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[INTERNATIONALE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT]
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TEILDOKUMENT:




Wieviel Modellhaftes bietet INBio/Costa Rica ?
Runder Tisch II


Giselle Tamayo [Institut INBio, Costa Rica] : Projektdarstellung [ Aufgrund technischer Probleme mußte der Beitrag von Frau Tamayo im ersten Teil um Auszüge eines Vortrages von Dr. W. Nader (ebenfalls Mitarbeiter bei INBio) ergänzt werden. Der sachliche Gehalt der Aussage wurde dadurch nicht verändert]

Mit der Gründung des Instituto Nacional de Biodiversidad (INBio) ist Costa Rica der UN-Konvention über die biologische Vielfalt (Umweltgipfel in Rio de Janeiro, 1992) zuvorgekommen. Die wesentlichen Strategien und Konzepte des Institutes finden sich in der Konvention wieder. Während die FAO-Resolution von 1983 (Resolution 8/83, Artikel 1) die biologischen Ressourcen der Welt als gemeinsames Erbe der Menschheit definiert und damit den Zugriff der Entwicklungsländer auf die in den Industrienationen aufgebauten Genbanken offen halten wollte, erklärt die UN-Konvention in ihrem Artikel 15 neun Jahre später, daß die Unterzeichnerstaaten die Hoheitsrechte jedes Landes über seine biologische Vielfalt respektieren müssen.

Grund für die Berühmtheit des INBio ist sicherlich der Vertrag mit Merck, Sharp & Dome. Mit einem Umsatz von US $ 15 Milliarden im Jahre 1994 zählt der Konzern zu den größten Pharmaunternehmen der Welt. Mittlerweile hat INBio mit acht weiteren Unternehmen und Forschungsinstituten ähnliche Verträge abgeschlossen, die alle folgende Elemente enthalten:

• INBio garantiert dem industriellen oder akademischen Partner die Sammlung von Proben aus der biologischen Vielfalt des Landes, ohne die Natur zu zerstören, und

• eine fachgerechte Dokumentation, die es ermöglicht, erneut Material an der gleichen Stelle von der gleichen Art zu sammeln.

• Der Vertragspartner stellt INBio ein Forschungsbudget zur Verfügung, das die Kosten des Instituts abdeckt.

• 10 % des Budgets werden an das Ministerium für Umwelt und Energie für Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Schutzzonen abgetreten.

• INBio erhält weiterhin Laborausstattungen, die auch nach Vertragsbeendigung im Besitz des Instituts bleiben.

• Im Rahmen eines Technologietransferabkommens verpflichtet sich der Vertragspartner, costarikanische Wissenschaftler in seinen Laboratorien auszubilden.

• Soviel Arbeiten wie möglich sollen in Costa Rica selber durchgeführt werden, wobei INBio die Forschungskapazitäten an den staatlichen Universitäten mit einbezieht.

• An den Umsätzen aus zukünftigen Produkten, die aus der biologischen Vielfalt Costa Ricas abgeleitet sind, wird INBio beteiligt, wobei das Institut 50 % dieser Mittel an das Ministerium für Umwelt und Energie für Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Schutzzonen abtreten wird.

In Bezug auf die biologische Vielfalt zählt Costa Rica zu den sieben reichsten Ländern dieser Erde. 4 bis 5 % der Arten dieser Welt werden in Costa Rica vermutet. In Bezug auf die Pflanzenvielfalt beginnt in Costa Rica ein schmaler Hochdichtegürtel, der sich über Panama, Kolumbien und Ecuador bis nach Bolivien erstreckt. Nur Borneo und Papua-Neuguinea weisen eine derartige Dichte an botanischer Vielfalt auf. Dies ist auf die besondere geographische Lage des Landes zurückzuführen, das 12 verschiedene ökologische Lebenszonen und 42 verschiedene
Vegetationstypen beheimatet.

Das Ziel, die biologische Vielfalt Costa Ricas zu schützen, zu erforschen und zu nutzen, wird am INBio durch vier Arbeitsbereiche angegangen:

• Über das Nationale Programm zur Inventarisierung der Biodiversität soll die biologische Vielfalt Costa Ricas systematisch erfaßt und charakterisiert werden. Dabei fällt den sogenannten Parataxonomen eine Schlüsselrolle zu.

• Das Informationsmanagementsystem, das den Datenfluß aus der
Taxonomie verwaltet und auswertet und über ein geographisches Informationssystem zuordnet.

• Die Bioprospektion, die in Zusammenarbeit mit der internationalen Industrie nach neuen Nutzungsmöglichkeiten für die biologische Vielfalt sucht.

• Das Informationsverteilungssystem, das die wissenschaftlichen Erkenntnisse aufarbeitet und möglichen Anwendern (Industrie, Forschung, Bildung, Tourismus, Landwirtschaft) zugänglich macht.

Die Inventarisierung der biologischen Vielfalt in einer Größenordnung wie in Costa Rica setzt eine perfekte Organisation voraus, die am INBio innerhalb der letzten 5 Jahre begründet wurde. Die Inventarisierung beginnt mit der Tätigkeit der Parataxonomen. Aus den Reihen der Landbevölkerung werden diese Spezialisten rekrutiert und in sechs Monate dauernden Kursen bei INBio auf ihre Aufgabe vorbereitet, der Sammlung von Pflanzen und Tieren (in Zukunft auch von Mikroorganismen) und der taxonomischen Einordnung der Arten. Mittlerweile wurden bei INBio insgesamt 69 dieser Parataxonomen ausgebildet und in ihre Heimatorte zurückgeschickt, um dort in den mittlerweile 31 Forschungsstationen des Institutes am Rande der geschützten Gebiete ihren Dienst zu tun. Ein Großteil der 69 Parataxonomen fand mittlerweile andere, z.T. lukrative Betätigungsfelder, z.B. als Touristenführer oder Waldaufseher im staatlichen Nationalparksystem. Z.Z. hat INBio 34 dieser Parataxonomen unter Vertrag, deren Gehälter über dem Durchschnitt vergleichbarer Berufsgruppen liegt. Bisher wurden am INBio bereits vier solcher Kurse durchgeführt, wobei die beiden ersten vor allem mit Männern und der dritte mit Frauen besetzt waren. Der vierte Kurs war paritätisch besetzt.

Die Ausbildung zum Parataxonomen richtet sich somit nicht an akademisch ausgebildete Biologen der costarikanischen Universitäten, sondern an die Landbevölkerung. Dieser neuen Berufsgruppe werden neue Zukunftschancen eröffnet. Dabei sind die erwähnten Tätigkeiten als Touristenführer und Waldaufseher nur ein Teilaspekt. Parataxonomen werden kontinuierlich weitergebildet und können sich bei INBio zu sogenannten Biodiversitätsökologen qualifizieren, die im Rahmen der Biodiversitätsprospektion Untersuchungen für die internationale Industrie durchführen. In den Verträgen mit der Industrie legt INBio auch ein Ausbildungsprogramm in den Firmen fest, wobei einige Parataxonomen bereits in den Labors von Merck, Sharp & Dome und der Hofmann-La Roche Tochter Givadaune Roure Einblick in moderne chemische Analyseverfahren gewinnen konnten. Das derzeitige Ausbildungsprogramm für Parataxonomen umfaßt neben Kursen in Taxonomie, biologischer Systematik und Ökologie auch die Geographie, elektronische Datenverarbeitung und allgemeine Biologie und Chemie. Die Kurse werden von den akademischen Mitarbeitern von INBio, aber auch von externen Gastprofessoren abgehalten.

Von den Parataxonomen wird das gesammelte Material an das Zentralinstitut in Santo Domingo de Heredia geschickt, wo es durch Techniker weiter aufgearbeitet und durch Kuratoren in die Sammlungen eingeordnet wird. Die Identifizierung und taxonomische Einordnung erfolgt in Zusammenarbeit mit internationalen Spezialisten. Die Erfolgsbilanz des Instituts läßt sich sehen. In der entomologischen Abteilung wurden zum Beispiel seit der Gründung des Institutes 479 neue Arten von Schlupfwespen entdeckt. Vorher waren nur 266 Arten dieser Tierart bekannt. Seit 1989 wurden 2.543.943 Insekten-, Spinnen- und Milbenproben gesammelt. Von diesen sind mittlerweile 15 % bis zur Spezies, 42 % bis zur Familie und 26 % bis zur Ordnung charakterisiert. Nur 17 % konnten nicht näher eingeordnet werden. In der botanischen Abteilung wurden 67.511 Proben gesammelt und hiervon 68 % bis zur Spezies, 19 % zum Genus und 10 % zur Familie charakterisiert. Nur 3 % konnten nicht näher eingeordnet werden. Insgesamt wurden am INBio über 200 neue Pflanzenarten entdeckt.

