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[Seite der Druckausg.: 21(Fortsetzung)]


4. Schluß: Mission Impossible?

Insgesamt ist die erste Jahresbilanz des UN-Mandats in einigen Punkten unbefriedigend, angesichts des Umfangs der Aufgaben und der schwierigen Ausgangsbedingungen jedoch durchaus achtbar. Als Maßstab ist dabei nicht nur der Idealtyp westlicher Staatsführung zugrundezulegen, sondern auch die Verhältnisse der letzten 12 Jahre. Ein Großteil der UNMIK-Probleme resultiert aus der Vorgabe der Resolution 1244, Kosovo als Bestandteil Jugoslawiens zu erhalten. Die pragmatische und weitgehende Auslegung des Autonomiebegriffs hat hier teilweise Abhilfe geschaffen, löst aber nicht das Grundproblem.

Auch wenn sich die Utopie eines multi-ethnischen Kosovo als illusorisch erwies, ist der Grundsatz der friedlichen Koexistenz die einzig mögliche Grundlage für ein dauerhaftes internationales Engagement. Die Lösung der gesellschaftlichen Kernaufgabe – der Bildung einer modernen Nation und die dadurch bedingte Legitimierung staatlicher Gewalt kann jedoch nicht von außen kommen, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um die eher unwahrscheinliche jugoslawische Option unter Einbeziehung der Kosovaren oder um eine eigenständig kosovarische unter Einbeziehung aller Minderheiten handeln wird. Sie bleibt die Aufgabe der kosovarischen albanischen und serbischen Gesellschaft(en) und ihrer Eliten.

Unter diesen Bedingungen bleibt die Fortsetzung des bisherigen Kompromißweges also der oben beschriebenen Option (3) auf absehbare Zeit ohne Alternative. Diese könnte man gerade gegenüber den Verfechtern der Unabhängigkeit als „Unabhängigkeit auf Probe„ vermitteln unter der Bedingung, daß allen Kosovaren ein Heimatrecht im Kosovo zugebilligt wird. Dabei sollte es einerseits stärkere Garantien dafür geben, daß keine endgültige Statusentscheidung gegen den Willen der Kosovaren getroffen wird, andererseits aber deutlich gemacht werden, daß die konkrete Ausgestaltung dieser Lösung durchaus vom Verhalten aller Beteiligten zueinander abhängig sein wird.

Der Übergabe möglichst vieler Autonomiefunktionen an die Kosovaren ist dabei durch ein letztinstanzliches Korrektiv seitens KFOR und UNMIK zu begleiten. Notfalls haben letztere auch

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politisch nicht opportune Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen. Nach einem Jahr sind die Voraussetzungen hierfür besser geworden.

Vor allem muß deutlich werden, daß Blockadepolitiken und Provokationen nicht zur Belohnung durch Zugeständnisse der internationalen Gemeinschaft, sondern im Gegenteil zur Verschlechterung der Verhandlungsposition der jeweiligen Verursacher beitragen.

Folgende Prinzipien könnten aus heutiger Sicht den erfolgreichen Abschluß des UN-Mandats befördern:

  • eine politisch garantierte choice option, die den Kosovaren eine Wahlmöglichkeit über den endgültigen Status Kosovos zubilligt, verbunden mit der Auflage, daß diese erst zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem die Entscheidung wie immer sie auch ausfallen mag den Frieden nicht erneut gefährdet. Diese „weiche„ Sicherheitsgarantie könnte durch die im UN-Sicherheitsrat vertretenen KFOR-Staaten erfolgen, da gegen deren Veto das Mandat der Resolution 1244 nicht außer Kraft gesetzt werden kann, und/oder auch Bestandteil des geplanten Kontrakts mit der UNMIK sein.

  • die weitestgehende Übertragung von Autonomiefunktionen an die Kosovaren, um diese verantwortlich und rechenschaftspflichtig gegenüber der eigenen Klientel und der internationalen Gemeinschaft zu machen.

  • klare politische Konditionen für eine eventuelle Unabhängigkeit, auf die sich die dafür optierenden Kosovo-Eliten frühzeitig festzulegen hätten. Diese beträfen zum einen die Unantastbarkeit der Grenzen der Nachbarstaaten, zum anderen die Menschenrechte aller Kosovaren unabhängig von ihrer Ethnizität.

  • Anreize zur friedlichen ethnischen Koexistenz durch eindeutige politische Signale, die choice option zum gegebenen Zeitpunkt konkret so auszugestalten, daß kooperatives Verhalten belohnt wird. Dies bedeutet, gegenüber den Kosovo-Albanern auch die Option der Teilung Kosovos grundsätzlich offenzuhalten und die Zwischenzeit als Monitoringphase zu nutzen („Unabhängigkeit auf Probe„).

  • die zunehmende Bindung der Hilfszusagen an Konditionen, um Eigenanstrengungen zu befördern, den Kosovo den Transformationsländern Südosteuropas gleichzustellen und keine Anreize für moral hazard zu geben.

  • die Beibehaltung eines letztinstanzlichen Korrektivs durch UNMIK unter Nutzung von Personal- und Eigentumsentscheidungen als „weiche„ Sanktionen, da sich diese in allen Transformationsländern mit schwachen Institutionen als die entscheidenden Machtinstrumente erwiesen haben. Dies würde ein Recht der UNMIK bedeuten, die Inhaber wichtiger Posten in Verwaltung und öffentlicher Unternehmen abberufen zu können, wenn sie nachweislich gegen die festgelegten politischen Konditionen verstoßen. Dazu ist eine prioritäre Bearbeitung der offenen Eigentumsfragen unabdingbar.

  • die Gewährleistung einer sicheren Finanzierungsgrundlage von UNMIK, notfalls unter Hintanstellung bilateraler Hilfsprogramme. Die Finanzierung sollte auch eine vernünftigen Be-

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    zahlung der Angehörigen kosovarischer Sicherheitskräfte sicherstellen, um nicht unnötig Korruptions- und Loyalitätskonflikte heraufzubeschwören.

  • die längerfristige Entsendung von UNMIK- und KFOR-Personal, um kostspielige Lernprozesse nicht ständig zu wiederholen und die Verwaltung effizienter zu machen.

  • ein verstärkter Dialog zwischen UNMIK und den Kosovaren auf allen Ebenen, um berechtigte und unberechtigte Kritik vorzubringen, die vermeidbaren und unvermeidbaren Härten zu vermitteln sowie das Verständnis für die vielfältigen Restriktionen des UN-Mandats zu schaffen.

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2000

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