Aktuelle Entwicklungen in Myanmar / Birma Norbert von Hofmann, Friedrich-Ebert-Stiftung,
Bonn
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Myanmar / Birma liegt an
der strategischen Trennlinie zwischen Süd- und Ostasien, zwischen
Indien und der VR China. Es ist der größte Flächenstaat
in Südostasien mit ca. 51 Millionen Einwohner. Myanmar / Birma ist
eine Föderative Union bestehend aus 7 Staaten, die überwiegend
von Nicht-Birmanen (7 Nationalitäten, etwa 130 Minoritäten) bewohnt
werden und 7 Distrikten, die Hauptsiedlungsgebiete der Birmanen. Das birmanische
Volk hat einen Anteil von 70 % an der Gesamtbevölkerung Birmas. Der
überwiegende Teil der Birmanen (mehr als 90 %) sind Buddhisten, während
die Minoritäten sich zu großen Teilen zum Christentum bekennen.
1948 wurde das Land unabhängig. Die Geschichte der letzten 50 Jahre ist geprägt von mehr oder weniger repressiven Militärregierungen und von zaghaften – immer gescheiterten – Demokratieversuchen. Am 18.9.1988 übernahm die heutige Militärregierung nach blutiger Niederschlagung der Demokratiebewegung die Macht. Die neue Regierung gab sich den Namen SLORC - State Law and Order Restauration Council und wurde im November 1997 in SPDC – State Peace and Development Council umbenannt. Das SPDC ist die höchste militärische und zivile Autorität im Lande. Dem 19 -köpfigen SPDC gehören die 12 regionalen Militärkommandeure sowie die Befehlshaber von Heer, Marine und Luftwaffe sowie andere hochrangige Generäle an, nicht aber alle Kabinettsmitglieder. Die drei mächtigsten Männer innerhalb des SPDC sind:
Die verfassunggebende Versammlung trat allerdings zum letzten Mal 1996 zusammen, als die NLD wegen der oben genannten Forderungen die Zusammenarbeit aufkündigte. Erstmals seit 1994 gibt es seit Oktober 2000 wieder direkte Gespräche zwischen Aung San Suu Kyi und dem SPDC. Als mögliche Gründe für die Wiederaufnahme des Dialogs bzw. für das Einlenken der Militärs werden genannt:
Es wird in Myanmar / Birma generell von drei Formen der Zwangsarbeit gesprochen:
Die lokale Presse hat bislang nicht über den Dialog berichtet. Es wird nicht einfach sein, dem Volk zu erklären, warum man von dem langjährigen Boykott gegenüber Aung San Suu Kyi abgegangen ist. Warum Aung San Suu Kyi bereit war, von ihrer bisherigen Maximalforderung ‘Anerkennung der Wahlen von 1990 und Übergabe der Macht’ abzuweichen, ist auch nicht bekannt. Sicher ist jedoch, dass es Razali Ismail gelungen ist, das Vertrauen der Generalsekretärin zu gewinnen, ebenso wie das des SPDC. Der lange Hausarrest hat gezeigt, dass Aung San Suu Kyi durchaus in der Lage ist, ihre Prioritäten selbst zu setzen und zu vertreten. Sie steht nicht, wie immer vom SPDC behauptet wurde, in der Abhängigkeit westlicher Berater und Diplomaten. Um diese Unabhängigkeit weiter zu dokumentieren, verzichtet Aung San Suu Kyi vorläufig auf die Forderung, den Hausarrest aufzuheben. Lediglich ein Vorstandsmitglied der NLD besucht Aung San Suu Kyi zweimal pro Woche. Alle Beobachter der Entwicklung in Myanmar / Birma sprechen mit gewisser Hochachtung von Razali Ismail, der auch als ein enger Vertrauter von Premierminister Mahathir gilt. Der Westen wäre allerdings gerne stärker in den Dialog eingebunden, zur Zeit wird er allenfalls auf der informellen Schiene unterrichtet. Auch die Opposition ist der Meinung, Razali Ismail sollte sich um mehr internationale Rückendeckung für seine Mission bemühen. Doch fordert Razali Ismail ausreichenden Spielraum für seine Verhandlungen und bittet die westlichen Länder um Zurückhaltung. Über die Inhalte der Gespräche gibt es keine Informationen. Nach Meinung westlicher Diplomaten in Rangun aber auch der Opposition in Bangkok wurde bislang nur über die Rahmenbedingungen des Dialogs sowie über eine mögliche Agenda gesprochen. Die wichtigsten Forderungen der Opposition lauten:
Seit 1988 hat der SPDC mit 17 der 18 bewaffneten Widerstandsgruppen der Minoritäten Waffenstillstandsabkommen geschlossen, lediglich die KNU (Karen National Union) ist dazu noch nicht bereit. Die Streitkräfte der Minoritäten wurden nicht entwaffnet und der SPDC hat kaum Autorität, in den von den Minoritäten gehaltenen Gebieten. Für die betroffenen Bevölkerung hat der Waffenstillstand kaum Vorteile gebracht. Zwar hat sich der Bewegungsspielraum der Menschen durch die Einstellung der Kampfhandlungen vergrößert, doch wurden andere Freiheiten wieder eingeschränkt: „We are only allowed to enter the compound, but not yet the door of the house“. Die verschiedenen Waffenstillstandsgruppen werden von der SPDC systematisch zur 3. Kraft im Lande aufgebaut und man wirft den westlichen Ländern vor, diese Gruppen nicht ausreichend zu beachten. Die meisten Waffenstillstandsgruppen, einschließlich der KNU, begrüßen den Dialog zwischen NLD und SPDC und fordern, in diesen zur gegebenen Zeit einbezogen zu werden. Wie die Vertreter der Minoritäten in den Dialog eingebunden werden sollen, ist jedoch noch völlig offen. Es gibt weder eine gemeinsame Strategie noch gemeinsame Forderungen. Auch fehlen demokratische oder sonst wie legitimierte Gremien, die für die sieben Nationalitäten bzw. 18 Widerstandsgruppen sprechen könnten. Wie schwierig die Verhandlungen sein werden, zeigt die Geschichte Birmas seit der Unabhängigkeit. Eines haben NLD und SPDC schon heute gemeinsam, beide rekrutieren sich hauptsächlich aus birmesischen Nationalisten, die kaum bereit sein werden, allzu sehr auf die Minoritäten einzugehen. Dass die zukünftige Verfassung starke föderale Elemente enthalten muss, ist allen Beteiligten klar, doch wie die Autonomie von Minoritäten unterhalb der Nationalitätenebene und damit für alle 135 ethnischen Gruppierungen aussehen könnte, ist noch lange nicht geklärt. |