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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: 74 (Fortsetzung)] Zusammenfassung und Schlußfolgerungen Begriffe und Definitionen Unter Vermögenspolitik wird die Beeinflussung der personellen Vermögensverteilung in Richtung einer Verminderung des Konzentrationsgrades verstanden, häufig mit Schwerpunkt auf das Produktivvermögen Neben einer ganzen Reihe anderer Maßnahmen und Instrumente sind Investivlöhne, Gewinn- und Kapitalbeteiligungen der Arbeitnehmer Optionen der Vermögenspolitik. In Deutschland dominiert seit langer Zeit der Begriff Investivlohn mit vermögenspolitischer Zielrichtung. Unter Investivlöhnen werden traditionell zusätzlich zum produktivitätsorientierten Barlohn vom Arbeitgeber zu zahlende Lohnbestandteile verstanden, die über einen bestimmten Zeitraum in einem Spektrum zulässiger Anlageformen gespart werden, u.a. können sie in (Real-) Kapitalbeteiligungen angelegt werden. Gegenüber der reinen produktivitätsorientierten Barlohnpolitik kommt es hierbei auf die Zusätzlichkeit des Sparens der Arbeitnehmer an. In letzter Zeit ist dieses Kriterium in den Hintergrund gerückt. Man kann vier Arten von Investivlöhnen unterscheiden: betriebliche Investivlöhne werden (überwiegend) im arbeitgebenden Unternehmen angelegt, überbetriebliche Investivlöhne werden in überbetriebliche Fonds eingespeist, und schließlich sind Investivlöhne möglich, die in Vorsorgefonds für die Alterssicherung angelegt werden. In einer weiteren Variante, die mehr der Praxis der deutschen Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand entspricht, wird unabhängig von Kapitalbeteiligungen eher allgemeine Sparförderung in einem breiten Spektrum von individuell auszuwählenden Sparformen betrieben. In diesem Fall wäre es zutreffender, von Sparlöhnen statt von Investivlöhnen zu sprechen. Gewinnbeteiligung im Sinne von profit-sharing wird seitens der OECD als eine Form der Entlohnung der Arbeitnehmer verstanden, die vom Erfolg des jeweiligen Unternehmens abhängig ist, vorab fest vereinbart wird und der gesamten Belegschaft bzw. größeren Teilen zufließt. Ob dabei der feste Grundlohn abgesenkt wird, wie es Weitzman vorschlägt, bleibt offen. Gewinnbeteiligungen in diesem Sinne gibt es in drei Formen: als sofortige Cash-Auszahlung zur freien Verfügung der Arbeitnehmer, als Kapitalbeteiligung am arbeitgebenden Unternehmen oder als aufgeschobene" Gewinnbeteiligung, die die Arbeitnehmer als Bargeld oder Kapitalanteil erst nach einer Sperrfrist erhalten. In diesem Sinne wird auch PEPPER verstanden (Promotion of Employee [Seite der Druckausg.: 75] Participation Profits and Enterprise Results"). Zumindest die Form der bargeldmäßigen" Gewinnbeteiligung hat mit Vermögenspolitik nichts zu tun. Die deutsche Vermögensbildungspolitik für Arbeitnehmer fällt, genau genommen, nicht unter PEPPER oder profit-sharing, da sie nicht an den jeweiligen Unternehmenserfolg gebunden ist. Aus dem gleichen Grund sind Mitarbeiterbeteiligungen (employee ownership) nicht ohne weiteres als PEPPER-Maßnahme einzuordnen. Fünf Ziele Investivlöhne, Gewinn- und Kapitalbeteiligungen sollen im allgemeinen fünf Zielen dienen: verteilungspolitische Ziele (in Deutschland vor allem hinsichtlich der Vermögensverteilung), sozialpolitische Ziele (z.B. Altersvorsorge), unternehmenspolitische Ziele (z B Flexibilisierung der Arbeitskosten, Kapitalmobilisierung), gesamtwirtschaftliche Ziele (zB Produktivitätsförderung, Beschäftigungsziele) sowie demokratie- und gesellschaftspolitische Ziele (z.B. Abbau der Ungleichheit, mehr Wirtschaftsdemokratie, Gesellschaft von Teilhabern" [L.Erhard]). In den letzten Jahren hat sich in der deutschen Diskussion eine deutliche Zielverschiebung ergeben: Die Unternehmens- sowie die sozialpolitischen