Zu den wichtigsten Punkten gehört, daß INBio nicht bei dem Erreichten stehen bleiben will. Wir wollen uns weiterentwickeln und nicht - wie in der Vergangenheit - nur Dienstleistungen für Wissenschaftler erbringen, indem wir lediglich z.B. trockene Pflanzen zur weiteren Analyse und Auswertung aufbereiten und verschicken. Man könnte der Ansicht sein, daß sich bislang noch nicht viel verändert hat. Auch heute bereiten wir noch Extrakte vor, allerdings können wir bereits Teilschritte im Gesamtprozeß der Medikamentenentwicklung selber ausführen. Es ist ein Prozeß, der sich aus vielen Phasen zusammensetzt und jede einzelne kostet sehr viel Geld. Wir erörtern nun, wie wir im Rahmen dieses Prozesses uns weiterentwickeln können, um eventuell in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft viele der Schritte selber durchzuführen. in diesem Sinne realisieren wir heute schon Teilarbeiten, die wir uns auch finanziell leisten können. Es ist dabei wichtig hervorzuheben, daß im Falle der Pharmaindustrie der Zeitraum, den es braucht, um ein Medikament bis zur Marktreife zu bringen, ca. 12 Jahre umfaßt. Die Entwicklungskosten betragen - nach relativ alten Zahlen - ca. 300 Mill. US $. Weiterhin wird die Wahrscheinlichkeit, aus Proben über Bioessays ein erfolgreiches Produkt zu entdecken mit 1:10.000 angegeben. Das bedeutet mit anderen Worten, man muß 10.000 verschiedene Inputs in die Essays geben, um vielleicht einen erfolgversprechenden Wirkstoff zu erhalten. Diesen Preis wollen und können wir nicht zahlen, jedoch möchten wir ausreichende Kompetenzen aufbauen, um uns so weit wie möglich fortzuentwickeln. Die an erster Stelle zu nennenden Verfahren sind die Bioessays. Wir
besitzen bereits ein kleines Biotechnologielabor, wo wir antimikrobielle Essays durchführen können, um die biologische Aktivität zu bestimmen.

Wir haben auch weitere Vereinbarungen getroffen. Anzuführen ist da z.B. die Zusammenarbeit mit der British Technology Group und La Pacifica (ECOS, Nueva Holding):

Ende der 80er Jahre beobachtete Daniel Janzen, Mitbegründer des INBio, daß Mäuse eher zu Tode verhungern als Früchte der costarikanischen Baumart Lonchocarpus spec., einer Leguminose, anzurühren (Janzen et al., 1990). In Zusammenarbeit mit der British Technology Group gelang es, das Pyrrolidin Alkaloid 2R,5R-dihydroxy-methyl-3R,4R-dihydroxypyrrolidine (DMDP) zu isolieren, das zuckerspaltende Enzyme im Verdauungstrakt hemmt. Wegen der geringen Toxizität für Säugetiere eignet sich das Alkaloid als Nematozid. Da Nematoden in Bananenplantagen ein großes Problem darstellen, entwickelt INBio z.Z. in enger Zusammenarbeit mit dem costarikanischen Unternehmen La Pacifica (eine Tochter der Nueva Holding der Schweizer Industriellenfamilie Schmidheiny) Verfahren, um den Baum in Plantagen zu kultivieren, das Nematozid zu extrahieren und in den Bananenplantagen einzusetzen. Dazu wurde ein Abkommen mit COBANA, der Corporación Bananera, abgeschlossen, das in den Plantagen die Feldversuche durchführt. Dieses Projekt hat für uns große Wichtigkeit.

Ein weiteres Abkommen wurde mit Givaudan-Roure getroffen. Dieses Unternehmen ist eine US-amerikanische Tochter des Schweizer Konzerns Hoffmann La Roche, das sich auf Aromastoffe für die Kosmetik- und Seifenindustrie spezialisiert hat. Ziel der Zusammenarbeit ist es, aus Blüten neue Aromastoffe zu isolieren. Die Duftstoffe werden im Freiland über Aktivkohlesäulen absorbiert und dann von dem Unternehmen über Gaschromatographie analysiert.

Eine weitere Zusammenarbeit läuft mit der International Biodiversity Cooperative Group (IBCG). Die IBCGs wurden 1992 in den USA auf Initiative der NIH, NSF und US-AID ins Leben gerufen. Ziel ist es, mit staatlicher Förderung Kooperationen zwischen Instituten in Entwicklungsländern und solchen in den USA zu initiieren, wobei auch ein industrieller Partner beteiligt werden muß. Z.Z. sucht INBio zusammen mit der Cornell University, dem Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb und der Universität von Costa Rica in Insekten nach neuen Pharmaka. Die Untersuchung von Insekten stellt für das Massenscreening auf neue Pharmaka eine Novität dar, da es bisher unmöglich war, in den Tropenländern die Nachlieferung von Material derselben Spezies unter den gleichen Lebensbedingungen zu garantieren. Mit dem Informationssystem von INBio ist es nun möglich, jeden Fundort genau zu dokumentieren und damit das gleiche Material erneut zu sammeln. Der Vertrag mit dem Unternehmen ist mit dem Merck-Abkommen vergleichbar. Darüber hinaus gibt es noch weitere kleinere Verträge, die ich aber aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nicht mehr nennen kann.

Abschließend möchte ich sagen, wir befinden uns inmitten des dynamischen Prozesses: des Bewahrens, des Kennenlernens und des Nutzens. dabei handelt es sich nicht nur um eine materielle Nutzung sondern sie geht darüber hinaus. In Zukunft möchte sich das INBio auch intensiver der sozialen Dimensionen widmen, wie Schulerziehung oder etwa dem Tourismussektor.

Darell Posey [Institut für Ethnobiologie Amazoniens,

Belem/Brasilien]:

Ich bedanke mich für die Einladung. Vor ca. 10 Jahren habe ich in München als Stipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung gelebt und meine ersten Studien zum Thema „Geistiges Eigentum indigener Völker" enstanden in jener Zeit.

Der Fall INBio ist äußerst interessant. Er ist gewiß ein Schritt in die richtige Richtung und wirft bedeutsame Fragen auf, denen ich mich jetzt widmen möchte.

Die erste Frage bezieht sich auf die Kenntnisse: Wer besitzt Wissen über die biologische Vielfalt? Die Meinung der Wissenschaftler ist, daß sie dieses Wissen haben. Die ethno-wissenschaftliche Position dagegen ist, daß indigene und traditionelle Völker noch mehr wissen als Akademiker. Im Falle des INBio ist das letztgenannte Wissen nicht Teil des Forschungsprogrammes und der Projekte. Es wird behauptet, die biogenetischen Diskurse würden sich von denen bezüglich der Information über biogenetische Ressourcen unterscheiden. Oder anders gesagt, die biologische Vielfalt habe nichts mit dem traditionellen Wissen der indigenen Völker und der traditionellen Gemeinschaften zu tun. Diese Behauptung entspricht nicht der Wahrheit. Jene, die im Rahmen eines Screening- und Entwicklungsprozesses für neue Produkte diese Informationen nutzen, übersehen die Tatsache, daß viele Ökosysteme unter einem starken Einfluß seitens indigener Völker stehen - es ist ein geschichtlicher Prozeß, der über Jahrtausende andauert. Diese Vorstellung von Natur ist da eher befremdlich. Das brasilianische Amazonien z.B. wird als ein großes, biologisch und ökologisch überaus reiches Gebiet angesehen, das naturbelassen und annähernd menschenleer ist.

Aber in Amazonien leben Menschen und auch Costa Rica hat keine unbewohnten Gebiete. Sie alle werden seit 20, 30 oder vielleicht sogar 40 Tausend Jahren von indigenen Völkern bewohnt. In dieser Zeitspanne fand eine kontinuierliche Modifizierung, Erhaltung und Diversifizierung der Ökosysteme unter dem Einfluß der indigenen Bevölkerung statt. Die Natur Costa Ricas, die Natur Brasiliens und anderer Länder ist in Wirklichkeit eine domestizierte Natur. In diesen natürliche Gebieten leben Menschen - und das ist der Grund dafür, warum das traditionelle Wissen in die Entdeckung von Produkten Eingang findet und entsprechend anerkannt werden sollte.

Die zweite Frage: Wer hat die Kompetenz ein Abkommen, wie das von INBio auszuhandeln? Wer besitzt die Ressourcen? Sind es die Regierungen, die Staaten? Gemäß der Konvention über die biologische Vielfalt sind die Nationalstaaten und Regierungen die Eigentümer. Wenn man das richtig überlegt, bedeutet das, daß traditionelles Wissen als Technologie vom Staat kontrolliert werden kann. Mir erscheint das als Angriff auf die Gedankenfreiheit. Das ist kein Feldzug gegen das geistige Eigentum von Gemeinschaften, es ist ein Angriff auf uns alle, die wir die Gedankenfreiheit innerhalb eines Staatswesens aufrecht erhalten wollen. In einem Staat haben wir das Recht, über unsere eigenen Ideen zu verfügen und zu erklären, daß wir die Eigentümer dieser Ideen sind. In diesem Sinne verteidigt man nicht nur die indigenen Völker und ihre Freiheiten, die Bewahrung ihres Wissens über Pflanzen und Tiere, sondern es handelt sich um die Verteidigung eines Rechts aller Menschen. Im Hinblick auf den INBio-Vertrag stellt sich die Frage: Mit wem hat ein Unternehmen das Recht zu verhandeln? Mit der Regierung? Mit NRO? Diese Frage wird insgesamt kaum diskutiert. Normalerweise meint man, daß die Regierung Eigentümer des nationalen Erbes sei. Der Begriff nationales Erbe (Patrimonio) ist dabei sehr wichtig, denn darunter verstehen die Länder dieser Welt sehr unterschiedliche Dinge. Das Erbe einer Nation ist nicht notwendigerweise Eigentum der Regierung.

