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TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 51]


ANHANG

Exkurs 1:
Anwendung von STABEX


1. Die Stabex-Regelung kann für Waren in Anspruch genommen werden, auf die im Jahr vor der Inanspruchnahme des Systems 5% der vom jeweiligen Land im Exportgeschäft mit sämtlichen Bestimmungsländern insgesamt erwirtschafteten Ausfuhrerlöse fallen (4% im Falle von Sisal).

2. Jedes Land kann die Stabex-Regelung in Anspruch nehmen, in dem gemessen am Durchschnitt der sechs dem Jahr der Inanspruchnahme des Systems vorausgegangenen Jahre ein Rückgang der Ausfuhrerlöse um mindestens von 4,5% festgestellt wird, wobei weder der niedrigste noch der höchste Jahreswert berücksichtigt wird (für die am wenigsten entwickelten AKP-Staaten sowie die AKP-Binnen- und AKP-Inselstaaten ist der Anteil in beiden Fällen auf 1% festgelegt).

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Exkurs 2:
Anwendung von SYSMIN


Die Fazilität dient dazu, die nachteiligen Auswirkungen vorübergehender schwerer Störungen des Bergbausektors auf die Einnahmen dieser Länder abzufangen. Ein Land kann einen Antrag auf Inanspruchnahme von SYSMIN stellen, wenn der Anteil der fraglichen Erzeugnisse an den Gesamtausfuhren vier Jahre in Folge im Schnitt mehr als 15% (10% im Falle der am wenigsten entwickelten Länder) oder der Anteil der Ausfuhrerlöse für sämtliche Bergbauerzeugnisse 20% oder mehr ausmacht (12% im Falle der am wenigsten entwickelten Länder sowie der Binnen- und Inselstaaten). Seit Lomé IV werden nicht-rückzahlbare Zuschüsse vergeben. SYSMIN ist im Unterschied zu STABEX kein System zur Erlösstabilisierung, obwohl Erlösminderungen ausgeglichen werden. SYSMIN verfolgt den Zweck, die Zufuhr von Rohstoffen für die rohstoffarme EG zu sichern. SYSMIN-Gelder werden zur Verfügung gestellt, um der Gefahr von Stillegungen der Bergbauproduktion durch sinkende Rohstofferlöse zu entgehen. Diversifizierungsmaßnahmen sind nicht vorgesehen. Vier Länder, Sambia, Zaire, Guinea und Guyana, erhielten von 1980-1990 mehr als zwei Drittel aller zur Verfügung stehenden Mittel (siehe Tabelle 6). Grundlegend ist SYSMIN durch strenge Konditionalität geprägt. Die EU beteiligt sich an den Modernisierungs- und Rehabilitationsmaßnahmen und nimmt Einfluß auf die effiziente Verwendung der Mittel.

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Exkurs 3:
Ziele der Strukturanpassung der Lomé-Konvention


Gemäß den Leitlinien der Entschließung des Rates vom Mai 1992 verfolgt die EU zusammen mit den Bretton Woods-Institutionen folgende vier Ziele:

  1. SAP-Maßnahmen zur Absicherung langfristiger Entwicklung, Anpassung des Tempos der Reformen an die politischen und sozialen Sachzwänge und Kapazitäten der einzelnen

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    Länder und Berücksichtigung der regionalen und sozialen Dimensionen der Strukturanpassung.

  2. Kohärenz mit anderen Lomé-Instrumenten (Nahrungsmittelhilfe und STABEX).

  3. Einblick in die öffentlichen Finanzen der AKP-Länder, um die Aufstellung und Verwaltung des Haushaltes zu unterstützen und um zu gewährleisten, daß die AKP-Staaten ihren Haushaltsverpflichtungen nachkommen und die Hilfe zweckbestimmt eingesetzt wird.

  4. Engere Koordinierung mit anderen Gebern (IWF, Weltbank und Mitgliedstaaten der EU). Insgesamt stehen in Lomé IV/2 1,8 Mrd. ECU für die EU-SAS zur Verfügung.

Die EU-SAS werden in Form von allgemeinen Einfuhrprogrammen gewährt, so daß den Wirtschaftsbeteiligten Devisen zur Verfügung stehen. Im Rahmen der SAP werden Gegenwertmittel gebildet. Die Gegenwertmittel werden zur Deckung der öffentlichen Ausgaben für Verwaltung und/oder Investitionen in die wichtigsten Sozialleistungen und die wirtschaftlichen und sozialen Infrastrukturen eingesetzt.

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Exkurs 4:
Auslaufen der Subventionssysteme Stabex und Sysmin


Ausgehend von der Tatsache, daß die Transfers tendenziell zur Verfestigung von einseitigen Produktionsstrukturen beitragen und nicht der Diversifizierung der Produktion dienen, werden die Subventionssysteme reduziert. Bei einer Nachfrageelastizität von kleiner 1 der meisten von Afrika gehandelten Exporte im Stabex- und Sysmin-Regime, ist eine weitere Subventionierung nicht zu vertreten. Dahinter steht die Vorstellung, daß die Marginalisierung der meisten AKP-Staaten nicht etwa durch eine Rohstoffpreishausse bzw. eine Zunahme der Rohstoffexporte aufgehoben werden kann. Nur über die Entwicklung einer Diversifizierungsstrategie, die allerdings nicht an STABEX gekoppelt werden sollte (bei SYSMIN ist laut Lomé-Vertrag sowieso keine vorgesehen), insbesondere aber durch die Entfaltung endogener industrieller Strukturen in den AKP-Ländern, lassen sich neue wirtschaftliche Perspektiven gewinnen.

