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C: Frauen und kulturelle Definitionsmacht –
Über den Einfluß der Frauen auf unsere Kultur




Katrin Rohnstock

Es tut mir leid, daß es schon so spät ist. Ich glaube, wir sind alle schon ein bißchen erschöpft für ein so umfängliches Thema wie „Die kulturelle Definitionsmacht von Frauen, natürlich insbesondere von ostdeutschen Frauen".

Es wurde schon gesagt, ich bin Publizistin, ich bin keine Soziologin und erst recht keine Expertin für Gesellschaftsanalyse. Ich beobachte soziologische Forschung, mache aber selbst keine Untersuchungen. Dementsprechend kann mein Beitrag nur ein ganz subjektiver Blick sein, der freilich immer versucht, die aktuellen Debatten mit aufzunehmen.

Zunächst will ich das Thema kurz umreißen, um dann einige relevante Aspekte für die hiesige Diskussion herauszugreifen. Das Thema „Kulturelle Definitionsmacht" impliziert die Frage, inwieweit ostdeutsche Frauen Alltagskultur prägen, das heißt, wo weiblicher Einfluß im Alltagsleben geltend gemacht werden kann. Dafür sind vier Einflußbereiche interessant:

  1. Die Arbeitswelt - und das steht bei mir nicht umsonst an erster Stelle.
  2. Die Politik
  3. Das Bildungssystem
  4. Die Familie

Es ist danach zu fragen, welche Trends es generell gibt, welche aus emanzipatorischer Frauensicht unterstützenswert erscheinen und welche Möglichkeiten der Einflußnahme wir haben. Die kulturelle Definitionsmacht liegt in der modernen Gesellschaft in den Zentren der kulturellen Entwicklung. Das heißt:

1. In den Städten, also keinesfalls auf dem Lande und in der ländlichen Lebensweise

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2. in aufeinander folgenden Generationen, die Träger neuer Sichtweisen und neuer Handlungspraktiken sind, die in der Werbesprache so schön als Trendsetter bezeichnet werden und

3. liegt die kulturelle Definitionsmacht natürlich bei den Medien.

Aus Anlaß der Stellungnahme des frauenpolitischen Runden Tisches „Frauen und Erwerbsarbeit" zum Bericht der Kommission, möchte ich aus den genannten weitreichenden Zusammenhängen folgende Aspekte näher beleuchten.

Zuvor möchte ich aber noch einmal etwas zur Stellung des Runden Tisches sagen: Ich war hocherfreut über das Selbstbewußtsein, mit dem da Kritik angemeldet wird. Ich hatte das Gefühl, mir geht das Herz auf, weil sich hier Frauen gegen ein ihren Interessen zuwider laufendes Weltbild verwehren und ihre Stimme ganz entschieden zu Gehör bringen. Ich denke, daß daran unbedingt weitergearbeitet werden muß.

Nun zur Arbeitswelt: Die deutsche Gesellschaft ist in einen tiefgreifenden Wandel hineingerissen worden, der mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert vergleichbar ist. Der bayrisch-sächsischen Zukunftsanalyse nach wird es für die unteren zwei Drittel der Gesellschaft keine Erwerbsarbeit mehr geben. Sie werden miteinander um mindere Dienstleistungen konkurrieren - also der „Schuhputzer" - und ansonsten von minimaler Sozialhilfe leben. Das ist logischerweise, wir haben es gehört, ein Konzept, mit dem sich ostdeutsche Frauen, aber auch Männer keinesfalls abfinden können, nicht nur aus Gerechtigkeitsempfinden, sondern auch, weil sie ohne nennenswerte Ersparnisse, ohne Besitz, also beispielsweise Immobilien oder zu erwartendes Erbe, zum überwiegenden Teil zu dieser Unterschicht gehören werden.

Die Frage nach der Erwerbsarbeit hat in den letzten Jahren wie kein anderes Thema die ostdeutschen Frauen beschäftigt. Hierin liegen die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Selbstentfaltung und Teilhabe an der Gesellschaft, ja, man könnte sagen, daß die bedrohte Berufstätigkeit zum frauenpolitischen Sprengstoff wurde. Dies hat vor allem damit zu tun, daß der politische, soziale und wirtschaftliche Transformationsprozeß von Anfang an auch von dem Risiko begleitet war, daß Frauen ihre

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bis dahin selbstverständliche finanzielle Unabhängigkeit, ihre Integration in die Arbeitswelt aufgeben, daß sie die Entwertung ihrer Qualifikation bis hin zum mehrfachen Verlust ihres Arbeitsplatzes hinnehmen mußten.

