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Lehren für Mittel- und Osteuropa

Für die künftigen Mitgliedstaaten der Union in Mittel- und Osteuropa könnte der keltische Tiger ein Signal der Hoffnung sein. Im September 2000 präsentierte die Zeitschrift „Business Central Europe„ das irische Modell in diesem Sinn ihrer postkommunistischen Leserschaft als Titelstory. In der Tat zeigt es, dass ein armes Land die Einkommensleiter innerhalb der EU nach oben klettern kann. Gegenwärtig befinden sich die Beitrittsländer noch am unteren Ende der Leiter und die Aufstiegsgeschwindigkeit (=Wachstum) liegt meist weit unter den irischen Raten.

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Schwierige Angleichung der Einkommen

Das Beispiel der ärmeren Mitgliedstaaten und Irlands macht deutlich, dass die Einkommensangleichung mehrere Dimensionen aufweist:

  1. Den Anstieg des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in nationaler Währung (oder in Euro);

  2. Den Anstieg des nominalen Bruttosozialprodukts (BSP) in nationaler Währung (oder in Euro);

  3. Die Bewahrung der Kaufkraft dieses nominalen Einkommens und

  4. Die Aufwertung der nationalen Währung

Irland ist zwar – gemessen am BIP/Kopf - inzwischen das viertreichste Land der EU, aber gemessen im BSP/Kopf ist es das viertärmste der EU. Denn ein erheblicher Teil dieses Einkommens fließt an Ausländer, ohne dass entsprechende Einkommen von Iren aus dem Ausland diesen Abfluss ausglichen. Für den wirklichen Wohlstand ist jedoch das Einkommen der Bürger selbst wichtig. Auch eine Migrationsentscheidung hängt sicher davon ab, wie viel ein Beschäftigter verdient und weniger davon, wie viel Profit rechnerisch auf seinen Arbeitsplatz entfällt. Ob hochprofitable Unternehmen auch angemessene Löhne zahlen, ergibt sich letztlich mehr aus der gesamten Arbeitsmarktlage des Landes oder der Region. In der Regel muss erst eine kritische Masse profitabler Investitionen überschritten werden, so dass die Arbeitskraft sich verknappt, um zu einem allgemeinen Lohnanstieg zu führen. Die Kunst verantwortungsvoller Einkommenspolitik besteht darin, die Löhne so anzuheben, dass möglichst wenig Desinvestitionen stattfinden (außer der am wenigsten produktiven Unternehmen).

Der nominale Anstieg der Einkommen darf andererseits nicht durch Preisanstiege wider zunichte gemacht werden. Solche Preisanpassungen sind aber zu erwarten, wenn man die gewaltigen Kaufkraftunterschiede zwischen Mittel- und Osteuropa und der EU betrachtet. Die Unterschiede zwischen Wechselkurs und Kaufkraftparität sind noch deutlich höher als innerhalb der EU zwischen reichen und ärmeren Ländern. Teilt man die beiden rechten Spalten der Tabelle 1, so liegt der Quotient für die Beitrittsländer bei durchschnittlich 2,4. Die Kaufkraft ist in Mittel- und Osteuropa also noch mehr als doppelt so hoch wie in der EU. Innerhalb der EU (d.h. im Verhältnis der Peripherie zum EU-Durchschnitt) liegt der Quotient dagegen bei 1,4. In Portugal sank er in den letzten zwanzig Jahren von 1,9 auf 1,5, in Griechenland von 1,4 auf 1,3. Entsprechende Anpassungen in Mittel- und Osteuropa würden die Realeinkommen kräftig kürzen und den Migrationsdruck erhöhen.

