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TEILDOKUMENT:
Marie Wurster
Dieser Beitrag faßt die wichtigsten Empfehlungen der Studie "Umfeld und Ausmaß des Menschenhandels mit ausländischen Mädchen und Frauen" des Bundesministeriums für Frauen und Jugend von Dr. D. Heine-Wiedenmann und Dr. Lea Ackermann zusammen. Bereits vor fünf Jahren erschienen die ersten Veröffentlichungen zum Problem des Prostitutionstourismus in Entwicklungsländern. Seriöse Studien geben einen Einblick in die typischen Situationen, in denen Frauen aus Entwicklungsländern zur Prostitution angehalten werden. Das Thema hat auch in der Öffentlichkeit Resonanz gefunden. Selbst Boulevard-Blätter beschäftigen sich damit. Leider hat es oftmals den Anschein, als würden sich bei der Behandlung dieses Themas Skandalgier und Voyeurismus einstellen. Viele Reportagen vertiefen frauendiskriminierende und menschenfeindliche Vorurteile bezüglich der Sexualität der Frauen oder geben Insiderinformationen, getarnt als Artikel über das Problem des Prostitutionstourismus. Umso wichtiger ist es nun, nachdem das Ausmaß und die Abläufe dieses Menschenhandels erkannt wurden, Konsequenzen zu ziehen und wirksame Maßnahmen durchzuführen, Gesetzeslücken zu schließen und Präventivmaßnahmen zu ergreifen. Prostitutionstourismus, unseriöse Heiratsvermittlung und Menschenhandel gehen ineinander über und bedingen sich gegenseitig. Um diese multikausale Problematik zu überwinden, gliedern die Autorinnen Frau Dr. D. Heine-Wiedenmann und Frau Dr. Lea Ackermann ihren Forderungskatalog entsprechend der drei Problemkomplexe. Die empfohlenen Maßnahmen sollten gleichzeitig durchgeführt werden, um eine möglichst wirksame Strategie zu bilden. Die Forderungen lauten: 1. Prostitutionstourismus sollte eingeschränkt werden durch - die Zusammenarbeit mit Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften. Praktisch bedeute dies das Herausnehmen von explizit prostitutionstouristischen Hotels aus den Reisekatalogen und den Verzicht auf frauenfeindliche Werbefotos. - gezielt greifende Frauenprojekte, die durch das BMZ unterstützt werden sollten. 2. Um die Arbeit unseriöser Heiratsvermittlungen besser zu kontrollieren, werden folgende Empfehlungen gegeben: - Es sollte eine Erlaubnispflicht für Vermittlungsbüros, die Ausländerinnen vermitteln, eingeführt werden. - Allen Heirats- und Partnerschaftsvermittlungen sollte zur Auflage gemacht werden, die Ausländerbehörden und den Bundesgrenzschutz über die Einreise von Ausländerinnen zum Zwecke der Heirat zu informieren. - Grenzüberschreitende kommerzielle Vermittlungen sollten verboten werden oder in die Zuständigkeit und den Kontrollbereich gemeinnütziger Organisationen übertragen werden. - Zum Schutz der Frauen sollte eine Einreise zur Eheschließung nur unter Vorlage eines Dauervisums möglich sein. - Betroffene Frauen sollten über die Risiken einer Heiratsvermittlung bereits in ihren Heimatländern aufgeklärt werden. - Gegenüber Ausländerinnen, die sich illegal in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und die sich daher in einer erpreßbaren Lage befinden, sollte eine generelle Amnestie mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis ausgesprochen werden. - Aufgrund deutlich divergierender Bewertungen der Verstöße gegen § 92 Ausländergesetz (AuslG) sollte der Gesetzgeber abklären, in welchem Rahmen diese Verstöße in Zukunft geahndet werden sollen und ob hierzu im Hinblick auf andere Vermittlungsgeschäfte mit Menschen, eine Strafvorschrift nach dem Strafgesetzbuch (anstelle des bestehenden Verwaltungsgesetzes) nicht vorteilhafter wäre. - Eine engere Zusammenarbeit und gegenseitige Information von Polizei, Ausländerbehörde und Gewerbeämtern über kriminelle Heiratsvermittlungen wird dringend empfohlen. - Im Falle der Trennung, bzw. Scheidung einer binationalen Ehe und der drohenden Ausweisung der Ausländerin sollte auch vor Ablauf der Dreijahresfrist geprüft werden, ob ein Härtefall besteht. Diese Härtefallregelung könnte ein wirksames Instrument gegen drohende Menschenrechtsverletzungen sein. - Sinnvoll wäre eine Berechtigung für Frauenverbände, vergleichbar den Verbraucherorganisationen, gegen sittenwidrige Partnervermittlungs- und Werbeanzeigen für Frauen klagen zu können. 