Die Themen Erwerbsarbeit und qualifizierte Berufstätigkeit, was heutzutage längst nicht immer das gleiche ist, haben die ostdeutschen Frauen gleichermaßen politisiert, wie den Kampf gegen den Paragraphen 218 die westdeutschen Frauen. In dieser Frage sind sich auch die meisten ostdeutschen Frauen einig. Wir haben es vorhin gehört.

Trotz des Imports massiver Ressentiments gegen weibliche Erwerbstätigkeit, wofür dieser Kommissionsbericht ein Exempel erster Güte ist, lassen sich ostdeutsche Frauen nicht von ihrem Erwerbswunsch abbringen. Neben der sozialpsychologischen Bedeutung von Berufstätigkeit, spielt auch der finanzielle Faktor eine entscheidende Rolle. Die überwiegende Mehrheit der ostdeutschen Frauen und Männer, ich muß es immer für beide gleichermaßen sagen, haben keinen Besitz und können nicht auf Ersparnisse zurückgreifen, das heißt, sie haben auch keine anderen Möglichkeiten, als durch Erwerbsarbeit oder staatliche Hilfen ihre Existenz zu sichern.

Zum Einflußbereich Familie: Der Widerstand ostdeutscher Frauen gegen das Herausdrängen aus der Erwerbstätigkeit hat auch eine familienpolitische Komponente. Er begründet sich in der Auffassung von Familie. Ostdeutsche Frauen wissen, daß das von ihnen bislang praktizierte Partnerschaftsmodell, wie Barbara Scheffer-Hegel das bezeichnet, das auf der beruflichen und finanziellen Selbständigkeit beider Partner beruht und die Teilung der Familienarbeit zur Folge hat, daß dieses Modell gefährdet ist, sobald die Frau erwerbslos wird.

Ostdeutsche Frauen widersetzen sich mehrheitlich einer gesellschaftlichen Struktur, die letztlich dazu führt, daß die Erziehung des Nachwuchses als, ich zitiere Platon, „wichtigste und vornehmste aller Staatsaufgaben" wie ein privates Hobby der weiblichen Mitglieder der Gesellschaft behandelt wird. Die Familie als Erziehungsgemeinschaft, das ist wieder ein Begriff von Barbara Scheffer-Hegel, ernstzunehmen,

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bedeutet nicht nur, Erziehungsleistungen als öffentliche Leistung anzuerkennen und zu unterstützen, sondern auch, dafür zu sorgen, daß das Erziehungs- und Familienproblem nicht allein den Frauen überlassen ist, sondern durch einen entsprechenden Zuwachs an väterlicher Fürsorge und Zeit partnerschaftlich geteilt wird. Die Männer in Erziehungsaufgaben einzubeziehen, ist ein absoluter kultureller Fortschritt.

Der Bericht der Zukunftskommission benennt mehrfach das unflexible und unzeitgemäße Verhalten von Männern. Ich zitiere: „Aufgrund der Flexibilität von Frauen am Arbeitsmarkt und deren Erfahrungen in unsicheren Arbeitsverhältnissen gelingt es ihnen tendenziell besser als Männern, mit Arbeitslosigkeit zurechtzukommen. In dieser Hinsicht sind sie für die Zukunft eines dynamischen Arbeitsmarktes besser gerüstet als Männer. Männer halten am Ideal des Normalarbeitszeitverhältnisses fest." Wir teilen gern die Auffassung des Berichtes, daß Frauen die Pioniere einer zukünftigen Tätigkeitsgesellschaft sind. Wir können dem Bericht auch nur beipflichten, daß sich Frauen flexibler auf neue Verhältnisse einstellen und es Männern schlechter gelingt, mit Arbeitslosigkeit zurechtzukommen.