Die reduzierten Mittel sollten speziell in einen Fonds zur Förderung des Privatsektors (unter Einschluß der Aktivitäten des CDI), wobei insbesondere die Landwirtschaft und die Klein- und Mittelindustrie gefördert werden sollten, einfließen. Durch die Entwicklung der Landwirtschaft und der Unternehmen des informellen Sektors wären am effektivsten Beschäftigung zu sichern und auch die Einkommen zu steigern. Damit würde auch ein Beitrag zur Armutsbekämpfung geleistet werden. Für die Aktivitäten des CDI (als einer gemeinsamen Einrichtung von AKP und EU) könnte mit diesem Fonds endlich die Mittel zur Verfügung gestellt werden, die das CDI für die Ausweitung und Verbesserung der Aktivitäten dringend benötigt. Das m.E. reform- und ausbaufähige CDI sollte im übrigen in Kooperation mit der IFC (International Finance Corporation), den regionalen Entwicklungsbanken, der African Development Bank und nationalstaatlichen Wirtschaftsfördereinrichtungen und Banken ihre Aktivitäten dezentralisieren und lokalisieren. Das CDI kann auf diese Weise einen besseren Beitrag zur Industrialisierung und zur Entwicklung des informellen Sektors leisten. Die Aktivitäten vom CDI waren bislang aufgrund der äußerst bescheidenen Mittel sehr eingegrenzt. Hier ist dringend Abhilfe notwendig, zumal das CDI eine Joint-Einrichtung ist und damit dem Partnerschaftsgedanken noch am nächsten kommt. Das CDI könnte durchaus eine sehr sinnvolle Unterstützung zur Förderung von Klein- und Mittelunternehmen und auch des informellen

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Sektors leisten, wenn entsprechende Konzeptionen und auch die Mittel zur Verfügung stehen würden. Das CDI könnte vor allem auch beim Aufbau und der Vermittlung von Expertise zum Aufbau nationaler und regionaler Industrieförderkonzepte tätig werden. Bislang wird das CDI jedoch sträflich vernachlässigt.

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Exkurs 5:
Währungskooperation


Welche Konsequenzen kann Maastricht für eine Währungskooperation mit den CFA-Ländern haben? Drei prinzipielle Vorgehensweisen sind möglich:

1. Die Währungskooperation zwischen Französischem Franc (FF) und CFA wird abgeschafft. Die Nachteile der Anbindung an den FF sind so umfassend, daß ein Festhalten an der Kooperation nicht länger zu akzeptieren ist. Als Hauptargumente gegen die Währungseinbindung lassen sich im einzelnen folgende Argumente ins Feld führen:

  • Frankreich dominiert im Verwaltungsrat und entscheidet dort faktisch. Der damit verbundene Autonomieverlust in der Geld- und Währungspolitik hindert die Mitgliedsländer an einer eigenständigen Wirtschafts- und Finanzpolitik. Auch die Geldmenge wird von Frankreich gesteuert. Eine Partizipation ist nicht einmal in Ansätzen zu erkennen.

  • Die Anbindung an den FF vertieft die schon ungleiche Arbeitsteilung, von der vor allem französische Unternehmen profitieren. Entsprechend bedeutet währungspolitisches „Self-Reliance„ die Loslösung von der Franc-Zone, obwohl dies mit großen ökonomischen wie politischen Risiken verbunden sein wird.

  • Insbesondere Kapitalflucht, niedrige Investitionsquoten und die reale Aufwertung des CFA, die strukturelle Anpassungen erschwert haben, werden als wesentliche Gründe für die Krise der CFA-Zone angeführt.

In der Diskussion um die Zukunft der CFA-Zone wurden eine Reihe von monetären Befreiungsstrategien diskutiert. U.a. wurde eine ECOWAS-Währungszone angeregt. Dieser Währungsunion könnten auch die CFA-Länder angehören. Allen Vorschlägen ist gemeinsam, daß sie ohne Anbindung an eine der Hartwährungen auskommen wollen. Andere – nicht sehr weit entwickelte – Alternativkonzepte für die CFA-Zone könnten prinzipiell in der Bindung an einen Währungskorb oder aber in der Freigabe der Wechselkurse bestehen. Das monetäre Self-Reliance reiht sich in ein wirtschaftliches und politisches Self-Reliance und einen afrikanischen Regionalismus ein. M.E. berücksichtigt dieser strikte Abkopplungskurs die wirtschaftlichen Abhängigkeiten unzureichend. Angesichts der realen Probleme in Westafrika, der engen Verflechtung mit der EU und der gering entfalteten regionalen Integration, hat diese unabhängige währungspolitische Entwicklungsstrategie kaum eine Realisierungschance.

2. Die Anbindung an den FF bleibt wie bisher bestehen. Für dieses Verfahren sprechen die Erfolge der CFA-Zone (bspw. die niedrige Inflationsrate). Gegen dieses Konzept haben außer den o.g. Verfechtern des Self-Reliance-Konzepts Autoren aus der Weltbank und dem IWF Stellung bezogen. Das Subsidiaritätsprinzip läßt die Anbindung an den französischen Franc zu. In dem Moment jedoch, wo die nationalen Währungen abgeschafft würden, stellte sich automatisch die Frage nach einer europäischen Lösung.

3. Die Anbindung an die europäische Wirtschafts- und Währungsunion

Die Währungskooperation unter diesen Vorzeichen müßte in ein neues wirtschaftspolitisches Konzept integriert sein, das darauf abzielt, eigenständige Entwicklung in Afrika zu begünsti-

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gen. Die eingetretene „Déconnexion„ könnte durch die Erweiterung der monetären Zone um alle bisher ausgeschlossenen Länder Afrikas zu einer „Réconnexion„ beitragen. Voraussetzung ist allerdings eine neue institutionelle Integration der afrikanischen Mitgliedsländer.

Welche Rolle kann eine so gestaltete „Lomé Currency Cooperation„ (LCC) spielen?

1. Notwendige strukturelle Anpassungen, die bislang über die Weltbank und den IWF nationalstaatlich durchgeführt wurden, könnten dann im Rahmen des Lomé-Vertrags (bzw. eines gleichgerichteten Sondervertrages) und der neuen LCC regional durchgeführt werden. Die regionale Strukturanpassung wiederum kann einen Beitrag zur regionalen Integration, Errichtung regionaler Institutionen und zur Vergrößerung des intra-regionalen Handels leisten. Hier gäbe es Anknüpfungspunkte für Strukturanpassungskonzepte (Wirtschaftsreformen), die von der EU unterstützt werden sollten.

2. Das starke Auseinanderdriften der Entwicklungen in den Abwertungsländern des anglophonen Westafrika und der CFA-Zone könnte durch eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungszone vermieden werden. Die Mitgliedschaft in der LCC sollte aber freiwillig sein.

3. Der monetären und wirtschaftlichen Kraft der EU könnte mit der gemeinsamen LCC eine kompetente Handlungsmacht der Beitrittsländer gegenüberstehen. Gemeinsame Institutionen – ähnlich dem Lomé-Vertrag – könnten das Gewicht der LCC sichern und damit zur Abschwächung von zu großen Abhängigkeiten beitragen.