Ziele, namentlich die Verbesserung der Altersvorsorge, sind ins Zentrum gerückt. In den angelsächsischen Ländern haben vermögenspolitische Ziele ohnehin traditionell eine geringere Rolle gespielt. Die ursprünglichen gesellschaftspolitischen Ziele, die man seit über 100 Jahren mit Gewinn- und Vermögensbeteiligungen verband und die teilweise als Kernstück von grundlegenden Sozialreformen verstanden wurden, haben ihre Bedeutung weitgehend eingebüßt. Sie werden heute eher als illusionär, wenn nicht als ideologisch angesehen. Gleichwohl herrscht vielfach noch die Meinung vor, die fünf Ziele könnten mehr oder minder gleichzeitig erreicht werden. Ob die Maßnahmen überhaupt zur Zielerreichung tauglich sind und ob Zielkonflikte vorliegen, wurde viel zu wenig untersucht Deutschland im Ländervergleich Im internationalen Vergleich wurden die EU-Länder und die USA untersucht. Die Situation in Kanada ähnelt der in den USA. In Japan gibt es zwar einen großen Anteil an Bonuszahlungen, die scheinbar Gewinnbeteiligungen, faktisch jedoch relativ feste Einkommensbestandteile sind. Japan wurde aus der Betrachtung ausgeklammert. Neben der Bundesrepublik existieren nur drei Länder mit starker Verbreitung von Beteiligungssystemen vom Typ Investivlöhne, Gewinn- oder Kapitalbeteiligungen: Frankreich, Großbritannien und die USA. In nahezu allen anderen betrachteten Ländern gibt es zwar auch ähnliche Systeme, die überwiegend staatlich gefördert werden, jedoch ist die Bedeutung und Verbreitung eher gering. In Schweden haben sich die Arbeitnehmerfonds, die konzeptionell in den 70er Jahren von Meidner entworfen wurden, nicht durchsetzen können. In den 80er Jahren wurden sie in stark veränderter Form zur Unterstützung der Alterssicherung eingerichtet, und seit Beginn der 90er Jahre fließen den eingerichteten Fonds keine Mittel mehr zu. [Seite der Druckausg.: 76] Frankreich ist das Land mit der größten Tradition in bezug auf Gewinn- und Kapitalbeteiligungen, die besonders von gaullistischen Politikern - eher gegen die Arbeitgeber und Gewerkschaften - vorangetrieben wurden. Seit 1959 gibt es Intéressement, eine vom Unternehmensgewinn abhängige, bar ausgezählte Prämie, deren Höhe auf betrieblicher Ebene ausgehandelt wird. Sie gilt für rund 2,5 Mio. Arbeitnehmer. Seit 1967 existiert eine durch Gesetz obligatorische Gewinnabgabe für alle Unternehmen ab 100 Mitarbeitern (seit 1990 ab 50) - participation. Sie wird überwiegend nach einer vorgegebenen Formel in Abhängigkeit vom Gewinn berechnet. Die Mittel werden in einen betrieblichen Fonds eingezahlt und i.d.R. für 5 Jahre in verschiedenen, frei wählbaren Formen angelegt, zu etwa einem Drittel in Kapitalbeteiligungen am arbeitgebenden Betrieb. Rund 5,1 Mio. Arbeitnehmer der insgesamt knapp 19 Mio. französischen Arbeitnehmer profitieren von participation. Interéssement und participation sind unabhängig von der normalen Entlohnung. Bezogen auf das Jahreseinkommen liegt die gewinnabhängige Entlohnung, die steuerlich stark gefordert wird, bei nicht mehr als 4-7 % des Jahreseinkommen, In den USA dominiert die Beteiligung der Arbeitnehmer am arbeitgebenden Unternehmen über spezielle Fonds, die überwiegend der Altersvorsorge dienen. Die Mittel dieser aufgeschobenen Gewinnbeteiligung sind vorwiegend langfristig angelegt. Etwa 15 % der Arbeitnehmer sind am arbeitgebenden Unternehmen kapitalmäßig beteiligt, mehr als in jedem anderen Land (Deutschland: ca. 6,6 %) Der überwiegende Teil der Gewinn- und Kapitalbeteiligungspläne ist von der Gewinnentwicklung des jeweiligen Unternehmens abhängig, obwohl es vielfach keine fest vereinbarten Beteiligungsformeln gibt, sondern diskretionär entschieden wird. Die US-Arbeitnehmer besitzen - Schätzungen zufolge - 9 % des gesamten Aktienvermögens. Dies muß vor dem Hintergrund des