Die dritte grundsätzliche Frage lautet: Wer hat das Recht, den Zugang zu einem indigenen Territorium oder einer traditionellen Gemeinschaft zu gewähren? Hat der Staat das Recht dazu? Hat der Staat z.B. das Recht, Zutritt zu Ihrem eigenen Haus zu gewähren? Um Untersuchungen in Ihrem Garten durchzuführen? In vielen Ländern - auch in Deutschland - darf der Staat dies nicht tun. Aber gleichzeitig wird Unternehmen gewährt, sich Zutritt zu den Gärten, den Dörfern, in Reservaten indigener Völker und traditioneller und lokaler Gemeinschaften zu verschaffen, ohne sie vorher zu fragen. Wer hat also das Recht? Die indigenen Völker haben das grundsätzliche Recht, keine Wünsche haben zu dürfen. Das ist ihr einziges anerkanntes Recht. Sie haben kein Recht auf die Privatsphäre, auf ihr Haus - denn der Wald ist ihr Haus. Aber wer gibt nun dem Staat das Recht, in die Häuser der indigenen Völker einzutreten? Es geht hier um ein Menschenrecht, nicht um eine wirtschaftliche Frage. Wenn wir uns jetzt also dem zuvor nach Sachkenntnis eingeholten Einverständnis (Prior Informed Consent), das Diana Pombo bereits erwähnte, zuwenden, ist zu sagen, daß es sich um ein sehr starkes Konzept handelt. Es ist von großer Wichtigkeit und hat bereits in verschiedene internationale Instrumente und jetzt auch in die Biodiversitäts-Konvention Eingang gefunden. Prior Informed Consent bedeutet, daß Wissenschaftler oder Unternehmen, die in einem bestimmten Gebiet arbeiten wollen, die Pflicht haben, alle ihre Absichten, einschließlich der wirtschaftlichen,
offenzulegen, auch wenn Wissenschaftler häufig erklären, daß sie nur ein Forschungsinteresse haben, aber sehr wohl wissen, daß die Erkenntnisse später vermarktet werden können. Eine Autorisierung wissenschaftlicher Arbeit sollte daher nicht gleichbedeutend mit einer Erlaubnis für kommerzielle Aktivitäten sein. Es sind zwei verschiedene Dinge.

Eine weitere interessante Frage bezüglich INBio lautet: Wer hat Vorteile? Folgt man dem Beitrag von Giselle Tamayo, so hat das gesamte Land durch den Schutz der Wälder und der anderen Ökosysteme in Costa Rica Nutzen. Aber wer entscheidet darüber, wie dieser Nutzen verteilt wird? Wir alle befinden uns in einem Kampf gegen eine Technokratisierung der Umwelt. Eine Ordnung, in der die gesamte Welt einigen Technokraten und Spekulanten in die Hände gespielt wird, die dann darüber entscheiden, was wie erhalten wird und aus welchem Grund. Aber die Frage müßte doch heißen: Wie können wir die lokalen, traditionellen und indigenen Gemeinschaften stärken, damit sie die Umwelt gemäß ihrer Prioritäten und Werte erhalten können, die sich sehr von denen der Technokraten unterscheiden? Die Biodiversitätskonvention gibt dem in-situ-Schutz durch traditionelle und lokale Gemeinschaften den Vorrang, jedoch lautet eine weitere Frage: Was sind die Vorteile aus dem Schutz und nach wessen Prioritäten geschieht er? Sind es die Wissenschaftler oder die Gemeinschaften?

Schließlich - es gibt ja viel zu diskutieren und ich habe ja bereits gesagt, daß INBio ein Schritt in die richtige Richtung ist, gibt es da noch die Frage nach der Kopatentierung. Die Vorauszahlung und Beteiligung an royalties sind interessante Formen, aber warum keine Kopatentierung? Es gibt eine bemerkenswerte Gesetzesinitiative in Brasilien - das Projekt Nr. 2057 -, das die Kopatentierung gemeinsam mit indigenen Völkern möglich machen möchte. Ich bin der Auffassung, daß dies in Zukunft der Weg sein wird. Wir könnten nun darüber diskutieren, welche Schwierigkeiten bei der Umsetzung eines solchen Projektes auftreten, da es sehr kompliziert ist. Aber wir reden von einem Prozeß, der angestoßen werden muß.

Ich möchte zum Schluß das Wort „Prozeß" betonen, weil wir uns heute in einem Prozeß des Verstehens, der Konsensbildung, der Erziehung befinden. Dieser Prozeß wird noch für eine lange Zeit andauern müssen, wenn wir nicht darin enden wollen, die Werte zu pervertieren und zu einem System zu gelangen, daß die biologische und kulturelle Vielfalt zerstört. Es muß ein Prozeß sein, in dem die indigenen Völker gleichberechtigt am Tisch sitzen, in dem ihre Kenntnisse wissenschaftlich anerkannt werden und auch ihre Rechte Anerkennung finden. Dadurch eröffnet sich uns die Möglichkeit, mit den indigenen Gemeinschaften zusammenzuarbeiten. Ich glaube, INBio-Merck hat zumindest dazu geführt, diesen Dialog anzustoßen. Allerdings bin ich auch der Auffassung, daß dieser Dialog noch nicht weit genug geöffnet wurde, da immer noch kein richtiges Gespräch mit den Gemeinschaften stattfindet. Dieses Defizit, der schwächste Teil des Vertrages von INBio, ist zumindest Anlaß für eine fortgesetzte Diskussion.

Marina Steindor [MdB, Bündnis 90/Die Grünen]:

Meine Rolle sehe ich hier darin, ein bißchen Wasser in den Wein zu kippen und ein paar kritische Zwischentöne zu finden. Ich halte das INBio Projekt für ein sehr spannendes Projekt und auch für ein zukunftsweisendes Modell. Einzig habe ich Zweifel daran, ob es auch in der Zukunft das sein wird, was man sich von einem Projekt erhofft: Daß es nämlich irgendwann auch in anderen Ländern Normalität wird, daß andere dieses Modell aufgreifen. Ich sehe derzeit zwei ganz offensichtliche Ansätze, die dieses Projekt von Seiten der Industrie unterlaufen. Zum einen gab es vor einiger Zeit einen Workshop vom BfN, wo Herr Nader von INBio eingeladen war und dort einen Vortrag hielt „Rettet die Marktwirtschaft den Regenwald?" Dabei wurde zur Sprache gebracht, wie denn das Verhältnis ist, zwischen Zahlungen, die beispielsweise ein transnationaler Konzern wie Merck an Costa Rica - oder an INBio - leistet, zu den Einbußen, die die Länder der sog. Dritte Welt erleidet durch die Substitution von Agrarprodukten, die sie derzeit noch verkaufen, durch gentechnisch manipulierte Produkte. Es ging dort hauptsächlich um Laurin-Öle, die bei bestimmten Seifen eine Rolle spielen, also Substitution von Kokosölen und sonstigen, die ein sehr großes Exportvolumen für die Länder der Dritten Welt bedeuten., die derzeit in „unseren" Raps hineinkloniert werden sollen. Die amerikanische Firma Calgene arbeitet an einer ersten Entwicklung. Das ist der eine Pfad, wie der Geldzufluß oder da, was an benefits an die Länder der Dritten Welt zurückgeht, gekappt werden soll.

Der zweite Punkt ist die Kapitalstruktur und die Steuerrechtsstruktur bei dem Welthandelsabkommen. Ich sehe Tendenzen, die Biodiversitätskonvention zu unterlaufen, die ja praktisch zwischen Nationalstaaten und Fremdfirmen - sag ich jetzt mal - aus einem anderen Land unterscheidet. Dort geht man davon aus, daß ein transnationaler Konzern, der seinen Sitz - nehmen wir Merck - in den USA hat, nach Costa Rica kommt, dort ein Pflänzchen entnimmt, es in die Staaten bringt. Dort wird es analysiert, dann wird als Ergebnis des neuartigen Innovationsmanagements transnationaler Konzerne ein benefit an Costa Rica gezahlt. Wir haben mit Hoechst ein sehr schönes Beispiel, wo nur noch von Wertschöpfungsknoten gesprochen wird, wo man sich von dem alten Konzept eines Firmensitzes an einem festen Ort in der Welt verabschiedet, sondern hinkommt zu mehreren nationalen Firmensitzen, die gleichberechtigt sind. Ein Beispiel wie INBio könnte dieses Konzept durchbrechen, wenn aus dem Institut ein nationales Element des Merck-Konzern würde. Auch solche Dinge werden in den Verhandlungen der Welthandelsorganisation diskutiert, von daher mußte man auch nationale Regelungen schaffen, wie die Nutzung von biologischen Ressourcen dann vergütet wird Die Firma, die es nach meiner Kenntnis - ich kenne mich da nicht bis in das letzte Detail aus - bis jetzt am weitesten vorangetrieben hat, ist die Hoechst AG. Bei Hoechst India hatten ganz lange die Inder sowieso eine Mehrheitsbeteiligung und es ist erst seit kurzer Zeit so, daß das Stammhaus eine Mehrheit von - glaube ich - 51 % hat, aber die Hoechst India versteht sich als ein eigenständiger Betrieb und sie machen dort Bioprospecting, auch machen sie sich die Ajovedamedizin zu nutze und machen auch Exkursionen, diskutieren mit den Leuten, die dort wohnen und diese Pflanzen kultivieren und sich gut auskennen. Das Ganze wird zwar derzeit in Indien diskutiert. Aber es hapert an der fehlenden Gesetzgebung in Indien und es fehlt der Aspekt des benefit sharings. Die sagen: „Wir sind eine indische Fabrik, was sollen wir da benefit sharing machen? Wir gehören sowieso dazu."