4. Die neugestaltete LCC würde zweierlei zum Ausdruck bringen:

  1. Die EU nimmt ihren Auftrag in einer Region wahr, die wirtschaftlich sehr stark an Europa gekoppelt ist.

  2. Die Mitgliedsländer begreifen die LCC als einen Beitrag zur regionalen Kooperation, die zum Ziel hat, die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklungen und Reformen ohne die Hilfe des Nordens zu organisieren.

5. Die monetäre Kooperation LCC würde die „Restraints„ verschärfen. Die Assoziierung des LCC an die europäische Währung würde strikte monetäre Schranken enthalten müssen – wie auch in der CFA-Zone –, um die Konvertibilität der LCC zu gewährleisten. Entsprechend den europäischen Modalitäten für die Anpassung der Währungen an die realwirtschaftlichen Entwicklungen müßten Verfahrensweisen für Auf- bzw. Abwertungen getroffen werden. Gut funktionierende Ökonomien benötigen bis zu einem gewissen Grade unabhängige Zentralbanken, um wirtschaftliche Stabilität gewährleisten zu können. In der CFA-Zone war dies das „compte d’opérations„. Eine entsprechende Einrichtung müßte auch in der LCC geschaffen werden. Die Erfahrungen der anglophonen Länder Afrikas zeigen, daß Stabilität ohne eine starke unabhängige Zentralbank nicht möglich ist. Die Integration der LCC in ein europäisches Währungssystem würde bewirken, daß monetäre Auflagen greifen können. Damit wären aber auch Grenzmarkierungen eingebaut, die die Souveränität der Mitgliedstaaten einschränkt (wie im übrigen auch innerhalb der EU oder anderen Kooperationsvereinbarungen).

Jedoch im Unterschied zu den Ad hoc-Konditionalitäten der Weltbank und des IWF bei den SAP, die faktisch kaum Mitwirkung des betroffenen Landes vorsehen, wären die institutionellen monetären Auflagen im Rahmen des LCC an die Mitwirkung der Mitgliedsländer gekoppelt.

Vorteile einer solchen Kooperation ergeben sich einerseits aus dem Hartwährungsstatus und andererseits aus dem präferenzierten Status im Rahmen des Lomé-Abkommens, dem alle LCC-Länder angehören.

6. Ausgleichsmaßnahmen für die schwächeren Partner wären allerdings erforderlich, um Backwash-Effekte zu konterkarieren. Eine rigide Geld- und Finanzpolitik der LCC könnte die ökonomischen Strukturunterschiede und die regionalen Ungleichgewichte verschärfen. Diese hohen Auflagen einer Währungskooperation würden regionalpolitische Kohärenzmaßnahmen erfordern, wie sie auch innerhalb der EU Anwendung finden. Diese müßten aber auf die besondere Situation der LCC-Zone zugeschnitten werden.

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Exkurs 6:
Bekämpfung der Armut


Urbanisierungsprozesse sind aufgrund von Landflucht und gleichzeitigem hohen Bevölkerungswachstum sehr massiv. Heute ist es kaum noch gerechtfertigt, von der Bevorzugung der Städte zu sprechen, wenn man bedenkt, vor welchen Überlebensproblemen die Armen in den Städten stehen. Diese Armutsökonomie soll allerdings nicht darüber hinweg täuschen, daß junge Menschen und Alte sowie motherheaded families zu den Ärmsten gehören, und daß auf dem Land die Lebensumstände häufig noch schlechter als in der Stadt sind. Sie haben keinen Zugang zu den Ressourcen, die zudem meist äußerst ungleich verteilt sind. Die Ungleichheiten zwischen Arm und Reich haben stark zugenommen, auch die zwischen verschiedenen Regionen. Die wachsende Arbeitslosigkeit und der stark angewachsene informelle Sektor zeigen deutlich, daß in den meisten Städten der AKP-Länder eine große und wachsende Beschäftigungskrise existiert, die sich noch weiter zuspitzen wird. Verteilungskämpfe stehen an, der Kampf um die kleiner werdenden Kuchen nimmt zu. Die Pro-Kopf-Einkommen sind in zahlreichen Ländern gefallen. Und es wird wohl lange dauern, bis das Niveau von 1970 wieder erreicht ist. Von der stark ansteigenden Zahl der Ultraarmen soll hier gar nicht erst die Rede sein.

Das Potential für die Ausdehnung der Armutsökonomie speist sich einerseits aus der Nettozuwanderung aus dem ländlichen Bereich, andererseits aus dem Bevölkerungswachstum der Städte. Die aus den Schulen entlassenen Schulabgänger finden keine Beschäftigung im modernen Sektor (einschließlich des Staates) und sind deshalb auf das Überleben im informellen Sektor angewiesen. Konzepte von Arbeit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung haben in Afrika, der Karibik und dem Pazifik selbstverständlich einen völlig anderen Kontext. Dies gilt insbesondere aufgrund des Fehlens fast jeglicher öffentlicher sozialer Sicherungssysteme. Die Zahl der Menschen ohne Beschäftigungsperspektiven ist seit Jahrzehnten immer stärker angestiegen und der informelle Sektor zur dominierenden Ökonomie geworden.

Gab es 1965 noch ca. 100 Mio. Arbeitnehmer in Afrika, so war diese Zahl 1995 auf 214 Mio. angestiegen. Für das Jahr 2025 wird mit einer Zahl von 537 Mio. gerechnet. Es gibt allerdings keine verläßlichen Beschäftigungsdaten. Deswegen sei stellvertretend Kenia erwähnt. Noch sind knapp 80% der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt, doch drängen sich auf den wenigen guten Böden (nur ca. 10% der Staatsfläche) immer mehr Kleinbauern auf immer kleineren Parzellen. Die Landflucht nimmt inzwischen dramatische Ausmaße an. Urbane Migration (jährlich 7% Zuwachs), weltweit eine der höchsten Bevölkerungswachstumsraten (3,5%) und jährlich eine halbe Million Schulabgänger führen dazu, daß die arbeitsfähige Bevölkerung sich von 7,5 Mio. (1984) bis zum Jahr 2000 mindestens verdoppeln wird. Um wenigstens die gegenwärtige Arbeitslosenquote (50% in Städten) zu halten, müßte sich die Zahl der neugeschaffenen Stellen verdoppeln, prognostizierte das International Labour Office (ILO) im Jahr 1993. Angesichts des Stellenabbaus im öffentlichen Dienst durch Strukturanpassungsmaßnahmen (ca. 45.000 Entlassungen in der 1. Hälfte der 90er Jahren), Privatisierungs- und Rationalisierungseffekten, einer stagnierenden Ökonomie mit begrenzter Absorptionsfähigkeit (nur 10% kommen in der Regel im modernen städtischen Sektor unter), bleiben für 90% der Bevölkerung sehr bescheidene Möglichkeiten in der Landwirtschaft und im informellen Sektor.