niedrigen Niveaus der gesetzlichen Rentenversicherung in den USA gesehen werden. In Großbritannien wird rund ein Viertel der Arbeitnehmer durch Gewinn- und Kapitalbeteiligungen in irgendeiner Form begünstigt. Es dominieren gewinnabhängige Bargeldzahlungen und Beteiligungen am arbeitgebenden Unternehmen. Die Altersvorsorge steht ebensowenig wie die allgemeine Sparförderung im Vordergrund, vielmehr geht es stärker um variable Entlohnungsformen. Hinzu kam der Wunsch der Thatcher-Regierung, die Akzeptanz für Privatisierungen von Staatsunternehmen bei den Arbeitnehmern durch Kapitalbeteiligungen zu erhöhen. Die gewinnabhängigen, variablen Einkommensbestandteile machen nicht mehr als etwa 2-5% der Arbeitnehmereinkommen aus. In Deutschland gibt es praktisch kein profit-sharing bzw. keine PEPPER-Systeme im Sinne des engen Bezugs auf die Gewinnentwicklung im arbeitgebenden Unternehmen. Vielmehr hat sich ein flächendeckendes System der Arbeitnehmer-Sparförderung etabliert, das es in dieser Form in keinem anderen Land gibt. Allerdings existieren in zahlreichen anderen Ländern Maßnahmen zur Sparförderung aller Teile der Bevölkerung. Die Tatsache, daß derzeit etwa 80 % der Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen beziehen, resultiert vor allem aus dem System der Flächentarifverträge; die staatliche Förderung kam überwiegend den unteren Einkommensschichten zugute. Nur 10 % der vermögenswirksamen Leistungen wird in Produktivvermögen angelegt, Bausparen und Lebensversicherungen dominieren. Einerseits scheint dies die Präferenzen der Arbeitnehmer [Seite der Druckausg.: 77] widerzuspiegeln, andererseits hat auch die Mehrzahl der Unternehmen kein großes Interesse an Kapitalbeteiligungen der Mitarbeiter. Für die Kapitalbeschaffung sind Mitarbeiterbeteiligungen i.d.R. unbedeutend. Ob das Arbeitnehmer-Sparen zusätzlich zum normalen Sparen erfolgt, ob die vermögenswirksamen Leistungen additiv oder substitutiv seitens der Arbeitgeber gezahlt werden, läßt sich kaum feststellen. Da das mit vermögenswirksamen Leistungen verbundene Sparen nur einen geringen Teil des Arbeitnehmer-Sparens insgesamt ausmacht (DM 700 p a. oder 2,2 % des Nettojahreslohns), bestehen Zweifel, ob tatsächlich - im Durchschnitt der Arbeitnehmerschaft -von zusätzlichem Sparen gesprochen werden kann Der Einfluß des Systems vermögenswirksamer Leistungen auf die Verteilung von Produktivvermögen dürfte gering sein. Insgesamt sind gut 2 Mio. Arbeitnehmer an etwa 2.500 Unternehmen beteiligt, überwiegend durch Belegschaftsaktien. Geringe Zielerreichung Mißt man die verschiedenen Beteiligungssysteme an den oben genannten Zielen, dann läßt sich -von wenigen Ausnahmen abgesehen - ein geringer Zielerreichungsgrad konstatieren. Nur in den USA wird das anvisierte Ziel, die Ausbesserung der Altersversorgung, tatsächlich erreicht. Freilich ist damit keineswegs gesagt, daß diese Variante der kapitalgedeckten Altersvorsorge die überlegene ist. Trotz geringerer Beteiligung der deutschen Arbeitnehmer am Produktivvermögen haben sie aufgrund der gesetzlichen beitragsfinanzierten Altersversorgung hohe, rechtlich begründete Ansprüche an dieses System. Setzt man in der Alterssicherung auf das Kapitaldeckungsverfahren, erreicht man zwangsläufig eine größere absolute und nominale Arbeitnehmerbeteiligung am Produktivvermögen. Über die Verteilung des Produktivvermögens ist damit natürlich noch nichts gesagt. Überdies besteht die Gefahr erheblicher Kurssteigerungen (assel price Inflation). In Deutschland ist trotz jahrzehntelanger Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand keine Veränderung der Produktivvermögensbeteiligung erkennbar. Man muß wohl eingestehen, daß weder der Gesetzgeber noch die Gewerkschaften noch die Mehrheit der Arbeitnehmer dies ernsthaft je gewollt hat - die