FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:



[Seite der Druckausg.: 13]

A: Zugang und gleiche Teilhabe von Frauen in der Politik
Forderungen und Vorschläge zur Veränderung der politischen Kultur




Anna Damrat

Gliederung:

  1. „Wir sind im Männerhaus!" - Staat ohne Frauen
  2. Der „Schmeil-Mensch" der Partei: quadratisch, praktisch, männlich oder der unpraktische „doppelte Lebensentwurf", weiblich
  3. Männermuster: Weibliche Identität und Polit-Karriere
  4. Drei Fallen weiblicher Polit-Karriere: Differenzfalle, Gleichheitsfalle, Liebesfalle
  5. Vier Wege der Veränderung: Quote, Berufstätigkeit, Patchwork, Network
  6. Die Partei hat nicht mehr einfach Recht: Neue Wege der Geschlechterdemokratie

Gerade als Volkswirtin, die auch immer wieder mit Sozial- und Wirtschaftsforschung zu tun gehabt hat, muß ich sagen: Kein anderes Feld ist so spannend wie die Frauen- und Geschlechterforschung. Hier hat sich wissenschaftlich ungeheuer viel bewegt, soviel wie auf den anderen mir gut bekannten Gebieten lange nicht. Ich werde hier vortragen, was ich als Fazit der heftigen und lebhaften Debatte herausgefunden habe.

Ich habe meine Überlegungen in sechs Abschnitten zusammengefaßt. Der erste Abschnitt heißt, eigentlich entgegen der eingangs getroffenen Feststellung, daß es vorangeht:

[Seite der Druckausg.: 14]

1. „Wir sind im Männerhaus" – Staat ohne Frauen

„Ohne Frauen ist kein Staat zu machen!", proklamierten die Frauen des Unabhängigen Frauenverbandes (UFV) im Dezember 1989 zu seiner Gründung. Frauen waren es auch, die in großer Zahl in der Opposition organisiert waren, die die unblutige, tiefgreifende Revolution in Ost-Deutschland vorantrieben und den demokratischen Aufbruch wagten. Die Aufbruchstimmung unter den Frauen fand ihren Ausdruck in vielfältiger Selbstorganisation, in Projektgruppen und „Runden Tischen", in der Kirche schon seit längerem und auch in der Wissenschaft. Jedoch schon nach den ersten und zugleich letzten demokratischen Wahlen in der DDR zogen nur 82 weibliche von insgesamt 400 Abgeordneten in die Volkskammer ein, also 20,5 Prozent. In der Regierung leiteten Frauen nur 4 von insgesamt 23 Ministerien, zugleich auch ziemlich „weibliche" Ressorts: Familie/Frauen, Jugend/Sport, Arbeit/Soziales und Handel/Tourismus [ Winkler, Gunnar (Hrsg.): Frauenreport ´90, Berlin, 1990, S:226] .

Die Verbindung des UFV mit Bündnis 90/Neues Forum brachte ihm kein Glück, sondern nur 2 von 12 Mandaten, also ziemlich wenig Staat. [ ebenda S.227 - das sind 16,7Prozent, zum Vergleich: Bund Freier Demokra ten/DFP-LDP-F.D.P. 0Prozent, CDU 15,3Prozent, PDS 42,4Prozent, SPD 23,9Prozent] Die Frauen fühlten sich nach eigenem Bekunden über den Tisch gezogen. Mit Marina Beyer hatte die DDR nun jedoch erstmals eine „Beauftragte des Ministerrats für die Gleichstellung von Frauen und Männern", und in ihrem Auftrag wurde der „Frauenreport 90" erstellt. Aus ihm stammen die genannten Zahlen und er resümiert für 40 Jahre DDR: „Frauen waren und sind an strategischen Entscheidungsprozessen, an der Machtausübung in geringerem Maße beteiligt als die Männer", dabei galten 4 Frauen von insgesamt 32 Ministern in der Übergangsregierung Modrow schon als „mehr Frauen ... als in der Vergangenheit". Marina Beyer kommentierte diese Lage in ihrem Vorwort zum Report: „Vor dem Hintergrund individuell erlebter Unterdrückung und aus der teilweisen Kenntnis des vorliegenden sozialwissenschaftlichen Materials

[Seite der Druckausg.: 15]

wurden nach dem Sturz des alten SED-Regimes im Herbst 1989 im Rahmen der öffentlichen Diskussionen über die Vergangenheit dieses Landes und über die Gestaltung einer zukünftigen humanistischen und demokratischen Gesellschaft sehr deutlich auch die Defizite zwischen dem Verfassungsgebot der Gleichberechtigung und der realen Lebenswirklichkeit der DDR-Frauen benannt." [ ebenda, S.10 f.]

Auch die in der DDR deutlich mehr als in der alten BRD umfassend vorhandenen wichtigen Rahmenbedingungen zur Erwerbstätigkeit von Frauen waren nach ihrer Auffassung „längst keine Garantie für die tatsächliche Gleichstellung", sondern vielmehr hielt sie darüber hinaus „grundlegende Rechtsreformen" für notwendig, „die eine Diskriminierung wegen der Geschlechtszugehörigkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen rechtskräftig untersagen". Frauen waren also trotz institutionalisierter Förderung und durchgängiger Berufstätigkeit wegen tradierter Diskriminierungen und Doppelbelastung aus Haushalt und Familie auch von höheren Funktionen ausgeschlossen. Zahlreiche Untersuchungen bestätigen die Machtferne von Frauen in alter DDR wie Bundesrepublik. [ dazu vgl. Helwig, Gisela und Nickel, Hildegard Maria (Hrsg.): „Frauen in Deutschland 1945 - 1992", Bonn.1993 (Bundeszentrale für politische Bil dung), insbesondere die Aufsätze von Anne Hampele und Waltraud Cor nelis sen S. 281ff bzw. 321ff.]

Der Befund der DDR fiel auch kurz nach der Wende nicht wesentlich besser aus als für die alte Bundesrepublik, für die Gesellschaft insgesamt wie für den spezifisch politischen Bereich. Viele der anfänglich neu bewegten Frauen im Osten verabschiedeten sich nach den Erfahrungen mit dem nach Personen und Themen nahezu frauenfreien Einheitsprozeß - zweifelhafte Ausnahme § 218! - den Ausschlußmechanismen institutioneller Politik und den Widrigkeiten eines sozial und beruflich zunehmend ungesicherten Alltags wieder aus der Politik. [ vgl. Hampele, Anne in: Helwig/Nickel a.a.O., S.311]

Auch die Ergebnisse der jüngsten Untersuchungen zum Umgang der Parteien mit ihren Frauen und zugleich der Frauen mit der Politik

[Seite der Druckausg.: 16]

kommen nicht zu sehr viel besseren Ergebnissen, erfuhren wir von Helga Lukoschat auf dem vorhergehenden Forum im November 97. Der Weg der Frauen in die Politik ist in dem uns seit bald acht Jahren gemeinsamen politischen System im einigen Deutschland allemal ein beschwerlicher. Die Frauen im Osten erleben nun anstelle eines paternalistisch-bevormundenden Systems ein patriarchalisch-kapitalistisches System, in dem sie politisch zwar Freiheit gewonnen haben, sozial aber um den zuvor erreichten Status ökonomischer Unabhängigkeit aus beruflicher Tätigkeit fürchten müssen, verschärft von dem auf die patriarchale Versorgungs-Ehe ausgerichteten Steuer- und Sozialsystem mit vorher ungekannten Abhängigkeiten. Der Kampf gegen die patriarchalen Strukturen muß von Ost- wie Westfrauen nun als gemeinsamer geführt werden.

Er kann dann erfolgreich sein, wie nicht nur Marina Beyer hofft [ a.a.O., S.11] , eine Reihe von Frauenforscherinnen belegen und entsprechende Resolutionen der SPD-Frauen seit Beginn des Einigungsprozesses immer eindringlicher fordern [ vgl. z.B. entsprechende Beschlüsse auf den AsF-Bundesfrauenkonferenzen, am deutlichsten zuletzt im Juni 1996 in Rostock: D1 „Resolution: Frauen in Ost und West, Vereinigungslasten beseitigen - Vereinigungsgewinne fördern - Wir lassen uns nicht teilen!", s. entsprechende Beschlußübersichten 1990, 1992, 1994, 1996] , wenn unterschiedliche Erfahrungen von Ost- und Westfrauen in ihn eingebracht, akzeptiert und zu neuer Kraft genutzt und angewandt werden.

Dennoch ist gerade im Verlauf des Einigungsprozesses nach den oben genannten Schwierigkeiten in den letzten Jahren mehr erreicht worden, als den Akteurinnen selbst bewußt ist: Die Anteile der Frauen in der Politik sind gerade in den letzten Jahren höher geworden. Auf SPD-Parteitagen sind Frauenforderungen aufgrund des dort anwesenden höheren Anteils von Frauen und den Regeln politischer „Correctness" leichter durchzusetzen als in den Vorverhandlungen mit der frauenpolitisch gesehen zuweilen hartleibigen Parteispitze.

[Seite der Druckausg.: 17]

Jedoch, auch wenn einzelne Frauen inzwischen hohe Ämter bekleiden, so sind sie im Gesamtbild der oberen Etagen von Politik und Wirtschaft noch immer weiße Raben und fallen deshalb besonders auf. Wegen ihrer nun etwas größeren Zahl erwecken sie sogar den Anschein, weiße Raben hätten in der Gesellschaft der schwarzen allerbeste und eben gleiche Chancen. Frauen sind aber allein schon statistisch leicht nachweisbar noch immer weit davon entfernt, in Führungspositionen zu gleichem Anteil wie in der Bevölkerung vertreten zu sein. Die Kämpfe der Mächtigen werden weiter vor allem unter Männern ausgetragen, wie es sehr deutlich die Kanzler-Kandidatenfrage in der SPD, auch der CDU, diverse Flügelkämpfe bei allen Parteien zeigen. Das gilt mit Abstrichen auch für die Grünen.