Das Wachstum in den Städten Afrikas ist sehr hoch und in wenigen Jahren wird die Mehrheit der afrikanischen Bevölkerung in den Städten leben und zugleich arm sein. Eine systematische Kooperationspolitik, die sich der Armuts- und Bevölkerungsproblematik annimmt, existiert im Lomé-Vertrag bislang nicht.

Armut und Urbanisierung sind die Vorboten der „kommenden Anarchie„ (Robert Kaplan), sollte

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es keinen Durchbruch zu neuen erfolgreichen Ansätzen geben. Davon ist aber auszugehen. Sicherlich wird eine noch höhere Entwicklungshilfe kein Allheilmittel sein, um die Armut und „kommende Anarchie„ bekämpfen zu können. Zu betonen ist, daß – ausgehend von der entwicklungspolitischen Kenntnis – Entwicklung nur durch endogene Potentiale und Prozesse möglich ist und nicht durch Entwicklungskooperation, d.h. unter anderem über die Modernisierung der Landwirtschaft, über Industrialisierung auf der Basis landwirtschaftlicher Entwicklung, über Entwicklung des informellen Sektors von einer reinen Überlebensstrategie zur Sicherung von Beschäftigung und Einkommen und Entwicklung von Klein- und Mittelbetrieben sowie eines Unternehmertums. Entwicklungskooperation kann nur helfen, solche Prozesse zu begünstigen, sie aber selbst nicht in die Hand zu nehmen.

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Exkurs 7:
Investitionen


Die Ströme an Direktinvestitionen nach und Bestände in Afrika verlieren – verglichen mit anderen Regionen der Welt – mehr und mehr an Bedeutung. Der Anteil der ausländischen Direktinvestitionen (ADI), die in afrikanische Länder fließen, wird geringer, und der Bestand ist in vielen Ländern konstant oder abnehmend. Lediglich Nigeria und Angola verfügen über bedeutende ADI (Ölsektor). Die ADI aus der EU schwanken, haben aber eine leicht aufwärts gerichtete Tendenz seit Mitte der 80er Jahre (Grafik 2). Die Welthandelskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) hat in einem kürzlich veröffentlichten Bericht die Bedeutung von Auslandsinvestitionen in Afrika untersucht und festgestellt, daß die Potentiale für Auslandsinvestitionen vorhanden sind und sich durch wirtschaftliche Reformen in den meisten Ländern auch verbessert haben. Auffällig ist, daß Afrikas Anteil (ohne Südafrika) an den Welt-ADI seit Jahren weniger als 2% beträgt. Im Durchschnitt der Jahre 1986-1994 beliefen sich die ADI auf ca. $ 3 Mrd. jährlich. Diese Investitionszuflüsse konzentrierten sich auf die ölexportierenden Länder Algerien, Angola, Kongo, Ägypten, Kamerun, Gabun, Libyen, Nigeria und Tunesien (mit mehr als 60%). Ägypten und Nigeria sind die wichtigsten Länder für ausländische Investoren in Afrika. Von den als LLDCs (am wenigsten entwickelte Länder) eingestuften Ländern (32 von 48) haben zahlreiche überhaupt keine ADI zu verzeichnen. Die Größenordnungen machen deutlich, daß es sich zumeist um kleinere Investitionen handelt (Sambia 1993: $ 124 Mio., Mosambik 30 Mio., Äquatorial-Guinea 23 Mio., Sierra Leone 20 Mio. und Tansania 20 Mio. als größte Empfängerländer). Von statistischer Bedeutung sind auch die ADI nach Liberia. Hier handelt es sich um ausgeflaggte Schiffe, die in den USA registriert und verwaltet werden und kaum eine Verbindung zu Liberia haben. Ohne Angola und Liberia betrugen die Investitionszuflüsse in die LLDCs im Durchschnitt der letzten Jahre ca. $ 200 Mio.

Den dramatischen Rückgang der Direktinvestitionen auf dem afrikanischen Kontinent zeigen auch die Zahlen für die Investitionen der Bundesrepublik Deutschland in Afrika. Trat hier für Europa eine Steigerung von 27% und für Nordamerika von 104% (Zeitraum von 1980 bis 1987) ein, so gingen diese Werte für Afrika um 72% zurück. Mit Ausnahme des Jahres 1990 sind deutsche Direktinvestitionen in Afrika seit 1989 negativ. Schwerpunkte der ausländischen Investitionstätigkeit liegen im extraktiven Sektor (Öl und Bergbau), knapp 20% entfallen auf die verarbeitende Industrie. Vom gesamten ADI-Bestand von 22,2 Mrd. $ entfielen 1992 auf Großbritannien 6,2 Mrd., auf die USA 4,4 Mrd., Japan 3,3 Mrd. und Frankreich 2,5 Mrd. $. Deutsche Investoren spielen mit ca. 0,9 Mrd.

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eine eher untergeordnete Rolle. Als Ursachen für die geringe Investitionstätigkeit ausländischer Unternehmen lassen sich zahlreiche Gründe anführen: politische Konflikte, in der Regel kleine Märkte, niedrige Wachstumsraten, unzureichende Infrastruktur (besonders in der Telekommunikation und im Transport), hohe Verschuldung, geringer Fortschritt bei den wirtschaftlichen Reformen, niedriges Ausbildungsniveau und technische Fähigkeiten sowie hohe Produktionskosten – kurzum: kein positives Investitionsklima.