Prioritäten waren eben anders gesetzt. Allerdings hat sich bei anderen Vermögensarten, vor allem beim Wohneigentum und bei Lebensversicherungen, eine deutliche absolute Verbesserung ergeben. Möglicherweise hat sich das Sparen und die Geldvermögensbildung, selbst wenn sie vorwiegend dem Ansparen für Konsumgüterkäufe diente, für unteren Einkommensschichten erhöht (staatliche Sparpädagogik"). Das unzulängliche statistische Material läßt aber nicht erkennen, ob sich bei diesen Vermögensformen die Verteilung zugunsten der Arbeitnehmer verändert hat. Bislang konnten auch die Unternehmen ihre Hoffnung auf Flexibilisierung der Arbeitskosten nicht bestätigt sehen; in keinem der betrachteten Länder erreichen die variablen Lohnbestandteile ein Ausmaß, das über fünf bis sieben Prozentpunkte hinausgeht. Nennenswerte Einflüsse auf den gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsgrad wie auch auf die konjunkturellen Beschäftigungsschwankungen sind nirgendwo erkennbar; in einigen Ländern scheint sich eine leichte Anhebung der Produktivitätsdynamik infolge der Beteiligungssysteme ergeben zu haben. Aber der empirische Befund ist selbst hier nicht ganz sicher. Die großen gesellschaftspolitischen Ziele wurden [Seite der Druckausg.: 78] nicht erreicht. Quantitativ relevante Tendenzen zur einer Gesellschaft von Teilhabern" oder zu weniger sozialer Ungleichheit infolge der Einführung von Beteiligungssystemen sind nicht zu erkennen. Andererseits existieren zahlreiche lohn-, personal- und organisationspolitischen Maßnahmen in den Unternehmen, um die Arbeitnehmer - auch ohne die hier diskutierten Beteiligungsysteme - zu aktiven, kreativen und produktivitätssteigernden Mitarbeitern zu motivieren. Theoretische Modelle Es gibt eine ganze Reihe von Konzeptionen für Investivlöhne, Gewinn- und Kapitalbeteiligungen, die theoretisch ganz unterschiedlich fundiert sind und auch jeweils andere Ziele verfolgen. Sechs Investivlohnmodelle werden resümiert und ein Gewinn- bzw. Kapitalbeteiligungsmodell ausführlich erörtert Vor allem das international viel diskutierte Weitzman-Modell der share-economy, das praktisch als blue-print für alle Varianten von Gewinnbeteiligungsmodellen und Lohnflexibili-sierungsideen angesehen werden kann, hält einer kritischen Betrachtung nicht stand. Sieht man von den schwedischen Arbeitnehmerfonds einmal ab, dann wird die Diskussion von den folgenden sechs Investivlohnkonzeptionen bestimmt: (1) Bei unveränderter Art der Lohnbildung sollten gemäß dieser Konzeption die Arbeitnehmer veranlaßt werden, einen größeren Teil ihrer Barlöhne in Form von Beteiligungen am Produktivvermögen anzulegen. Das Sparen würde zulasten anderer Sparformen gehen, und möglicherweise würde die Sparquote der Arbeitnehmer ansteigen. Daß dadurch schädliche makroökonomische Nebenwirkungen entstehen, wird nicht erwartet. Durch das Beteiligungssparen der Arbeitnehmer ändert sich schrittweise die Verteilung des Produktivvermögens, außerdem erzielen die Arbeitnehmer Gewinneinkommen, wodurch auf lange Sicht höhere Renditen als aus anderen Sparformen erwartet werden. Da keine Chancen für eine umverteilende Lohnpolitik gesehen werden, ist dies die einzige Möglichkeit, die personelle Einkommensverteilung arbeitnehmerorientiert zu beeinflussen. (2) Vermehrtes Sparen der Arbeitnehmer führe zu höherer Kapitalbildung, höherem Wirtschaftswachstum und steigender Beschäftigung, außerdem verändere sich die Vermögens- und daraus resultierend auch die Einkommensverteilung zugunsten der Arbeitnehmer. Dieser Vorstellung liegen einfache, überwiegend klassische Annahmen über den kausalen Zusammenhang von Sparen und Investieren zugrunde, die theoretisch und empirisch kaum haltbar sind. (3) Aus der Kreislauftheorie der Verteilung folgt, daß zusätzliches Sparen der