stehen einer ungeheuren Aufgabe gegenüber. Wer in die Regierung eintritt, wird weitreichende und schwere Entschlüsse fassen müssen. Wofür ich heute appelliere, ist, dass die Labour-Bewegung fest zusammensteht, politisch und industriell [wahrscheinlich gemeint: institutionell]. Wir müssen diesen Kampf gewinnen."
In seiner Regierungserklärung[5] im Unterhaus sagte der neue Premierminister Winston Churchill u.a.: "Ich habe nichts anzubieten als Blut und Opfer und Tränen und Schweiss. Wir haben eine Prüfung der schwersten Art vor uns. Wir haben vor uns viele lange Monate des Kampfes und Leidens. Wenn Sie mich fragen, was unsere Politik ist, dann werde ich sagen, es ist die Kriegsführung in der Luft, zu Lande und zur See, mit all unserer Macht und Stärke, die uns Gott geben kann, Kriegsführung gegen eine ungeheuerliche Tyrannei, die noch nie in dem düsteren und jämmerlichen Katalog menschlicher Verbrechen übertroffen wurde. Das ist unsere Politik. Wenn Sie mich fragen 'Was ist unser Ziel?', dann kann ich mit einem Worte erwidern - der Sieg. Der Sieg um jeden Preis, der Sieg trotz aller Schrecken, der Sieg, wie lang und schwer der Weg zu ihm auch sein mag, denn ohne den Sieg gibt es
kein Ueberleben für das britische Reich und für alles, wofür das britische Reich lebt, kein Ueberleben für die Forderungen und Impulse aller Zeiten, dass die Menschheit vorwärts schreiten soll, ihrem Ziel entgegen."
Zu Pfingsten sind in den Gebieten der englischen und der schottischen Ostküste alle Deutschen und Oesterreicher männlichen Geschlechts zwischen 16 und 60 Jahren (ohne Rücksicht auf frühere Tribunalentscheidungen) interniert worden, und allen übrigen Ausländern, die in jenen Gebieten wohnen, auch Angehörigen verbündeter Staaten, sind Beschränkungen auferlegt worden, die darin bestehen, dass die Betroffenen sich täglich bei der Polizei zu melden haben, keine Motorfahrzeuge oder Fahrräder benützen dürfen und zwischen 8 Uhr abends und 6 Uhr früh nicht die Häuser verlassen dürfen. Eine amtliche Erklärung zu dieser Massnahme weist darauf hin, dass es sich um eine Vorsichtsmassnahme handelt, die, wie man hofft, vorübergehender Natur sein wird. Es wird erwartet, dass gerade jene Ausländer, die der britischen Sache loyal gegenüberstehen, die Massnahme trotz ihrer Härte willig hinnehmen werden.
Der Anlass zu dieser Massnahme war das Verhalten vieler Ausländer, insbesondere Deutscher, in Holland, die beim Landen von Nazi-Fallschirmspringern in Rotterdam und Haag mit den Angreifern gemeinsame Sache machten und sich an Strassenkämpfen beteiligten.
Ausser den Gebieten an der Ostküste sind vorläufig keine anderen Gebiete in England, auch London nicht, von den Ausländermassnahmen betroffen. Es lässt sich freilich nicht mit Bestimmtheit sagen, ob nicht eine Ausdehnung der Massnahmen erfolgen wird. In jedem Falle soll es sich um zeitweilige Vorkehrungen handeln, begrenzt einmal durch die Periode, in der die Gefahr von Landungsversuchen der Nazis besteht, und zweitens durch eine Untersuchung, die ergeben wird, wer von den Ausländern als völlig zuverlässig freigelassen werden kann. - Inzwischen ist gemeldet worden, dass auf der Isle of Man (die zwischen England und Irland liegt und wo im letzten Krieg sämtliche in England lebenden Deutschen und Oesterreicher interniert waren) bereits von der Regierung Häuser zur Aufnahme von Internierten angefordert worden sind.
Das Echo des Ueberfalls auf Skandinavien
und die gesteigerte Propagandatätigkeit der Nazis wird neben Berichten über die allgemeine Situation in Deutschland in der soeben erschienenen Mai-Nummer der "Deutschland-Berichte" der Sopade behandelt. Weitere Berichte beschäftigen sich mit der Haltung der Arbeiterschaft in den Betrieben und den gegenwärtigen Arbeitsverhältnissen im Dritten Reich. Das düstere Kapitel der deutschen Strafjustiz im Kriege wird in Berichten über die Zahl der erfolgten Hinrichtungen, über die Hinrichtung Jugendlicher und Hinrichtungen ohne Urteilsspruch und über die wegen Abhörens ausländischer Sender, wegen menschlichen Verhaltens gegen polnische Gefangene, wegen Vergehens gegen die Rationierungsvorschriften und wegen "Meckerei" verhängten Freiheitsstrafen behandelt.