Lapidar stellt die derzeitige AsF-Bundesvorsitzende Karin Junker in ihrem jüngsten Gleichstellungsbericht vom Dezember 1997 fest: „Frauen ist der Weg in die erste Reihe nach wie vor weitgehend versperrt." [ SPD-Parteitag Hannover, 2. bis 4. Dezember 1997 - Gleichstellungsbericht, vervielfältigtes Manuskript, S.5]

Das Verhalten der Medien und schließlich auch der Protagonisten selbst zeigt: Männer kommunizieren in Machtfragen nur mit Männern, nehmen vor allem Männer wahr, bekämpfen sie als Konkurrenten und fördern sie als jungen aufstrebenden Nachwuchs, meinen Frauen nicht direkt sondern „mit", wie auch eine aktuelle Wahlkampfbroschüre aus Niedersachsen in der Fußnote mit Rücksicht auf „Lesbarkeit und Verständlichkeit" erläuterte, bauen auf Frauen im Schlachtgetümmel um innerparteiliche und allgemeine Wahlmehrheiten, aber bauen Frauen selten auf. Wenn noch im Dezember 1997 der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine auf dem Hannoveraner Bundesparteitag Hans-Jochen Vogel und Willy Brandt als seine Lehrmeister bei der Gleichstellungspolitik nennt, aber auf die in großer Zahl dort anwesenden Frauen wie Inge Wettig-Danielmeier, Heidi Wieczorek-Zeul oder Karin Junker nicht kommt, ist das kein Zufall.

Im Berliner Völkerkunde-Museum können schilfgedeckte Häuser von den Palau-Inseln im West-Pazifik besichtigt werden. In ihnen trafen sich

[Seite der Druckausg.: 18]

die Männer des Dorfes und sangen in wiederkehrendem Sing-Sang: „Wir sind im Männer-Haus!". Dazu informiert ein Museumsblatt: „Die [Männer-]Klubs bestanden aus etwa gleichaltrigen Männern, also jeweils für die Dauer einer Generation. Mit dem Tode seiner Mitglieder erlosch der Klub, neue Klubs entstanden in der Vereinigung junger Männer. Beim Eintritt in einen Klub verließ der Jüngling das elterliche Haus ... Er wohnte und schlief im Klubhaus wie alle Männer, die verheirateten nicht ausgenommen." [ Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz Berlin, Museum für Völkerkunde/Abt. Südsee: Text eines Informationsblattes zum Männer-Klubhaus von den Palau 1]

Die Männer-Klubs waren zugleich soziales und politisches Machtzentrum. Mädchen aus fremden Dörfern, so das Informationsblatt zu einem anderen Haus, durften sie als Gesellschafterinnen versorgen und „kehrten nach längerer Zeit reich beschenkt" heim. [ dies., Informationsblatt zum Männer-Klubhaus von den Palau 2]

Nicht immer real, aber zumindest von ihrem Bewußtsein her, sitzt die große Mehrheit der männlichen Politiker noch immer im Männerhaus und kann nach ihrem Selbstverständnis ganz gut Staat ohne Frauen machen. Das „Ohne-Frauen-Ist-Kein-Staat-Zu-Machen" ist als Zahlenkenntnis und zugleich Anspruch zwar bis in die Reihen der CDU-Frauen vorgedrungen, aber als durchgängig handlungsleitende Erkenntnis von Frauen zu wenig und von Männern nur sporadisch genutzt worden.

Damit komme ich zum nächsten Abschnitt:

2. Der „Schmeil-Mensch" der Partei: quadratisch,
praktisch, männlich - und der unpraktische „doppelte Lebensentwurf", weiblich


Natürlich sind meine Ausführungen insbesondere aus den Erfahrungen in und mit der SPD gespeist. Sie lassen sich aber, wie aus Gesprächen mit Frauen aus anderen Parteien zu erfahren ist und in einschlägigen Untersuchungen gut belegt, leicht verallgemeinern. Der aus formalem Statut, institutionalisierten und auch informellen Partei-Bräuchen (siehe

[Seite der Druckausg.: 19]

Männer-Klub!) sowie gewöhnlichen Polit-Karrieremustern zu konstruierende Durchschnitts-Parteimensch hat alle Eigenschaften des vorgeblich geschlechtsneutralen Muskel-Menschenmodells im herkömmlichen Schul-Biologie-Lehrbuch von Schmeil: Er ist gewissermaßen quadratisch, also relativ leicht einzupassen und zu jeder Zeit einzusetzen, deshalb praktisch - und eben männlich.

Eine Befragung unter jungen SPD-Frauen im Alter zwischen 16 und 28 Jahren ergab u.a., daß diese grundsätzlich an formalen Abschlüssen gemessen „gebildeter" als ihre Geschlechtsgenossinnen in der Bevölkerung und „gemessen an der Gesamtmitgliedschaft deutlich aktiver" seien, aber andere Ansprüche an Politik und Partei haben als ihre männlichen Genossen, nämlich „mehr Transparenz, stringente ergebnisorientierte Organisation und weniger Bürokratie" wünschen. [ SPD-Parteivorstand: „Junge Frauen in der Volkspartei SPD"- Schriftenreihe Jugendpolitik, Band VII, Bonn, o. J. (1994), S. 41]

Bedenklich allerdings ist, daß die jungen SPD-Genossinnen sich häufig aus „privaten Gründen", Ausbildung und häufigerer Ortswechsel, sowie aus Ohnmachtsgefühlen aus dem aktiven Engagement zurückziehen, wenn nicht der Partei ganz und gar den Rücken kehren. [ ebenda]

Selbst die JUSOs schneiden in der Beurteilung der jungen Frauen nicht besser ab und die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) spielt in dieser Altersgruppe zwischen 16 und 28 Jahren bei den Aktiven „eine untergeordnete Rolle". Dabei sind die Themen und Forderungen von AsF-Frauen und JUSO-Frauen so unterschiedlich nicht. Vielmehr sehen beide Gruppen die Notwendigkeit einer anderen politischen Kultur, basierend auf einer anderen Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen.

Die Forderung zur Vereinbarkeit von beruflicher, gesellschaftlicher, familiärer bzw. Beziehungsarbeit und Hausarbeit wird seit Begründung des „Arbeitskreises Emanzipation" der JUSOs zu Beginn der 70er Jah-

[Seite der Druckausg.: 20]

re [ dazu vgl. z.B. „JUSO"- Zeitschrift der Jungsozialisten in der SPD, Bonn, Heft 4/1974 zum Thema Frauen] und Neuorganisation der AsF 1973 in immer wieder neuen Varianten erhoben, heute als Anrecht auf den „doppelten Lebensentwurf" eingeklagt. Auch der von den JUSOs beschlossene und vom Bundesparteitag im Dezember 1997 an den „Parteivorstand zur Erarbeitung eines Wahlprogramms" überwiesene Antrag „Viel mehr Zukunft! Lebensentwürfe junger Frauen absichern" spricht die Erkenntnis an, „daß Frauen in der SPD zwischen 25 und 40 zwar noch in den Statistiken auftauchen, jedoch in der konkreten Arbeit vor Ort und v.a. in machtvollen gestalterischen Positionen nicht mehr präsent sind", weil sie sich hier auf Berufseinstieg und Partnerinnenschaften und eventuelle Familiengründung konzentrieren. [ Textauszüge aus dem Antrag I 50, abgedruckt in Vorstand der SPD (Hrsg.): „Parteitag der SPD in Hannover 2.-4. Dezember 1997 - Beschlüsse", Bonn/ FfM, 12-97, S. 113ff., hier S.124, auch folgende Zitate]

Dabei ziehen sie, ähnlich wie ihre älteren Schwestern bei JUSOs und AsF zuvor, den Schluß, „daß das männliche Erwerbsarbeitsmodell auf die Strukturen politischer Arbeit übertragen wurde" und fordern: „SPD-Spitzengenossen muß endlich die Schere in ihrem Kopf klar werden, wenn sie an 60 Stunden in der Woche für die Arbeitszeitverkürzung kämpfen, während ihre Reproduktionsarbeit von ihrer Frau/Freundin gemacht wird!".

Konkrete Forderungen nach struktureller Veränderung in der Partei verbleiben allerdings auch in diesem Antrag mehr im allgemeinen wie die nach Frauen-Förderplänen mit Maßnahmen, „die über die Quotierung hinausgehen" und „gezielten Aufbau von Frauen für Führungspositionen".

Um dem auch im eigenen Verband nachzuhelfen, beschloß derselbe Bundesparteitag für das Organisationsstatut der SPD eine besondere Experimentierklausel, die es den JUSOs gestattet, ihren Bundesvorstand bzw. Delegationen zum Bundeskongreß um überzählige Männer ent-

[Seite der Druckausg.: 21]

sprechend deren Stimmenzahl bei der Wahl solange zu verkleinern, bis die Mindestquote von 40 Prozent Frauenanteil erreicht wird [ ebenda, S. 380, Antrag O 300 zur „Änderung des Organisationsstatuts § 10"] .

Auch die AsF war es leid, beim Frauenköpfe-Zählen in Vorsitzendenämtern und bei parlamentarischen Mandaten immer wieder auf schlechte Ergebnisse weit unterhalb der Mindestquote zu stoßen und Statutentreue einzeln einklagen zu müssen, und forderte deshalb den Parteivorstand in einem an ihn überwiesenen Antrag auf, zur Mindestabsicherung „eine entsprechende Ergänzung des Statuts auf den Weg zu bringen und im übrigen ... [dazu finanzielle] Anreize zu schaffen". [ ebenda, S.389, Antrag O 379 „Innerparteiliche Gleichstellung verwirk lichen"]

Der nächste Abschnitt befaßt sich mit uns selbst.

3. Männermuster: Weibliche Identität und Polit-Karriere

Mit dem letzten Parteitag gelang so etwas wie eine kleine Revolution für die SPD: In den Parteivorstand wurden erstmals mehr Frauen als Männer gewählt im Verhältnis 23 zu 22. Zu fragen ist, ob sich daraus wirklich ernsthaft andere, frauenfreundlichere oder frauengerechte Konstellationen ergeben werden. Studiert werden konnte dies bereits schon einmal in den Jahren des rot-grünen Senats in Berlin-West vor der Wende, in dem es mehr Frauen als Männer gab. Doch auch hier mußten die Beobachterinnen in Alltag und Wissenschaft konstatieren, daß mit zunehmenden Konflikten in der Koalition und der Überlagerung des Senatsgeschehens durch die Ereignisse von Wende und Vorlauf der Einheit, sich die öffentliche Aufmerksamkeit wieder auf das Handeln der meist männlichen Haupt-Protagonisten konzentrierte. Zu fragen ist aber auch, ob denn das weibliche Handeln in der Politik immer grundsätzlich anders ist, oder wie Carol Hagemann-White mutmaßte, vor allem durch weibliche Sozialisation aus der tatsächlichen oder potentiellen Mutterrolle, eher demokratisch offen und ausgleichend ist als männliches polarisierendes Wirken.

