Indonesien: Superwahljahr 2004 – Präsidentschaftskandidaten ohne Konzepte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Ankurbelung der Wirtschaft

Gerd Botterweck, FES Jakarta, Juni 2004 Die Schaffung von Arbeitsplätzen als Wahlkampfthema in Indonesien

Im Superwahljahr 2004 haben die Kandidaten im Wahlkampf auch den Arbeitsmarkt entdeckt und versprechen die Schaffung von Millionen von Arbeitsplätzen. Sie haben jedoch bezüglich der Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit in ihren Wahlauftritten bisher nur unrealistische Versprechungen abgegeben. So versprach Präsidentin Megawati Sukarnoputri, in den nächsten fünf Jahren 13 Millionen neue Jobs zu schaffen. Amien Rais, der Kandidat der moderaten muslimischen PAN-Partei und derzeit noch Präsident der beratenden Volksversammlung MPR, will die Arbeitslosigkeit bis 2009 von 10% auf 8% absenken. Auch Exgeneral Wiranto, der für die frühere Soeharto-Partei Golkar antritt, verspricht mehr Jobs, wie auch sein früherer Militärkollege Susilo Bambang Yudhoyono (SBY), der mit dem reichen Geschäftsmann Jusuf Kalla im Tandem für die neu gegründete Demokratische Partei (DP) kandidiert. Die DP schnitt im April bei den Parlamentswahlen überraschend gut ab und liegt in den Wahlumfragen eindeutig an der Spitze. Alle Kandidaten sind sich einig, dass der Abbau der Arbeitslosigkeit in engem Zusammenhang mit den Wachstumsraten der Wirtschaft steht. Mit den bisher in den letzten drei Jahren durchschnittlich erzielten jährlichen 4% lässt sich jedoch das Problem der Arbeitslosigkeit nicht wirksam bekämpfen, wenn man bedenkt, dass auf Grund des Bevölkerungswachstums jährlich 2,5 Mio. junge Menschen neu auf den Arbeitsmarkt strömen. Allein um diese neuen Arbeitskräfte zu absorbieren, müssten schon Wachstumsraten von über 6% erreicht werden. Deshalb liegen die Zielvorstellungen der Kandidaten für das zukünftige wirtschaftliche Wachstum in Indonesien bei 7,8% (Wiranto), 6,8% (Megawati), 6,3% (Amien Rais) und 7,6% (SBY). Nur der fünfte Kandidat und jetzige Vizepräsident Hamzah Haz von der Vereinigten Entwicklungspartei PPP scheut sich, konkrete Zahlen zu nennen.

Nur vage Vorstellungen über Wirtschafts- und Arbeitmarktpolitik

Die meisten Kandidaten haben bisher nur sehr vage Andeutungen über ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen gemacht und unterscheiden sich in ihren Aussagen nicht sehr voneinander. Exgeneral Wiranto nannte fünf ökonomische Zielsetzungen: Er möchte mehr makroökonomische Stabilität, die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen, die Erhöhung und gerechtere Verteilung der Einnahmen aus den Rohstoffressourcen, eine gerechte Wirtschaftsordnung sowie die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch Förderung von Forschung und Technologie. Dies alles soll erreicht werden durch eine Reform des Arbeitsmarktes, die Erhöhung der Produktivität, die Reform des Agrarsektors und die Verbesserung des Managements der natürlichen Ressourcen. Auch sollen Rechtssicherheit und die Implementierung bestehender Wirtschaftsgesetze helfen, die Marktwirtschaft besser zu positionieren. Preiskontrollen für lebensnotwendige Güter sowie die Schaffung einer behördlichen Einrichtung zur Förderung der Klein- und mittelständischen Unternehmen stehen ebenfalls auf der Tagesordnung. Amien Rais sieht seine wirtschaftlichen Vorstellungen in der Erreichung von drei Zielen erfüllt: Hohes wirtschaftliches Wachstum durch Stärkung des inländischen Marktes und der Förderung der heimischen Ressourcen, gerechtere Vermögens- und Einkommensverteilung durch stärkere Partizipation des einfachen Mannes am ökonomischen Leben sowie eine generelle Stabilisierung des Landes in allen politischen und ökonomischen Bereichen. Die Schaffung zusätzlicher Jobs soll vor allem mit Hilfe des Staatshaushaltes durch Erhöhung der Ausgaben für die Infrastruktur und die Landwirtschaft erfolgen.