Wer aber hilft den Männern, die Modernisierung nachzuholen? Männer, so denke ich inzwischen, sollten unbedingt unterstützt werden, die knapper werdende Lohnarbeit als eine Chance für einen eigenen Lebensentwurf zu verstehen. Männer sollten die sozialen, emotionalen und Selbstbestimmungsqualitäten von Familienarbeit und von gemeinnütziger Arbeit in nachholender Modernisierung kennen und praktizieren lernen. Dieser Prozeß des Umlernens sollte von einer emanzipatorischen Männerpolitik angeregt und gelenkt werden. Das ist übrigens keine Idee von mir, sondern von Walter Holstein.

Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter lassen sich langfristig nur durchsetzen, wenn auch die Bedürfnisse der Männer berücksichtigt werden und damit ein Bewußtseinswandel bei ihnen einsetzen kann. Männerpolitik müßte flankierende Maßnahmen zur Erleichterung der Einarbeit von Männern in ein partnerschaftliches Rollenverständnis entwickeln. Männerpolitik muß Männern die Vorteile der Gleichstellung

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erklären und für sie die damit verbundenen Lebensentwürfe attraktiv machen.

Zum Einflußbereich von Frauen auf die Politik: Wie lassen sich solche politischen Anliegen durchsetzen? Immer wieder wird beklagt, daß sich ostdeutsche Frauen zu wenig politisch engagieren, daß sie zu wenig in die Parteien gehen und ihre Stimmen zu selten lautstark einbringen. Diese Kritik geht jedoch von einem institutionell verengten Politikverständnis aus, das auf den traditionellen Politikbereich mit seinen bürgerlich-parlamentarischen Gremien und Verbänden begrenzt ist. Diese sind jedoch für Frauen unattraktiv, weil die Dinge, die verhandelt werden, und wie sie verhandelt werden, wenig oder nichts mit den unmittelbaren Lebenswelten von Frauen zu tun haben. Unmittelbare Lebenswelten heißt: Kinder und Beruf zu vereinbaren.

Die politische Kultur, die in diesen parlamentarischen Gremien herrscht, ist eine ausgesprochene Männerkultur, der sich Frauen nur sehr schwer unterziehen wollen. Versteht man aber unter politischem Handeln jede Form sozialorientierten Handelns, dem das Handeln einen überindividuellen Sinn gibt, so findet man bei ostdeutschen Frauen vielfältige Aktivitäten, in denen sie sich vorgesehenen Lebensmustern und Geschlechterrollenzuweisungen widersetzen. Man findet vielfältige Aktivitäten, wo sie nach neuen Konzepten und Ideen suchen und diese auch entwerfen. Welche politische Organisationsformen den Lebenswelten von ostdeutschen Frauen angemessen sind und zugleich die wirksame Durchsetzung ihrer Interessen ermöglichen, das ist allerdings die Frage, die unbedingt weiter diskutiert werden muß.

Ich denke, die frauenpolitischen Runden Tische beispielsweise haben sich bewährt. Es gibt sie in vielen größeren Städten, in Sachsen seit 1995, in Berlin seit 1990. Es gibt sogar auf dem Lande frauenpolitische Runde Tische. Es scheint so, daß es eine politische Form ist, die Frauen sehr gemäß ist, einfach weil sie sich nicht in Gesamtzusammenhänge integrieren müssen, weil es ein sachbezogenes Zusammentreffen ist und weil die Arbeit dort sehr ergebnisorientiert ist. Also anders als in den Parlamenten, wo stunden- und tagelang gefaselt wird.

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Ich wollte noch einen Aspekt zu bedenken geben: Wenn ich mich politisch betätigen will, brauche ich Techniken, die mich ausrüsten, in einem solchen Diskussionszusammenhang widerständig zu sein, mich überhaupt einzubringen zu können.

Welche Frauen in die Politik gehen oder welche Frauen in der Politik sind, für welche Frauen das überhaupt möglich ist, das wird von Bildung und Herkunft mitbestimmt. Es sind also Frauen, die einer bestimmten Herkunft, einem bestimmten Milieu und einer bestimmten Lebensgruppe zuzuordnen sind, und es sind vor allen Dingen auch Frauen eines bestimmten Alters. Es hat seinen Grund, daß in der Politik vor allem Frauen zu finden sind, die die Phase, in der sie kleine Kinder oder schulpflichtige Kinder hatten, hinter sich gelassen haben.

Soviel zu den parlamentarischen Zusammenhängen und zum frauenpolitischen Runden Tisch, einer Idee, von der ich denke, sie könnte für ostdeutsche Frauen funktionieren.