[Seite der Druckausg.: 22]

Der Berliner Politikwissenschaftlerin Birgit Sauer [Sauer, Birgit: „Was heißt und zu welchem Zwecke partizipieren wir?" in: Biester, Elke u.a.. (Hrsg.): „Demokratie oder Androkratie? - Theorie und Praxis in der feministischen Diskussion", FfM/ N.Y., 1994 (Campus), S. 99ff., die folgenden Zitate von S.116f.] erscheint es als „zu schlicht", von einem anderen weiblichen Politikverständnis zu sprechen. Sie bezieht sich dabei auf Untersuchungen, nach denen viele Frauen in der Politik sich durchaus als „Vater-Töchter" gerne mit traditionell männlichen Werten, wie z.B. „klar, dynamisch, arbeitsorientiert, entschlußfreudig und durchsetzungsfähig" beschreiben und dazu internalisierten wie auch institutionellen Anpassungszwängen im männlichen Politikbereich ausgesetzt seien.

Darüber hinaus hält sie den „euphorischen Bezug auf ein anderes Politikverständnis" für problematisch, „weil weibliche Verhaltensmuster Frauen in der politischen Öffentlichkeit nicht unbedingt reüssieren lassen" und sie zum Beispiel durch Zurückstecken, Konfliktvermeidung, gehemmte Bereitschaft zu Machtpositionen eher zu „erhöhter Anpassungsbereitschaft an vorgegebene männliche Strukturen führen" können. So gesehen würde eine den vorgegebenen traditionell „weiblichen" Werten entsprechende weibliche Identität durchaus auch männlichen Rollenzuschreibungen und männlichen Erwartungen entsprechen. Daß dies gleichermaßen ein allgemeines, systemunabhängiges Problem ist, zeigen auch die Ausführungen von Irene Dölling zu den Frauen- und Männerbildern in der ostdeutschen Frauen-Zeitschrift „Für Dich", wo sich trotz deutlicher äußerer Unterschiede die Bilder von Frauen in ihrem Rollengehalt vor und nach der Wende fatal gleichen [ Dölling, Irene: „Gespaltenes Bewußtsein - Frauen und Männerbilder in der DDR", in: Helwig/ Nickel a.a.O., S. 23ff] . Die Zwickmühle von männlicher Erwartung und Spielregeln im Männerbund öffnet und schließt sich im Zweifel immer zu Ungunsten von Frauen:

Verhalten sich Politikerinnen entlang weiblichen Verhaltensmustern, werden sie nicht ernst genommen, ja sogar marginalisiert, verhalten sie sich „wie die Männer" droht ihnen das Verdikt von Männern und möglicherweise auch Frauen, „unweiblich" zu sein und deshalb als

[Seite der Druckausg.: 23]

„Emanze" im Politikgeschäft ausgegrenzt und kaltgestellt zu werden. Und damit bin ich beim nächsten Punkt:

4. Drei Fallen weiblicher Polit-Karriere: Differenzfalle, Gleichheitsfalle, Liebesfalle

Die erste Falle, in der weibliche Polit-Karrieren enden können, habe ich bereits beschrieben: Ich bezeichne sie als „Differenzfalle". Sie tut sich mit den Ansprüchen einer nicht zu erfüllenden weiblichen Identität auf. Zwei weitere Fallen weiblicher Polit-Karrieren will ich jetzt noch betrachten: Die „Gleichheitsfalle" und die „Liebesfalle".

Die Forderung nach Gleichheit der beiden Geschlechter wird leicht mit „gleich machen zum männlichen Vorbild" übersetzt und dann entweder als androgyn oder wegen der darin enthaltenen Beschreibung der Frau als defizitär abgelehnt. Das hat in der weiteren Diskussion über Differenz und Gleichheit dazu geführt, Gleichheit mit „Gleichberechtigung" oder „sozialer Gleichheit" zu übersetzen und darin ein Drittes zu verstehen, zu dem sich Männer wie Frauen emanzipieren sollen. Es ist eine Zukunft, in der Personen beider Geschlechter die Möglichkeit haben, ihr Leben selbst zu bestimmen ohne die Definitionsmacht des anderen oder eigenen Geschlechts. Wird die Gleichberechtigung allerdings auf formal gleiche Rechte verengt, wäre sie durch aktives und passives Wahlrecht, Recht der freien Berufswahl, Aufstiegsmöglichkeit und Bestenauswahl allein nach „objektivierbaren" Qualitätskriterien bereits erreicht und bedürfte eigentlich keines weiteren Kampfes. Nur die Verhältnisse, die sind eben nicht so ... .

Sie waren auch nicht so, weder in West noch in Ost.

Doch haben unterschiedliches Erleben von Gleichheit und Ungleichheit das Verständnis von Ost- und Westfrauen untereinander oft erschwert, glaubten sich doch viele Ostfrauen aufgrund ihrer vormals besseren sozialen Rechte der Gleichheit schon sehr nahe gekommen, auch aufgrund des entsprechenden besseren Trainings ihrer Männer in einigen Haushaltsfragen und der höheren eigenen ökonomischen Unabhängig-

[Seite der Druckausg.: 24]

keit. Ebenso mußten Westfrauen diese Unterschiede der Lebensstile erst begreifen, während sie anfangs ein vereinfachtes Schema der Differenz als Maß anlegten.

Die Falle, die ich als „Liebesfalle" bezeichne, hat mit der erstgenannten „Identitätsfalle" manches gemein, weil sie in ähnlicher Weise das tradierte Selbstverständnis der Frauen betrifft. Dies sind die besonderen Erschwernisse, die daraus resultieren, daß Frauen in ihrer oft unendlichen Empathie sich darin verausgaben, andere stets verstehen zu wollen (oder zu müssen), und auch ihrerseits stets geliebt werden wollen. Das von Feministinnen zum Teil postulierte „mütterliche" oder auch „lesbische Kontinuum" verlangte gegenseitige Zuneigung und ist doch unter Konkurrenzbedingungen, unterschiedlichen Meinungen und Ansätzen sowie schlichten persönlichen Differenzen und Antipathien nur schwer zu erfüllen. Erst wenn Frauen begreifen, daß sie weder von allen Männern noch von allen Frauen ständig geliebt werden müssen, um politisch aktiv und bündnisfähig sein zu können, daß der Kampf um politische Ämter und inhaltliche Positionen auch ein öffentlicher ist und kein privater, erst dann können sie wirklich erfolgreich aktiv sein - oder auch unterliegen, ohne als Person zerstört zu werden. Ich werde zum Beispiel nie den guten Ratschlag einer Genossin vergessen, die mich angesichts einer schwierigen Konkurrenz- und zugleich persönlichen Verlustsituation in der Vorphase einer Kandidatur dadurch aufmunterte und aufrichtete, daß sie mich einfach fragte, ob ich jetzt vordringlich etwas Persönliches oder etwas Politisch-Inhaltliches mit meiner Kandidatur erreichen wollte.

Was Frauen sind und wie sie werden, ist die Frage des gesamten politischen Sozialisationsprozesses. Sie können die notwendige und zugleich aus Zwängen befreiende Selbstsicherheit erreichen, wenn sich ihre Identität fortwährend aus dem Prozeß selbst herstellt und nicht als Identitätsanspruch auferlegt ist. Hier ist eine Frau, weil sie - auch aus dem spezifisch weiblichen Sozialisationshintergrund heraus - als Frau handelt und sich nicht ständig definiert.

[Seite der Druckausg.: 25]

5. Vier Wege der Veränderung: Quote, Berufstätigkeit, Patchwork, Network

In ihrer Untersuchung unter dem Titel: „Zwischen Macht und Ohnmacht: Politische Repräsentation von Frauen in den Staaten der Europäischen Union" [Hoecker, Beate in: Aus Politik und Zeitgeschichte - Beilage zur Wochen zeitung Das Parlament B52/97 vom 19.12.1997; Tabellen mit Zahlen zu Parlaments- und Regierungsbeteiligung von Frauen auf S.5 und 7.] vergleicht die Bremer Soziologin und Politologin Beate Hoecker die Repräsentation von Frauen in den nationalen Parteien, Parlamenten und Regierungen in den 15 EU-Ländern zuzüglich Norwegen und versucht, den „Ursachen ihrer zumeist marginalen, in einigen Fällen aber auch guten Vertretung aus komparativer Sicht" nachzugehen. Mir scheint dieser Versuch sehr bemerkenswert, weil aus ihm eventuell Schlüsse gezogen werden können, welche Bedingungen einer politischen Teilhabe von Frauen im parlamentarisch-demokratischen System eher förderlich sind und welche nicht. Auch eigene Forderungen zur politischen Kultur können hieran überprüft werden. Anhand ihrer ausführlichen Recherchen kommt Beate Hoecker zu dem nicht unerwarteten Schluß, daß es einen engen Zusammenhang zwischen den als „politische Kultur" definierten „dominanten Einstellungen gegenüber der Rolle von Frauen in der Gesellschaft sowie im politischen Leben" und parlamentarischer Vertretung von Frauen gibt.

Nach ihrer Aufstellung ergibt sich in der parlamentarischen Repräsentanz mit wenigen Ausnahmen ein Nord-Süd-Gefälle mit den skandinavischen Ländern und deren „Leidenschaft für Gleichheit und Gerechtigkeit" sowie demokratischen Traditionen an der Spitze, dicht gefolgt von den Niederlanden. In diesen Ländern sitzen über 30 Prozent Frauen in den Parlamenten. Im Mittelfeld sind es zwischen 20 und 30 Prozent: Deutschland, Österreich, Spanien Luxemburg, unter 20 Prozent in den übrigen Ländern: Großbritannien, Portugal, Irland, Belgien, Italien, Frankreich, Griechenland. Dazu haben die Länder im Spitzen- und Mittelfeld auch alle ein Verhältniswahlsystem, das die Repräsentanz von Frauen besser sichert als das in Großbritannien, Irland und Frankreich übliche Mehrheitswahlsystem.