Hamzah Haz möchte, dass alle Bürger einen gleichen Zugang zu Gütern und Dienstleistungen erhalten, ohne dabei konkreter zu werden. SBY will generell das Investitionsklima verbessern, um dadurch neue Jobs zu schaffen. Präsidentin Megawati beruft sich in ihren Wahlkampfauftritten auf die unter ihrer Regierung erreichte makroökonomische Stabilität, die durch niedrige Inflation, Zinssätze von 6% bzw. 9,5% und hohe Devisenreserven von 35 Mrd. US $ gekennzeichnet ist. Wie anfällig aber z.B. diese „makroökonomische Stabilität“ ist, zeigt sich in der Tatsache, dass der Rupiah seit einigen Wochen auf Grund der permanenten Wahlkampfsituation, den anhaltenden Gerüchten über die Erhöhung der Leitzinsen in den USA und der drohenden Überhitzung der chinesischen Wirtschaft mächtig an Wert gegenüber dem US $ verloren hat.

Ansichten der Kandidaten sind nicht sehr realistisch

Wirtschaftsexperten werfen den Kandidaten vor, dass ihre Vorstellungen zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu unrealistisch und ambitiös sind. Anstelle konkreter Programme zur Erreichung kurzfristiger und langfristiger wirtschaftspolitischer Zielsetzungen werden populistische Forderungen erhoben, die nachhaltig nicht gesichert werden können. Im Prinzip gehen die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Präsidentschaftskandidaten davon aus, dass Regierung, Bürokratie und Judikative nicht korrupt sind und ein starker Rechtsstaat bereits existiert. Denn dies sind Voraussetzungen für Investitionen und nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Jedoch ist Korruption in allen Staatsbereichen, aber auch in der Privatwirtschaft weit verbreitet und der Mangel an Rechtssicherheit evident. Alle Kandidaten versprechen auch die Erhöhung der Bildungsausgaben und der Ausgaben für Gesundheit und Soziales, ohne zu sagen, wie diese zusätzlichen Ausgaben finanziert werden sollen. Vor allem wird Präsidentin Megawati heftigst auf Grund ihrer Aussagen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze kritisiert. Man wirft ihr vor, dass ihre Äußerungen nicht überzeugend sind, da sie doch gerade in ihrer Arbeitsmarktpolitik gescheitert ist, wie sich aus einer näheren Analyse des Arbeitsmarktes ergibt.

Sorgenkind Arbeitsmarkt

Die Arbeitslosigkeit ist in Indonesien extrem hoch. Von der über 100 Mio. starken Erwerbsbevölkerung sind 9,85% oder mehr als 10 Mio. offen arbeitslos. Weiter sind über 30 Mio. chronisch unterbeschäftigt. Offen arbeitslos in Indonesien bedeutet darüber hinaus, dass man jünger als 25 ist und eine relativ gute Schulausbildung hat. Unterbeschäftigt bedeutet, dass jemand weniger als 35 Stunden pro Woche arbeitet und oft keinen Job im formellen Sektor hat. Diese Entwicklung ist das Ergebnis der Asienkrise von 1997, die sich am nachhaltigsten auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt hat. Die Krise kostete Millionen ihre bis dahin ausgeübten Jobs und Anstellungen im formellen Sektor. Auf Grund der sehr hohen Flexibilität des Arbeitsmarktes konnte jedoch ein dramatischer Anstieg der offenen Arbeitslosigkeit vermieden werden, trotz des Rückganges des Sozialproduktes um 14%. Die Arbeitnehmer waren gezwungen, hohe Realeinkommensverluste hinzunehmen und waren bereit andere Jobs anzunehmen, oft im informellen Sektor mit erheblich geringeren Löhnen. Viele gingen zurück in ihre Dörfer und arbeiteten wieder in der Landwirtschaft oder fanden Beschäftigung im städtischen informellen Sektor. Der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft stieg von 1997, also vor der Krise, von 40,1% auf 43,3% in 2001 und der Anteil der im städtischen informellen Sektor Beschäftigten, der sogenannten „urban poor“, stieg im gleichen Zeitraum von 42,8% auf 45%, während die Quote der Lohn- und Gehaltsempfänger von 35,5% auf 33,3% fiel. Am schlimmsten traf es die Arbeitnehmerinnen, die als erste in die informelle Beschäftigung gedrängt wurden. Solche Trends sind natürlich nicht wünschenswert für eine nachhaltige Entwicklung. Darüber hinaus wird die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt auf Grund der bereits erwähnten demographischen Entwicklung noch verschärft.