Im Teil "Uebersichten" wird diesmal eine Darstellung der Organisation des Dritten Reiches gegeben, die nach der Beseitigung der Weimarer Verfassung sich nicht auf eine neue Verfassung, sondern auf nationalsozialistische Grundgesetze stützt. Die Funktionen der gesetzgebenden Organe im Dritten Reiche werden ausführlich beschrieben, und eine abschliessende Darstellung ist der nationalsozialistischen Führerhierarchie gewidmet. -Interessenten dieser Monatsberichte wenden sich am besten direkt an Dr. Erich Rinner, Paris 5è, 30, Rue des Ecoles. Die "Deutschland-Berichte" werden in deutscher, englischer und französischer Sprache herausgegeben und haben die grösste Beachtung und Würdigung der bedeutendsten Zeitungen in Frankreich und England gefunden.
fand im Hause und Garten des Heims in Brentford statt und wies starken Besuch auf. Eine kurze, eindrucksvolle Versammlung, bei der unser Freund Bruno Harrens[6] mit tiefer Wirkung aus deutscher, tschechischer und englischer Literatur rezitierte, Josef Belina zu den tschechischen und Hans Gottfurcht[7] zu den deutschen Sozialdemokraten sprach, leitete die Feier ein, die dank des guten Wetters und der Bemühungen unserer im Brentford-Heim wohnenden Freunde - denen auch an dieser Stelle für die freundliche Aufnahme und Bewirtung gedankt sei - zu einem schönen Erfolge wurde. Das gesellige Beisammensein mit englischen Freunden wurde am Abend durch musikalische Darbietungen ausgestaltet.
Freiwillige zur tschechoslowakischen Armee
haben Mittwoch, den 7. Mai, England verlassen, um nach Frankreich zu fahren. Es handelt sich um die ersten Freiwilligen, die sich aus den Reihen der tschechoslowakischen Flüchtlinge in England gemeldet hatten, darunter auch Sudetendeutsche. In Vertretung des erkrankten Dr. Benes hielt Legationsrat Dr. Lisicky[8] die Abschiedsansprache.
Der Abmarsch erfolgte von der tschechoslowakischen Gesandtschaft zum Waterloo-Bahnhof, [w]o sich Frau Dr. Benes[9] eingefunden hatte, um sich von den Freiwilligen persönlich zu verabschieden.
"Gewerkschaftliche Mitteilungen"
Unter diesem Titel ist die erste Nummer eines von der Landesgruppe England der deutschen freigewerkschaftlichen Arbeiter- und Angestelltenorganisationen in der Tschechoslowakischen Republik mit Hilfe des Trade Union Council herausgegebenen Mitteilungsblattes erschienen.[10] Die erste Nummer enthält neben einer politischen Betrachtung Informationen über internationale Gewerkschaftsarbeit und über die britischen Gewerkschaften und Informationen für die emigrierten Freigewerkschaftler in England. Für die reichsdeutschen Gewerkschaftler gibt der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) in Paris die monatlich erscheinende, inhaltlich und technisch gut ausgestattete "Neue Gewerkschaftszeitung"[11] heraus, deren englische Ausgabestelle die Londoner Vertretung der freien Arbeiter-, Angestellten- und Beamten Gewerkschaften (ADGB - AFA - ADB)[12], 271 c Willesden Lane, London, NW 2 (Tel: WIL 0341) ist.
Die letzte Nummer der NGZ enthält eine beachtenswerte Zuschrift aus London über die "Aufgaben der gewerkschaftlichen Emigration".