[Seite der Druckausg.: 26]

Auch aus deutscher Erfahrung wissen wir: Ist das Ergebnis schlecht, kommen bei den großen Parteien mehr Frauen über die Liste in die Parlamente als über die Direktmandate. Dennoch: „Voraussetzung allerdings ist der politische Wille, Frauen in gleichberechtigter Weise am politischen Entscheidungsprozeß zu beteiligen. Fehlt dieser, dann ist auch ein Verhältniswahlrecht keineswegs ein Garant für eine hohe Präsenz von Frauen im Parlament" wie es acht von dreizehn Staaten mit Verhältniswahlsystem und einem Frauenanteil unter 30 Prozent zeigen. [Hoecker, Beate a.a.O., S. 11 f., maximaler prozentualer Anteil Parlament/ Regierung: Schweden:40,4/ 50, Norwegen:39,4/ 44]

Nicht weniger von Bedeutung sind allerdings die frühe beziehungsweise mittlere Einführung [ „früh" meint Beate Hoecker vor dem 1. Weltkrieg, „mittel" nach dem 1. Weltkrieg, vgl. ebenda, S.10, FN 2] des Frauenwahlrechts und eine in der Regel hohe Erwerbsquote der Frauen. Auch hier liegen die skandinavischen Länder an der Spitze. Von ihnen sind auch besonders gezielte Institutionen und vor allem sozialgesetzliche Vorschriften bekannt, die die Gleichberechtigung direkt oder indirekt befördern. Es ist deshalb wohl nicht von ungefähr, daß die skandinavischen Länder Norwegen und Schweden die ersten waren, in denen sozialdemokratische Parteien verbindliche Mindestquoten vorgaben. Solche Quoten in Gesellschaft und Politik sind äußerst wichtig, da männliche Biographien die Grundstruktur politischer Karrieren bestimmen und nur auf diese Weise zu durchbrechen sind. Europaweit stehen konservative Parteien solchen Hilfsmitteln eher ablehnend gegenüber, wie sich auch an der CDU leicht zeigen läßt: Sie führte im letzten Jahr eine selbstverpflichtende, nicht verbindliche Quote ein. Dreh- und Angelpunkt zukünftig wirklich gleichberechtigter und akzeptierter Teilhabe von Frauen am politischen wie gesellschaftlichen Geschehen dürfte allerdings die gesamtgesellschaftliche Arbeitsteilung unter den Geschlechtern sein. Deshalb sind die Anstrengungen zur besseren politischen Repräsentanz von Frauen auch im gegenseitigen Bedingungsgeflecht von demokratischer und ökonomischer Selbstbestimmung zu sehen. Sie bestimmen letztendlich auch die politische Kultur eines Landes.

Es ist daher mein Vorschlag, den internationalen Meinungs- und Erfahrungsaustausch mit den Skandinavierinnen zu intensivieren, weil

[Seite der Druckausg.: 27]

hier die Entwicklung in diesem Sinne am weitesten gediehen ist. Skandinavien hat von Anfang an eine sehr kämpferisch gestimmte Frauenbewegung gehabt, die in ihrer Entwicklung in etwa parallel zur Frauenbewegung der übrigen westlichen Welt aktiv war.

Das sich mit dem wirtschaftlichen Wandel auch unter Männern zunehmend ausbreitende Patchworkmuster von Lebensläufen, zusammengesetzt aus erwerbslosen und erwerbsträchtigen Phasen, Phasen des Lernens und gegebenenfalls Phasen der Sorge für andere in Abwechslung mit voller Berufstätigkeit, der erzwungenen oder auch gewollten Verkürzung der täglichen Erwerbsarbeitszeit sind ebenso materielle Ansatzpunkte. Hier kann das den Frauen schon lange bekannte Sein auch bei Männern bewußtseins- und damit regelverändernd wirken. Immerhin hat ja schon die „Patchworkfamilie" [ Patchworkfamilie meint die Familie, die daraus entsteht, wenn Erwachsene mit ihren Kindern aus unterschiedlichen vorherigen Beziehungen eine neue Familie bilden.] zu neuem Nachdenken über soziale Elternschaft geführt.

Von allein bewegt sich selten etwas.

Die Macht liegt immer noch mehrheitlich in Männerhänden. Männliche Machteinschränkung durch Abgabe von Macht an Frauen verlangt auch von den Frauen Verhaltensveränderungen. Die Frauen werden sich also den „Ruck" zu Veränderungen in ihrem Sinne selbst erzeugen müssen - dies allerdings, ohne die Männer aus der Verantwortung zu entlassen! Vernetzungen der Frauen untereinander schaffen die besten Vorbedingungen für notwendig kollektives Vorgehen, weil hier eigenes Verhalten mit Erfahrungen anderer Frauen konfrontiert, reflektiert und weiter entwickelt werden kann. Netzwerke von Frauen sind es auch, die eben männliche Machtspiele über die Bande erschweren und konterkarieren - in Parteien, Verbänden, Gewerkschaften und Institutionen. Dies gilt in gleicher Weise auch für den Zusammenhang unter Ost- und West-Frauen, in Deutschland wie international.

[Seite der Druckausg.: 28]

6. Die Partei hat nicht mehr einfach Recht: Neue Wege der Geschlechterdemokratie

Frigga Haug ist an der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik lehrende und forschende Professorin und zugleich eng verbunden mit dem Aufbegehren der Frauen aus der linken 68er Studentenbewegung. Sie schreibt, daß „die alten Streite um Ursprung und Ort von Frauenunterdrückung notwendig zu hilflosen Strategien der Befreiung führen mußten". [Haug, Frigga: „Frauen-Politiken", Berlin/Hamburg, 1996 (Argument), hier S. 150 f.] Dabei ist also nicht „das Kapital" oder „die Männerherrschaft" allein entscheidend, oder „die Verortung von Frauenunterdrückung entweder in der Familie oder in der Erwerbstätigkeit oder in der Politik".

„Frauen", so zieht sie ihr Fazit, „können ... nirgends einfach als Menschen auftreten. Sie finden sich in wechselnden Verhältnissen einmal mit, einmal ohne Herrschaft und Unterwerfung, je nachdem, ob es sich um kulturelle, politische, ökonomische, familiäre Bereiche handelt. Immer und überall leben sie in Geschlechterverhältnissen. Es gilt daher, das Leben auf allen Ebenen zu verändern, um es menschlich zu gestalten." Diese Aussage von Frigga Haug deckt sich mit der Forderung des Berliner SPD-Grundsatzprogramms: „Wer die menschliche Gesellschaft will, muß die männliche überwinden." [Grundsatzprogramm der SPD - Beschlossen vom Programm-Parteitag der SPD am 20. Dezember 1989 in Berlin, hrsg. vom SPD-Parteivorstand, Bonn, S.19]

In Vorbereitung zu diesem Referat habe ich auch eigene alte Aufzeichnungen und Akten herangezogen. In ihnen konnte ich rückblickend etwa 30 Jahre Parteileben durchblättern. Demokratie und Frauenbewußtsein, so konnte ich beim Verfolgen von Beschlüssen, Parteiwahlergebnissen und eigenen Texten entnehmen, sind ein fortlaufender Lernprozeß. Geschlechterdemokratie ist ein Lernprozeß beider Geschlechter, bedingt aus Wertvorstellungen, materiellen Bedingungen,

[Seite der Druckausg.: 29]

Wahrnehmungen und Bewußtsein, das sich nicht zuletzt in der Sprache [ Zur Sprachsensibilisierung haben die Sprachwissenschaftlerinnen Luise F. Pusch und Senta Trömel-Plötz wichtige Beiträge geleistet, vgl. z.B: Trömel-Plötz, Senta: „Feminismus und Linguistik" in: Pusch, Luise F. (Hrsg.): „Feminismus - Inspektion der Herrenkultur", FfM, 1983 (edition suhrkamp/ NF 192), S.33-51] niederschlägt. Alle Schritte auf diesem Wege, auch Rückschritte, wenn sie als solche wahrgenommen werden, bringen uns weiter dem Ziel - oder der Vision - selbstbestimmten und gleichberechtigten Lebens näher. Traditionellerweise nennt man das „Emanzipation". Sie verändert das Verhältnis und das Verhalten der Geschlechter zueinander - sozial und politisch. Das hat auch Folgen für die Partei und deren politische Kultur: Sie hat nicht mehr einfach Recht, sondern muß sich selbst in diesen Prozeß begeben und verändern.

Page Top

Rosemarie Bechthum,
Landtagsabgeordnete aus Thüringen


Ich bin ein Mensch, der immer das Praktische sieht. Seit der Wende habe ich in meiner Tätigkeit als Mitglied im Thüringer Landtag und als AsF-Landesvorsitzende in Thüringen Höhepunkte, Tiefpunkte, Rückschläge für die Frauen erlebt, insgesamt ging es doch immer wieder ein Stückchen bergauf, auch wieder mit Hilfe von Frauen.

Zur Frage der Quotierung habe ich zunächst einmal folgendes zu sagen:

Keine Frau will hier eine Quotenfrau sein. Trotzdem sind in den letzten Jahren und besonders auch vor den Bundestagswahlen vor der Kandidaturenaufstellung immer wieder Anrufe und Anfragen auch an mich als Landesvorsitzende gerichtet worden, ob wir auch darauf achten, daß die Quote eingehalten wird. „Ihr habt doch mal gesagt, also zwölf Wahlkreise haben wir, fünf mindestens für Frauen und sieben für Männer", hieß es. Wir haben uns daran gehalten.

Auf der Berliner Konferenz habe ich über meine verunglückte Bundeskandidatur gesprochen, und ich muß aber sagen, man war so fair, ich bin dann trotzdem auf Platz 11 gekommen, die erste Listenkandidatin, dann kam noch Platz 12, ein Direktkandidat und Platz 13 ein Direktkandidat.

[Seite der Druckausg.: 30]

Es gab keine Einwände. Man hätte ja sagen können: Ihr seid wohl nicht richtig im Kopf, jetzt kommen erst einmal die Direktkandidaten und dann kommt die Frau. Nein, man hat das so akzeptiert. Da haben wir doch schon ein ganzes Stück erreicht. Das muß ich wirklich mit Freude und mit Stolz über unsere Thüringer Männer in der SPD sagen. Wir haben auch im Landtag diese Quote eingehalten. Wir haben von 29 Abgeordneten 10 Frauen, damals waren es noch die 33 Prozent, wir sind darüber auch sehr froh.

Die CDU hat mit ihren 42 Mitgliedern gerade 6 Frauen und in der PDS - wir haben nur drei Fraktionen - sind es von 17 Mitgliedern 8 Frauen. Wenn wir Besuchergruppen haben oder in Gesprächen gefragt wird, wieviel Frauen wir haben, dann merken wir, daß doch immer mehr die Einstellung wächst, zu sagen: „Was, so wenig Frauen hat die CDU?" Dann sagen wir: „Ja, sehen Sie. Dann stellen die sich hin als frauen- oder familienfreundliche Partei und im Grunde ist das Gegenteil der Fall."

[Seite der Druckausg.: 31]

Mein Ziel ist es seit dieser Bundestagswahl-Kandidatur, junge Frauen aufzubauen. Ich habe das auch in der letzten Konferenz betont. Wir haben jetzt schon kleine Erfolge. Ich bedauere, daß ich es nicht schon vorher getan habe, wir haben ganz bewußt junge Frauen angesprochen, und es sind auch einige zu uns gestoßen, gerade in Erfurt zwei. Es kommt ja darauf an, wer sie sind. Als mir die jungen Frauen gesagt haben, daß sie SPD-Mitglied werden möchten, habe ich ihnen vorgeschlagen, unbedingt bei den JUSOs mitzuarbeiten. Wenn wir das schaffen, daß die sich jetzt dort wirklich einbringen und mitarbeiten, dann kommen wir auch in die Richtung, daß wir junge Frauen als Kandidaten aufstellen können und nicht immer nur die männlichen Stürmer und Dränger.