Weitere Arbeitsplatzverluste durch Globalisierung drohen

Mit dem Ende des Welttextilabkommens und dem Wegfall der Quoten Ende 2004 befürchten viele Experten auch erheblich negative Auswirkungen auf die indonesische Textil- und Bekleidungsindustrie. Mehr als 1 Mio. Menschen, überwiegend Frauen, sind in dieser Branche direkt beschäftigt, weitere 2-3 Mio. Beschäftigte in den Umfeldbereichen wie Transport, Versorgung etc. hängen indirekt vom Wohlergehen dieser Branche ab. In den letzten beiden Jahren sind schon über 50.000 Arbeitsplätze in dieser Industrie weggefallen. Die Textil- und Bekleidungsindustrie ist Indonesiens zweitgrößter Devisenbringer und hält rund 15% am Gesamtexportvolumen. Obwohl Indonesien bis auf den fast 100%igen Import von Baumwolle und anderer Naturfasern über eine eigene Chemiefaserproduktion und ein vertikal integriertes Produktionssystem mit relativ geringen importierten Vorprodukten und hohen Exporten an Bekleidung und Textilien verfügt, wird durch den Wegfall der Quoten der Schutz vor der kostengünstigeren chinesischen Konkurrenz genommen. So verfügt Indonesien nur über 65% der chinesischen Produktivität, die Produktionskosten für ein Baumwollhemd in China betragen 3,30 US $ im Vergleich zu 3,70 US $ in Indonesien.

Obwohl die Löhne in der indonesischen Textil- und Bekleidungsindustrie zu den niedrigsten der Welt gehören (der durchschnittliche Stundenlohn beträgt ca. 50 US Cent), sind es die „invisible costs“ (wie die korruptionsbezogenen, ungesetzlichen Abgaben bezeichnet werden), die die Produktion unnötig verteuern. Hinzu kommt, dass im Vergleich zu China der Rupiah zu teuer und der technologische Rückstand enorm ist (das durchschnittliche Alter des Maschinenparks liegt zwischen 10 und 20 Jahren). Ein unsinniger Zoll auf importierte Baumwolle und gestiegene Energiekosten auf Grund der Streichung von Subventionen tun ein Übriges, um die Produktion im Vergleich zu China zu verteuern. Darüber hinaus hat die Entwicklung der vergangenen Jahre gezeigt, dass die Indonesier ihre Anteile in quotierten Märkten wie den USA und der EU steigern konnten, während ihre Anteile in nichtquotierten Märkten wie z.B. Japan und Australien sanken, wo vor allem China expandierte. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass beim generellen Wegfall der Quoten Ende 2004, der Export indonesischer Textil- und Bekleidungsprodukte zurückgehen wird und vor allem China wegen seiner niedrigeren Produktionskosten und seiner breiteren Skala von Produktqualitäten profitieren wird.