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Exkurs 8:
Menschenrechte


Im Vorfeld der Diskussion um das Lomé-IV-Abkommen prallten die Gegensätze zwischen den AKP-Ländern, der Kommission der EG und des Europäischen Parlaments aufeinander. Wie schon in den Jahren zuvor spielte das Europäische Parlament als Korrektiv eine vorbildliche Rolle zu der allzu pragmatischen Linie der Kommission der EU. Schließlich wurde in die Lomé-IV-Konvention (1990-1995) erstmals ein Kapitel über Menschenrechte aufgenommen (Artikel 5). Darin wird das Recht auf Menschenwürde und -recht ausdrücklich betont. Darüber hinaus nimmt auch die Präambel bezug auf Menschenrechtskonventionen. Allerdings besteht keine Verpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechte. Die mit Artikel 5, Absatz 1, begründete Sanktionierung (die auf den Menschen ausgerichtete Entwicklung setze „die Achtung und Förderung der Menschenrechte insgesamt voraus„), wurde nach Abschluß des Vertrages (Laufzeit 1990-95) häufig angewandt. Der „Wind of Change„, der auch in Afrika zu umfangreichen Veränderungen der politischen Lage führte, ist indes nicht auf das Wirken des Lomé-Vertragswerks zurückzuführen, sondern hatte vor allem mit den veränderten Bedingungen nach der Auflösung des Ost-West-Gegensatzes zu tun. Verbesserte Handlungsspielräume in den Ländern selbst wurden geschaffen, konditionierte Wirtschaftsreformen und auch das erfolgreiche Wirken internationaler Menschenrechtsorganisationen (wie Africa Watch, Amnesty International) und zahlreicher Nicht-Regierungsorganisationen, die auch innerhalb der EU das Bewußtsein für Menschenrechtsverletzungen und Demokratisierungsprozesse in der Dritten Welt befördert hatten, führten zu einer meist euphorisch begrüßten Veränderung des Vertrages. Die veränderte weltpolitische Lage, die neu entstandenen Koalitionen zwischen Lobbygruppen, Stiftungen etc. in der EU und politischen Parteien, Lobbyorganisationen und Nicht-Regierungsorganisationen (NROs) im Süden haben schließlich die EU und die AKP-Staatengruppe unter Druck gesetzt, sich verstärkt mit Demokratisierung und Menschenrechten zu befassen. Dies schlägt sich u.a. bei den Organen der EU in einem bis dahin nicht gekannten Engagement nieder, das sich anhand der folgenden Beispiele skizzieren läßt:

  • unzählige Stellungnahmen zu Menschenrechtsverletzungen in aller Welt seitens des Europäischen Parlaments, des Ministerrats, u.a. zu Angola, Nigeria, Sudan und Somalia,

  • offene Diskussion über „Human Rights – Democracy – Development„ auf verschiedenen Konferenzen und in Publikationen wie „The Courier„ (gemeinsam herausgegeben von AKP und EU),

  • Reduzierung der Hilfe für den Sudan aufgrund der massiven Menschenrechtsverletzungen,

  • scharfe Kritik an Nigeria wegen der Hinrichtung Saro-Wiwas,

  • Unterstützung von nationalen Konferenzen,

  • Kooperation mit europäischen Menschenrechtsorganisationen und NROs.

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Exkurs 9:
Die Halbzeitdiskussionen von 1993 – Mid-term Review


Die Kommission der EU hat im Dezember 1993 die Verhandlungen mit den AKP-Ländern mit dem „Proposal for a decision of the Council„ [Siehe Commission 1993a. Schließlich wurde das zweite Finanzprotokoll für die zweite Hälfte des Lomé IV am 30. Juni 1995 mit fast einem halben Jahr Verspätung unterzeichnet.] eingeleitet. Interessant ist, daß es bei den Verhandlungen um die Halbzeitbilanz (Mid-term-Review, MTR) eigentlich um die Finanzausstattung von Lomé IV/2 (1995-2000) gehen sollte. Die EU nutzte die MTR jedoch, um grundlegende Neuerungen vorzuschlagen. Diese Neuerungsvorschläge standen unter zwei Leitlinien: Konditionierung und Effizienzsteigerungen.

Als zentral für die Diskussion um den Finanzrahmen für die zweite Hälfte und die Revisionsvorschläge des Lomé IV-Abkommens (1995-2000) ist das grundlegende Dokument „Politik der Entwicklungszusammenarbeit bis zum Jahr 2000„ anzusehen, wenngleich es sehr widersprüchlich und umstritten ist. Die Kommission geht davon aus, daß die EU als wichtigster Wirtschaftsblock in Zukunft eine hohe Verantwortung für die Entwicklung der Weltgesellschaft trage. Die internationale Gemeinschaft – einschließlich der EU – habe in den letzten Jahrzehnten versagt. Auch hätten die aus dem Norden kommenden Entwicklungsmodelle keinen Erfolg gehabt. Die EU-Kommission konstatiert, daß es wechselseitige Abhängigkeiten gebe. Wirtschaftlicher Wettbewerb beherrsche den Weltmarkt. Umwelt-, Bevölkerungs- und Drogenprobleme sowie AIDS führten zu einer Bedrohung. Immer mehr würden diese Probleme zu einer Frage von Risiko und Sicherheit für die Menschheit, wo Solidarität gefordert sei.

„In einer solchen Situation muß sich bei den Partnern zunehmend die Erkenntnis durchsetzen, daß die Unterentwicklung des Südens hohe Kosten für den Norden nach sich zieht, während die Wirtschaftsmodelle des Nordens eine schwere Hypothek für den Süden sind und dessen langfristige Entwicklungsaussichten einschränken„. [Kommission 1992: 8.]

Aus dieser Erkenntnis formulierte die EU vier vorrangige Ziele der Entwicklungskooperation: Erstens die Demokratie solle gefördert werden. Zweitens die Dritte Welt solle harmonisch in die Weltwirtschaft integriert werden. Drittens die Armut solle vorrangig bekämpft werden. Viertens sei nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung erforderlich.

Konkret wurden gefordert:

Förderung der Menschenrechte und Demokratie, Rechtsstaat und verantwortungsvolle Regierungsführung: Demokratie und Menschenrechte werden als essentielle Elemente der Lomé-Konvention betrachtet. Vorgeschlagen wurden daher institutionelle Reformen, um Rechtsstaatlichkeit und verantwortungsvolle Regierungsführung zu begünstigen, Demokratieförderung, Beteiligung von lokalen Initiativen („Akteure dezentraler Zusammenarbeit„), die direkten Zugang zur Finanzierung ihrer Vorhaben haben sollen und eine Reform der Paritätischen Versammlung von EU und AKP-Staatengruppe (mehr Parlamentarier und weniger Regierungsbeamte).

Anpassung der Instrumente des AKP-EU-Dialogs: Die Ziele des Maastricht-Vertrages (nachhaltige ökonomische und soziale Entwicklung; Integration in die Weltwirtschaft; Kampf gegen die Armut; Respektierung der Menschenrechte und Förderung der Demokratie) sollen Bestandteile der Lomé-Konvention werden. Die Anpassung der Instrumente des Politik-Dialogs sei erforderlich, vor allem sei eine effizientere Organisierung des Politikdialogs während der Umsetzung des Richtprogramms zur Verbesserung der Implementierung von prioritär betrachteten Vorhaben notwendig. Besondere Förderung sollen Privatunternehmen bekommen (Stärkung der internen Strukturen; Handelskooperation; Über-

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prüfung der Aktivitäten des CDI; größere Flexibilität bei der Vergabe von Risikokapital durch die Europäische Investitionsbank).