Die wichtigste Erkenntnis für uns Thüringer Frauen, die sich seit 1990 in der Politischen Bildung engagieren, war, daß die Zusammenarbeit notwendig ist, auch, wenn sich immer dieselben treffen und ihre Meinung zu dem sagen, was ihnen nicht paßt. Wenn wir wenigen es nicht tun, dann tut es keiner. Die Erkenntnis hat gefruchtet, und heute freuen wir uns auf die nächste Arbeitsmarktkonferenz. Wir kommen und wissen, da hören wir etwas Neues, wir sehen uns wieder und wir können uns gegenseitig anspornen. Dies war für uns eine ganz große Hilfe, das muß ich immer wieder hier betonen. Gisela Zierau hat uns hierbei sehr unterstützt.

Aber die Thüringer Frauen haben auch erkannt, wenn wir eine Landesfrauenbeauftragte im Rang einer Staatssekretärin haben, beweist das noch nicht gleich die Frauenfreundlichkeit des Landes. Wir haben eine Landesfrauenbeauftragte, die sehr konservativ ist und die es leider nicht schafft, diese Querschnittsaufgabe in unserem Land so wahrzunehmen, daß wir Frauen das Gefühl haben könnten, sie würde sich für uns einsetzen und uns dabei helfen, uns zu vernetzen. Wir haben einen geradezu riesigen Etat von fast fünf Millionen DM für frauenfördernde Pojekte. Aber es hat sich ein großer Unmut angesammelt, weil nicht klar ist, warum welches Projekt befürwortet oder abgelehnt wurde. Na gut, wir als SPD profitieren davon, sie ist eine CDU-Frau, aber es ist für die Thüringer Frauen nicht gut. Wir versuchen dann immer, auf diesem

[Seite der Druckausg.: 32]

Wege die Ansprechpartner zu sein. Das tut uns schon sehr weh, daß es so schwierig ist, unser Netzwerk aufzubauen.

Nächste Woche wird Thüringen das letzte Bundesland sein, das den Kabinettsentwurf „Gleichstellungsgesetz" behandeln wird. Ich fand es gut, daß unsere Minister gesagt haben, daß sie den Entwurf nehmen und ihn mit unseren Frauen in der Fraktion durchsprechen. Ursprünglich sollte das Gesetz schon in der vorigen Woche behandelt werden. Wir kannten den Entwurf nicht. Das hat auch mit dem unbefriedigenden Verhältnis zu der Landesfrauenbeauftragten zu tun.

Nach Lektüre des Entwurfs denke ich aber, es kann ein ganz vernünftiges Gesetz werden. Ich war sehr erfreut darüber, daß die wichtigsten Hinweise und Kritiken, die vom Landesfrauenrat gekommen sind, Beachtung gefunden haben. Ebenso wurden von der Gewerkschaft, von der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten wichtige Zuarbeiten eingebracht.

Ich habe meine Stellungnahme abgegeben. Es ist ganz wichtig für die Frauen, die sich damit befaßt haben, daß sie merken, daß sie auch gehört worden sind. Die Forderungen mußten aufgenommen werden. Wir wollen eigentlich das beste Gleichstellungsgesetz haben. Ich denke, wir werden es auch schaffen.

Wir haben seit der Wende angefangen, unser Frauen-Netzwerk aufzubauen. Wir haben, als wir uns damals kennengelernt haben, alle bei Null angefangen und unser sich heute ausweitendes Netz mit Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Gleichstellungsbeauftragten, Landesarbeitsgemeinschaft, Frauenhäusern und Frauenzentren begründet. An meiner Hochschule habe ich die Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen auch als erste Gleichstellungsbeauftragte mitbegründet. Wir haben hier den Landesfrauenrat gegründet, in dem die Verbände organisiert sind. Wir haben die Arbeitsloseninitiative, dann die Landesarmutskonferenz, in der die SPD auch vertreten ist. Das war alles nichts Aufgesetztes. Keiner hatte das Gefühl, jetzt will man uns zu irgendwas zwingen. Das klappt bei uns nicht.

[Seite der Druckausg.: 33]

Am deutlichsten wird das vielleicht in der vorliegenden Debatte zum Haushaltsentwurf der Landesfrauenbeauftragten, der von den Fraktionen heftig diskutiert wurde. Es tut einem manchmal leid, daß man Frauen angreift, aber ich finde es gut, daß die Fraktionen ihre Haltung zu diesem Haushaltstitel klar formuliert haben.

Auf den Gleichstellungsausschuß im Landtag sind wir stolz. Er ist immer noch notwendig und das ist auch unsere Aufgabe, zu zeigen, daß er gebraucht wird. Vielleicht wird er in zehn Jahren nicht mehr notwendig sein, vielleicht sogar schon in fünf Jahren. Aber wir haben die Ziele des Gleichstellungsausschusses damals gemeinsam mit den Frauen formuliert. Und ein ganz wichtiger Punkt ist die Chancengleichheit für Frauen.

Die Thüringer Frauen sollen wissen: Sie haben hier Ansprechpartnerinnen, an die sie sich wenden und mit denen sie zusammenarbeiten können. Wir nehmen auf, was an Fragen kommt und geben es in mündlichen Anfragen und Selbstbefassungsanträgen weiter. Wir haben in Thüringen eine Fachberaterin für Mädchenarbeit mit durchgesetzt und das Hochschul-Sonderprogramm III für Frauenförderung - denke ich - vorbildlich umgesetzt.

Wir haben einen sehr hohen Fonds für den zweiten Arbeitsmarkt. Er wird sicherlich Vorbild für die ganze Bundesrepublik sein, 578 Millionen DM, davon profitieren ganz besonders auch Frauenprojekte. Das wird von Jahr zu Jahr je nach Notwendigkeit erweitert. Es sind aber alles SPD-Ministerien, die dieses durchgesetzt haben. Das beweist: Man muß mit dabei sein, muß Verantwortung haben, als Opposition kann man nicht viel erreichen.

Der Landesfrauenrat und die AsF haben die gleichen Ziele. Wir erarbeiten klare frauenpolitische Forderungen und Vorschläge, die unsere Abgeordneten in die Lage versetzen, auf diesem Gebiet mit einem klaren Programm aufzutreten.

[Seite der Druckausg.: 34]

Page Top

Evelin Irmscher,
Gleichstellungsbeauftragte des Regierungsbezirks Leipzig


Ich gehöre nicht der AsF an, sondern bin Gleichstellungsbeauftragte für den Regierungsbezirk Leipzig. Mein Beitrag geht deshalb in eine andere Richtung als das Vorangesagte.

Ich freue mich ungeheuer, hier mehr als eine Handvoll starker politisch interessierter Frauen aus Leipzig und Umgebung, aber auch aus anderen Regionen zu sehen. Denn leider ist meine Erfahrung, daß sich in unserer Region immer nur eine kleine Gruppe von Frauen trifft.

Meine Fragen lauten:

Erstens: Wie erreichen wir, bei Themen, die uns in diesem Land interessieren, egal in welchem Bundesland, mehr Frauen zu frauenpolitischem Denken und Handeln zu aktivieren?

Zweitens: Wie erreichen wir, daß dieses politische Denken und Handeln nicht nur als Überschrift steht und in kleinen Gruppen diskutiert wird, sondern Frauen sich direkter in die Politik einbringen, um dann auch an Schaltstellen diesbezüglich politisch tätig zu werden?

Ich habe darauf keine Antworten und keine Rezepte. Ich kann nur aus der Erfahrung von reichlich drei Jahren als Gleichstellungsbeauftragte das Gesagte von Frau Dr. Bergmann zum Thema „Junge Frauen" voll und ganz bestätigen. Auch ich treffe immer häufiger auf junge Frauen, die eine Notwendigkeit, sich politisch zu engagieren, für wenig sinnvoll halten. Ihre Grundhaltung, gut ausgebildet zu sein, sich durch Leistung durchsetzen zu können, und Erfolg zu haben, kommt erst dann zum Schwanken, wenn sie häufiger Absagen auf Bewerbungen erhalten, als sie sich je hätten träumen lassen. Eine andere Variante, die mir begegnet, heißt: „Ich habe eine sehr gute Ausbildung, ich habe eine Familie, die hinter mir steht, sprich, Mann und Kind tragen meine Karriereziele mit, aber ich will nicht durch frauenpolitisches Engagement auffallen, denn das könnte mir schaden!"

[Seite der Druckausg.: 35]

Wir werden auch hier und heute dieses Problem nicht lösen können, aber es ist notwendig, sich über dieses Thema zu verständigen. Notwendig ist mehr Öffentlichkeit von Frauen aus der Politik für Frauen in die Politik in unserem Land, denn wir haben nicht nur zu wenig junge Frauen, sondern insgesamt zu wenig Frauen in politischen Gremien. Frauennetzwerke bzw. Frauenbündnisse zu knüpfen, ist notwendig, um unsere eigenen Stärken deutlich zu machen. Ziel sollte doch sein, daß eines Tages jede Frau die Chance hat, frei ihren Lebensweg zu planen mit Erwerbstätigkeit und Familie.

Zurück zu der Frage, wie erreichen wir mehr politisches Engagement von Frauen? Die Hoffnung, in den neuen Bundesländern auf eine breite Basis von emanzipierten Frauen, die wissen, wofür sie kämpfen, zu treffen, ist noch immer nicht in Erfüllung gegangen. Fragen der Frauen zu ihrem eigenen Leben: Was bin ich? Wer bin ich? Was will ich? Wie will ich arbeiten? Wie will ich mich in der Gesellschaft positionieren? - werden nicht in großem Umfang gestellt. Ein Beispiel dafür: Meine Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte im Regierungsbezirk Leipzig kann nur so gut sein, wie die Arbeit meiner Mitstreiterinnen in den Landkreisen und Kommen. Doch leider finde ich dort diese Stelle, obwohl nach sächsischen Gesetzen vorgeschrieben, nicht immer besetzt. Die Sächsische Landkreisordnung besagt, in allen Landkreisen sind hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen, in der Sächsischen Gemeindeordnung müssen Kommunen ab 20.000 Einwohnern hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte bestellen. Die Tatsachen sprechen dagegen. Dadurch fehlt eine wichtige Grundlage für eine breite Basisarbeit zur Durchsetzung frauenpolitischer Ziele. Es gibt Frauenverbände, -vereine, -initiativen, einzelne politisch interessierte Frauen, aber insgesamt sind das noch zu geringe Ansätze für eine breite Lobbyarbeit.