Wachstum und Flexibilität des Arbeitsmarktes reichen nicht

Angesichts dieser globalen und sektoralen Entwicklungen steht die Regierung unter einem neuen Präsidenten im Oktober vor großen wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen. Wichtig wäre es, ein konkretes Programm auszuarbeiten. Eine weitere Absenkung der Reallöhne, weitere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und die Hoffnung, dass das bisher nur vom Konsumsektor getragene Wachstum erhöht werden kann, werden die Probleme nicht lösen. Obwohl die Rate der absoluten Armut in Indonesien von 30% auf dem Höhepunkt der Krise mittlerweile auf 18% gefallen ist, zeigen jüngste Untersuchungen, dass 40-50% der Bevölkerung bei einer Verschlechterung der Einkommenslage gefährdet sind, in die absolute Armut abzustürzen (nahezu 2/3 der Bevölkerung leben von nur 2 US Dollar oder weniger pro Tag). Ein weiteres Absinken der Reallöhne ist keine ökonomische Alternative und wird nur mehr „working poor“ produzieren. Es bedeutet auch sozialer Sprengstoff und eine Gefährdung des demokratischen Reformprozesses, vor allem wenn man bedenkt, dass Indonesien kein System der sozialen Sicherheit hat und dass das Bildungs- und Gesundheitssystem mehr als vernachlässigt gilt. Auch das Erreichen höherer Wachstumszahlen steht kurzfristig nicht in Aussicht. Das gegenwärtig nur auf steigende Konsumausgaben gestützte Wachstum kann nachhaltig nur durch höhere Investitionen und Exporte beschleunigt werden. Bis jedoch die im sogenannten Weißbuch der Regierung Megawati genannten Eckpunkte implementiert sind, die zu mehr inländischen und ausländischen privaten Investitionen führen sollen, einschließlich einer Steuer- und Zollreform sowie der Verabschiedung eines neuen Konkursgesetzes, wird noch viel Zeit vergehen.

Notwendiger Paradigmenwechsel: Von Beschäftigung durch Wachstum zu Wachstum durch Beschäftigung

Die Rolle des öffentlichen Sektors, vor allem bei der kurzfristigen möglichen Schaffung von Arbeitsplätzen, wurde in Indonesien bisher vernachlässigt. Öffentliche Investitionen in die Infrastruktur könnten Arbeitsplätze für diejenigen schaffen, die vor allem in den informellen Sektor auf Grund der Asienkrise gedrängt wurden. Eine verbesserte materielle, personelle und institutionelle Infrastruktur könnte auch den Kostendruck des privaten Sektors reduzieren, die Produktivität erhöhen und somit Wachstum initiieren. Jedoch ist die Finanz- und Fiskalpolitik in den letzten Jahren äußerst restriktiv und zum Abbau des Haushaltsdefizits verwandt worden. Notwendige Investitionen, vor allem in die Infrastruktur, wurden nur zögerlich vorgenommen und wurden weitgehend im Rahmen der Entwicklungshilfeprogramme durchgeführt. Diese dort zur Verfügung gestellten Gelder werden jedoch häufig nicht abgerufen oder es stehen bürokratische Hemmnisse oder Ineffizienz bei der Implementierung im Weg. Für eine Ausdehnung von Infrastrukturinvestitionen gibt es bestimmt genügend Verhandlungsspielraum mit den Geberländern, wenn man eine entsprechend effiziente Durchführung zusichern kann. Darüber hinaus ist das vor allem von Deutschland in Indonesien praktizierte Modell der Umwandlung bzw. des Erlasses von Schulden zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Umwelt ein Schritt in die richtige Richtung. Weiter muss sich der indonesische Staat bemühen, die Einnahmen aus Steuern zu verbessern, um hiermit arbeitsintensive Infrastrukturprojekte zu finanzieren. In einem Land wie Indonesien, in dem die Korruption weit verbreitet ist, können natürlich verstärkte öffentliche Ausgaben in die Infrastruktur leicht missbraucht werden. Aber Korruption gibt es genauso im privaten Sektor und die ökonomische Krise war auch ein Resultat des skrupellosen Verhaltens privater Geschäftsleute. Deswegen ist es notwendig, auch weiterhin starke demokratische Institutionen aufzubauen sowie oppositionelle Strukturen in der Zivilgesellschaft aber auch im parlamentarischen System zu unterstützen, die eine wirksame Kontrolle der Regierung und der Bürokratie garantieren können.