Ich hatte im März das sehr große Vergnügen, muß ich wirklich sagen, mit einer Bundestagsdelegation unter Leitung des Vizepräsidenten Klose im Rahmen der lateinamerikanischen interparlamentarischen Delegation nach Südamerika zu fahren und konnte dort Brasilien und Chile besuchen. Mir ist dabei aufgefallen, das klang in dem Referat von Ihnen [D. Posey, Brasilien] auch schon an, daß in Lateinamerika sehr viel Wert darauf gelegt wird, daß die Verhandlungen zwischen den indigenen Völkern über Aktivitäten mit einer großen Staatsferne oder Regierungsferne stattfinden, weil es im hohen Maße ein Mißtrauen gegenüber den Regierenden gibt. Das birgt Chancen und Risiken.

Ich muß sagen, ich war sehr erschüttert über das, was ich in Brasilien erfahren habe. Ich hatte die Gelegenheit, die Senatorin, die den Gesetzentwurf, auf den mein Vorredner Bezug genommen hat, einbrachte, Marina Silva, persönlich kennenzulernen. Sie gehört der PT an, also der Arbeiterpartei in Brasilien, und sie hat versucht in das Patentrecht, was derzeit in Brasilien diskutiert wird, solch ein benefit-sharing für die Indigenen reinzuschreiben. Das ist ja hier genannt worden.

Doch dieser Gesetzentwurf ist abgelehnt worden. Es ist mir vielmehr berichtet worden, daß die Mehrheitsparteien - das ist ein sehr fragiles Mehrheitssystem in Brasilien derzeit, eine Vielparteienkoalition - ein viel weitergehendes Patentrecht zugunsten der Konzerne aus den USA gemacht haben, mehr als das, was die pharmazeutische Vereinigung in den USA selbst gefordert hat. Es ist praktisch so - wenn ich mir erlauben darf, das so zu sagen, wir haben ja einen brasilianischen Gast hier - daß der brasilianische Staat die Ressourcen regelrecht zum Nulltarif verschleudert. Der Staat zeigt keine hohe Wertschätzung für Leistungen, die die indigenen Völker im Regenwald vollbracht haben. Ein weiteres Indiz für diese Übergänge war zu unserem großen Entsetzen auch die Tatsache, daß im Rahmen des Widerspruchsrechtes - was in der brasilianischen Verfassung enthalten ist - jetzt die indigenen Gebiete neu demarkiert werden sollen. Es sind dort sehr viel Widersprüche eingegangen von Regierungen, die einen Abwägungskonflikt gesehen haben, also Länderregierungen innerhalb Brasiliens, die dort Staudämme bauen wollen und zunächst die Holzfällerorganisationen wirken lassen.

Ich möchte am Ende eine kurze Frage stellen. In der Debatte ging es auch immer darum, ist es denn tatsächlich so, daß die Indigenen auch wirklich die Hüter der Vielfalt sind. Ist es nicht vielmehr so, daß sie im Rahmen ihrer Entwicklung auch kommerzielle Interessen wahrnehmen und auch Bäume fällen wollen und die andere Form des Wirtschaftens entwickeln. Ich bin dort als Gast gewesen, mir ist das von Leuten, die dort wohnen, berichtet worden. Ich frage mich manchmal in unseren Debatten, ob wir nicht zu sehr ein romantisches Bild von den Verhältnissen, die dort herrschen, pflegen.

Matthias Weisheit [MdB, SPD]:

Man wir hier schnell zum Spezialisten gemacht, das finde ich hervor-
ragend. Ich bin Landwirtschaftspolitiker und beschäftige mich daher in erster Linie damit, aber u.a. auch damit, wie man die Welternährung
sichern kann. Und dann kommen solche Dinge zwangsweise mit dazu. Dieses Abkommen - das ist schon gesagt worden - ist ein interessanter Versuch. Man kann es sicherlich nicht ablehnen, obwohl es viele Kritikpunkte gibt, die zum Teil auch schon angesprochen worden. Aber, ich sehe jetzt mal als doch einen wesentlichen Punkt, eine wesentliche Chance, daß es überhaupt zu so einer Art von benefit-sharing kommt. Bisher hat man ja einfach wild herumprospektiert und die Betroffenen hatten nichts davon - egal, ob Staat oder Institution oder sonst wer. Jetzt gibt es eine Form, die Nichtregierungsorganisationen zumindest auch im wissenschaftlichen Teil aufzubauen. Aber es gibt dann doch noch ein paar Fragen dazu: Was ist eine angemessene Entschädigung. Über tatsäch-
liche Zahlen erfährt man ja relativ wenig. Da steht diese Summe, die am Anfang gezahlt wurde, und dann stehen 50% von dem, was das Institut [INBio] erhält, bekommt der Staat. Aber was bekommt jetzt das Institut tatsächlich aus dem, was von Merck weiterentwickelt worden ist. Dies ist schon eine Frage, die interessant wird. Was ist hier wirklich die angemessene Entschädigung? Wer ist zu entschädigen? Das ist letztendlich die hoch interessante Frage. Was passiert mit den Kleinbauern, die aus den Schutzgebieten ausgewiesen werden, die da raus müssen? Wo kriegen die eine Lebensgrundlage her? Wird das auch mit dem Geld gemacht? Bekomme ich also Arbeitsplätze in dem Bereich und Existenzen, wo ich ja möglicherweise jetzt Menschen vertreibe? Man liest, daß manche Dorfgemeinschaften diesem Projekt äußerst kritisch gegenüberstehen, weil sie aus den Schutzgebieten raus müssen und dann hinterher keine Alternativen haben, so habe ich es zumindest in der Vorbereitung gelesen.

Nächste Frage: Ist die Industrie der richtige Partner, das zu machen? Wird das Interesse der Industrie nicht eines schönen Tages , wenn es etwas anderes gibt, wo sie forschen können, nachlassen oder ganz weg sein? Und dann sagt man: „Wir machen es nicht mehr." und dann steht die ganze Geschichte da.

Was sich auch fragen läßt, sind Regierungen die richtigen Partner? Sind oft nicht in den Regierungen diejenigen drin, die sehr schnell bereit sind, Abholzungsverträge im Regenwald zuzulassen oder Schürfverträge für andere Rohstoffe, die irgendwo liegen, und riesige, gigantische Naturzerstörung zulassen, weil es Regierungsmitgliedern oder dem Staat als solchem Geld bringt? Sind das die richtigen Leute? Alles noch ungeklärte Fragen.

Ich will an dieser Stelle Schluß machen, damit wir in die Diskussion reinkommen. Das reicht mir eigentlich auch an ungeklärten Fragen, auf die ich heute vielleicht noch eine Antwort bekommen kann, um selber schlauer zu werden. Eine letzte Anmerkung zur ersten Runde und zu den Papieren, die man ab und zu lesen muß: Die Konventionen enthalten sehr viel „Fachchinesisch". Ich kann dabei den Verdacht nicht unterdrücken - er wird in mir sogar immer stärker -, daß es nur dazu dient, möglichst zu verschleiern, wessen Interessen hier eigentlich durchgesetzt werden sollen. Auch darauf wollte ich zum Schluß noch kritisch hinweisen.

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Diskussion Runder Tisch II

Gudrun Henne [ECOTERRA, Berlin]: Moderatorin

Ich sehe, das Publikum stimmt bezüglich des Fachchinesisch gefühlsmäßig zu. Diese Gefühle kann ich allerdings nicht teilen. Aber zunächst
eine eine kurze Diskussionsrunde: Lothar Gündling, Vertreter von IUCN und Rechtsanwalt in Heidelberg.