Trotzdem glaube ich fest daran und werde nach wie vor alle meine Kraft verwenden, Frauen zu motivieren und zu aktivieren, sich einzumischen, sich politisch zu engagieren. Ich glaube auch, daß gerade in den neuen Bundesländern den Frauen noch bewußter gemacht werden muß, sie sind nicht die Verliererinnen der Einheit, sondern sie sind in Ihrem Lebensanspruch ein Stück Zukunftsmodell.

[Seite der Druckausg.: 36]

Um meine Frage vom Beginn aufzugreifen, wie kommen wir ein Stück voran, halte ich den bereits gesagten Satz für treffend und wichtig: „Die Männer werden uns Frauen nicht den Weg bereiten. Es ist unsere eigene Aufgabe, in allen Strukturen politisch aktiv tätig zu werden!"

Page Top

Margrit Zauner,
Büroleiterin der Senatorin für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen, Berlin


Mein Ziel ist es, daß wir nicht auf auf der Ebene bleiben, zu bemängeln, daß wir so wenige sind, sondern positiv formulieren. In dem Beitrag von Anna Damrat ist mir dieser Punkt zu kurz gekommen. Zu den positiven Stärken der Netzwerke muß mehr gesagt werden: Netzwerk - das kann man ganz unterschiedlich begreifen und vielfältig interpretieren. Es geht u.a. um die Netzwerke in eigenen Organisationen und damit verbunden darum, stets Zweckbündnisse zu schließen. Das heißt nicht, daß ich mit jeder Frau in jedem Punkt in jeder Frage übereinstimmen muß, sondern ich kann einfach sagen, hier habe ich jemanden, mit dem ich in der speziellen Frage zusammenarbeiten kann. In einer anderen Frage vielleicht auch nicht. Wir sollten nicht in die weibliche Falle tappen. Dies ist ein Muster, das man von Männern lernen kann, die halten das nämlich auseinander.

Mir ist auch der Zusammenhalt von Frauen wichtig. Das ist eine unserer Stärken, und da konnten wir schon einiges bewegen. Wir können auch über Grenzen und Institutionen hinweg Frauen zusammenführen und dadurch Dinge für die Frauen bewegen, sei es über Parteigrenzen in ganz konkreten Fragen hinweg, sei es über Grenzen von Organisationen hinweg, wenn Gewerkschaftsfrauen, Parteifrauen, Projektfrauen und andere Frauen zusammen sind, sei es in der Institution. Wichtig ist es, die Frauen zusammenzubringen und damit wirklich neue Sachen zu bewegen. Hier finden sich auch die Anknüpfungspunkte von Vernetzung.

Last but not least, wir können nur mehr Frauen für die Politik gewinnen, wenn wir an konkreten Einzelpunkten anfangen, auch wenn die vielleicht manchmal etwas klein erscheinen.

[Seite der Druckausg.: 37]

Man braucht ein konkretes Vorhaben oder eine konkrete Politikerin, die wirklich auch da ist. Es ist ein wichtiges Beispiel, wenn sich eine Frau mit kleinen Kindern traut, Politik zu machen, Verantwortung zu übernehmen, und es ist wichtig, solche Frauen zu unterstützen, auch damit - an konkreten Vorhaben - den Frauen zu zeigen, daß es geht. Wir dürfen nicht beim ersten Mal, wenn etwas schief läuft, sagen: Typisch Frauen, es funktioniert nicht.

Frauen sind kritisch. Das ist durchaus positiv. Aber wir sollten auch nicht jeden Fehler, den eine Frau macht, doppelt hoch bewerten. Bei Männern läßt man manchmal leichter etwas durchgehen.

Page Top

Elfi Wiedemann,
Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg, Abteilung Frauen und Gleichstellung


Ich komme aus dem Frauenministerium Brandenburg, und ich will dem Punkt „Die kleinen Schritte, ein positives Selbstverständnis und von den Frauen aus Nordeuropa lernen" noch eine Facette hinzufügen: Ich bin
eine Quotenfrau. Ich könnte ebenfalls eine doppelte Quotenfrau sagen,

[Seite der Druckausg.: 38]

wie Christine Bergmann es nannte. Gegen dieses Einsortieren nach dem Muster „Wir sind die Verliererinnen" möchte ich mich verwahren. Wir befinden uns seit vielen Jahren in einem enorm komplizierten Prozeß. Wir müssen prüfen: Wo haben wir Handlungsmöglichkeiten, wo haben wir Widerstände? Wir zerbrechen nicht an den Widerständen. Wir finden uns zusammen, wir stärken uns gegenseitig. Wie wir das tun, dem sollten wir nachgehen.

Ich habe auch kein Patentrezept für die Gleichstellungsbeauftragte aus Leipzig. Aber in Brandenburg begehen wir in diesem März die 8. Brandenburgische Frauenwoche. Diesmal unter dem Motto „Frauen Macht Politik", und zwar im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen in Brandenburg – seien es die Kommunalwahlen oder die Bundestagswahlen, oder nächstes Jahr die Landtagswahl.

Wir wollen die Frauen, die kommunalpolitisch tätig sind, stärken. Wir wollen das überhaupt sichtbar und zum Thema machen. Aber im Alltag - 8. Brandenburgische Frauenwoche - gibt es auch viele Rückschläge, auch selbst bei den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten in Brandenburg. Es gibt Gleichstellungsbeauftragte, die in einer schwierigen Situation sind und die diese Frauenwoche zum Beispiel als eine enorme Belastung ansehen, weniger als eine Chance.

[Seite der Druckausg.: 39]

Ich denke, wichtig ist auch, die eigenen Strukturen anzuerkennen. Alljährlich wiederkehrende Strukturen bergen immer die Chance in sich, Frauen zu erreichen und sie aus dieser unguten Vereinzelung zu holen.

Page Top

Sigrid Kautz,
Gleichstellungsbeauftragte des Regierungsbezirks Halle


Ich bin die Gleichstellungsbeauftragte des Regierungsbezirks Halle und komme auch nicht von der AsF. Zum vorangegangenen Beitrag ist zu sagen, daß ich mich auch dagegen wehre, als Verliererin der Einheit bezeichnet zu werden. Ich finde, es gibt neue Herausforderungen für uns Frauen. Dafür sollte Politik Rahmenbedingungen setzen. Das ist eine der Aufgaben von politisch engagierten Frauen, die Politiker und Politikerinnen dazu zu zwingen, diese Rahmenbedingungen zu gestalten.

Ich darf daran erinnern, daß ich aus Sachsen-Anhalt komme. Angefangen hat Sachsen-Anhalt mit einer CDU/FDP-Regierung. Die starken Frauen in Sachsen-Anhalt haben es damals geschafft, das beste Kindertagesstättengesetz zu erzwingen, überparteilich. Hier liegen unsere Stärken. Daran sollten wir uns erinnern, statt uns etwa unsere politische Herkunft vorzuwerfen.

Es wird immer von Frauennetzwerken gesprochen. Greifen wir diese doch auf, kommen wir darauf zurück, machen wir etwas Gemeinsames. Um Politik für Frauen wirksam umsetzen zu können, muß Frau an Schaltstellen von Politik und Wirtschaft die Chance erhalten, zu gestalten. Hier müssen Männer Positionen aufgeben.

Eines muß uns klar sein, Politik für Frauen ist auch eine Politik gegen Männerbastionen, und wer gibt schon freiwillig eine Machtposition auf? Ohne Kampf wird es nichts geben. Es wird uns niemand etwas in den Schoß legen, und die Sterntaler, meine Damen, die gibt es nur im Märchen, und die müssen wir uns abschminken. Ich würde sagen, reichen wir uns die Hände, wo wir gemeinsame Ziele haben. Hier wurde von Zweckbündnissen gesprochen. Sollte ein Zweckbündnis seinen Zweck erfüllt haben, brauchen wir uns nicht gleich den Dolch in den

[Seite der Druckausg.: 40]

Rücken zu stoßen. Halten wir es aus, daß wir anderer Meinung sind. Das ist oft sehr schwierig. Aber es ist zu lernen. Wir müssen uns in unserer Verschiedenheit tolerieren, das ist auch unser Plus.

Page Top

Bärbel Sommerfeld,
Gleichstellungsbeauftragte des Regierungsbezirks Dessau


Ich bin Gleichstellungsbeauftragte des Regierungsbezirks Dessau. Wir Gleichstellungsbeauftragten sind in der Mehrheit, stelle ich fest. Ich möchte mich meiner Vorrednerin gleich anschließen und konkret sagen, was man wirklich machen kann.

Wir sind in Sachsen-Anhalt dabei, ein Modellprojekt zu initiieren und umzusetzen, wie wir viele Frauen, und zwar von unterschiedlichen parteilichen Orientierungen oder auch gar keiner parteilichen Orientierung, zusammenbringen können, um diese Frauen fit zu machen. Frauen sollen lernen, ihre politischen Wege zu gehen. Wir haben die frauenpolitische Bildung für Chancengleichheit in Sachsen-Anhalt auf folgende Weise umzusetzen angefangen: Wir haben in den drei Regierungsbezirken drei Auftaktveranstaltungen durchgeführt und haben die Frauen über die Medien angesprochen. Wir wollen nach den Personalgesprächen, die derzeit laufen, diese Frauen in Seminaren auf den neuesten Stand bringen.

Es ist eine Idee, die in den alten Bundesländern entstanden und in Zusammenarbeit mit den Frauen der neuen Bundesländer initiiert worden ist. Vor Ort sollen Dozentinnen aus Ost und West gemeinsam tätig werden. Es ist ein Anfang. Drücken Sie uns die Daumen, daß uns das gelingt.

[Seite der Druckausg.: 41]

Vielleicht schaffen wir es auch, weitere Initiativen in andere neue Bundesländer hineinzutragen.

Page Top

Katrin Rohnstock

Mein Thema ist nachher die Definitionsmacht von Frauen und natürlich der Politikbereich. Bevor ich damit an der Reihe bin, muß ich aber auf bisher Vorgetragenes reagieren.