Im Alter von 81 Jahren ist am 7. Mai George Lansbury[13], der Arbeitsminister in der Labour-Regierung von 1929 bis 1931 und parlamentarische Führer der Labour Party
nach dem Abfall der MacDonald-Gruppe[14], gestorben. Lansbury, ein überzeugter Pazifist, der bis zu seinem Tode die "Peace Pledge Union" protegierte, hatte im Jahre 1935 wegen seiner Ablehnung der Sanktionspolitik gegen Italien während des abessinischen Krieges, die Führung der Labour Party niederlegen müssen, deren grosse Mehrheit schon in jenen Tagen erkannt hatte, dass Widerstand gegen Angreifermächte die einzig wahre Friedenspolitik ist. Der greise George Lansbury, dessen lautere Gesinnung auch von seinen Gegnern nie angezweifelt wurde, vermochte es nicht, sich zur Erkenntnis der Notwendigkeiten in der durch den Faschismus geschaffenen Situation durchzuringen. Aber seine vorbildlichen, fortschrittlichen und humanen Massnahmen als Minister für öffentliche Arbeiten, dem London die Popularisierung seiner Parks verdankt, und seine Gesinnungsfestigkeit, mit der er die Labour Party aus der schweren Krise von 1931 rettete, als MacDonald und Snowden[15] sich mit Baldwin[16] zur "Nationalen Regierung" vereinten, sichern ihm ein ehrendes Gedenken in den Reihen der Arbeiterbewegung, und es war ein schönes Zeichen für den Geist des englischen Parlaments, dass der Tote von allen Parteien des Unterhauses einmütig geehrt wurde, obwohl ihn seine Haltung zum Krieg zuletzt in völlige Isolierung gebracht hatte.
In einem von Sir Walter Citrine und anderen britischen Gewerkschaftsführern gegen den kommunistischen "Daily Worker" angestrengten Verleumdungsprozess ist der Besitzer, Drucker und Verleger des "Daily Worker", der sich beharrlich weigerte, die politischen Hintermänner seines Blattes zu nennen, zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden. Bezeichnenderweise hatte der wegen seiner stalinistischen Veröffentlichungen aus der Labour Party ausgeschlossene Mr. Pritt die Verteidigung des "Daily Worker" übernommen. In der Urteilsbegründung heisst es, dass der Angeklagte verurteilt wurde, obwohl das englische Recht die Ansichten einer Minderheit zu schützen bereit ist, dass aber der "Daily Worker" bewusst falsche Behauptungen über angebliche Geheimabkommen der britischen Gewerkschaftsführer mit der Regierung aufgestellt hatte und seine verleumderischen Absichten auch noch durch eine unwahre Berichterstattung über den Prozessverlauf bewiesen hat.
Gegen die "Fünfte Kolonne"[17] in England
Der Innenminister Sir John Anderson kündigte im Parlament neue Massnahmen gegen zersetzende Tätigkeit an. Nach diesen neuen Vorschriften kann Spionage und Sabotage in schweren Fällen mit dem Tode bestraft werden, und es kann gegen eine politische Tätigkeit, die zur Untergrabung der Widerstandskraft im Krieg geeignet ist, eingeschritten werden. Der Innenminister wies ausdrücklich darauf hin, dass keine Unterdrückung von Meinungsäusserungen beabsichtigt ist, dass aber in allen den Fällen eingeschritten werden soll, wo es sich um zersetzende Aktivität, z.B. Propaganda gegen die Meldung zur Armee, handelt.
Es ist weiter vorgesehen, dass auch gegen Publikationen, die zur Schwächung der Widerstandskraft geeignet sind, nach vorheriger Warnung eingeschritten werden kann. Nach den neuen Vorschriften können feindliche Ausländer, die gegen die Verteidigungsmassnahmen verstossen, vor ein Kriegsgericht gestellt werden.
Wie wir erfahren, erscheint das deutschsprachige kommunistische Organ "Die Welt", das früher in Stockholm herausgegeben wurde und das wir anlässlich des Denunziationsaufrufs von Walter Ulbricht in Nr. 8 der "Mitteilungen" erwähnten, nunmehr in England. Nach seinem Verbot in Schweden soll die Absicht bestanden haben, es in Oslo herauszugeben, wo, wie die "Neue Zürcher Zeitung"[18] meldete, nach dem Nazi-Einmarsch nur die sozial-demokratischen, nicht aber die kommunistischen Blätter verboten wurden. Diese Absicht dürfte aber wegen der Transportschwierigkeiten zwischen Norwegen und England, wo die "Welt" zu Propagandazwecken dienen soll, aufgegeben worden sein.
Freiwillige Beiträge zur Unkostendeckung der SM leisteten: Adolf B., London, sh 1/-; Jos. Gr., Bristol, sh 2/6; ungenannt, W.1, sh 2/-; Walter L., sh 20/-; Alfred P., NW2, sh 1/6; Dry., W2, sh -/6, Dr. Ma. sh -/6; Sudetend. Gen. L. sh 2/6; L.L. sh 2/6.