Lothar Gündling [IUCN-Mitglied, Anwalt für biopolitische Fragen]:

Ich habe ein paar Bemerkungen zu machen, also keine Fragen zu stellen. Die Diskussion hat ja bisher sehr viele Fragen aufgeworfen, die einen Juristen interessieren. Ich kann mich nur auf einige beschränken. Im Zusammenhang mit INBio, glaube ich, sollte man daran erinnern, daß immer wieder die Frage aufkam: Wenn es solche Verträge wie zwischen Merck und INBio gibt, brauchen wir dann überhaupt die Konvention? Diese Frage ist in den USA intensiv diskutiert worden, wird z.T. immer noch diskutiert. Es wurde eben diese Zurückhaltung gegenüber dieser Konvention seitens der USA begründet, daß man sie möglicherweise gar nicht brauche. Es wird im allgemeinen gesagt, daß beides zusammen notwendig sei - die Konvention auf der einen Seite und u.a. auch solche Verträge zwischen einer nationalen Institution und ausländischen Firmen.

Es gab umgekehrt hier in Deutschland einmal die Meinung, daß man
neben der Konvention solche privaten Verträge nicht mehr brauche. Ich weiß nicht, ob diese Meinung noch vertreten wird. Ich denke, es ist auch ziemlich klar, daß es neben der Konvention solche - sozusagen ausführenden - Verträge geben muß. Wenn beides also zusammengehört, glaube ich, ist es wichtig darauf hinzuweisen, daß solche Verträge wie zwischen INBio und Merck die Prinzipien der Konvention einhalten müssen, als da sind: im Artikel 15 im einzelnen aufgeführt, die nationale Souveränität über die Ressourcen muß respektiert werden. Die Verpflichtungen zum Schutz der biologischen Vielfalt und ihrer Komponenten muß respektiert werden - muß gefördert werden. Merck tut das, wie wir das im Referat gehört haben. Es gibt die Verpflichtung, für die Schutzgebiete Zahlungen zu leisten. Aber ich glaube, es besteht die Gefahr, daß es
andere Verträge vielleicht in anderen Ländern mit anderen Firmen gibt, wo das eben nicht so gut läuft. Und deshalb glaube ich auch, ist es wichtig darauf hinzuweisen, daß solche Verträge auch zum Schutz der biologischen Vielfalt beitragen müssen.

Zum dritten bin ich von der Notwendigkeit überzeugt, daß solche Verträge auch den Technologietransfer fördern müssen, was vielleicht auch nicht immer und überall selbstverständlich ist. In jedem Fall halte ich es für eine wichtige Forderung.

Und schließlich das letzte Kriterium im Artikel 15, das benefit-sharing, muß auch gefördert werden, wobei eben nicht nur das benefit-sharing zwischen Staaten - Ursprungsländern und Nutzerländern - gemeint ist, sondern eben auch innerhalb der Ursprungsländer. Das benefit-sharing zwischen dem Staat und den indigenen, lokalen Gemeinschaften muß
sichergestellt werden. Es ist sehr schwierig, wie wir aus der Erfahrung wissen und nicht selbstverständlich. Also, diese Verträge wie INBio mit Merck sollten diese Prinzipien der Konvention sicherstellen.

Und ein weiterer Punkt liegt darin, daß solche Verträge zwischen einem privaten und einem mehr oder wenige privaten Institution wie INBio - ich sage mehr oder weniger, weil der Status von INBio in Costa Rica nicht so einfach zu klassifizieren ist - daß solche Verträge eben auch die nationale Gesetzgebung respektieren müssen. Ich erinnere daran, daß es 1991/92 in Costa Rica große Debatten über die verfassungsrechtliche und gesetzliche Zulässigkeit dieses Vertrages gegeben hat. Ein zweiter Punkt - ich werde gerne eine kurze Bemerkung anschließen an das, was im ersten Panel diskutiert worden ist - nämlich die Notwendigkeit weiterer ausgestaltender Protokolle zur Konvention zu machen, u.a. zum Artikel 15 - zum Zugangsregime. Ich denke, es besteht eine Gefahr, daß solche zusätzlichen Protokolle, auf die die Konvention ja angelegt ist, praeter legem sind - also über die Konvention hinausgehen. Ich denke, es gibt sehr gute Gründe dafür, weitere Protokolle zu machen, weitere multilaterale Vereinbarungen zu machen. Auch zur Frage des Zugangsregimes, das ja sehr komplizierte Fragen durch die Kriterien, die ich schon genannt habe, aufwirft. Also ich denke, daß ist möglich. Eine andere Frage ist, ob man das politisch machen soll, ob man ein multilaterales Zugangsregime schaffen soll. Ich denke, daß man sich das gut überlegen muß.

Heinz Dembowski [Deutsche Welle, Köln]:

Ich arbeite für die Deutsche Welle und ich habe ein paar Punkte bei diesen Verträgen, die INBio mit verschiedenen Firmen abschließt, nicht so ganz begriffen. Ich habe zunächst verstanden, daß das Merck-Abkommen für INBio der erste Vertrag dieser Art ist. Das bedeutet, Merck zahlte eine Million Dollar für Proben. Welche weiteren finanziellen Leistungen muß Merck denn liefern, wenn es diese Proben dann irgendwann einmal ökonomisch nutzt, nach den 12 Jahren, die die Forschung braucht? Zum zweiten, habe ich richtig verstanden, daß die Einnahmen - also die eine Mill. $ - zu 50% an den Staat gehen und zu 50 % wieder in das Institut fließen, das damit auch den Erhalt und die Konservierung und den Technologietransfer ausbaut? Und das dritte, was ich noch nicht ganz begriffen habe, welche genauen Leistungen muß das Institut liefern, um eine Million $ zu bekommen? Gibt es eine bestimmte Zahl von Proben, die geliefert werden sollen und wie ist bestimmt, was für eine Art von Proben das sein sollen? Wenn Sie zudem gleichzeitig Verträge mit verschiedenen Pharmakonzernen haben, in was unterscheidet sich das, was Sie den einzelnen Firmen liefern?

Gudrun Henne [ECOTERRA, Berlin]: Moderatorin

Ich habe das Gefühl, daß besonders zwei Punkte die Teilnehmer interessieren. Der eine ist die Frage, wie werden Indigene jetzt beteiligt und bei INBio ist das ja nicht ganz klar geworden. Und dann eben die Frage, was sind eigentlich die für Costa Rica zu erbringenden Leistungen?

Giselle Tamayo [INBio]:

Ich antworte vielleicht zuerst auf das zuletzt Gesagte und gehe dann auf die anderen Fragen ein. Wieviel zahlt man Ihnen? Was kosten die Proben? Was sind das für Proben? Nennen Sie uns die Namen! Das sind Fragen, die immer wieder an uns gerichtet werden. Doch wir werden durch sie in eine schwierige Lage gebracht, um nicht zu sagen in eine verantwortungslose Lage. Welchen Wert gibt man den Proben biologischen Ursprungs? 1991 umfaßte der erste Vertrag mit Merck eine Zahlung von 1. Mill US $. Von dieser Millionen gingen 10%, wie ich bereits zuvor sagte, an die Naturschutzgebiete, in diesem Fall an Isla de Coco. Darüber hinaus sah der Vertrag auch eine Zahlung von 180.000 US $ in Form von Geräten vor, welche in der Universität von Costa Rica verblieben sind. Der Rest des Geldes wurde für die Ausführung der Forschungsaktivitäten und für die Aufbereitung der Extrakte, hauptsächlich Pflanzen und Insekten, verwendet. Wie bereits erwähnt bereiten wir Extrakte auf, auch wenn es uns nicht so ganz gefällt, wenn danach die Proben das Land verlassen. Diese Form des Transfers möchten wir in Zukunft vermeiden. Wir denken da eher an definierte Moleküle, an definierte biologische Aktivitäten.

Der zweite Vertrag von 1994-96 war von der finanziellen Seite her ein wenig höher angesetzt: 1,1 Mill. US $, von denen wiederum 10% in die Schutzgebiete gingen. Auch diesmal beschloß die Regierung von Costa Rica, das Geld der Isla de Coco zukommen zu lassen. Wiederum gab es ca. 100.000 US $ für die Infrastruktur - vornehmlich im Schutzgebiet Guanacaste. Der zweite Vertrag umfaßte ebenso die Lieferung von Pflanzen und Insekten, obgleich - soweit ich weiß - letztere überwogen haben.

Momentan befinden wir uns in der Phase, uns auf einen dritten Vertrag vorzubereiten. Wir werden sehen, ob er abgeschlossen wird oder nicht. Innerhalb der Arbeitsprotokolle bei INBio haben wir bestimmte Personen, die ausschließlich mit diesem Vertrag arbeiten und diskutieren, was Merck möchte und was nicht, nachdem wir uns einmal an den Tisch gesetzt haben, um dann zu erörtern, was wir leisten können. Das heißt, es handelt sich um Personal von INBio, finanziert durch INBio, aber innerhalb des Projektes mit Merck. Zum Projekt mit Bristol-Myers Squibb gibt es keine Überschneidungen, bei INBio gibt es niemanden der gleichzeitig für beide Projekte arbeitet. Das ist sozusagen eine interne Schutzmaßnahme. Wir gehen davon aus, daß sich jedes Projekt selber tragen muß. Die Mittel aus einem Projekt dürfen nicht für andere verwendet werden. Ich weiß nicht, ob ich damit die Frage ausreichend beantwortet habe. Der Wert der Proben gehört zu den vertraulichen Vertragsinhalten und ich müßte mein Verhalten unverantwortlich nennen, wenn ich den Preis der Proben verraten würde.

