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[Seite der Druckausgabe: 28 / Fortsetzung]


3. Die neue Stellung des Insolvenzverwalters

3.1 Grundsätze zur Sanierung

Die Stellung des Insolvenzverwalters im Rahmen des neuen Insolvenzrechts skizzierte ein Insolvenzverwalter aus den neuen Bundesländern. Er formulierte dazu folgende Thesen:

  1. Der Insolvenzverwalter sei nicht „der Bestatter" eines Insolvenzbetriebes, sondern oftmals nur Überbringer der schlechten Nachricht. Das auf den Konkursrechtler Ernst Jäger zurückgehende Diktum, Konkurs sei der größte Wertvernichter, könne man nicht verallgemeinern. Die Praxis zeige nämlich, daß im Regelfall der Insolvenzantrag erst im letzten Stadium einer bereits lange Zeit zuvor eingetretenen wirtschaftlichen Krise des Unternehmens erfolge. Das Management habe in solchen Fällen oftmals nicht rechtzeitig

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    und nicht mit angemessenen Konzepten auf die Krise reagiert, sondern das Unternehmen bis zur Auszehrung sämtlicher Mittel „ausbluten" lassen.

  1. Die Fortführung der Sanierung eines Unternehmens sei primär ein betriebswirtschaftliches und nicht ein juristisches Problem. Wenn keine Produktionsmittel vorhanden seien oder keine Aufträge mehr eingingen, sei auch der beste Insolvenzverwalter machtlos. Eine durch den Gesetzgeber angeordnete Verpflichtung zur Betriebsfortführung sei überflüssig. Auch nach altem Recht habe ein Konkursverwalter unter der Maxime des Werterhaltes sanierungsfähige Betriebe weitergeführt.

Typische Auslöser für Insolvenzanträge sind seiner Erfahrung nach Situationen wie die folgenden:

  • Einem Unternehmen wird durch Kontopfändung die gesamte Liquidität genommen.

  • Ausgelieferte Waren werden zurückbeordert, und in der Folge stellen die Banken sämtliche Darlehen fällig und kündigen die Verwertung ihrer Sicherheiten an.

Um nach solchen Situationen eine Betrieb weiterführen zu können, seien Sonderrechte für den Verwalter erforderlich, insbesondere Vollstreckungsanordnungen, Kündigungssperren von Miet- und Pachtverträgen und Aufrechnungsverbote. Bei der Einräumung dieser „Sonderrechte" müsse der Gesetzgeber auch die Möglichkeit des Mißbrauchs auf der einen Seite und der Gefahr der Beeinflussungen des Wettbewerbs auf der anderen Seite ins Kalkül ziehen.

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3.2 Die Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren

3.2.1. Insolvenzantrag

Der richtige Zeitpunkt des Insolvenzantrags sei ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Betriebsfortführung. Deshalb habe der Gesetzgeber den neuen Insolvenzgrund der „drohenden Zahlungsunfähigkeit" eingeführt. Der Referent bezweifelte jedoch, ob dies tatsächlich zu den vom Gesetzgeber erhofften frühzeitigen Insolvenzanträgen führen werde. Er begründete seine Skepsis damit, daß in der Vergangenheit Unternehmensleitungen die wirtschaftliche Situation ihres Betriebes nicht adäquat eingeschätzt hätten.

Die Verpflichtung zum Insolvenzantrag sei bereits nach dem alten Recht zumindest bei beschränkt haftenden Gesellschaften ausreichend und haftungsrechtlich sanktioniert gewesen. Die bisherigen Erfahrungen mit dem neuen Insolvenzrecht hätten gezeigt, daß in den wenigen wegen „drohender Zahlungsunfähigkeit" eingeleiteten Verfahren die Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten war.

3.2.2 Abwicklung nicht fortführungsfähiger Betriebe

Der Referent kritisierte, daß der Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht berechtigt sei, das noch vorhandene Restvermögen vor einem Gerichtstermin zu verwerten, auch wenn er erkannt habe, daß eine Fortführung des Betriebes nicht möglich sei. Dieses Problem könnte dadurch gelöst werden, daß das Gericht den Insolvenzverwalter auf Antrag hin zur Verwertung der restlichen Vermögenswerte ermächtige. Allerdings äußerte er Zweifel, ob die Gerichte diesen Weg einschlagen würden.

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3.3 Finanzierung der Betriebsfortführung

In der Praxis liege das Hauptproblem für die Betriebsfortführung in der Liquiditätsbeschaffung, um das Unternehmen wieder handlungsfähig zu machen. Zur Lösung dieses Problems kämen eine Insolvenzgeldvorfinanzierung, Sanie

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rungskredite der involvierten Banken und Vorfinanzierung der Aufträge durch die Auftraggeber in Betracht - in der Regel über spezielle Treuhandkonten des Verwalters. Der Insolvenzverwalter müsse sich verpflichten, diese Kredite nur entsprechend den Vereinbarungen zur Abarbeitung der speziellen Aufträge zu verwenden.

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3.4 Fortführung und Sanierung des Unternehmens durch Insolvenz

Auch wenn der Gesetzgeber im neuen Recht den Insolvenzverwalter weiterhin als das zentrale Organ des Insolvenzverfahrens und der Sanierung ansehe, habe er die Autonomie des Verwalters erheblich beschnitten und die Befugnisse der Gläubigerversammlung und des Schuldners erheblich gestärkt. So könne beispielsweise der Schuldner einer Stillegung des Betriebes „etwa wegen fortlaufender Verluste" widersprechen, so daß das Gericht darüber entscheiden müsse. Dadurch könne sich ein lähmender Gutachterstreit entwickeln. Es sei nicht zu übersehen, daß der Gesetzgeber ein erhebliches Mißtrauen gegenüber den unternehmerischen Fähigkeiten des Insolvenzverwalters erkennen ließe. Als verfahrensverzögernd und sanierungshemmend könne sich insbesondere die nach amerikanischem Vorbild eingeführte Möglichkeit der Sanierung durch einen von den Gläubigern beschlossenen Insolvenzplan auswirken.