3. Um den Menschenhandel wirkungsvoll zu bekämpfen, sollte - die Zusammenarbeit und Absprache zwischen Kriminalpolizei und Ordnungsämtern intensiviert werden und - eine Liberalisierung und Entkriminalisierung der Prostitution überdacht werden. Bei Einführung und Durchsetzung obiger Maßnahmen sind als Handlungsträger vor allem Justiz, Polizei und Ordnungsämter, Ausländerbehörden und Gesundheitsämter involviert. Dr. D. Heine-Wiedenmann und Dr. L. Ackermann weisen darauf hin, daß auch bei diesen Behörden selbst noch Verbesserungen, sowohl inhaltlicher, als auch organisatorischer Art notwendig sind, um den Menschenhandel mit ausländischen Mädchen und Frauen zu bekämpfen. Nach ihren Erfahrungen im Bereich Justiz rieten die Autorinnen vor allem zu einer Veränderung des § 181 StgB. Eine Novellierung des Paragraphen § 181 hat inzwischen stattgefunden. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Novellierung befindet sich in den Texten von Herrn Schulte (Bundesministerium für Justiz) und von Herrn Schwerdtfeger (Landeskriminalamt Düsseldorf). Beide halten jedoch eine abschließende Beurteilung dieser Novellierung noch nicht für möglich. Die Autorinnen raten weiterhin: - Die Zeuginnen sollen auf keinen Fall sofort nach der richterlichen Vernehmung abgeschoben werden. Wie die von den Autorinnen recherchierten Fälle zeigen, sind die richterlichen Vernehmungen nicht ausreichend. Materialien, die später ausgewertet werden, können den Zeuginnen nicht mehr vorgelegt werden. Hinzu kommt, daß die abgeschobenen Frauen selten wieder zur Hauptverhandlung einreisen können, meist sind sie im Heimatland untergetaucht. Dieser Sachverhalt bietet häufig den Vorwand, das Verfahren ganz einzustellen. - Im Falle der Nichtanwesenheit der Zeuginnen in der Hauptverhandlung sollte auch entgegen den Einwänden der Verteidigung die Verlesung der richterlichen Vernehmung der Frauen stattfinden. - Die betroffenen Frauen sollten in gemeinnützigen Einrichtungen untergebracht werden, bis über ihre eventuelle Ausweisung entschieden wurde. Abstimmungen zwischen Staatsanwaltschaft und Ausländerbehörde könnten dort eine Duldung der Frauen bis Prozeßende ermöglichen. Dies wird in Niedersachsen bereits praktiziert. Als Opfer des Menschenhandels sollten die Frauen nicht in Abschiebehaft kommen. - Es sollte eine Trennung der Funktion stattfinden, d.h. die Frauen sollten als Zeuginnen und nicht aufgrund illegaler Einreise oder illegaler Prostitution als Mitangeklagte vernommen werden. - Die Zeuginnenbetreuung vor Gericht sollte verbessert werden. Täter und Opfer sollten nicht im gleichen Raum auf den Prozeßbeginn warten müssen. Auch bei der richterlichen Vernehmung des Opfers sollte der Angeklagte nicht anwesend sein. - Eine präzise und vollständige Information der Frauen sollte gewährleistet sein, auch darüber, daß sie als Opfer des Menschenhandels nebenklageberechtigt sind und einen Anwalt hinzuziehen können. - Eine finanzielle Unterstützung der Opfer aus dem Opferschutzgesetz als Wiedergutmachung durch die Verurteilten sollte gewährt werden. Zur Umsetzung und Erweiterung obiger Empfehlungen wären folgende organisatorische Änderungen sinnvoll: - Nur auf Menschenhandel spezialisierte Staatsanwälte mit einschlägigen Erfahrungen sollten hinzugezogen werden. - Das Verfahren sollte als Sammelverfahren von einem Staatsanwalt bearbeitet werden, der auch gleichzeitig Sitzungsvertreter ist. - In Menschenhandelsverfahren sollten die Staatsanwälte in laufenden Verfahren nicht wechseln, weil dies den Prozeß negativ beeinflußt. Für den Handlungsbereich der Polizei wird gefordert, daß - die örtlichen Kriminalpolizeidienststellen für den Bereich Sexualdelikte personell und finanziell besser ausgestattet werden. Wegen teilweise aufwendiger Auslandsermittlungen gehören Menschenhandelsdelikte in den Kompetenzbereich des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter. Sie sollten nur in Ausnahmefällen von örtlichen Polizeidienststellen, dann aber von Sonderkommissionen, bearbeitet werden. Außerdem sollte jedes Bundesamt über Menschenhandelsspezialisten verfügen, die flexibel und beratend zu neuen Menschenhandelsverfahren hinzugezogen werden können. - Schulungen zu Menschenhandel und Organisierter Kriminalität angeboten werden. - eine enge Kooperation und Abstimmung zwischen Sonderdezernaten für Menschenhandel und der Kriminalpolizei in Ermittlungsfällen stattfindet. - der Informationsaustausch zwischen Kriminalpolizei, Ausländerbehörden und Frauenberatungsstellen erweitert wird. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-bibliothek | 9.1. 1998 |