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Vorbemerkung des Herausgebers

Manchen Lesern, sofern sie etwa nicht die Artikelserie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung "What's right?" verfolgt haben, wird unter Umständen gar nicht konkret vor Augen stehen, wer mit der Neuen Rechten, die in dieser Broschüre behandelt wird, gemeint ist. Es ist eine relativ uneinheitliche, diffuse und schwer eingrenzbare Gruppierung von Intellektuellen, deren Einfluß nicht leicht faßbar ist. Zu ihr gehören Pseudokonservative wie Zitelmann, Weißmann, Großheim auf der einen Seite, Redakteure und Mitarbeiter rechter Zeitschriften wie "Criticon", "Junge Freiheit" und "Mut" auf der anderen Seite. Als Galionsfiguren tauchen immer wieder auf Ernst Nolte mit seiner These vom logischen und faktischen Prius des Stalinismus gegenüber dem Nationalsozialismus sowie der Literat Botho Strauß mit seinem Essay vom "anschwellenden Bocksgesang".

Vieles, was diese Leute schreiben, und vieles aus dem Umfeld, in dem sie schreiben, ist oder scheint doch ganz unverfänglich zu sein, so daß man die Frage stellen könnte, ob es sich überhaupt lohnt, sich mit diesem Häuflein von Außenseitern kritisch auseinanderzusetzen. Da sie ihre Thesen aber im Kontext seriöser und arrivierter Wissenschaftler und Publizisten veröffentlichen und da es ihre erklärte Absicht ist, mit ihrem Einsatz gegen die Westbindung der Bundesrepublik, gegen die Vernachlässigung der Nation und gegen den Verzicht auf Großmachtpolitik die kulturelle Hegemonie in unserem geeinten Lande zu erobern, sollte man doch genauer hinsehen und analysieren, was da als Interpretament für unsere Geschichte und Anweisung für die aktuelle und künftige Politik propagiert wird.

Herr Professor Dr. Hans-Ulrich Wehler von der Universität Bielefeld hat diese Problematik am 2. Februar 1995 unter dem dialektisch formulierten Titel "Angst vor der Macht? Die Machtlust der Neuen Rechten" vor dem Gesprächskreis Geschichte der Friedrich-Ebert-Stiftung behandelt. In diesem Vortrag hat er unter die Neue Rechte auch eine Reihe bekannter Wissenschaftler subsumiert, die man gemeinhin eher als (liberal-)konservativ bezeichnet. Der Altmeister der Sozial- bzw. Gesellschaftsgeschichte in Deutschland und Mitbegründer der "Bielefelder Schule" ist dabei

seiner Maxime treu geblieben, neben der Erarbeitung großer historischer Werke engagiert und zugespitzt zu großen historisch-politischen Tagesfragen Stellung zu nehmen. Er hat dabei in pointiertem Zugriff Tendenzen in Zeitgeschichte und Politik herausgearbeitet, die manchen Leser(inne)n bei der Lektüre kaum oder gar nicht aufgefallen wären. Daß dies das Ergebnis eines schleichenden Wandels in der politischen Semantik und einer nachlassenden Sensibilität im neuen, geeinten Deutschland ist, wurde in der Diskussion als wesentliches Moment herausgestellt. Der Vortragende nahm bewußt das Risiko in Kauf, die relativ sicheren Bereiche der Fachwissenschaft zu verlassen und sich zu ganz konkreten innen- und außenpolitischen Tages- und Zukunftsfragen zu äußern, in der aufklärerischen Hoffnung, damit das Entscheidende anzustoßen - eine lange, offene, rationale Debatte über die zukünftige Gestaltung des geeinten Deutschland in einem größeren Europa unter Berücksichtigung der Interessen der nicht oder weniger industrialisierten Länder.

Um diesen gewiß auf manchen Widerspruch treffenden Vortrag einem breiteren Leserkreis zugänglich zu machen, legen wir ihn hiermit in geringfügig überarbeiteter Fassung gedruckt vor.

Bonn, im Februar 1995 Dr. Dieter Dowe

Leiter des

Historischen Forschungszentrums


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1998

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