In übergreifenden frauenpolitischen Zusammenhängen, die ihre Tradition im Westen haben und in die neuen Länder exportiert wurden, herrscht das bekannt Machtgefälle. Zitat: „Verhältnis zwischen Ost- und Westfrauen ist, wie allgemein zwischen Ost und West, ein klares Macht- und Dominanzverhältnis" (Christiane Schindler). „Die Reproduktion der Machtverhältnisse erfolgt durch den fortwährenden Ausschluß der Ostfrauen aus dem Diskurs. Die Themen werden vom Westen bestimmt und die Art ihrer Bearbeitung natürlich auch."

Die westlichen Organisationen und Institutionen verfügen über die Finanzen. Sie entscheiden, wofür sie ausgegeben werden. Sie entscheiden beispielsweise auch über Forschungsgelder. Daraus folgt, daß nicht nur die Definitionsmacht über die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung im Westen liegt, sondern auch über das, was weibliche Realitäten zu DDR-Zeiten waren.

Ostdeutsche Frauen verfügen aus diesem Grunde über keine eigenen überregionalen Interessenvertretungen. Sie haben keine eigene überregionale Öffentlichkeit und keine Möglichkeiten zu kulturellen elbst-

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darstellungen, mit denen sie sich gegenüber den machtvollen westdeutschen Organisationen, gemischtgeschlechtlich wie frauenpolitisch, behaupten könnten. Ostdeutsche - und das trifft auf Männer wieder genauso zu, wie auf Frauen - sind in jedem Fall die Abhängigen, sowohl finanziell als auch auch kulturell.

Neben den frauenpolitischen Runden Tischen, die ich als eine originäre, ostspezifische Politikform befürworte, gibt es jedoch noch Frauenprojekte als Orte spezifisch ostdeutscher Frauenidentität. Sie sind eine der wenigen Möglichkeiten für Frauen, selbstbestimmt tätig zu sein, eigene Konzepte zu entwickeln und entsprechend ihr Projekt zu profilieren. Einen Teil der Arbeit bekommen die Projekte als Erwerbsarbeit aus verschiedenen Töpfen finanziert, ein anderer Teil ist unbezahlt. Wir können nachher darüber diskutieren, ob diese Projekte eine Alternative sein könnten zur klassischen Arbeitswelt oder zum Modell der „Bürgerarbeit", das uns hier präsentiert wurde.

In allen Frauenprojekten wird auch unbezahlte Arbeit geleistet, ehrenamtliche Arbeit also. Wie aber kann dieses Potential für die gesamte Gesellschaft nutzbar gemacht werden? Und ist dieses Potential relevant für ganz Deutschland, für die Entwicklung der modernen Industriegesellschaft überhaupt? Um das beurteilen zu können, muß man sich die Entwicklungstendenzen im Westen anschauen. Da gibt es Interessantes zu beobachten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung beispielsweise stellte fest, daß seit der deutschen Vereinigung die Erwerbswünsche von nicht beschäftigten Frauen in den alten Bundesländern verstärkt steigen. Wollte 1990 nur die Hälfte der nicht beschäftigten Frauen erwerbstätig sein, waren es 1994 bereits zwei Drittel. Dabei stieg vor allem der Erwerbswunsch von verheirateten Frauen, Müttern von kleinen Kindern und Berufsrückkehrerinnen. Ob diese Entwicklung mit einer Vorbildwirkung der ostdeutschen Frauen zu tun hat, sei dahingestellt. Das wissen wir nicht. Generell aber steigt in allen Industriestaaten der Welt die Erwerbsbeteiligung von Frauen, insbesondere von Müttern. Es wäre also zu fragen, ob die Entwicklung in diesem Bereich generell in Richtung Osten geht?

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Dr. Gisela Schwarz

Vor ca. 200 Jahren sagte ein Herr Seume, der im Haus Leipziger Altmarkt mit dem Türmchen gelebt hat und von dem bekannt ist, daß er Reisebeschreibungen schrieb, zum Beispiel den Spaziergang nach Syrakrus, er wisse nicht, ob die Frauen so viel Vernunft hätten wie die Männer. Aber das wisse er, daß sie nicht so viel Unvernunft hätten.