Issued by the London Representative of the German Social Demo-
cratic Party, 33, Fernside Avenue, London NW 7.
Editorische Anmerkungen 1 - Alfred Duff-Cooper (1890 - 1954), konservativer Politiker, Mitglied des Unterhauses von 1924-1929 und 1931-1945; 1935-1937 Kriegsminister, 1937-1938 Marineminister, 1940-1941 Propagandaminister, 1944-1947 Botschafter in Frankreich. 2 - Albert Victor Alexander (1885 - 1965), 1922-1931 und 1935-1950 Labour (Co-op.)-MP, 1940-1946 Marineminister und 1947-1950 Verteidigungsminister. 3 - Herbert Morrison (1888 - 1965), Labour-MP, 1929-1931 Transportminister, Mai - Okt. 1940 Versorgungsminister, bis 1945 Innenminister, bis 1951 weitere Ministerfunktionen. 4 - Ernest Bevin (1881 - 1951), Labour-Politiker und Gewerkschafter, 1940-1945 Arbeitsminister, 1945-1951 Außenminister. 5 - Churchill gab seine Regierungserklärung vor dem Parlament am 13.5.1940 ab. 6 - Bruno Harrens, eigentlich Bruno Salomon (geb. 1896), Schauspieler, seit 1924 Mitglied der SPD, 1933 Exil in der CSR, danach Großbritannien, 1938 ausgebürgert, 1940 in Australien interniert. 7 - Hans Gottfurcht (1896 - 1982), deutscher Gewerkschafter und Sozialdemokrat, 1933-1938 illegale Gewerkschaftstätigkeit in Deutschland, ab 1938 im englischen Exil, Vorsitzender der Landesgruppe deutscher Gewerkschafter in Großbritannien, Mitarbeit an deutschen Sendungen der BBC. 1952-1960 stellvertretender Generalsekretär des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG) in Brüssel. 8 - Karel Lisicky (1893 - 1966), 1939-1945 tätig im Außenministerium der CSR-Exilregierung. 9 - Hana Benes (1885 - 1974), Ehefrau von Edvard Benes (s. d. = SM 1, Anf. Jan. 1940, Anm. 19), im englischen Exil Ehrenvorsitzende des Tschechischen Roten Kreuzes. 10 - Die Landesgruppe wurde im Februar 1940 gegründet. Differenzen mit der Treuegemeinschaft sudetendeutscher Sozialdemokraten (W. Jaksch u. a.). Mehr als die Aprilausgabe 1940 der "Gewerkschaftlichen Mitteilungen" nicht nachgewiesen. 11 - Die "Neue Gewerkschaftszeitung. Betrachtungen zur sozial-ökonomischen und politischen Entwicklung Deutschlands" erschien 1939-1940 zuerst in Amsterdam, dann in Paris. 12 - Die im Herbst 1939 geschaffene Gruppe wurde im Februar 1941 zur Landesgruppe deutscher Gewerkschafter in Großbritannien umgewandelt: ADGB = Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund, AfA = Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände, ADB = Allgemeiner Deutscher Beamtenbund. Die drei Gewerkschaftsverbände existierten bis zum 1. Mai 1933 in Deutschland und standen der SPD nahe. 13 - George Lansbury (1859 - 1940), Beschreibung wie im Text. 14 - James Ramsay MacDonald (1866 - 1937), Labour-Premierminister 1924, 1929-1931, 1931-1935 (nationale Koalitionsregierung unter MacDonald).
15 - Philip Snowden (1864 - 1937), prominenter ILP-Führer, Minister in den versch. Kabinetten unter MacDonald. 16 - Stanley Baldwin (1867 - 1947), führender konservativer Politiker, Minister im 3. Kabinett MacDonald 1931-1935, Premierminister 1935-1937. 17 - "Fünfte Kolonne": im Spanischen Bürgerkrieg entstandene Bezeichnung. Bei der Schlacht um Madrid soll ein General der Franco-Truppen gesagt haben: "Vier Kolonnen marschieren auf Madrid, die fünfte [nämlich die Franco-Anhänger] wartet schon innerhalb der Stadt." Später allgemeine Bezeichnung für eine Taktik (gleich welcher politischer Richtung), den Gegner von innen her zu unterwandern bzw. zu unterhöhlen. 18 - "Neue Zürcher Zeitung", seit 1821 unter diesem Namen erscheinende konservativ-liberale Tageszeitung. |