Arbeitnehmer, das über die ansonsten realisierten Lohnzuwächse hinausgeht, inflationsneutral bleibt und die Einkommens- und Vermögensverteilung gegenüber einer Entwicklung mit produktivitätsorientierter Lohnpolitik verbessert. Die Unternehmen müssen allerdings Renditeeinbußen hinnehmen und einen größeren Teil ihrer Investitionen aus Ersparnissen der Arbeitnehmer finanzieren. Die Konzeption zielt auf Einkommens- und Vermögensumverteilung zugunsten der Arbeitnehmer, nicht auf mehr Beschäftigung und höheres Wachstum. Der Schwachpunkt liegt in der Annahme, die Inve- [Seite der Druckausg.: 79] stitionen seien relativ renditenunabhängig (4) Bei regionalen und sektoralen Strukturkrisen, in denen es sanierungsfähigen Unternehmen an Gewinn und Eigenkapital mangelt, können die Arbeitnehmer auf einen Teil des Barlohnes verzichten und statt dessen betriebliche Kapitalbeteiligungen eingehen oder über überbetriebliche Fonds sich an notleidenden Unternehmen beteiligen. Ziel ist die Stabilisierung dieser Unternehmen. Gesamtwirtschaftliche Beschäftigungseffekte sind nicht zu erwarten, aber regionale oder sektorale Verbesserungen. Die Arbeitnehmerbeteiligungen sind zumindest kurz- und mittelfristig nicht renditeorientiert ausgerichtet. (5) Mithilfe eines Tariffondsmodells, wie es von der Gewerkschaft Bauen, Agrar und Umwelt vorgeschlagen wird, können die Einkommens- und Vermögenssituation der Arbeitnehmer des Tarifgebietes verbessert und eventuelle strukturpolitische Ziele erreicht werden. Die Arbeitgeber zahlen zusätzlich zu den üblichen Barlöhnen tariflich vereinbarte Beträge in Abhängigkeit von der Nettowertschöpfung der Unternehmen in einen Tariffonds, ersatzweise in eine schon existierende Kapitalanlagegesellschaft. Die Arbeitnehmer werden an dem Fonds beteiligt. Die Gelder werden rendite- und sicherheitsorientiert teils in der Branche, teils außerhalb, teils in Immobilien angelegt und erst nach einigen Jahren zur Auszahlung freigegeben (6) In einer Branche werden Tariffonds eingerichtet, in die die Arbeitnehmer einen festen Anteil ihres Nettoeinkommens abführen, der eventuell durch einen Beitrag des Arbeitgebers aufgestockt wird. Die Sparlöhne sollen Steuer- und abgabenfrei sein, damit Sparanreize geschaffen werden. Die Gelder werden regionalen Pensions-Sondervermögen zugerührt und dienen der ergänzenden Altersvorsorge. Steuerlich sollen die Pensions-Sondervermögen den Direkt-Lebensversicherungen gleichgestellt werden. Dieses Modell erhöht die Produktivvermögensbeteiligung der Arbeitnehmer und stärkt die Altersvorsorge, jedoch unterliegt man den Risiken des Kapitaldeckungsverfahrens. Weitzmans Beteiligungsmodell soll nicht nur Vollbeschäftigung garantieren, sondern auch die Entfremdung der Arbeitnehmer in der Arbeitswelt abbauen und die Produktivität steigern. Die Veränderung der Einkommens- und Vermögensverteilung ist nicht Gegenstand dieser Konzeption. Im Kern geht es um die Abkehr vom Festlohnsystem, indem ein niedriger fester Grundlohn und ein gewinnabhängiger variabler Lohn vereinbart werden. Weitzman geht von einem Modell monopolistischer Konkurrenz aus, in dem die Unternehmen durch Preissenkung auf der Basis niedrigerer Grenzkosten ihren Absatz ausdehnen können; dagegen ist der Arbeitsmarkt durch Wettbewerb gekennzeichnet Die Konzeption ist nur im Rahmen eines standardkeynesianischen makroökonomischen Modells stimmig, das letztlich auf der Wirksamkeit von nachfrageregulie-renden Realkasseneffekten beruht. Überdies schafft das Beteiligungssystem auch Anreize für die Beschäftigten, einer Produktionsausweitung Widerstand entgegenzusetzen; daher muß Weitzman Mitbestimmung der Arbeitnehmer ausschließen. Letztlich führt die Lohnflexibilisierung von Weitzman zu stärker nach oben wie nach unten schwankenden Löhnen, die sowohl inflationär