Konsistentere und effizientere Instrumente und Verfahren für die EU-AKP-Kooperation: Die EU verfolgte das Ziel, zu einer Harmonisierung der Verwendung von STABEX-Mitteln mit Hilfe von Strukturanpassungsmaßnahmen (SAP) zu gelangen. Strukturanpassungsfinanzierungen sollten als Budgethilfe und nicht länger über den Umweg der Importprogramme vergeben werden.

Die von der AKP-Staatengruppe vorgesehenen Veränderungen bezogen sich auf die vertraglich vereinbarten Bedingungen, die Staatengruppe avisierte aber keine grundlegenden Veränderungen.

Die schließlich vereinbarten Grundsätze zeigen eine zunehmende wirtschaftliche und politische Konditionalisierung:

1. Stärkung der Menschenrechte, Demokratie und „gute Regierungsführung„. Bei Verstoß gegen die Verpflichtungen kann eine „Suspensionsklausel„ in Kraft treten. Nach einem bestimmten Verfahren werden Konsultationen mit dem entsprechenden Land aufgenommen. Falls die Verhandlungen fehlschlagen, kann im weitestgehenden Fall ein Ausschluß erfolgen. Zur Unterstützung von administrativen und institutionellen Reformen werden aus dem Regionalprogramm ca. 80 Mio. ECU zur Verfügung gestellt.

Festgelegt wurde ebenfalls, daß die Vertreter der AKP-Staaten in der „ACP-EU Joint Assembly„ von den jeweiligen Parlamenten bestimmt werden sollen.

2. In Übereinstimmung mit den Maastricht-Beschlüssen soll die Entwicklungskooperation mit den AKP-Staaten abgestimmt werden, um die Integration in den Welthandel zu begünstigen, die Armut zu bekämpfen und die grundlegenden Freiheitsrechte zu garantieren.


3. Der Entwicklung des Handels soll Vorrang eingeräumt werden (Diversifizierung; regionale Kooperation). Ursprünglich hatte die EU keine weiteren Konzessionen in Handelsfragen zulassen wollen. Sie hat sich jedoch bereit erklärt, größere Anstrengungen zur Entwicklung des Handels zu unternehmen, u.a. durch größere Marktöffnung für bestimmte landwirtschaftliche Produkte, die bislang durch Zölle, Abgaben und Mengenbeschränkungen begrenzt waren und wo es keine Präferenzen gab. Hier wird nach Produkten unterschieden, für die unterschiedliche Präferenzen eingeräumt werden (Reduzierung der Abgaben, Erhöhung der Mengen, Präferenzen für weitere Produkte). Verbessert wurde auch die Ursprungsregel. Außerdem einigten sich die Partner auf die Umsetzung der Rio-Erklärung zur Erhaltung der gefährdeten tropischen Regenwälder, nachhaltige Nutzung der Wälder, Verbesserung des lokalen Waldmanagements und Erstellung von nationalen und regionalen Aktionsplänen.

4. Betont wird erneut die Notwendigkeit der Dezentralisierung der Kooperation, d.h. verstärkte Kooperation mit halb-staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen.

5. Festgeschrieben wurde als wesentliche Neuerung die Einführung einer Tranchierung der Auszahlungen. Die Auszahlung der zweiten Tranche der im Nationalen Indikativplan festgelegten Mittel wird von der Höhe der Mittel, dem Fortschritt bei der Implementierung der Gelder der ersten Tranche, dem Vorbereitungsstand für die zweite Tranche und der spezifischen Situation in dem AKP-Land abhängig gemacht. Diese Tranchierung der Finanzmittel stellt eine starke Konditionalisierung dar.

6. Die nationalen Strukturanpassungsprogramme sollen durch eine regionale Komponente ergänzt werden, um Integrationsbemühungen zu verstärken.


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Exkurs 10:
Fine-Tuning und Überprüfung einzelner Instrumente


1. Evaluierung der Aktivitäten der EIB und des CDI durch eine unabhängige Gutachterkommission

Die Aktivitäten der EIB im Rahmen der Lomé-Konvention sind einer Evaluierung zu unterziehen. Die Weltbank hat mit ihrer Evaluierungsabteilung (Operations Department) einen wichtigen Anstoß gegeben, ihre Aktivitäten besser beurteilen zu können. Die Evaluierung der Aktivitäten der EIB im Rahmen der Lomé-Verträge (wie bei der Weltbank, siehe Wapenhans-Report, und der African Development Bank, siehe Knox-Report) wäre angebracht. Die Begründung für diese Evaluierung liegt auf der Hand. Bislang sind der wissenschaftlichen und politischen Öffentlichkeit keine Evaluierungen bekannt. Eine Überprüfung der Aktivitäten könnte dazu führen, eine Reform der EIB-Tätigkeiten durchzuführen. Während bei der EIB zunächst überhaupt geprüft werden sollte, ob sie den gestellten Aufgaben gerecht wird, ist für das CDI eine Konzeption für eine Ausweitung der Aufgaben zu entwickeln (siehe Exkurs 4).

2. Budgetierung über EU

Das Budget des EEF der Lomé-Konvention wird für die jeweilige Vertragsdauer zwischen den EU-Ländern ausgehandelt. Wer das unsouveräne Gerangel der Mitgliedsstaaten für die zweite Phase von Lomé IV mit verfolgt hat, kann sich nicht vorstellen, daß die „nationale„ Einbindung der europäischen Entwicklungspolitik ein geeignetes Verfahren darstellt. Die europäische Entwicklungspolitik ist immer noch zu stark von den Entscheidungen der Mitgliedsländer abhängig, die über den Ministerrat über jede Maßnahme der Kommission befinden. Die AKP-Länder erhalten außer EEF-Leistungen auch Mittel aus Budgetlinien des EU-Haushaltes, z.B. für Nahrungsmittel- und Nothilfe, für Soforthilfe, NRO-Kofinanzierungen, Förderung von Wissenschaft und Technologie, Umweltschutz, Unterstützung für Demokratieprozesse und bei der Einhaltung von Menschenrechten sowie zur Bekämpfung von Aids und Fonds zur Erhaltung des tropischen Regenwaldes.