Ich bin generell dagegen, das Verhalten von Frauen immer gleich als defizitär zu beurteilen und zu sagen: Warum gehen die nicht in die Politik? Das und das machen sie falsch. Ich bin dafür, einmal nachzudenken: Warum ist denn beispielsweise Politik für Frauen nicht attraktiv? Welche Strukturen verhindern, daß Frauen in die Politik gehen? Und darüber hinaus: Warum ist Frauenpolitik für Frauen unattraktiv? Das ist doch die wichtige Frage. Warum schaffen wir es nicht, mit ganz wichtigen frauenpolitischen Forderungen, deren Konsequenzen die Frauen alltäglich in ihrem Leben zu tragen haben, die Frauen zu mobilisieren? Das hat sehr viele Gründe. Ein wesentlicher Grund liegt in den Lebenswelten von Frauen.

Ich saß in der Wendezeit am Berliner Runden Tisch. Nach einigen Wochen habe ich das Handtuch geworfen, weil ich gemerkt habe, eines bleibt auf der Strecke, meine Familie und meine Kinder, ich hatte damals ein sehr kleines Baby. Das war für mich unattraktiv. Warum sollte ich meine Kinder vernachlässigen? Also habe ich aufgehört, „professionell" Politik zu machen. Das ist der Zustand bis heute.

Ich kann aber informell Politik machen. Ich kann zum Beispiel am Abend, wenn die Kinder im Bett sind, noch ein Fax absenden, ich kann Statements verfassen und anderes. Ich denke, das sind politische Formen, die den Frauen insgesamt sehr viel gemäßer sind. Wir müssen sehen, wie wir solche flexiblen Organisationsformen initiieren und auch stärken. Ich denke, die frauenpolitischen runden Tische gehören in diese Kategorie. Da werden sachbezogen Frauen zusammengerufen. Es wird ein Papier erarbeitet, das hier vom Frauenpolitischen Runden Tisch als

[Seite der Druckausg.: 42]

Stellungnahme zu dem Zukunftsbericht steht - das finde ich ausgezeichnet. Dann können die Frauen wieder ihren alltäglichen Verpflichtungen nachgehen, zu denen auch der verdammt harte Kampf im Erwerbsleben gehört.

Soweit der Einspruch gegen die Richtung, die die Debatte jetzt genommen hat.

Page Top

Prof. Dr. Ulrich Blum

Ich entschuldige mich dafür, mich als einziger anwesender Mann zu Wort zu melden. Aber ich möchte kurz zwei oder drei Dinge ausführen, weil ich die Sache hier für spannend halte und versuchen will, Ihnen aus einfacher, simpler Männersicht ein paar Tips zu geben. Vielleicht können Sie die gebrauchen. Vielleicht kennen sie die auch schon alle.

(1) Die Ausführungen zu den Netzwerken halte ich in unserer modernen Gesellschaft für ausgesprochen kritisch. Da kommen Sie nämlich sehr schnell in die Rationalitätsfalle, wie wir das als Ökonomen nennen. Man sagt nämlich einfach, laßt doch die anderen arbeiten. Wenn sie Erfolg haben, partizipiere ich. Wenn alle so denken, dann klappt überhaupt nichts. Dies ist eines der großen Probleme, weshalb diese ganzen sogenannten Gemeinwohlaktivitäten stetig notleidender werden in einer Gesellschaft, die immer mehr vermarktet. Gegen diese Vermarktung der Gesellschaft, behaupte ich, kann man sehr wenig tun. Darüber kann man aber nachher vielleicht noch einmal reden.

(2) Verschrecken Sie alle armen Männer nicht dadurch, daß Sie sagen, im Wettbewerb müssen wir uns das erobern, und das muß euch dann genommen werden. Eigentlich ist Wettbewerb immer ein Verfahren gewesen, das nicht nur eine reine Umverteilung, sondern eigentlich auch sehr viele positive Gewinne erzeugt hat. Zumindest der Ökonom glaubt daran, der empirische Beleg ist sehr stark. Ich sage das aus folgendem Grunde: Unser Land leidet, und zwar durchgängig, unter einer gesellschaftspolitischen Sklerose, die erschreckend ist. Diese Sklerose muß durch zusätzliche Ideen aufgeweicht werden, von wo immer sie kom

[Seite der Druckausg.: 43]

men, aber sie können eben auch von Frauen kommen. Machen Sie es also besser. Es geht aber nur über den Wettbewerbsmechanismus und nicht dadurch, daß Sie sagen: „Das, was du jetzt hast, das nehme ich dir weg". Das erzeugt eine Blockade.

(3) Das mit den Medien halte ich für sehr schwierig. Wenn Sie heute gesagt hätten, hier sitzt eine Senatorin im Raum und die wird möglicherweise erschossen während der Debatte, entschuldigen Sie, Frau Senatorin, daß ich das so sage, dann hätten Sie wahrscheinlich die Medien hier drinnen gehabt. Aber wenn Sie sagen, wir machen hier eine ganz spannende Debatte über ein Thema, das uns alle bewegen müßte, dann kommt keiner. Es sei denn, Sie haben eine übereitle Journalistin, die sagt, ich manage das Forum, deshalb komme und berichte ich. Das ist doch korrupt, aber ich kenne das selber als Veranstalter von Tagungen.

(4) In Amerika hat man eine Studie über das Internetverhalten gemacht. Da hat man festgestellt, daß Leute, die stark im Internet arbeiten, ihre Kommunikationsaufnahme für Werbeinhalte in den klassischen Medien um mehr um 50 Prozent einschränken. Ihre Webseite ist völlig unterentwickelt - bei der SPD ebenso wie bei der CDU. Sie verschicken auch nicht systematisch Nachrichten an Frauen. Machen Sie das doch mal. Schaffen Sie doch die Stelle einer SPD-Internet-Beauftragten, die nichts anderes macht, als relevante politische Fragestellungen für Frauen über eine Liste von 100.000 oder 200.000 Mailinglisten herauszuschießen. Ich glaube, da haben Sie sehr viel mehr davon.

(5) Ich habe mich mit diesem letzten Punkt am Anfang in Sachsen sehr unbeliebt gemacht. Aber inzwischen ist die Nachricht bei einigen angekommen. Ich sage es ganz brutal: Sie unterstützen die Männer dabei, Frauen aus dem Arbeitsmarkt zu drängen, in einem Maße, daß es phantastisch ist. Ein Unternehmer, der muß seine Kosten am Markt verdienen. Unter den Bedingungen, unter denen wir zur Zeit Frauenförderung betreiben, kostet die Frau dramatisch mehr. Das ist eine Tatsache. Sie schützen nur die Frauen, die bereits im Unternehmen sind. Die anderen haben große Schwierigkeiten, weil dann die Einstellungen schwierig

[Seite der Druckausg.: 44]

werden. Gegen diesen Marktmechanismus kommen wir leider auch nicht an. Wir können darüber nachher diskutieren.

Sie haben mich als Volkswirt eingeladen. Wenn wir partnerschaftlich, Mann und Frau, zusammenarbeiten und nicht immer Gesetze machen, die erst einmal gut gemeint sind, aber nachträglich für die tatsächlichen Karrieremöglichkeiten Schwierigkeiten bereiten, dann müssen die Kosten des biologischen Unterschiedes, um es ganz deutlich zu sagen, beim Staat und nicht bei Unternehmen und anderen Organisationen liegen, weil es sonst eine permanente Diskriminierung gibt. Die kriegen Sie nicht in den Griff. Wie man das macht, da kann man ganz interessante Wege finden. Ich stehe gern für eine andere Diskussion zur Verfügung. Das wäre ein wichtiger Punkt. Nur, die Männer lassen Sie da in eine Falle laufen, auch die Politiker.

Page Top

Brigitte Blattmann

Ich möchte noch einiges zur Zusammenarbeit mit den Medien und zu der Frage der Politikverdrossenheit von Frauen anfügen.

Zum Kontakt zu den Medien:

Wir, die Mitarbeiterinnen im Gleichstellungsreferat der Stadt Leipzig, bemühen uns seit Gründung des Referates, den Kontakt zu den Medien auf- und auszubauen. Inzwischen gibt es gute Kontakte zu Journalistinnen. Seit zwei Jahren versuchen wir, zum 8. März eine Frauenseite in der Leipziger Tageszeitung, LVZ, unterzubringen. Das ist trotz guter Kontakte mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Ein halbes Jahr vorher führten wir im Jahr 1996 ein Gespräch mit dem Chefredakteur. Er sicherte uns eine Seite für Frauen zu. Im Nachhinein waren wir jedoch gezwungen,

[Seite der Druckausg.: 45]

mehrere Kompromisse einzugehen. So wurden wir beauftragt, Frauen zu finden, die parallel zur Frauenseite bereit waren, Annoncen in der LVZ aufzugeben, damit die Frauenseite sich für die LVZ rechnet. Da wir nicht genügend Sponsorinnen fanden, reduzierte sich der verfügbare Platz zum 8. März kurzerhand auf eine halbe Seite. Die Zeitung druckte dort die für eine Seite aufbereiteten Informationen etwas kleiner und unübersichtlicher auf der Seite 26 der Ausgabe. Ich frage mich: Welche Frau blättert bis zur Seite 26, wenn Sie nicht im Vorfeld weiß, daß hier Informationen für sie zu finden sind. So sieht die Zusammenarbeit mit der Presse aus.

Aber daraus haben wir gelernt. 1997 suchten wir uns eine Journalistin, übergaben ihr unsere Recherchen und Informationen, und durch diese bessere Lobby fanden wir uns zum 8. März mit einer dreiviertel Seite auf Seite 14 wieder. Ihr seht, wir können uns verbessern!

Zur Frage der Politikverdrossenheit von Frauen:

Ich habe jetzt in einem anderen Zusammenhang die Shell-Studie zur Jugendarbeit gelesen. Daraus habe ich u.a. einen für mich wichtigen Satz entnommen. Man redet immer darüber, daß die Jugend politikverdrossen ist. Ein Fazit dieses Berichtes ist: „Die Politik kümmert sich nicht um die Jugend oder zu wenig". Und weil sie zu wenig auf die Belange der Jugend eingeht, hat die Jugend auch kein Interesse, dort mitzuwirken. Ich meine, das paßt auch für uns Frauen. Nur wird es diese Studie für Frauen niemals geben. Das ist der einzige Unterschied.

Page Top

Rosemarie Bechthum

Ich bin im vorigen Jahr am 28. November zur Mitgliederversammlung des Deutschen Frauenrates gefahren. Wir haben dort nach einer interessanten und anregenden Debatte beschlossen, 1998, also in diesem Jahr, das Thema „Frauen Ost und West" und unsere Biographien zu behandeln. Warum schaffen wir es nicht, Frauen in den Vereinen und Verbänden zu motivieren? Das wird auch ein wesentlicher Diskussionspunkt des Deutschen Frauenrates sein.