wie deflationär wirken. Eine Lohnkostenverstetigung würde nicht erreicht. Dieser Einwand gilt für alle Lohnsysteme, unabhängig von Weitzmans Modellkonstruktion, die auf einen niedrigen Grundlohn und hohe erfolgsabhängige Bonuszahlungen setzt. Dieser Einwand gilt auch für die [Seite der Druckausg.: 80] Flexibilisierungsvorschläge einiger Arbeitgeberverbände in Deutschland, die einen größeren Entgeltanteil - in Abkehr vom Flächentarifvertrag - vom Unternehmensgewinn abhängig machen wollen. Anders als Weitzman will Sinn auf der Basis neoldassischer Überlegungen das Reallohnniveau senken, um mehr Beschäftigung zu schaffen. Der Vorschlag zielt nicht auf die Veränderung der Einkommens- und Vermögensverteilung. Damit die Beschäftigten eine allgemeine Reallohnsenkung akzeptieren, erhalten sie eine Kapitalbeteiligung (Aktien statt Lohn"). Dies gilt jedoch nicht für die Arbeitslosen Damit hätten die Unternehmen einen Anreiz, angesichts niedriger Grenzkosten im Falle der Einstellung von Arbeitslosen zusätzlichen Gewinn zu erwirtschaften. Die Konzeption krankt an den für die Neoklassik charakteristischen Mängeln; u.a. kann nicht erklärt werden, woher die zusätzliche Güternachfrage im Falle der Ausweitung der Beschäftigung kommt. Im übrigen kann der von Sinn erwünschte Effekt auch durch Lohnsubventionen oder abgesenkte Einstiegstarife für Arbeitslose erreicht werden, die jedoch erfahrungsgemäß nicht besonders wirkungsvoll bei der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit sind. In Einzelfällen können die Vorschläge hilfreich sein, aber als gesamtwirtschaftliches Konzept sind sie wenig tauglich. Schlußfolgerungen Aus den Erfahrungen in den betrachteten Ländern lassen sich die folgenden Schlußfolgerungen ziehen: - Kein Beteiligungssystem ist in Sicht, dessen Vorteilhaftigkeit so überzeugend ist, daß es in Deutschland ohne Abstriche eingeführt werden sollte. - Nirgendwo ist erkennbar, daß Investivlöhne oder Gewinn- bzw. Kapitalbeteiligungen gesamtwirtschaftlich relevante positive Beschäftigungseffekte haben. Dies gilt aufgrund theoretischer Überlegungen auch dann, wenn derartige Systeme in größerem Stil Verbreitung fänden. - Nirgendwo werden die fünf dargestellten Ziele gleichzeitig erreicht; meist wird allenfalls ein Ziel erreicht, wobei nicht sicher ist, ob nicht andere Methoden oder Instrumente zur Zielerreichung besser geeignet sind. Wer fünf Ziele gleichzeitig erreichen will, erreicht meistens keines. - Die Zielvorstellungen sollten präzisiert und eine Rangfolge aufgestellt werden. Dabei sind auch Zielkonflikte zu berücksichtigen. Zu bedenken ist beispielsweise, ob eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen wünschenswert ist, wenn dadurch einem anderen Alterssicherungssystem, das möglicherweise höhere Risiken in sich birgt, ein größeres Gewicht zukommt. Unter den Bedingungen hoher Arbeitslosigkeit und reformbedürftiger Altersicherungssysteme kommt dem Ziel der Veränderung der Verteilung des Produktivvermögens im Bewußtsein der Mehrheit der Arbeitnehmer sicher keine hohe eigenständige Priorität zu. Im Rahmen der Diskussion über eine Reform der Alterssicherung ist zu klären, ob ergänzend eine mit Investivlöhnen gespeiste, steuerlich geförderte und tarifvertraglich gesicherte Alterssicherung aufgebaut werden sollte. Ein Nebeneffekt wäre dabei die Steigerung des Anteils der Arbeitnehmer am Produktiv- [Seite der Druckausg.: 81] vermögen. - Eines der Hemmnisse für von Arbeitnehmern gewünschte Beteiligungen am Produktivvermögen sind die Widerstände der Arbeitgeber, teilweise auch der Wirtschaftspolitik, gegen überbetriebliche Beteiligungsfonds. Betriebliche Beteiligungen scheuen viele Arbeitnehmer wegen des doppelten Risikos (Arbeitsplatzrisiko und Verlustrisiken), überbetriebliche Beteiligungen, durch