Ganz kurz in Stichworten zu mir: Ich fühle mich auch nicht als Verliererin der deutschen Einheit. Ganz im Gegenteil, ich bin gleichfalls eine Quotenfrau, und das ist in Ordnung. Ich darf seit 1990 hauptamtlich Politik machen und das für Frauen. Ich glaube, ich tue es auch. Das Problem mit den Medien erlebe ich auf landespolitischer Ebene so: Frauenpolitik kommt so gut wie nicht vor. Die Ministerin für Gleichstellung in Sachsen hat Schlagzeilen, wenn sie sich für den Fußball in Dresden stark macht und weniger, wenn sie, wie in der letzten Plenarsitzung, behauptet, der Umbau im öffentlichen Dienst würde geschlechtsneutral ablaufen.

Der Runde Tisch „Frauen und Erwerbsarbeit" ist eine Initiative des sächsischen Frauenforums. Das Sächsische Frauenforum ist dem Frauenrat anderer Länder vergleichbar. Aber wir sind in Sachsen auch stolz darauf, daß es eine andere Konstruktion ist, daß also nicht nur die großen Frauenverbände dort zusammengefaßt sind, sondern auch die kommunalen Fraueninitiativen dort im sächsischen Frauenforum ihren Platz haben. Man kann zu Netzwerken stehen, wie man will, dies ist ein Stück Frauennetzwerk, das - wie man sieht - gerade in dieser Initiative des Runden Tisches „Frauen und Erwerbsarbeit" doch eine sehr positive Arbeit tut, die auch Aufmerksamkeit in den Medien erzielt und einiges erreicht hat.

Ich möchte aber den Runden Tisch in Sachsen nicht missen. Er ist letztlich auch aus einer gewissen Ohnmacht entstanden, aus der Ohnmacht heraus, daß kein Druck von ganz unten, von den betroffenen Frauen, da war und daß man über dieses Gremium versucht hat, Druck auf die herrschende Politik zu erzeugen. Es wurde Fabelhaftes geleistet, was eigentlich die Ministerin in der Staatskanzlei hätte leisten müssen,

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wichtige Projekte sind erarbeitet worden, die Aufgabe der Exekutive gewesen wären. Es konnte dann unter großen Mühen ein Minimum dessen umgesetzt werden. Das Existenzgründerprogramm, speziell für Existenzgründerinnen, ist auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein, auch nur ein 2,5 Millionen-Projekt, das über die Hausbank finanziert werden soll, letztendlich aber nicht einmal so durchgesetzt worden ist. Ich möchte wirklich diesen Druck von der Basis nicht missen, der mir auch im Landtag die Arbeit leichter macht, weil ich immer auf diese Frauen verweisen kann. Wenigstens habe ich immer Beispiele, was Frauen wollen.

Ich habe auf der politischen Klaviatur im Landtag alles, was Frauenpolitik will, durchgespielt, es ist im Grunde alles abgelehnt worden, bis auf vergleichsweise kleine Dinge. Aber ohne diesen Hintergrund würde es mir noch viel schwerer fallen, mich dort vehement zu Wort zu melden. Es ist natürlich auch die besondere politische Situation hier in Sachsen, das muß man berücksichtigen.

Die Netzwerkfunktion dieses Runden Tisches ist wieder eine andere Funktion, die auch sehr gut funktioniert. Das mag daran liegen, daß wir Quotierungen haben in den Parteien, daß das Klima sich verändert, je mehr Frauen in den Fraktionen sitzen. Es muß sich zwangsweise verändern. Wir lassen uns auch nicht mehr alles bieten von den Männern.

Auch bei uns denken die Männer manchmal, könnten wir diese Quote bloß abschaffen, aber sie trauen es sich nicht mehr, weil sie damit keine Akzeptanz finden. Da sind wir schon ein Stückchen weiter vorangekommen. Wenn mehr Frauen in Ausschüssen, in Gremien usw. sitzen würden, würde sich auch einiges an der Arbeitsweise, an den Möglichkeiten und an der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit verändern. Das betrifft vor allem auch kommunale Parlamente. Wenn ich mir die Kreistage ansehe, ist es eine Katastrophe.

