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TEILDOKUMENT:
COP III, Buenos Aires 1996
Andreas Gettkant [FORUM Umwelt & Entwicklung, AG Biodiversität]: Ein kleiner Hinweis vorweg, da Vertreter des Forums Umwelt und Entwicklung und insbesondere der Arbeitsgruppe Biologische Vielfalt mit an der Organisation des Seminars beteiligt waren: die Arbeitsgruppe wird sich auch weiterhin mit dem Thema indigene Völker beschäftigen, und zwar im Rahmen der Konvention über die biologische Vielfalt. Eine wichtige neue Arbeitsgrundlage wurde dafür u.a. durch die schon erwähnte Studie Schutz und Nutzung biologischer Vielfalt und die Rechte indigener Völker geschaffen, die auch für andere Interessierte zugängig sein wird. [ Stephan Dömke/Lothar Gündling/Julia Unger: Schutz und Nutzung biologischer Vielfalt und die Rechte indigener Völker (Forum Umwelt und Entwicklung), Bonn, Januar 1997] Nun zur Nachbetrachtung der 3. Vertragsstaatenkonferenz von Buenos Aires: Man ist versucht zu sagen, auch für die biologische Vielfalt gilt, alle guten Dinge sind drei. Es brauchte drei Vertragsstaatenkonferenzen, um im internationalen Verhandlungsprozeß bis zum Austausch über erste Erfahrungen in der Umsetzung des Übereinkommens zu gelangen. Mittlerweile haben aber 161 Staaten die Konvention offiziell in ihre nationale Gesetzgebung übernommen. Damit ist sie nicht nur eine der meist ratifiziertesten Verträge der Welt, sondern sie ist dies auch in für UN-Verhältnisse ausgesprochen schneller Zeit geworden. Ende 1994 auf der ersten Vertragsstaatenkonferenz auf den Bahamas ging es darum, die organisatorische Struktur festzulegen, ein Jahr später in Jakarta, Indonesien, vereinbarte man ein Arbeitsprogramm für die Zeit von 1995-97. Im November 1996 schließlich war in den Außenbezirken der argentinischen Hauptstadt die Zeit gekommen, sich inhaltlich vertieft mit unterschiedlichen Aspekten der biologischen Vielfalt und ihrer politischen Behandlung auseinanderzusetzen. Zwar ist die Organisationsstruktur auch nach Buenos Aires noch an einigen Stellen mit Fragezeichen versehen: der vorläufige Finanzierungsmechanismus, die globale Umweltfazilität, behält weiterhin ihren Interimscharakter und auch die Festlegung von Abstimmungsverfahren der Vertragsstaaten bei finanziellen Fragen wurde vertagt. Jedoch schreitet der Umsetzungsprozeß voran: Im Mai 1998 in Bratislava müssen alle Vertragsstaaten erste Berichte über die nationale Implementierung vorlegen. Im Mittelpunkt stehen dann vor allem Maßnahmen zur Umsetzung im allgemeinen (Erarbeitung von Strategien und Aktionsprogrammen) und Maßnahmen im in-situ Schutzbereich im speziellen (Artikel 8). Zu dem letzten Artikel gehört auch der Abschnitt 8j - Rechte und Schutz indigener und lokaler Gemeinschaften mit traditionellem Lebensstil hinsichtlich ihrer Kenntnisse, Innovationen und Praktiken. Dieser Aspekt stand schon im Mittelpunkt unseres Seminares und bildete - neben agrarer Biodiversität und Waldbiodiversität - einen der thematischen Schwerpunkte in Buenos Aires. Viele indigene Organisationen waren nach Argentinien zur Konferenz angereist, sie führten im Vorfeld ein eigenes Treffen durch, um ihre Positionen abzustimmen und kamen auch während der Vertragsstaatenkonferenz insbesondere zu dem direkt sie betreffenden Tagesordnungspunkt häufiger zu Wort - einigen Vertragsstaaten ging es jedenfalls schon entschieden zu weit. Bei der Konkretisierung der Debatte zeigte sich einmal mehr, daß es unter den Vertragsstaaten viele innovative Länder gibt. Zum Beispiel hatte Kolumbien seine beiden indigenen Senatoren in der Delegation und trat sehr häufig für die Unterstützung der Interessen lokaler Gemeinschaften und indigener Völker ein. Andere Länder zeichneten sich vor allem dadurch aus, daß sie am liebsten gar nicht weiter auf Artikel 8 eingehen wollten. Dazu gehörte neben Frankreich, Großbritannien und Japan vor allem auch der ewige Signatarstaat USA (von der indigenen Problematik ja auch selber sehr direkt betroffen!). Am Ende der Verhandlungen stand ein Kompromiß: es wurde zwar keine Ad-hoc Arbeitsgruppe eingerichtet, die offen für alle (staatlichen und nicht-staatlichen) Teilnehmer gewesen wäre - open