Gudrun Henne [ECOTERRA, Berlin]: Moderatorin

Möchtest Du noch etwas anfügen zur Frage der indigenen Völker. Also, mir erschien dies ein Punkt. Schon Darell Posey hatte hierzu Kritik vorgetragen und offenbar möchten auch andere wissen, inwieweit Indigene in Costa Rica beteiligt sind.

Giselle Tamayo [INBio]:

Zu dem, was Darell Posey hier gesagt hat, möchte ich kurz erklären, wie die Situation Costa Ricas ist. Wir reden von einem Land, in dem 90% der Bevölkerung europäischen Ursprungs sind, es hat einen sehr geringen Anteil an indigener Bevölkerung, die in bestimmten von der Regierung geschaffenen indigenen Reservaten leben. INBio orientiert sich selber insgesamt mehr an den Naturschutzgebieten, nach den Worten von
Darell Posey an der Information über die biologische Vielfalt. Im Bezug auf die Materie Rechte des geistigen Eigentums der Indigenen sind wir massiv gedrängt worden, uns mit dieser Frage zu befassen. Wir - als Regierung, als Staat - sind uns noch immer nicht ganz sicher, wie wir mit den Rechten am geistigen Eigentum umgehen sollen. In Costa Rica gibt es noch immer kein System des Patentschutzes als solches. Die Pharmaunternehmen machen sich über die nationalen Patentrechte lustig, denn ein Patent auf Pharmapräparate hat in Costa Rica eine Schutzdauer von einem Jahr. Daher haben wir noch immer Probleme mit einer engeren Definition, und genau deshalb möchten wir uns auch aus der Diskussion über geistiges Eigentum bislang heraushalten, solange die interne Debatte nicht ein wenig fortgeschritten ist. Costa Rica - INBio - hat sich mehr um die Naturschutzgebiete gekümmert. Ich habe aufgemerkt als Herr Weisheit sagte, die Gemeinschaften seien z.T. aus den Schutzgebieten vertrieben worden. Das stimmt nicht. Die Gemeinschaften wurden, im Falle das ein Schutzgebiet ausgeweitet wurde, in gewisser Weise je nach Bedeutung der dort vorkommenden Natur absorbiert. Es wird unterschieden zwischen den natürlichen Gebieten, in denen es keine menschlichen Aktivitäten gibt, und denen, wo sie auftreten. Z.B. nahm das Projekt mit der British Technology Group über DMDP seinen Anfang mit einem Vertrag zwischen ihnen und dem Naturschutzgebiet Guanacaste, in dem sie mit der Züchtung der Pflanze begannen, bis man zur privatwirtschaftlichen Phase, der industriellen Entwicklung, gelangt ist. Wir orientieren uns an dem obigen Konzept und es wundert mich, daß hier gesagt wird, die Gemeinschaften würden vertrieben.

Um das zusammenzufassen, möchte ich hinzufügen, daß jegliche Institution in Costa Rica sich die Erlaubnis der Regierung holen muß, um Projekte der aufgezeigten Art durchzuführen. Der erste Schritt ist, in das Schutzgebiet zu gehen und das Projekt vorzustellen und mit den dort Ansässigen zu diskutieren, ob sie einverstanden sind. Im Falle von INBio arbeiten wir in dieser Art und Weise. Nachdem wir einmal die Zustimmung haben, richten wir einen Antrag an das Umweltministerium. Dieser Antrag umfaßt verschiedene Punkte: die Darstellung des Projektes, die Übersicht über die geplanten Aktivitäten usw. Auf dieser Grundlage prüft das Ministerium, ob wir eine Erlaubnis zur Durchführung eines Projektes in einem bestimmten Schutzgebiet erhalten, dabei ist die Zustimmung Voraussetzung für die Projektausführung. Es ist also nicht so, daß man sagt: „Ich möchte dieses oder jenes Forschungsprojekt machen." Und dann geht man einfach in das Schutzgebiet und führt es durch. So geht das nicht. Es ist schon etwas komplizierter.

Klaus Naumann [BAYER AG]:

Es war ganz interessant zu hören, das es sich doch um kleine Zahlen handelt, wenn es um Forschungsgelder geht. Das heißt, wir reden hier im Vergleich zu dem Budget, das Merck hat, über „peanuts". Die Kosten für die Hardware für ein wissenschaftliches Labor sind mit einer halben Million Dollar mal gerade in bescheidener Weise aufzubringen. Also ein biochemisches Labor, mit dem INBio gut arbeiten kann, ist mit einer Millionen Mark nicht gewährleistet. Das ermöglicht nur eine bescheidene Ausrüstung. Es gilt festzuhalten, es sind eher Modelle, es ist noch kein echtes Geld, was da fließt. Man kommt auch mit 250.000 $, glaube ich, nicht furchtbar weit, die Biodiversität einer kleinen Insel zu stabilisieren.

Michael von Websky [BMU]:

Ich wollte nur die Gelegenheit benutzen, um Frau Tamayo zu bitten, uns und den anderen Industriestaaten zu helfen, wie man diese Vertragsverhältnisse mit den Industriestaaten gestaltet INBio hat einen hohen Wissensvorsprung. Und es herrscht eine beklagenswerte Geheimniskrämerei vor. Es ist uns bisher nicht gelungen, diese Vertragstexte zu bekommen und ich kann das eigentlich schlecht verstehen. Sie haben das heute wieder bestätigt. Welche Motive gibt es eigentlich dafür, daß uns auch die vielen anderen Verträge, die Sie jetzt schon haben, nicht zur Verfügung stehen, damit wir sie besser verstehen können? Welche wesentlichen Absprachen gibt es denn und wie funktioniert das?

Crescentia Freudling [Pesticide Action Network, Fürth]:

Da will ich gleich Mal einen Versuch machen Ihnen, Herr von Websky, zu antworten. Die eine Schiene könnte jetzt sein, immer darauf zu drängen, daß genau die Inhalte von dem INBio-Vertrag bekannt werden. Aber ein anderer Weg kann doch sein - und den finde ich schneller zum Ziel führend: Es gibt auch hier in der BRD genügend Fachleute, die für Firmen oder für Klienten Verträge aushandeln. Diese Fachleute wissen längst, was in solchen Verträgen steht und was damit konkret abgemacht wird. Ich verstehe nicht, nur auf die eine Karte zu setzen. Wir müssen doch einfach bedenken, da geht es um künftige Geschäfte und das gibt man nicht einfach so preis.

Frau Werner :

Ich wollte auch noch mal ganz kurz auf den Vertrag zwischen Merck und INBio zurückkommen, wo uns schon der Industrievertreter darauf hingewiesen hat, daß die Preise, zu denen die genetischen Ressourcen , die Prospektionsrechte oder was auch immer veräußert würde, doch „peanuts" seien. Ich möchte fragen, ob das überhaupt noch konventionskonform ist, ob das nicht schon Verschleuderung von Bioressourcen ist. Also grundsätzlich, ob man sich darüber einmal Gedanken machen sollte, anstatt den Vertrag über alle Maßen zu loben und zu sagen, endlich gibt es da mal jemand, der nicht einfach Raubbau betreibt, sondern sich vielleicht an kleine Spielregeln hält. Aber sind diese Spielregeln wirklich eingehalten?

Thomas Weidenbach [WDR, Köln]:

Also mich würde interessieren, anschließend auch an das, was Herr Dr. Naumann von BAYER AG gesagt hat. Wenn 250.000 $ oder 1 Mill. $ für die BAYER AG, was ich gut nachvollziehen kann, „peanuts" sind, dann hätte ich gerne von Ihnen gewußt , was für Sie denn im Sinne von einem Benefit-sharing tatsächlich reelle Zahlen wären, die von der Industrie zu bezahlen wären? Und ich hätte auch ganz gerne gewußt, wie viele Kooperationsverträge es auch von BAYER AG gibt, wo mehr als 250.000 $ an Entwicklungsländer gezahlt werden?

Klaus Naumann [BAYER AG]:

Es ist noch gar kein Produkt da, um das es geht, sondern man redet über Optionen, über Chancen. Das heißt, um die Chance wahrzunehmen, muß man testen, muß man screenen und das, was INBio liefert, sind Testsubstanzen, von denen keiner weiß, ob sie für irgend etwas geeignet sind. Die Chancen sind gering, die Chance 1:10.000 ist einigermaßen sehr günstig angesetzt. Die Realität ist in der Regel erheblich schlechter: im Falle vom Screening von Mikroorganismen muß man mit einer Chance von 1:40.000 bis 1:50.000 rechnen. D.h., es ist ein hoch riskantes Spiel. Da ist es manchmal fast aussichtsreicher, im Lotto zu spielen, im Vergleich zum Aufwand, der getrieben werden muß. Wenn Sie 10.000 Tests, Proben, Testextrakte nehmen - irgendeine Zahl, ich weiß nicht genau, wieviel - , so kann es sehr gut sein, daß bei 10.000 Testsubstanzen keine einzige - auch nur im entferntesten geeignet ist für irgendwas.