[Seite der Druckausg.: 46]

Der Hinweis auf durch das Kabelfernsehen gegebene neue Möglichkeiten der Medienarbeit für uns stimmt – da tut sich bei uns in Erfurt etwas. Man ist auf uns zugekommen: Wir sollen Frauen und Jugendliche auf eine mögliche Mitwirkung hin ansprechen. Jugend, Frauen und Familien der Region sollen vorgestellt werden. Davon versprechen wir uns, daß wir Frauen ins Gespräch bringen und daß sie sich vorstellen. Wir hatten im vorigen Jahr im Parlament zum Tag der offenen Tür ein „Frauenparlament". Auch eine Volkswirtin, Frau Prof. Rauschhofer, war dabei. Sie sagt: Warum schaffen wir es nicht, wenn eine Frau in den Schwangerschaftsurlaub geht oder wenn ein Kind krank ist, die Kosten zur Hälfte dem Betrieb des Vaters des Kindes - beide sind doch beteiligt - mitzuübertragen? Das wäre eine gute Idee. Warum machen wir das nicht?

Page Top

Margrit Zauner

Herr Blum hat die Ökonomin in mir gereizt. Es tut mir leid. Netzwerken heißt nicht, daß ich unten sitze und warte, daß einer oben ist und mich nachzieht. Ich denke, es ist immer eine Situation des Gebens und Nehmens. Es muß einen mittelfristigen Ausgleich an Nutzen für alle Beteiligten geben und, nur auf den Altruismus der weiter fortgeschrittenen Damen zu hoffen oder auch Männer, wäre ziemlich fatal. Es würde dazu führen, daß nichts passiert. Netzwerke unter Frauen funktionieren auch anders. Wir haben sehr gute Beispiele dafür.

Wenn es die Unternehmen gäbe, die tatsächlich streng rational und nur nach ökonomischen Kosten handeln würden, man beachte den Konjunktiv, dann müßten sie viel mehr weibliche Führungskräfte einstellen, die kosten nämlich ungefähr ein Drittel weniger als die vergleichbaren männlichen Führungskräfte, hat eine Professorin über mehrere Jahre immer wieder entsprechend ökonomisch nachgewiesen. Unter diesem Aspekt gesehen, müßten also weit mehr Frauen einstellt werden. Es gäbe 1.000 Gründe, rein aus purer Ökonomie, daß die Unternehmen mehr Frauen einzustellen. Leider tun sie es nicht. Es scheinen noch ein paar andere Faktoren eine Rolle zu spielen.

[Seite der Druckausg.: 47]

Page Top

Dr. Christine Bergmann

Wir können das Thema „Ökonomie" nachher noch diskutieren. Ich will nur dazu sagen: Die Kosten des biologischen Unterschiedes kann man - wie schon dargelegt - auf die Geschlechter verteilen. In dem Moment, wo Erziehungsurlaub geteilt wird und damit das Risiko bei dem Betrieb des Kindesvaters genauso groß ist, wie beim Betrieb der Mutter des Kindes, ist das so. Man muß das nicht automatisch nur beim Staat abladen. Es gibt verschiedene Varianten, darüber kann man diskutieren. Aber in der Sache gebe ich Ihnen Recht, und wir nehmen das auch ernst, bei allem, was wir tun, und fragen: Wie wirkt sich das aus? Wie wirkt sich das speziell auf die Frauen aus? Wirkt sich das unter Umständen so aus, daß die Betriebe keine Frauen mehr einstellen wollen, weil ihnen die Kosten für diesen Einzelfall, den man dann sehen muß, zu hoch werden? Das ist ein Punkt, über den man sich sicher einigen muß.

Für ihren Tip mit der Internet-Beauftragten bin ich dankbar. Das war ein guter Hinweis.

Ich will aber noch etwas sagen zu dem Thema: Wie motivieren wir Frauen, oder was erwarten Frauen sich von der Politik.

Da sind wir zum einen wieder bei der Quote. Wir können Frauen sagen, ihr habt eine Chance. Ihr müßt euch nicht irgendwo mit beteiligen, sondern ihr habt hier eine echte Chance, auch in der Politik ein Stück Macht und damit Einfluß zu gewinnen. Die Quote ist nicht nur im Bereich der Parteien wichtig, sondern auch im öffentlichen Dienst, wir hätten sie auch gerne in der privaten Wirtschaft, dort muß mehr Frauenförderung stattfinden, da wird sich auch noch einiges tun.

Nur man darf dann nicht sagen, daß wir alle keine Quotenfrauen sein wollen. Wir haben hier ein Instrument, von dem wir sagen, das ist wichtig, das brauchen wir. Damit muß man positiv umgehen. Es diskriminiert uns selbst, wenn wir sagen, ich will aber keine Quotenfrau sein. Ich bin die Doppelquote, und bin ich etwa schlechter als meine Kollegen? Sicher nicht! Man muß das dann auch wirklich nutzen und

[Seite der Druckausg.: 48]

sagen, das ist so. Nur die Leistung allein bringt es nicht, auch nicht bei der männlichen Konkurrenz. Wir müssen hier realistisch sein.

Das ist das eine, das andere ist, daß Frauen sagen, es ist karriereschädlich, wenn ich mich als Frauenpolitikerin bekenne. Auch damit müssen wir viel offensiver umgehen. Dafür gibt es auch gute Beispiele. Ich denke an unsere Bundesverfassungsgerichts-Präsidentin, Jutta Limbach, die sich hingestellt und gesagt hat: „Na klar bin ich Feministin. Was haben sie sich denn darunter vorgestellt? Dachten sie, das sind nur Frauen, die mit den Hackebeilchen rumziehen und den kleinen Unterschied beseitigen wollen?" Das ist O-Ton von Jutta Limbach. Eigentlich muß man so mit diesem Thema umgehen. Es versteht sich von selbst, daß die Grundlage dafür unsere fachliche Kompetenz bildet.

Ich bin froh, daß wir in Berlin die Kombination „Arbeit, Berufliche Bildung, Frauen" in meinem Ressortzuschnitt der Senatorin haben. Im Bereich der beruflichen Bildung müssen sie mich alle ernst nehmen. Ich kann die frauenpolitischen Zusammenhänge konkret einbringen. Für Frauenpolitikerinnen ist es wichtig, mehrere Standbeine zu haben. Da läßt es sich leichter in die Offensive gehen und sagen: Ich möchte, daß mehr Frauen gefördert werden, hier gibt es gute Frauen.

Was kann man insgesamt noch mehr tun?

Ich kann nur unterstützen, was hier manche sagten: Wir dürfen unsere Interessen als Frauen nicht nur in der jeweiligen Ecke, in der wir uns befinden, vertreten. Wir müssen diese Interessen gemeinsam vertreten, auch im Wahljahr. Gerade dann, denn da hören sie alle wieder ein bißchen besser hin, es sind immerhin gute 50 Prozent des Wahlvolkes weiblich.

Wenn Frauen vor Ort versuchen, Initiativen zu entwickeln und sagen, egal, woher wir kommen, aber darauf haben wir Frauen uns verständigt, das wollen wir hier erreichen, ich glaube, dann kann man Frauen auch wirklich wieder motivieren. Politik ist doch nichts, was irgend jemand für uns macht. Politik ist eine öffentliche Angelegenheit, dazu sind wir alle aufgefordert. Davon sollten wir auch Gebrauch machen.

[Seite der Druckausg.: 49]

Page Top

Anna Damrat

Ich werde nicht alles im Einzelnen kommentieren, sondern mich auf drei Punkte konzentrieren.

(1) Wir haben nicht gesagt, wir wollen „Frauen und Kultur" oder „Frauen und Soziales", eine immer wieder auch bei Ministerien und Ressorts sehr beliebte Kombination. Wir wollten bewußt Frauen in Arbeit haben, und wir hätten deshalb auch gerne noch den Bereich Wirtschaft mit vertreten, gerade um diesen Zusammenhang zwischen entgeltlicher Beschäftigung und Frauen herzustellen. Das dürfte nach wie vor der Schwerpunkt sein, insofern war das für mich auch der Dreh- und Angelpunkt meiner Ausführungen.

(2) Wir sollten nicht erschrecken, weil sich irgendjemand unter dem Druck der konkreten Situation politisch nicht völlig korrekt verhält. Hauptsache, wir bringen tatsächlich etwas auf den Weg. Die Netzwerke haben einen hohen Wert. Sie erweitern die Möglichkeiten zum Ansprechen von Frauen. Damit helfen sie ganz enorm, unsere eigentlichen frauenpolitischen Ziele durchzusetzen. Frauen sollten sich auch den Spaß an diesen Frauenzusammenhängen nicht entgehen lassen. Das schärft den Blick, mit Sicherheit auch den selbstkritischen.

(3) Auch in der politischen Karriere merkte ich, daß es nicht reicht, klug und schön zu sein. Also: „Frech kommt weiter". Das kann sogar Spaß machen. Auf die möglichen Rückschläge habe ich in der Passage zur „Liebesfalle" verwiesen.

Ich wollte früher auch immer „Beisitzer" werden - und natürlich nie für Frauenrechte. Ich hatte anständig studiert und einen Beruf; das konnte ja nur besser werden. So machte ich mich richtig schick und ging zum Arbeitsamt, und da wurde ich gefragt: „Was, Sie haben Wirtschaft studiert?" Sage ich: "Ja, habe ich." „Wissen Sie, als Volkswirt und als weiblicher Volkswirt?" Da war ich in meiner Erkenntnis ein Stück weiter. Ich dachte vorher immer, es reiche, intelligent zu sein. Diese Meinung wurde durch die Erfahrung mit der männlich organisierten Welt immer mehr relativiert.

[Seite der Druckausg.: 50]

Es ist ein verdammt hartes Geschäft. Aber wenn man es mit Spaß und Selbstironie nimmt, dann kommt man zuweilen weiter. Ab und an muß man sich die ganz alten Akten anschauen. Da sieht Frau auch, was sie mittlerweile für sich und in der Welt überhaupt erreicht hat. Natürlich, die weißen Raben verdrängen die schwarzen noch nicht. Von daher haben wir noch eine ganze Menge zu tun. Dieses Lied wissen ja alle Gleichstellungsbeauftragten zu singen. Da gilt es zu vernetzen, da heißt es aber auch, sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Ich bin bei der AsF. Andere sind in anderen Vereinigungen. Zuweilen haben wir durch Vernetzung miteinander etwas Gutes zustande gebracht. Bei Gleichstellungsgesetzen ist das übrigens ziemlich häufig der Fall. An anderen Stellen auch. Ich kann nur dazu ermutigen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

Previous Page TOC Next Page