Tarifverträge geregelt, werden blockiert. - Organisatorische und rechtliche Hemmnisse für Kapitalbeteiligungen der Arbeitnehmer am arbeitgebenden Unternehmen sollten abgebaut werden, damit Beteiligungen dort, wo Arbeitnehmer sie wünschen und Unternehmen sie billigen, ermöglicht werden. Hierbei kann die Konstruktion von ESOPs (siehe die Praxis in den USA) oder anderen Fonds sinnvoll sein. Ferner kann durch die Erleichterung von Kapitalbeteiligungen von Arbeitnehmern in manchen Fällen eine Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen gefunden werden (siehe die Beispiele aus den USA). All dies sind jedoch partielle Maßnahmen ohne großes gesamtwirtschaftliches Gewicht. Zu beachten ist freilich, daß die Arbeitnehmerpräferenzen sich zunehmend differenzieren und es immer schwerer fallen wird, einheitliche Lösungen für alle zu finden. Zudem differenzieren sich auch die betrieblichen Problemlagen immer mehr aus. Insofern ist die Schaffung von mehr Optionen für einzelne Gruppen oder Unternehmen wünschenswert, - Der Stellenwert von Vermögenspolitik hat in Deutschland abgenommen, in anderen Ländern war er immer schon niedriger. Entsprechend den Präferenzen der Arbeitnehmer liegt offenbar die Priorität zunächst beim Wohneigentum, dann bei der Alterssicherung (einschließlich Lebensversicherungen) und erst an dritter Stelle bei der Beteiligung am Produktivvermögen. Den vermögenspolitischen Implikationen der Vermögenssteuer, der Erbschaftssteuer oder auch der Einkommensteuer sollte größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. - Eine gezielte Förderung unterer Einkommensgruppen findet in Deutschland im Gegensatz zu allen anderen Ländern statt. Angesichts der geringen Geldvermögensbildung dieser Gruppe erscheint diese Prioritätensetzung sinnvoll. - Eine generelle Lohnflexibilisierung mit Gewinnbeteiligung wird nicht zu den gesamtwirtschaftlichen Vorteilen führen, die man sich aus einzelwirtschaftlicher Sicht erhofft. Die theoretischen Grundlagen derartiger Vorschläge sind nicht belastungsfähig, und die empirischen Analysen konnten bislang die Vorteilhaftigkeit derartiger Entlohnungssysteme nicht nachweisen. Es ist nicht einzusehen, daß PEPPER-Systeme politisch und steuerlich prinzipiell gefördert werden sollten. - Fragwürdig ist die traditionelle Annahme, daß eine stärkere Vermögens-, insbesondere Produktivvermögensbildung der Arbeitnehmer automatisch zu einem besseren Interessen- und Machtausgleich oder unmittelbar zu mehr Demokratie führt. Möglicherweise wird die Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft stärker durch andere Maßnahmen, etwa durch Mitbestimmung der verschiedensten Art, durch bestimmte staatliche Regulierungen (z B. zum Depotstimmrecht der Banken) oder durch tarifvertragliche Vereinbarungen gefördert Schließlich ist das (neo-liberale Leitbild einer Gesellschaft von Teilhabern" so weit von der Realität entfernt, daß es nicht [Seite der Druckausg.: 82] weiter verfolgt werden sollte Die Arbeitnehmer sind in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit in allen betrachteten Ländern nicht auf dem Weg zu Teilhabern", aber es sind auch nicht die passiven, am Erfolg des Unternehmens mehr oder wenig desinteressierten Arbeitnehmer. Insgesamt gilt das ernüchternde Fazit: Investivlöhne, Gewinn- und Kapitalbeteiligungen, wie sie in den verschiedenen Ländern praktiziert werden, halten bei weitem nicht das, was ihre Protagonisten versprechen. Sie werden als Instrumente der Wirtschafts- und Sozialpolitik massiv überschätzt und mit viel zu vielen Ansprüchen überfrachtet. Eine Wunderwaffe gegen zunehmende Vermögenskonzentration, für mehr Einkommensgerechtigkeit, mehr Beschäftigung und höheres Wirtschaftswachstum sind sie wahrlich nicht. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 2001 |