Eine Bewahrung der höheren lokalen Kaufkraft ist daher wünschenswert. Da ein wichtiger Teil der Güter und Dienstleistungen einer Volkswirtschaft nicht handelbar ist, bleiben auch in einem Binnenmarkt mit einheitlicher Währung noch deutliche Preisunterschiede. In ärmeren Ländern sind lokale Dienstleistungen, Wohnungen und Produkte, die nur auf lokalen Märkten gehandelt werden, billiger als in reicheren Ländern. Sie können u.a. deshalb billiger sein, weil die Arbeit zu ihrer Erstellung geringer entlohnt wird als in den reicheren Ländern. Es sind diese Unterschiede, die den Aufenthalt dort preiswerter machen. Tourismus und Zuwanderung aus reichen in (w)arme Mitgliedstaaten bringen die globale Nachfrage zum lokalen Angebot. Der damit verbundene „Dienstleistungsexport„ trägt dazu bei, auch auf dem Gebiet der nicht handelbaren Güter ein einheitliches Preisniveau herzustellen. Wollen die Beitrittsländer ihren Kaufkraftvorteil wahren, müssten sie versuchen, lokale Märkte (etwa für Immobilien) zu schützen. Dies wird aber in einem einheitlichen Binnenmarkt und bei deutlich niedrigeren Transport- und Transaktionskosten (Wegfall der Grenzkontrollen, Ausbau der Verkehrswege) immer schwieriger, wenn nicht unmöglich.

Niedrigere Preise auf lokalen Märkten bedeuten aber oft auch niedrige Nominaleinkommen für lokale Produzenten und Arbeitnehmer, z.B. im Staatssektor. Im Sinne der inneren Kohäsion sollten auch die Beschäftigten dieser geschützten Sektoren am Produktivitätswachstum teilhaben. In der Regel steigt die Produktivität bei der Herstellung nicht handelbarer Güter nicht so rasch wie etwa in den für den Export produzierenden Unternehmen (im irischen Fall vor allem Töchter der multinationalen Unternehmen). Wenn die Produzenten dieser lokalen Güter und Dienstleistungen auch am Produktivitätszuwachs teilhaben sollen, so müssen ihre Preise und Einkommen steigen. Damit steigt sogar ihre nominale Produktivität, da die Wertschöpfung eines Friseurs eben seinem Einkommen entspricht und dieses steigt, wenn er bei gleichen Kosten seine Preise anheben kann.

Eine naheliegende Politik zur Streuung der Produktivitätsgewinne ist ihre Besteuerung und anschließende Verausgabung im öffentlichen Sektor, um dessen Lohnentwicklung an den Exportsektor anzupassen. Eine solche Politik dient auch dem regionalen Ausgleich, wenn öffentliche Dienstleistungen in der Fläche angeboten werden. Diese Umverteilungspolitik gewinnt dann besonders an Bedeutung, wenn die hochproduktiven Sektoren ihre potentiell immer billigeren Produkte überwiegend exportieren [Im Fall Irland exportierten die ausländischen Unternehmen zumindest zeitweise 98% ihrer Produktion; vgl. O’Hearn, a.a.O., S.56.] und die Preissenkungen somit nicht zur Steigerung des Realeinkommens im exportierenden Land (z.B. Irland) beitragen. Eine durchschnittlich höhere Inflation ist also eine notwendige Begleiterscheinung des wünschenswerten Wachstums.

Sinkt die Kaufkraft aufgrund der Integration oder interner Einkommensangleichung an, so müssen die nominalen Einkommen zunehmen. Solche Lohnanstiege, die nicht durch Abwertungen ausgeglichen werden, gefährden aber die Wettbewerbsfähigkeit gerade arbeitsintensiver Produktion in den Beitrittsländern. Tritt dieser Fall ein, so stellen in einem System flexibler Wechselkurse Abwertungen die preisliche Wettbewerbsfähigkeit wieder her. Umgekehrt haben sich ärmere Länder in der Peripherie der EU vor allem durch Aufwertung ihrer Währung dem Einkommensniveau der reicheren Länder genähert, so lange die Wechselkurse noch flexibel waren. Eine Studie des ungarischen Instituts für Weltwirtschaft [Vgl. Annamaria Artner and Andras Inotai „Chances of Closing the Development Gap. A Statistical Approach„ Institute for World Economics Working Papers Nr. 80, Budapest 1997] schätzt, dass weniger als 25% der Angleichung durch Einkommenszuwächse in nationaler Währung erfolgten, der überwiegende Teil durch Aufwertung. In der Währungsunion ist dieser Weg versperrt Es bleibt dann nur die „Inflationierung„ der Einkommen in Euro bzw. in einer Übergangszeit in der an den Euro gekoppelten nationalen Währung.