Der Bericht der Bayerisch/Sächsischen „Zukunftskommission" wird gerade in Sachsen sehr intensiv diskutiert. Heute sind auch Frauen aus Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen hier. Ich glaube, dort hat

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dieser Bericht nicht diese Aufmerksamkeit gefunden, vielleicht stärker im Osten, mag sein. Ich habe zum Beispiel festgestellt, gerade in Bayern ist er offensichtlich von weniger Interesse. Auch das vermittelt Einsichten.

Dieser Bericht - beziehungsweise diese drei Berichte - sind gerade in Sachsen auf die Aufmerksamkeit der Frauen gestoßen. Das hat sicherlich damit zu tun, daß sie sich betroffen fühlen, daß sie auch der Angriff auf den Sozialstaat besonders betroffen macht. Gerade sie brauchen diesen Sozialstaat vielleicht am meisten.

Noch einmal zum Verständnis: Die ersten beiden Berichte haben eher analytischen Charakter, während der dritte Bericht dann die Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungslage festhält, wie sie sich die „Zukunftskommission" vorstellt. Kommissionsmitglieder, wenn ich das richtig sehe, gab es neun beziehungsweise zehn. Als sich die Kommission bildete, stellte Mann fest, daß keine Frau dabei war. Die „Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten" in Sachsen hatte sich zu Wort gemeldet. Es kam dann noch Frau Dr. Edda Schiller dazu, so daß also zumindest eine Frau in der Kommission ist. Mit einer ostdeutschen Biographie sitzt allerdings niemand in der Kommission. Ansonsten glaube ich, hätte Mann sich sehr genau überlegt, ob er diesen Begriff Erwerbsneigung überhaupt benutzt hätte. Wir neigen nicht dazu, erwerbstätig zu sein, sondern wir sind es oder wollen es überwiegend sein.

Auch die Datenaufbereitung ist aus meiner Sicht sehr eindimensional und bereitet eigentlich nur das vor, was am Ende herauskommen soll. Diese Zukunftsvision „verheißt" meiner Meinung nach die Dreiklassen-Gesellschaft, die sich aufspaltet in: eine gut verdienende Elite aus Technokraten und Unternehmern, das sind diejenigen, die dann über Wissen und Kapital verfügen, eine Klasse, die zwischen Selbständigkeit und unsicheren Arbeitsplätzen hin- und herlaviert, eine Schicht von Arbeitnehmern und Angestellten, die nur noch geringe soziale Leistungen in Anspruch nehmen können, Dienende, und eine dritte, überflüssige Klasse, die alimentiert werden muß.

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Das Drei-Boote-Bild von Prof. Blum reizt natürlich meinen Widerspruch. Das sehe ich auch als eine Philosophie Ihrer „Wende". Sie sagten, wir müssen diese Entwicklung in Kauf nehmen. Das ist nicht meine Lebensphilosophie. Sie sagen, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind so, und der Mensch muß sich anpassen, und dann wird es schon. Nein, ich muß die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ändern, damit menschenwürdige Rahmenbedingungen erhalten bleiben.

Lohnverzicht! Wissen Sie, wie die Realität ist, was unsere Erfahrungen sind? In Sachsen wird durchschnittlich am wenigsten verdient von allen ostdeutschen Ländern. Im Erzgebirge, wo ich herkomme, noch mal 20 Prozent weniger. Dort gibt es Stundenlöhne zwischen 1,00 und 11,00 Mark. Dort wird aufstockende Sozialhilfe bei Erwerbstätigkeit gebraucht. Dieser Lohnverzicht hat nicht zu mehr Arbeitsplätzen geführt, und das ist die Erfahrung, die wir mit solchen Vorschlägen in der Realität schon machen.

Einfache Dienste, ich habe hier ein Zitat: „Im Bereich der Kinderbetreuung besteht auch Beschäftigungspotential für einfache Dienstleister." Ist das unser Anspruch auf den Beruf einer Erzieherin und dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz? Ich glaube das entspricht einfach nicht den Realitäten, so wie wir sie hier kennen. Noch eines, weil Sie es auch wieder erwähnt haben: Anreize schaffen für eine Veränderung der Menschen oder daß sie sich verändern. Es steht ganz knallhart in Teil 2: Anreize zu schaffen für die Neigung zu einfacher oder körperlich sowie zeitlich belastender Erwerbsarbeit. Ich glaube, das ist doch ein Ergebnis unserer Kultur, daß wir davon weggekommen sind. Und nicht daß wir wieder dort hinkommen.