Die Entscheidungen von Maastricht gebieten eine planvollere Kohabitation und Koordinierung der Politik. Eine Budgetierung der Lomé-Konvention über die EU würde zwar grundsätzlich nichts an diesen Entscheidungsprozessen ändern, da gemäß Artikel 130 u des Maastricht-Vertrages „die Politik der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit … eine Ergänzung der entsprechenden Politik der Mitgliedsstaaten darstellt„. Die Budgetierung würde aber das alle fünf Jahre stattfindende Aushandeln der Gesamtsumme und der nationalen Beiträge beenden. Die Einstellung des EEF in den EU-Haushalt würde zudem die Rolle des Europäischen Parlaments bei der Kontrolle der Lomé-Kooperation erheblich stärken und auch zu mehr Transparenz führen können. Somit wäre mit der EU-Budgetierung auch ein Schritt hin zu einer gemeinsamen europäischen Entwicklungspolitik getan.

Eng verbunden mit dieser Frage ist auch die Problematik einer kohärenten Entwicklungspolitik der EU, für die bislang fünf Kommissare zuständig sind. Abstimmungsprobleme, bürokratische Vielfalt, Effizienzminderungen und zeitliche Verzögerungen etc. sind die Folgen. Hier – auch aus der Sicht der Nicht-Regierungsorganisationen, der AKP-Länder, des Europäischen Parlaments – zu Effizienz zu kommen, ist ein längst überfälliger Schritt in Richtung einer kohärenten europäischen Entwicklungspolitik, denn dies befördert die Aufhebung der Zersplitterung der Programme und Instrumente, Herstellung größerer Autonomie in der Planung und Durchführung und Beseitigung des planlosen Nebeneinanders von nationaler und europäischer Entwicklungspolitik.

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3. Kooperation mit Institutionen

Neben der weiteren Förderung und Einbeziehung der NROs sollten die Aktivitäten zur Förderung von Handels- und Industriekammern, Verbänden, Gewerkschaften, Kommunalverbänden und Interessensgruppen sowie gemeinwirtschaftlichen Institutionen und privaten gemeinnützigen Organisationen verstärkt werden. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung endogener Potentiale.

4. Beseitigung der institutionellen Schwächen des „National Authorizing Officer„ (NAO)

Die extreme Entscheidungskonzentration bei der Verwaltung des EEF durch den NAO entspricht nicht den neuen partizipativen Managementkonzepten. Zudem überläßt der NAO die praktische Umsetzung des Nationalen Indikativprogramms meistens der EU-Delegation. Hier wären Reformen zur stärkeren Einbindung nationaler Kapazitäten (mittlere Ebenen der Verwaltung und lokale Verwaltungen, NROs, und die unter 3.3. genannten Institutionen und Verbände) vorzunehmen, um den nachhaltigen Erfolg der Entwicklungskooperation abzusichern. Im übrigen hat das „phased programming„ die Kompetenz zugunsten der EU vergrößert anstatt die nationalen Institutionen zu stärken.

5. Lieferbindung

Lomé-Entwicklungshilfe ist immer noch stark liefergebunden – wenngleich weniger stark als die bilaterale Hilfe. Eine stärkere Berücksichtigung von Unternehmen aus AKP-Ländern ist anzustreben (bspw. durch die Einführung einer Mindestquote von 50% für AKP-Länder). Dies wäre auch ein Beitrag zur Stärkung lokaler Kapazitäten und Unternehmen aus AKP-Länder (unter Einbeziehung des informellen Sektors) und somit endogener Potentiale.

6. Partizipation und Dezentralisierung

Notwendigkeit ist die Weiterentwicklung des Partnerschafts- und Partizipationsgedankens durch

  1. die Entwicklung gemeinsamer Institutionen – möglichst in regionaler Verantwortung und Ausrichtung,

  2. die gemeinsame Planung und Durchführung von Projekten, Entwicklung von Instrumenten und

  3. die Stärkung von AKP-Institutionen (für die Entwicklung humaner Ressourcen, Kapazitäten, für regionale Institutionen zur Managementausbildung, Wirtschaftsförderung etc.).

[Seite der Druckausg.: 62]

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Exkurs 11:
Ist Lomé nach Armutskriterien zu differenzieren oder nach Performance bzw. nach Fortschritten in der politischen Reform?


Die meisten AKP-Staaten gehören zu den Least Developed Countries (LLDCs). Einige wenige haben ein hohes Pro-Kopf-Einkommen wie Gabun oder Mauritius. Insgesamt ist die AKP-Staatengruppe jedoch eine „Armutsgemeinschaft„, weshalb die meisten Länder besonders hohe Entwicklungshilfeleistungen und als Gruppe besondere Präferenzen erhalten haben. Von vielen Beobachtern wurde in letzter Zeit vorgeschlagen, stärker zu differenzieren und die Reformfähigkeit von Regimes und Fortschritte in der politischen Reform (Demokratisierung, Einhaltung von Menschenrechten) einzubeziehen.

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Hier wird die These vertreten, daß

a) eine Differenzierung nach Bedarf (Armut, Pro-Kopf-Einkommen, soziale Lage) erforderlich ist: eine maßgeschneiderte Politik also zur Absicherung des Überlebens, zur Bekämpfung der Armut und zur Entwicklung endogener Potentiale. Lomé benötigt hier neue Impulse und im übrigen auch eine Überprüfung, inwieweit die Lomé-EEF tatsächlich Armuts- und Überlebenskriterien gerecht wird. Das vom Lomé-Vertrag ausdrücklich formulierte Ziel der Schaffung menschenwürdiger Lebensbedingungen führt zu einer Überprüfung der bisherigen Instrumente. Eine maßgeschneiderte Politik, so sinnvoll sie ist, bedarf zunächst aber konzeptioneller Überlegungen.

b) die Differenzierung nach politischer Reformbereitschaft der Regierungen der Weiterentwicklung bisheriger Regelungen und Konzepte bedarf. Insgesamt läßt sich die Erkenntnis nicht mehr beiseite schieben, daß Konditionalität kaum die Ergebnisse gebracht hat (bringen konnte), die man sich erwartet hatte. Das reformbereite und demokratische Mauritius hat die Zeichen der Zeit schon früh erkannt. In anderen Ländern wechseln sich undemokratische Regimes ab und Strukturanpassungsprogramme scheitern. In diesen Fällen sollte von der Erkenntnis ausgegangen werden, daß Konditionierungen nicht an die Stelle von endogener Reformbereitschaft treten dürfen. Insofern wären die Lomé-Vertragsstaaten gut beraten, eine langfristig wirkende Entwicklungskooperation anzustreben. Die Verbesserung von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Stärkung von Zivilgesellschaft und wirtschaftlicher, politischer und sozialer Reformbereitschaft wirken nicht kurzfristig bzw. haben nur nachhaltigen Erfolg, wenn in langfristigen Zeiträumen gedacht wird. Daher bedarf es stärkerer Berechenbarkeit, verstärkten Dialogs zwischen der EU, den Regierungen und den gesellschaftlichen Gruppen in den AKP-Ländern und somit der Partnerschaft auf allen Ebenen. Positivmaßnahmen zur Stärkung von Menschenrechten, zur Unterstützung von Organisationen der Zivilgesellschaft sowie wirtschaftliche Reformmaßnahmen sollten natürlich weiterhin erfolgen. In Fällen von extremen Menschenrechtsverletzungen sollten die bereits existierenden Instrumente wirksam angewandt werden.