Im Gegensatz zu Irland, wo die Nominaleinkommen steigen können, müssen die fragileren Ökonomien Mittel- und Osteuropas in der Frage des realen Wechselkurses und der ihm zugrunde liegenden Verhältnisse heimischer Inflation und Entwicklung des Außenwertes der Währung vorsichtig sein. Zu Beginn des Systemwandels 1990/91 hatten die Transformationsländer in weiser Selbsteinschätzung der geringen Wettbewerbsfähigkeit ihrer Staatswirtschaften ihre Währungen massiv abgewertet und damit die Einkommensunterschiede (vor allem in Wechselkursen berechnet) deutlich vergrößert, natürlich in der Absicht, günstigere Startbedingungen für den Aufholprozess zu schaffen.

In der Tat haben sie dadurch sogar zeitweise Exportüberschüsse erzielt. Anschließend kam es jedoch zu realen Aufwertungen, vor allem durch eine höhere Inflation als beim Handelspartner EU, aber auch durch Aufwertung der nationalen Währung. In der Folge stiegen die Zahlungsbilanzdefizite, die zeitweise durch starke Kapitalzuflüsse, sowohl Portfolio- wie Direktinvestitionen, begleitet, verstärkt und finanziert wurden. Dies war etwa das Problem Tschechiens und Ungarns Mitte der 90er Jahre, als sie in Zahlungsbilanz- und Finanzkrisen gerieten, als die realen Produktivitäts- und Wachstumsfortschritte hinter den Erwartungen der Investoren zurückblieb und deren Vertrauen nachließ. Die damals durchgeführten Zwangsbremsungen des Wirtschaftswachstums haben dazu geführt, dass diese beiden Favoriten in Mittel- und Osteuropa heute immer noch nicht das Einkommensniveau von 1989 erreicht haben – im Gegensatz zu Polen, Slowenien oder der Slowakei [Vgl. EBRD „Transition Report 2000„, London 2000, S. 65] .

Während der längeren Phase, in der die aufholenden Länder noch große Produktivitätsrückstände aufweisen, geht es darum, die Währungspolitik so zu gestalten, dass die Exporte wettbewerbsfähig bleiben und das Land für Investoren attraktiv bleibt, ohne aber den eigenen Status dauerhaft nur als Standort kostengünstiger Niedriglohnproduktion festzuschreiben. Daraus ergibt sich eine erste Konsequenz aus dem irischen Modell für die Integration der Länder Mittel- und Osteuropas. Sie sollten noch für längere Zeit eine unabhängige Währung und eventuell sogar Begrenzungen der Konvertibilität behalten [So argumentiert etwa der polnische Experte Lucjan T. Orlowski „Capital Inflows and Convertibility in the Transforming Economies of Central Europe" in Hubert Gabrisch und Rüdiger Pohl (eds.) „EU Enlargement and its Macroeconomic Effects in Eastern Europe. Currencies, Prices, Investment and Competitiveness" Basingstoke/London 1999, S. 116-150.] . Damit sind sie nicht nur in der Lage, Inflationsdifferentiale zur EU durch Abwertung auszugleichen, sondern auch den Prozess der Einkommensangleichung durch Aufwertung statt durch lokale Inflation zu vollziehen. Dieses Verfahren schützt vor Kritik der EU wie jüngst im Fall Irland und folgt dem historisch typischen Pfad anderer Länder. Der flexible Wechselkurs, der allerdings nicht völlig dem Spieltrieb der internationalen Finanzmärkte überlassen sein sollte, bietet die Möglichkeit, die konjunkturellen Schwankungen und asymmetrischen Schocks abzufedern, die jeden Wachstumsprozess zwangsläufig begleiten.