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Katrin Rohnstock

Ich bin offenbar mißverstanden worden, wenn zum Ausdruck kam, daß ich dagegen wäre, daß Frauen in Parlamenten sind, das Gegenteil ist der Fall. Ich habe nur darüber nachgedacht, warum der jahrelange Appell, mehr Frauen in die parlamentarische Politik, im Westen seit 20 bis 30

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Jahren zu hören, im Osten seit 7 bis 8 Jahren, so wenig Wirkung zeigt. Beim Nachdenken darüber und bei der Beschäftigung mit dieser Frage, bin ich darauf gekommen, daß Frauen in Zeiten starker politischer Bewegung, also beispielsweise 1989/90 die Aktiven waren. Sie waren mit auf der Straße, haben sich politisch engagiert.

Danach haben sie sich systematisch wieder zurückgezogen. Man muß sich doch fragen, ob das auch etwas mit politischen Organisationsformen zu tun hat. Die parlamentarischen Organisationsformen sind nicht so attraktiv, sie sind - ich sage es etwas überspitzt - geradezu frauenfeindlich. Welche Organisationsformen sind frauengemäßer? In dem Zusammenhang bin ich auch auf diese politischen Runden Tische gekom-men, die erstaunlich gut funktionieren und offenbar eine praktikable Organisationsform darstellen, weil man nicht in allen Fragen einer Meinung sein muß, sondern ganz themen- und sachzentriert arbeitet. Ich strebe einen konstruktiven Umgang mit den Tatbeständen an. Ich möchte nachdenken, wie Frauen zu aktivieren sind, ohne auf überlebte Handlungsstrategien zu verweisen Ich suche nach neuen, zeitgemäßen Organisationsformen.

Ich denke, das, was Sie zum Ausdruck gebracht haben, daß die parlamentarischen Frauen eine Basisverwurzelung brauchen, das können wir beispielsweise an den Runden Tischen sehen. Das ist keine Frage, es ist wichtig für die parlamentarischen Frauen, diesen Rückhalt zu haben.

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Anna Damrat

Dieser Frauenrückhalt ist ungeheuer wichtig. Er kann ganz unterschiedlicher Art sein. Einen Teil davon bilden die Runden Tische und ebenso die Projekte, da müssen Kontakte und Dialog gepflegt werden. Viele Frauen, die Frauenpolitik machen, haben früher in irgendeiner Weise auch in Frauenprojekten gearbeitet. Ich brauche diesen Rückhalt in der AsF auch nicht nur, weil ich jetzt in Berlin AsF-Landesvorsitzende bin. Darunter sind auch sehr viele Frauen, die nicht oder noch nicht in Parlamenten sind, auch nicht in den BVV, das sind bei uns die Bezirksparlamente.

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Mit der Geschichte von den Männerhäusern auf den Palau-Inseln habe ich aber noch etwas darstellen wollen. Das ist das verfremdete Beispiel zur Verdeutlichung des Zusammenhangs. Je höher ich in diverse Funktionen gekommen bin, mußte ich feststellen, daß die verheirateten Männer wirklich den ganzen Tag im Männerhaus bleiben und die Nacht auch. Zeit ist da ein ungeheuer freies Gut. Es ist nervend für alle, wie damit umgegangen wird.

Das haben die Männer aber noch nicht so entdeckt, weil sie doch bisher meinten, sie hätten jemanden im Rücken. Das trifft für West- wie für Ostmänner zu, ich kann das in Berlin beobachten, die haben alle irrsinnig Zeit für Sitzungen, Kungelgremien und das Bier danach.

Trotz aller langzeitigen Gewöhnung ist es so, daß die Frauen in Ostdeutschland - und übrigens auch in Gesamt-Berlin, Ost wie West - mit ähnlich hoher Frauenerwerbsquote, es von vornherein gewohnt sind, erwerbstätig zu sein. Das ist ein hohes Plus, weil es im gesellschaftlichen Selbstverständnis nicht extra erkämpft werden muß, daß sie auch erwerbstätig sein dürfen. Hingegen wirkt das Ehegattensplitting, wie bekannt, demotivierend, weil es den/die geringerverdienende/n PartnerIn mit sehr hohen Steuersätzen der Klasse 5 abstraft. Meistens die Frauen!


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

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