Institutionen des Arbeitsmarktes müssen gestärkt werden

Um arbeitsintensives Wachstum zu erreichen, ist es auch unabdingbar, den Arbeitsmarkt institutionell neu zu ordnen. Wünschenswert wäre z.B. die Aufnahme der Formulierung von Beschäftigungszielen durch die Regierung, neben der üblichen Formulierung von Zielen für Wachstum, Inflation und Haushaltsdefizit. Solche Ziele ergeben die Möglichkeit zur Formulierung einer Politik, die den Wachstumsprozess arbeitsintensiver gestaltet. Für die Regierung ist es eine absolute Notwendigkeit, ein Arbeitsmarktinformationssystem zu schaffen. Nur mit Hilfe von korrekten Daten ist sie in der Lage, den Arbeitsmarkt besser zu überwachen. Das statistische Chaos und die unzureichende Datenerhebung innerhalb der indonesischen Bürokratie sind hinreichend bekannt. Zusätzlich sollten Arbeitsmarktinformationen systematisch an Arbeitsuchende, Studenten, Arbeitgeber und Gewerkschaften weitergegeben werden. Darüber hinaus sind genaue Erhebungen vorzunehmen über Beschäftigungselastizitäten einzelner Branchen und Betriebsgrößen, um die Beschäftigungswirksamkeit von Wachstum besser einschätzen zu können. So ist z B. die Beschäftigungselastizität in der Bekleidungs-, Schuh-, Möbel- und Elektronikindustrie sehr hoch. Auch gibt es Indikatoren dafür, dass vor allem Klein- und mittelständische Betriebe arbeitsintensiver operieren. So könnte man hieraus eine Politik ableiten, die den Marktzugang für solche Betriebe in bestimmten Industrien erleichtert. Ein Schwerpunkt sollte natürlich der Zugang zu Bildung und Ausbildung sein. In Indonesien gibt es bisher kein umfassendes System der beruflichen Bildung. Eine Koordinierung zahlreicher Ansätze und Projekte ist dringend erforderlich.

Last but not least müssen an Stelle der grenzenlosen Flexibilisierung des Arbeitsmarktes institutionelle Regeln treten, die dem Konzept der Internationalen Arbeitsorganisation des „decent work“ für alle entsprechen. Hierzu gehören Schutz der Gewerkschaftsfreiheit, Tarifautonomie, gesetzliche Mindestlöhne und selbst eine Arbeitslosenversicherung, die, wie jüngste Untersuchungen gezeigt haben, für Indonesien finanziell machbar ist. Dem Problem der zunehmenden Arbeitskonflikte, die angeblich für das zurückhaltende Investitionsverhalten verantwortlich sind, begegnet man am besten durch ein System funktionsfähiger industrieller Beziehungen, in dem die Achtung der Gewerkschaftsrechte und der Arbeitsgesetze sowie der Dialog zwischen den Sozialpartnern und die Partizipation der Stakeholder in einem tripartiten Konsultations- und Verhandlungsmechanismus Eckpfeiler sein sollten.

...und vorausschauende Industrie- und Strukturpolitik betrieben werden

Bezüglich des Auslaufens des Welttextilabkommens hat die indonesische Regierung Vorstellungen entwickelt, die eine Umstrukturierung der Textil- und Bekleidungsindustrie zum Gegenstand haben. Sie verweigert aber gleichzeitig finanzielle Strukturhilfen, um diesen Prozess zu begleiten und überträgt die Kosten hierfür der Industrie. Über die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit z.B. durch Erneuerung des Maschinenparks, finanziert über verbesserte Abschreibungen und Steuernachlässe oder z.B. durch Qualifikation und Fortbildung der Arbeitnehmer ist leider nichts zu lesen. Selbst mögliche Verbesserungen des Marktzugangs indonesischer Unternehmen zu den in Zukunft quotenfreien Märkten der USA und der EU durch etwaige Vorzugshandelsabkommen sind im Konzept der Regierung nicht vorgesehen. Eine Koppelung der Einhaltung von Sozial- und Arbeitsstandards z.B. an Zollpräferenzen könnte helfen, Arbeitsplätze zu sichern und Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

So bleibt abzuwarten, welche konkrete Wirtschafts- und Finanzpolitik die neue Regierung einschlagen wird, ob es einen Paradigmenwechsel geben wird und ob Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik einen größeren Stellenwert erlangen werden als bisher. Die Aussagen der Kandidaten auf den Wahlveranstaltungen und die vorliegenden Programme geben wenig Konkretes und verlieren sich in Allgemeinplätzen. Die Menschen vor Ort jedoch brauchen Arbeit und Brot.
 

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