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Abhängige Modernisierung durch Auslandsinvestitionen

Jede langfristige Angleichung der Realeinkommen muss auf entsprechenden Produktivitätssteigerungen beruhen. Aufwertungsdruck ist das Problem der erfolgreichen Länder. Aber wie erzielt man als armes Land dieses Wachstum, vor allem der Produktivität, das sich dann international als Aufholprozess per realer Aufwertung darstellt? Irland bietet dafür ein Modell, das in seiner Zwiespältigkeit für die Osterweiterung wichtige Lehren erlaubt.

Der Erfolg des keltischen Tigers ist ein Musterfall des Wachstums unter den Bedingungen der Globalisierung. Irland ist es gelungen, auf seinem Territorium Teile der globalen Wertschöpfungsketten multinationaler Produktionsnetzwerke zu konzentrieren, indem es Steuererleichterungen, preiswerte Arbeitskräfte, gute Infrastruktur und Zugang zum großen EU-Markt anbot. Es hat dazu auch Mittel aus den Struktur- und Kohäsionsfonds der EU geschickt genutzt, um etwa Arbeitskräfte auszubilden. Im Ergebnis sind ausländische Investitionen für einen überdurchschnittlichen Teil des irischen Wachstums, der Investitionen und Exporte verantwortlich. In dieser Einseitigkeit ist ein solcher Prozess bei einer relativ kleinen Volkswirtschaft eher vorstellbar als in einem Wirtschaftsraum der Größe Ostmitteleuropas. Irland gleicht in diesem Sinn mehr einer Region als einer klassischen Volkswirtschaft, deren Wachstum überwiegend von endogenen Faktoren bestimmt wird. [Vgl. Paul Krugman „Good News from Ireland: A Geographical Perspective„ in: Alan W. Gray (ed.) „International Perspectives on the Irish Economy" Dublin 1997, S.38 ff.]

In Mittel- und Osteuropa versucht vor allem Ungarn, diesen Weg zu verfolgen. Es hat bei weitem die höchsten ausländischen Direktinvestitionen (ADI). Sein ADI-Bestand pro Kopf liegt bei 1654 ECU [Vgl. EU Kommission „Enlargement Strategy Paper. Report on progress towards accession by each of the candidate countries„ Brüssel 2000, Annex 2] ; die gesamten ADI aus der EU in Ungarn beliefen sich bis 1997 auf 8,12 Milliarden ECU [Vgl. Daniel Piazolo „EU Integration of Transition Countries: Overlap of Requisites and Remaining Tasks„ in intereconomics November/December 2000, S. 267 (Table 1).] , womit sie knapp vor Tschechien und Polen lagen. Durchschnittlich erhielt Ungarn jährlich etwa 3-4% seines BIP als ADI, wobei diese Quote gelegentlich auch deutlich höher lag (1995 etwa bei ca. 10%). 1999 lag der kumulierte Gesamtbestand der ADI im Vergleich zum BIP in Ungarn mit 40% und in Tschechien mit über 30% höher als 1997 in Irland (23%), während das allerdings deutlich größere Polen nur etwa 18% aufwies. ADI waren für 80% der Investitionen in der verarbeitenden Industrie in Ungarn, für zwei Drittel ihres Outputs und für drei Viertel ihrer Exporte verantwortlich. [Vgl. Michael Landesmann „Structural Change in the Transition Economies 1989-1999" in UN-ECE „Economic Survey of Europe„ 2000 Nr.2/3, Genf 2000, S. 112f.] Geht man von einer durchschnittlichen Bruttoinvestitionsquote von etwa 20% des BIP aus, so machen ADI zwischen der Hälfte und einem Siebtel der Investitionen in Ungarn aus.

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Irland und den MOE-Ländern liegt in der Natur der ADI. In Irland handelt es sich überwiegend um sog. greenfield Investitionen für die Exportproduktion, wie sich am Investitionsvolumen pro Beschäftigten zeigt, das zehnmal so hoch wie ADI in Deutschland ist. [Vgl. Frank Barry u.a. „Indigenous and Foreign Industry: Characteristics and Performance" in Frank Barry (ed.), a.a.O., S.46.] Ausländische Investoren in Mittel- und Osteuropa kauften dagegen oft vorhandene (Staats-)Unternehmen im Zuge der Privatisierung. Dieses Potential ist inzwischen weitgehend ausgeschöpft. Die Beitrittsländer scheuen davor zurück, ihren übrigen Vermögensmarkt (Immobilien) sofort ausländischen Investoren zu öffnen.