Es gibt einen internationalen Testsubstanzenmarkt von synthetischen Testsubstanzen, die man sich kaufen kann, die aus diversen Laboratorien der Welt kommen, und für Naturstoffe, die aus diversen Ländern der Welt kommen, aus Rußland, auch aus Deutschland. Und dafür gibt es quasi Marktpreise. Da geht es im Testsubstanzenmarkt um 1 mg zu 1$, um es mal ganz grob zu sagen. Bei Naturstoffen ist es vielleicht um wenige Faktoren höher und da bleibt man ungefähr in dem Rahmen. Das bin ich bereit auszugeben, die geringen Chancen, die da vorhanden sind, wahrzunehmen. Ich prüfe das durch und dann muß ich feststellen - in den meisten Fällen war nichts dabei. Wenn man Glück hat, ist was dabei und dann hat man eine neue Phase. Was ist dann, wenn wir Glück gehabt haben und etwas gefunden haben? Das ist dann in solchen Verträgen als weitere Option mit eingebaut. Wenn der Fall da ist, dann wird entweder neu verhandelt oder es besteht Verhandlungspflicht oder es sind möglicherweise Royalities, Royalitybereiche mit eingebaut. Das ist aber von Vertrag zu Vertrag sehr unterschiedlich. Aber wie gesagt, es geht um Chancensuche oder um Chancenwahrnehmung, es gibt keine Garantie dabei.

Gudrun Henne [ECOTERRA, Berlin]: Moderatorin

Jetzt wissen wir immer noch nicht so recht, was ein richtiges INBio-Labor kosten würde. Ich will das gar nicht vertiefen. Ich fände es interessant, vielleicht noch mal die Frage auf folgendes zu lenken: Einerseits wird von der Industrie immer das Nichtinteresse ein bißchen bekundet, andererseits ist es aber so, daß man liest, daß 25% der pharmazeutischen Mittel Naturstoffe enthalten oder auf Pflanzenbasis entwickelt worden sind. INBio ist auch ein Beweis dafür, daß ein grundsätzliches Interesse besteht.

Die Frage ist, denke ich mir, wie kann man welche Modelle gerecht gestalten? Es sind ja sowohl die Industrie als auch die Indigenen als auch der Staat, die eine win-win-situation haben wollen und ich denke, das ist der Punkt. Wie können wir so etwas machen? Wenn alle einen guten Willen dazu aufbringen, dann müßte man ja eigentlich in die richtige Richtung kommen. Ich hätte noch einmal den persönlichen Wunsch, Darell Posey zu fragen und dann noch mal Giselle Tamayo, welche Verbesserungen möglich sind. Also an Darell, was würde er sich wünschen, wie ein Modell aussehen könnte für Brasilien, was er sich vorstellen könnte als Zusammenarbeitsmöglichkeit. Und Giselle vielleicht noch mal, warum die Verträge geheim sind, das wissen wir auch noch nicht und was sie sich an Verbesserungen vorstellen könnte. Und dann vielleicht noch mal die beiden flankierenden Abgeordneten.

Darell Posey [Institut für Ethnobiologie Amazoniens,

Belem/Brasilien]:

Modelle, Ideen. Nun gut, die allererste Idee ist recht einfach. Da wurde von einer romantischen Sichtweise gesprochen. Wir sind weit von einem Romantizismus entfernt, denn die indigenen und traditionellen Gemeinschaften existieren wirklich und sie werden unter Druck gesetzt, Beziehungen zu Unternehmen aufzubauen und alternative Produkte zu entwickeln, weil ein Leben in der gewohnten Weise nicht mehr möglich ist. Das ist die Realität. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es nach meiner Kenntnis keine Unternehmen, die genügend Sensibilität auf brächten, um mit Gemeinschaften zusammenzuarbeiten. Ich kenne zwei recht bekannte Ansätze in Brasilien: von Shaman Pharmaceuticals und von Body Shop. Zwischen Body Shop und den Kayapó-Indios gibt es bereits eine zehnjährige Beziehung. In den vergangenen Jahren hat es viele Probleme gegeben, weil das Unternehmen von seiner Struktur her nicht fähig ist, mit den lokalen Verhältnissen adäquat umzugehen. Beispielsweise wird da eine Zusammenarbeit mit einem Unternehmen vereinbart. Ein Vertreter der Firma ist dann ein oder zwei Monate oder ein Jahr vor Ort. Danach wird die Person wieder abgezogen und arbeitet in einer anderen Abteilung weiter. Die Personen, die die Verhältnisse gut kennen, die die Kontakte zu den Gemeinschaften halten, sind dann plötzlich weg. Danach ist es für ein Unternehmen sehr schwierig, die Beziehungen zu der Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. Ich kenne das Problem von beiden Seiten. Vielleicht sollte das ökonomische Interesse gleichzeitig an ein soziales Interesse geknüpft werden. Die Ökonomen und die Unternehmen denken nur an den monetären Gewinn und nicht an den sozialen Gewinn. Dann sind die Möglichkeiten, ein Projekt mit den Gemeinschaften einzurichten, sehr gering, weil die Investition in die Menschen von beiden Seiten sehr groß sein müßte.

Zum Thema der Rechte. Ich bin der Auffassung, das rechtlich bindende Verträge als Verhandlungsbasis ausreichend wären, um mit den Gemeinschaften zusammenzuarbeiten, wenn dies auf der Basis der Gleichheit geschieht und für beide Seiten Zugang zum Rechtssystem vorhanden ist. Z.B. ist unabhängig von der Frage des geistigen Eigentums eine Ungleichheit bezüglich des Zugangs zum Rechtssystem und zu Rechtsmitteln festzustellen. Wir sind gerade dabei, für ein Unternehmen, das mit einer Gemeinschaft zusammenarbeiten möchte, einen „trust fund" einzurichten. Das ist ein Garantiefonds für die Gemeinschaft, um so juristische Hilfe und Rat einholen zu können. In diesem Fall richtet das Unternehmen einen Fonds ein und gibt damit der Gemeinschaft die Möglichkeit, den Prozeß juristisch abzusichern. Zumindest gibt es dann als „upfront payment" oder „trust fund" Geld, das die Gemeinschaften für einen Rechtsanwalt als ihren Interessensvertreter nutzen können. Das wäre eine sinnvolle und notwendige Einrichtung und würde zumindest die Ernsthaftigkeit des Unternehmens unterstreichen. Von Beginn an sollten diese Prinzipien des Austauschverhältnisses von beiden Seiten angestrebt werden.

Der dritte Punkt ist die Einrichtung einer Prüf- und Monitoringinstanz als Person oder Institution, z.B. eine NRO, die von beiden Seiten bestimmt wird und die im Rahmen des Vertrages prüfen und als Mediator zwischen der Gemeinschaft und dem Unternehmen fungieren könnte. Dadurch würde der Prozeß gerechter ausgestaltet.

Giselle Tamayo [INBio]:

Ich würde mich gerne dazu äußern, aber zuerst möchte ich noch etwas anderes anmerken. Hier ist ständig die Rede von dem INBio-Modell. Ich habe von Anfang an versucht, klar zu stellen, daß Costa Rica ein besonderes Land innerhalb Mittelamerika und m.E. auch innerhalb Lateinamerikas ist. Dieses Modell - was ich nicht Modell, sondern lieber Beispiel nenne - entspringt unserem spezifischen Kontext in Costa Rica und ist an unsere Rahmenbedingungen angepaßt. Zu glauben, daß dieses Beispiel in anderen Ländern gleichermaßen angewandt werden könnte, ist sehr voreingenommen, sehr ambitiös und in gewissem Maße nicht operabel. Vor allem wenn wir von indigenen Gemeinschaften reden. Ich habe versucht darzustellen, daß sich INBio bisher der Zusammenarbeit mit indigenen Gemeinschaften enthalten hat, weil es sehr problematisch ist. Innerhalb des Landes gibt es noch keine definierte Politik zu diesem Bereich. Im Gegensatz dazu gibt es schon seit vielen Jahren eine Naturschutzpolitik. Das ist auch der Grund, warum wir uns eher auf die Schutzgebiete konzentrieren. Ich würde es bevorzugen - und ich bitte Sie recht herzlich - INBio nicht als Modell anzusehen. Es ist kein Modell - es ist ein Beispiel. Wir hoffen, daß uns eines Tages - sagen wir in zehn Jahren - die Geschichte zeigt, daß unser Handeln gut gewesen ist. Vielleicht haben wir auch einige Fehler in der Vergangenheit begangen - das ist gut möglich, bisher wissen wir das nicht. Jedoch sagen uns die Indikatoren, daß die bisher erreichten Ergebnisse in Richtung eines erfolgversprechenden Weges weisen.