Herr dieses Planverfahrens sei die Gläubigerversammlung, auch wenn der Verwalter und der Schuldner ein eigenes Vorlagerecht habe. Die Gläubigerversammlung könne den Verwalter sogar gegen seinen Willen beauftragen, einen Insolvenzplan zu erstellen. Da die Interessen der Beteiligten häufig voneinander abwichen, sei Streit vorprogrammiert. So könne zum Beispiel der Schuldner durch Vorlage eines eigenen Insolvenzplanes, in dem er die Aussetzung der Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse beantragt, die Durchführung des Regelinsolvenzverfahrens behindern.

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Die Hauptform der Sanierung liege weiterhin in der Veräußerung des Betriebes oder betrieblicher Einheiten im Rahmen eines „Asset-Deals" auf einen neuen Unternehmensträger. Nach dem neuen Recht dürfe eine Übertragung auch von Teilbetrieben vor dem Berichterstattungstermin (der z.Z. etwa 4 - 6 Wochen nach Eröffnung des Verfahrens angesetzt wird) nur mit Zustimmung des Gläubigerausschusses erfolgen.

Der Referent betonte, daß die Rechtssprechung bezüglich der alten Gesamtvollstreckungsordnung für das Insolvenzregularium in den neuen Bundesländern Rechtssicherheit geschaffen habe. Die nunmehr nach nicht einmal zehn Jahren auftretende Rechtsunsicherheit durch das neue Insolvenzrecht werde die Bereitschaft der Beteiligten erheblich hemmen, an Betriebsfortführungen und -sanierungen mitzuwirken.

Sein Fazit lautete: Ebenso wenig wie der Insolvenzverwalter in der Vergangenheit der „Bestatter" von Unternehmen gewesen sei, werde er in Zukunft zum neuen „Geburtshelfer" werden. Eine erfolgreiche Sanierung eines Unternehmens hänge wesentlich von der rechtzeitigen Insolvenzantragstellung und den unternehmerischen Fähigkeiten des Verwalters ab.

Ein Insolvenzverwalter fragte, wie der Insolvenzverwalter oder der eingesetzte Sachverständige sich definieren läßt - ob zunächst nur als Gutachter oder als „vorläufiger Verwalter light" oder als „vollwertiger Vorverwalter". Das sei bei den einzelnen Gerichten umstritten. Er habe mit verschiedenen Gerichten unterschiedliche Erfahrungen gemacht.

Mit Insolvenzplänen müsse man sehr vorsichtig sein. Der Gesetzgeber habe selbst die Einschätzung, daß solche Pläne nur bei maximal 5 Prozent aller Fälle - nämlich bei ausgesprochenen Großverfahren - zum Zuge kämen. Ebenso skeptisch äußerte er sich gegenüber den Instrument der Eigenverwaltung durch den Schuldner. Die Gerichte hätten bislang eine überwiegend negative Einstellung gegenüber diesem Instrument gezeigt. Deshalb glaube er nicht, daß die Eigenverwaltung eine große Bedeutung erlangen werde, obwohl sie
im neuen Gesetz und in den Kommentierungen dazu einen breiten Raum einnehme.

Ein Mitglied des sächsischen Landtag stellte die Frage an die Insolvenzverwalter, ob bei der Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter mit den sächsischen Konkursrichtern Beziehungen eine Rolle spielen. Ein Insolvenzverwalter erklärte, daß Beziehungen zwar relevant seien. Sie basierten aber auf der Einschätzung der fachlichen Eignung der Verwalter. Es gebe, so der Insolvenzverwalter aus Dresden, kein geordnetes Recht der Bestellung von Insolvenzverwaltern. Das sei eine terra incognita, ein rechtsfreier Raum, weil die Bestellung von Verwaltern unter dem Motto der richterlichen Unabhängigkeit läuft.

Die Auswahlentscheidung eines Richters sei kaum überprüfbar. Es gebe in Deutschland nur sehr wenige Fälle, in denen ein einmal von einem Richter eingesetzter Verwalter in der späteren Gläubigerversammlung abgewählt worden sei. Selbst die Gläubiger, die mit dem eingesetzten Verwalter äußerst unzufrieden sind, wählten ihn in aller Regel nicht ab, weil die entscheidenden Momente eines Verfahrens in der Anfangsphase liegen würden und ab diesem Zeitpunkt die Weichen längst gestellt seien. Ein neuer Verwalter müsse sich erst wieder einarbeiten, was weitere Kosten verursachte. Bezogen auf die richterliche Bestellung von Insolvenzverwaltern erklärte er, es sei eine Fiktion der Rechtsprechung, daß dies ein Akt richterlicher Unabhängigkeit sei. In Wirklichkeit sei dies ein bürokratischer Akt. Das habe bei Insolvenzverwaltern, die sich benachteiligt fühlten, zu Mißstimmungen geführt. Man spreche vielfach von „closed shops", die es in bestimmten Bereichen gebe. Das sei durchaus auch ein Verwalterproblem. Manche Gerichte ließen in ihrer Region keine auswärtigen Verwalter zu. Neue juristische Auffassungen deuteten darauf hin, daß man zu einer Zulassungsregelung kommen müsse für die Tätigkeit des Insolvenzverwalters, z.B. ein Anforderungsprofil gesetzlicher Art schaffen müs

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se. Zur Zeit könne jeder, der älter als 18 Jahre und nicht vorbestraft sei, bei Gericht als Sanierer auftreten.


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