ended wie es im UN-Jargon heißt - wie es viele indigene Organisationen bis zuletzt gefordert hatten. Es wird aber Mitte 1997 einen fünftägigen Workshop, wahrscheinlich am Sitz des Sekretariat in Montreal geben, der sich intensiv mit den Rechten und dem Schutz indigener und lokaler Gemeinschaften befaßt. Ein erster konkreter Schritt. Viele andere Aspekte, die unmittelbar oder mittelbar mit der Frage der Anerkennung indigener und lokaler traditioneller Rechte zu tun haben, verharren auf der Ebene, daß das Sekretariat der Konvention weiterhin Erfahrungsberichte aus den einzelnen Ländern sammeln und Studien als Diskussionsgrundlage erarbeiten soll. So geschehen bei den Fragen Technologietransfer, Zugangsregelungen zu genetischen Ressourcen, Rechte des geistigen Eigentums und Anreizmaßnahmen. Es darf da schon als Erfolg gewertet werden, daß das Sekretariat offiziell dazu ermutigt wurde, in einen offenen Dialog mit der Welthandelsorganisation WTO über Fragen handelsbezogener Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPs) und deren Auswirkungen auf die Konventionsziele zu treten. Viele der angeschnittenen Problembereiche spiegelten sich auch in der Debatte um landwirtschaftliche Biodiversität wider. Es war das mit Abstand längste und inhaltlich ergiebigste Dokument, das die Vertragsstaaten in Buenos Aires verabschiedeten. Das Zusammenspiel mit der FAO hat jedoch immer noch seine Haken und Ösen, gerade wenn es um Fortschritte geht, das im Seminar auch angesprochene International Undertaking für pflanzengenetische Ressourcen in ein völkerrechtlich bindendes Protokoll unter der Biodiversitätskonvention umzuwandeln. Auch die letzte Sitzung der FAO-Kommission für pflanzengenetische Ressourcen im Dezember 1996 in Rom brachte nur in Millimetern meßbare Fortschritte in dieser Frage. Insgesamt droht die Umsetzung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt immer noch durch die selektive Wahrnehmung des Zielbündels seitens der Vertragsstaaten in Nord und Süd gelähmt zu werden. In den OECD-Ländern überwiegt die Überbetonung der Naturschutzaspekte der Konvention, die Entwicklungsländer hingegen sehen die Notwendigkeit, daß erst einmal das ökonomische Potential der biologischen Vielfalt in Wert gesetzt werden muß. Aber erst beides zusammen würde in die beabsichtigte Richtung der Konvention weisen. Bei den diplomatischen Grabenkämpfen bleiben die eigentlichen Nutzer und Bewahrer der biologischen Vielfalt - die Bauern, Fischer, indigenen Völker und deren Fürsprecher - weitgehend Zaungäste. Zwar zeichnen sich die Konferenzen und Konsultationen - auch in Buenos Aires - durch eine große Offenheit gegenüber Organisationen der Zivilgesellschaft aus, doch die eigentlichen Prüfsteine einer konsequenten Umsetzung der Konvention liegen nicht auf dem diplomatischen Parkett, sondern vor Ort in den Ländern. Und da sind die Belege für die Anerkennung der Erhaltungsleistungen der lokalen Bevölkerung und die Stärkung ihrer Rechte noch sehr selten anzutreffen. In Bratislava wird sich 1998 zeigen müssen, ob die Vertragsstaaten neben feingeschliffener Rethorik auch Umsetzungsschritte präsentieren können. Teilnehmer
In der Dialogreihe Entwicklungspolitik sind bisher erschienen: Nr. 1 Perspektiven der Entwicklungspolitik in den 90er Jahren" [vergriffen] Nr. 2 Leben in der Einen Welt" [ISBN 3-86077-060-8] Nr. 3 Textilarbeiterinnen fordern Gerechtigkeit" [vergriffen] Nr. 4 Women Textile Workers Demand Justice" [ISBN 3-86077-119-1] Nr. 5 Die Nachhaltigkeit von Entwicklungsprojekten der Friedrich-Ebert-Stiftung" Nr. 6 Women Shaping Democratic Change" [vergriffen] Nr. 7 Strategien gegen Prostitutionstourismus und internationalen Frauenhandel" [ISBN 3-86077-175-2] Nr. 8 Strategies to Combat Sex Tourism and International Trafficking in Women" [ISBN 3-86077-099-3] Nr. 9 Die Rolle der wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte im Kontext des UN-Weltsozialgipfels" [ISBN 3-86077-438-7] Nr. 10 Kolumbien - Aufgaben einer Menschenrechtspolitik" [ISBN 3-86077-469-7] Nr. 11 Frühwarnung und Vermittlung bei Konflikten - Chancen für Prävention?" [ISBN 3-86077-472-7] © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-bibliothek |