Zu der Frage, ob die Verträge öffentlich gemacht werden können, möchte ich sagen, daß normalerweise in vielen Verträgen eine Klausel über die Vertraulichkeit des Inhalts befindet. Aber was ist vertraulich? Das einzige, was vertraulich ist, sind die Anzahl, die Namen und die Charakteristika der Proben - und das ist logischerweise so. Der Rest der Verträge, die wir abgeschlossen haben, ist bestens bekannt. Es ist
öffentlich, daß wir mit Pflanzen und Insekten in Naturschutzgebieten
arbeiten. Das hat übrigens einen Grund, warum wir in den Schutzgebieten arbeiten, weil es bedeutet, zu den Quellen zurückzukehren. Es ist einem Unternehmen mit den gelieferten Proben möglich, den Prozeß bis zu einem bestimmten Punkt durchzuführen, jedoch können sie nicht zu früheren Entwicklungsstufen zurückkehren. Wenn sie also mehr Material wollen, müssen sie uns kontaktieren und wir kehren dann an die Quelle zurück, um mehr Material einer bestimmten Art zu sammeln. Im englischen Sprachgebrauch nennt man das „resupply". Wir versuchen diesen durch ein gutes Inventar zu gewährleisten, damit später sämtliche Experimente wiederholt werden können. Weltweit hat es zahlreiche Experimente mit erfolgversprechenden Wirkstoffen für Medikamente gegeben, allerdings als man zur Quelle zurückkehren wollte, konnte der „resupply" nicht garantiert werden.

Zusammenfassend möchte ich sagen: alles, was im Merck-Vertrag vertraulich ist, hat mit dem Know-how zu tun, das wir transferieren. Und Merck schickt uns ihre Protokolle, die ebenfalls geheim sind. Die Anzahl der Proben und deren Identität sind vertraulich, aber der gesamte Rest ist bekannt. Nebenbei gibt es sehr viele Beispiele von Modellverträgen, wie es Frau Freudling auch ansprach. es wurde auch ein Buch mit dem Titel „Bioprospecting" herausgegeben mit einem ganzen Kapitel von Sara Laird vom World Resources Institute, in dem verschiedene Verträge vorgestellt werden. Auch wir können andere Modellverträge zur Verfügung stellen. Einzig der Originalvertrag mit Merck ist vertraulich.

Ein anderer Punkt war der Kommentar, daß 250.000 US $ oder eine Millonen US $ Peanuts sind. Nun, dazu möchte ich sagen, daß es sich auch um eine sehr begrenzte Anzahl von Proben handelt, die vertraglich festgelegt worden ist. Wir würden uns gerne mit BAYER an einen Tisch setzen, um darüber zu reden, bis zu welchem Grad die Großzügigkeit eines Pharmaunternehmens geht.

Was wollen wir als INBio? INBio - und die Prospektierungsaktivitäten im besonderen - ist auf die Zukunft angelegt. Wir möchten allmählich fortschreiten, wir möchten die Technologien und unserer Kenntnisse über die Bioessays weiterentwickeln. Es ist ein sehr langwieriger und kostspieliger Prozeß. Herr Berg sagte es bereits. Wir benötigen die Klugheit zu sagen, bis hierhin und nicht weiter, weil wir - die Costaricaner - nicht 230 Mill US $ für die Entdeckung und Entwicklung und das Screening von Medikamenten aufbringen können und wollen. Im Gegenteil, wir wollen das zahlen, was wir auch zahlen können und die Unternehmen sollen mit den teuren und schwierigen Bereichen der Forschung fortfahren, allerdings in dem ein Rückfluß von Gewinnen künftig festgelegt ist. Unser Ziel ist es, in einem Zeitraum von 5 Jahren eigene Programmen bei INBio zu entwickeln. Das ist der Weg, den wir eingeschlagen haben.

Marina Steindor [MdB, Bündnis 90/Die Grünen]:

Ich fand die Ausführungen von dem Herrn von der BAYER AG sehr bemerkenswert. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann haben Sie ja praktisch dafür plädiert, daß die Proben, die Costa Rica liefert, erstmal nur zu Marktpreisen vergütet werden und wenn man das durchrechnet - das müßte jetzt die Dame von INBio einmal ausrechnen, - wäre das, nachdem was ich gehört habe, sogar weniger als das, was Merck zur Zeit als Vorschuß bezahlt. Vielleicht gab es ein Mißverständnis, daß diese Millionen schon das benefit sharing ist, was antizipiert, daß eine Substanz ein ökonomischer Renner als Medikament wird. Ich glaube, daß ist eher in den geheimen Paragraphen enthalten, von denen wir hier jetzt nichts erfahren.

Einen Punkt möchte ich noch betonen, das hat der Rechtsspezialist nochmals deutlich gemacht. Für mich hat das INBio-Projekt insofern ein bißchen einen Beigeschmack als daß es von Seiten der USA in der Absicht mitgetragen wird, einen Kontrapunkt gegen die Konvention überhaupt zu setzen. Nach dem Motto „Wir brauchen keine Konvention, unsere große Merck AG macht das alles selber und wirkt segensreich in freiwilliger Selbstverpflichtung." Jetzt haben wir diese Konvention und ich habe außerordentliche Bedenken. Ich habe schon zwei Punkte angeführt, wo diese Konvention unterlaufen wird. Ich möchte nochmals betonen, daß ich das Gefühl habe, daß die Nationalstaaten - und wir diskutieren das ja auf den Vertragsstaatenkonferenzen - nicht so schnell bei der Sache sind, rechtliche Regelungen zu schaffen, was dem Zugang zu ihren biologischen Ressourcen betrifft. Ich hatte ein Beispiel genannt, das sogar in die falsche Richtung geht, was sehr betrüblich ist. Und was kommt bei diesem Bioprospecting heraus? Was ist der Effekt? Nach dem Motto „Es geht gar nicht um das Ziel, es geht um den Weg", daß in einer ökotechnischen Art und Weise das Inventar des Regenwaldes monetarisiert, gemessen, gewogen, bewertet wird und damit einer wirtschaftlichen Verwertung und einer Nützlichkeitsbewertung unterzogen wird. In der ganzen Bewertung der Konvention sind im übrigen diese beiden Blickrichtungen auf den Naturschutz drin: in der Präambel steht die Formulierung, die Natur zu schützen ist auch ein Wert an sich. Auf der anderen Seite geht es um die nachhaltige Nutzung und meiner Meinung nach überwiegt durch dieses Bioprospecting sehr stark die Nutzung. Das macht mir große Sorge, inwiefern es da zu einem weiteren Zurückdrängen von nicht verwerteten Naturschutzarealen kommt. Gerade auf den großen Regenwäldern lasten ja wirklich immense Begehrlichkeiten. In Brasilien ist das sehr stark. Dann kommt noch dazu, daß sehr viel Material bereits in Genbanken liegt, was noch nicht voll durch sequentiert ist und was derzeit überhaupt nicht unter die Konvention fällt.

Matthias Weisheit [MdB, SPD]:

Ich teile diese Bedenken, allerdings befürchte ich natürlich auch, daß diese Entwicklung nicht aufzuhalten ist. Der Schutz um des Regenwaldes willen ohne den wirtschaftlichen Aspekt, den kann ich mir in dieser Welt nicht vorstellen. Das mag zynisch klingen, aber ich sehe das inzwischen so, daß man tatsächlich nur in Verbindung mit wirtschaftlicher Nutzung diesen Schutz überhaupt hinkriegen kann und bin dann eigentlich ganz froh, wenn es Beispiele gibt, die dann sicherlich weiterentwickelt werden können und von anderen Staaten mit andern Grundlagen anders aussehen können und aussehen müssen. Auch das Beispiel dafür, daß zumindest ein Teil jedes benefits wieder in diesem Land selber zu investieren ist. Und was mir dann als Schlußbemerkung auch noch wichtig ist: Die Beteiligung der Indigenen wäre schon ein Punkt, der unbedingt auch angepackt werden muß und da ist wiederum die Frage: wie läßt sich das in diesen Staaten organisieren? Das ist für mich die Grundfrage.

Inwieweit ist die Regierung eines Nationalstaates bereit, das überhaupt zu tun oder sieht sie darin nicht auch z.T. Störenfriede der wirtschaft-
lichen Entwicklung ihres Landes?

Gudrun Henne [ECOTERRA, Berlin]: Moderatorin

Ich werde mich noch in einem Schlußwort versuchen. Was ich gelernt habe, ist eigentlich: die Vielfalt der Aspekte ist doch sehr groß und man muß immer aufpassen, wenn man über das eine redet, das andere nicht ins Hintertreffen geraten zu lassen. Auch geht es um eine Zusammen-
arbeit, um ein ernsthaftes Interesse, zwischen den verschiedenen - politologisch bezeichnet - Akteuren in dem Dreieck Nutzung Schutz der biologischen Vielfalt und Respektierung der Rechte indigener Völker und lokaler Bevölkerung zusammenzuarbeiten.

Ich denke, in diesem magischen Dreieck bewegen wir uns hier und ich wollte nochmals an die Konvention erinnern, deren Lektüre uns schon Herr von Websky ans Herz gelegt hat, die durchdrungen ist von dem Versuch, das auszugleichen.


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