Möglicherweise sind Entwicklungsverträge ein zentrales Instrument zur Armutsbekämpfung. Sicherlich wird aber davon auszugehen sein, daß jedes Land einen eigenen Weg zur Armutsbekämpfung, zur Entwicklung demokratischer Verhältnisse, der Berücksichtigung gesellschaftlicher Gruppen und der wirtschaftlichen Entwicklung beschreiten muß, so daß solche Entwicklungsverträge ebenfalls maßgeschneidert sein müßten. Vorrang sollten jedoch nationale Entwicklungskonzepte haben.

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Exkurs 12:
Soll Lomé dezentralisiert werden?


Dezentralisierte Kooperation kann nicht an die Stelle der Kooperation zwischen EU und AKP-Staaten treten. Was benötigt wird, ist eine bessere Abstimmung zwischen Staat und dezentralen Institutionen. Zum einen sollte nicht davon ausgegangen werden, daß Staatsversagen in den meisten AKP-Ländern identisch sei mit positiven Entwicklungen auf dezentraler Ebene. Die in den letzten Jahren geförderte Dezentralisierung und Partizipation beruhen auf bestimmten positiven Annahmen über Zivilgesellschaft in den AKP-Ländern. Wie aber verschiedentlich nachgewiesen wurde, ist gerade die Krise des neo-patrimonialen Staates in Afrika eng verbunden mit einer Schwäche der Zivilgesellschaft. Daher darf Kooperation mit dem Staat nicht ersetzt werden durch Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen (neo-traditionalen Organi-

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sationen). [Vgl. Hillebrand 1994; Adam 1995.] Es geht letztendlich um eine Balance zwischen Dezentralisierung und Partizipation und staatlicher Zusammenarbeit. Ohne „leitende„ staatliche Rahmenbedingungen auf der Makro- und Mesoebene wird Entwicklung von unten nicht funktionieren. Ob die Kritik am Zentralstaat nicht auch in ähnlicher Weise für die lokalen Verwaltungen und die Organisationen der Zivilgesellschaft zutrifft, kann hier nicht weiter diskutiert werden. Es gibt allerdings Anzeichen für solche Vermutungen. Hier eine neue Balance zu finden, wäre auch die Aufgabe der Entwicklungskooperation. Eine stärkere Unterstützung von Organisationen, Initiativen, Kooperativen, Genossenschaften, Gewerkschaften, städtischen und ländlichen Selbsthilfeorganisationen und Nicht-Regierungsorganisationen ist sicherlich ein Schritt in die Richtung partizipatorischer Entwicklung. Sie kann auch demokratische Prozesse unterstützen helfen. Dazu gehört natürlich auch die Partizipation dieser Organisationen innerhalb der Institutionen des Lomé-Vertrages.

Eine Auswertung bisheriger Erfahrungen und die Feinsteuerung der zukünftigen dezentralisierten Kooperation wäre wohl ein erster Schritt. Diese Erfahrungen sind z.T. positiv, z.T. aber auch negativ. [Vgl. Bossuyt 1995a; die Kommission zeichnet in einer Veröffentlichung ein absolut positives Bild, diesem wird von Bossuyt zurecht einiges entgegengesetzt, vgl. Commission 1995.]
In einer Untersuchung von MWENGO zur dezentralisierten Kooperation (in Simbabwe, Tansania, Botswana und Kenia) wird herausgearbeitet, daß in allen Ländern die Entwicklungsaktivitäten „überzentralisiert„ sind. [MWENGO 1995: 16f.] Zugleich zeichneten sich die EU-Vertreter und die Vertreter der Staaten durch mangelnde Erfahrungen im Umgang mit Organisationen der Zivilgesellschaft aus. MWENGO fordert fünf unterstützenswerte Reformmaßnahmen, um den – bislang mangelnden – Dialog zu befördern:

  • Es sollten nationale NRO-Räte aufgebaut werden, um Dezentralisierungsschritte in Kooperation mit den Regierungen und der Vertretung der EU im jeweiligen Land einzuleiten.

  • Die EU sollte einen Verantwortlichen für die Kooperation mit NROs haben, um den Dialog mit den NROs zu befördern und nicht um lediglich Gelder zu administrieren. Ein „Policy Framework„ sei erforderlich.

  • Der National Authorizing Officer, die national beteiligten Ministerien und die NROs sollten die dezentrale Entwicklungskooperation mit den NROs koordinieren.

  • Da die meisten Aktivitäten der dezentralen Kooperation im ländlichen Bereich erfolgen, sollten die involvierten Ministerien und ihre Abteilungen auch auf lokaler Ebene ihre Aktivitäten verantwortlich dezentralisieren und mit NRO-Räten zusammenarbeiten.

  • Auf der Distrikt- und Subdistriktebene sollten alle staatlichen Institutionen mit NROs zusammenarbeiten und eine geeignete Form der Kooperation finden, um den Planungs- und Durchführungsprozeß besser zu steuern.

  • Die mangelnde Dialogbereitschaft zwischen der staatlichen und nicht-staatlichen Ebene müßte beseitigt werden.

Dies wären notwendige Schritte in Richtung Partnerschaftsmodell, das bislang die AKP-Regierungen und insbesondere die Institutionen und Organisationen der Zivilgesellschaft ausgeschaltet hat. Die Ordnungsmacht der EU ist sehr dominant. Ein Gegengewicht seitens entwicklungsorientierter und demokratischer Regierungen in den AKP-Ländern und den NROs sollte nun entstehen.

[Seite der Druckausg.: 64 = Leerseite]


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 2002

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