Diese Daten scheinen darauf hinzudeuten, dass zumindest einige Länder Mittel- und Osteuropas die Chance haben, den irischen Weg zu verfolgen. Aber es ist fraglich, ob die realistisch für Mittel- und Osteuropa zu erwartenden Auslandsinvestitionen ausreichen, den Aufholprozess für die ganze Region zu tragen. Zwar betragen die weltweiten ADI etwa 800-1200 Mrd. USD/Jahr [Vgl. Economist Intelligence Unit „World Investment Prospects" zitiert im Economist v. 24.2.2001, S.90.] , aber dies umfasst einen großen Teil von transnationalen Fusionen und Übernahmen, deren Wert durch die hohen Börsenkurse der letzten Jahre aufgebläht ist [Vgl. Michael Wortmann „What is new about „global" corporations? Interpreting statistical data on corporate internationalisation" WZB discussion paper, Berlin 2000.] . Schätzungen [Vgl. Andrzej Breszki und Enrico Colombatto „Can Eastern Europe Catch Up?„ in: Post Communist Economies Vol. 11, Nr. 1 March 1999, S. 11] für den Kapitalbedarf der sechs Länder Bulgarien, Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechien, Ungarn liegen dagegen bei 450 Milliarden USD jährlich zwischen 1993-2030, wobei die Investitionssumme von 187 Milliarden 2000 bis 1100 Milliarden 2030 wächst. Allein für Ungarn betrügen die entsprechenden Werte 22 Milliarden USD bis 95 Milliarden USD (Durchschnitt 44 Milliarden USD).

So hohe Investitionsquoten sind kaum vorstellbar, vielleicht aber auch nicht nötig, wenn man einige der wachstumstheoretischen Prämissen dieser Schätzungen modifiziert. Die Autoren der Schätzung legen zuviel Wert auf das physische Kapital und unterschätzen die Bedeutung des Wissenstransfers [Vgl. Paul Romer „Idea gaps and object gaps in economic development„ in: Journal of Monetary Economics Vol.32 (1993) S. 543-573] . Wachstum hängt aber immer mehr vom Erwerb und der Anwendung technischen und organisatorischen Wissens ab, das zwar teilweise in Kapitalgütern inkorporiert ist, aber nicht unmittelbar mit der Investitionssumme korreliert. ADI sind daher weniger wegen der durch sie vermittelten externen Ersparnis wichtig als wegen des know-hows in Produktion, Management, Marketing etc., das sie mitbringen.

Eine auf ausländische Investitionen und EU-Strukturhilfen abgestellte Aufholstrategie steht vor einem doppelten Dilemma. In der Investitionsphase droht eine Überbewertung der Währung wegen der massiven Kapitalzuflüsse. Aufwertung und Preissteigerungen beschleunigen die Angleichung der Einkommen. Sie gefährden aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen. Später müssen Exportüberschüsse erzielt werden, um den Transfer der Gewinneinkommen real zu ermöglichen. In dieser zweiten Phase öffnet sich die Schere zwischen dem BSP und dem BIP. In Ungarn (für das bei der OECD leider keine BSP-Daten vorliegen) kann man schon jetzt einen relativ hohen Einkommenstransfer ins Ausland feststellen. In den letzten Jahren lag er immer um 0,4 Billionen Forint bei einem Bruttoinlandsprodukt von über 6 Billionen Forint, also schon über 6% des BIP (zum Vergleich: der irische Wert liegt bei über 10%).

Diese Aufholstrategie erfolgreich umzusetzen, wird schwierig genug werden. Das Beispiel Irlands zeigt nicht zuletzt, dass die Schieflage der funktionalen und regionalen Einkommensverteilung beim Prozess abhängigen Wachstums erst einmal zunimmt. Damit erhöhen sich die Risiken sozialer und politischer Instabilität, die vor allem Populisten von links und rechts gern nutzen. Schon der bisherige Transformationsprozess war von solchen Versuchungen geprägt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2000

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