FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausgabe: 1]


Zusammenfassung und Schlußfolgerung

Die neue Insolvenzordnung ermöglicht vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten für die Rechtsbeziehungen zwischen einem Schuldner und seinen Gläubigern. Maßstab aller Entscheidungen, die zwischen dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bis zu dessen Beendigung von den unterschiedlichen Beteiligten zu treffen sind, ist die geordnete, bestmögliche Befriedigung der Gläubiger. Dafür bietet das neue Insolvenzrecht verschiedene Wege an, die von der Fortführung des Schuldnerunternehmens oder einer „übertragenden Sanierung" bis hin zu seiner Liquidierung reichen.

Das Insolvenzverfahren bietet außerdem erstmals „natürlichen Personen" die Möglichkeit, sich von der Haftung auch für solche Verbindlichkeiten zu befreien, die aus dem vorhandenen Vermögen nicht mehr befriedigt werden können („Restschuldbefreiung").

Eine zentrale Innovation im Insolvenzrecht: Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens muß nicht mehr das Ende einer unternehmerischen Tätigkeit besiegeln. Das Insolvenzverfahren kann als eine Art „rechtliche Glasglocke" zum Schutze eines sanierungsfähigen Unternehmens vor den ungeordneten Zugriffen von Gläubigern genutzt werden. Um die Sanierungschancen zu erhöhen, hat der Gesetzgeber die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erleichtert. Diesem Ziel dient unter anderem der neue Insolvenzantragsgrund „drohende Zahlungsunfähigkeit". Hierdurch soll dem Unternehmen die Möglichkeit gegeben werden, sich bereits zu Beginn der Krise unter den Schutz der Insolvenzordnung zu stellen und hierdurch eine Sanierung zu erreichen. Die Besonderheit bei diesem Eröffnungsgrund besteht darin, daß nur der Schuldner, nicht dagegen ein Gläubiger das Recht zur Antragstellung besitzt. So soll die Stabilisierung eines Unternehmens in einer Krisensituation gestärkt werden.

[Seite der Druckausgabe: 2]

Eine zentrale Rolle im neuen Insolvenzrecht spielt der Insolvenzplan. Damit wird ein Rechtsrahmen für eine einvernehmliche Bewältigung der Insolvenz für alle Beteiligten innerhalb eines Insolvenzverfahrens angeboten. Nach Übereinkunft aller Beteiligten in Bezug auf den Insolvenzplan ist es auch möglich, das Insolvenzverfahren abweichend von der gesetzlichen Regelung vorzeitig zu beenden. Allerdings wurde von einem Richter bezweifelt, daß die wirklichen Möglichkeiten einer so gestalteten Verfahrensbeendigung zum Tragen kommen werden. Als problematisch erwiese sich insbesondere die Rechtsmittelbefrachtung des Insolvenzverfahrens sowie die schwierigen Bewertungsprobleme und die hohen Anforderungen an den betriebswirtschaftlichen Sachverstand der Richter und Rechtspfleger.

Wesentlich verbessert wurde der Schutz des Firmenvermögens („Masse") in der Phase des Eröffnungsverfahren, da nunmehr das Gericht Zwangsvollstreckungsmaßnahmen generell untersagen bzw. laufende Zwangsvollstreckungen einstweilen einstellen kann.

Die Beratung und Vertretung von Schuldnern im vorgerichtlichen Einigungsverfahren wird von Schuldnerberatungsstellen betrieben. Von ihrer Seite wurde kritisiert, daß der Gesetzgeber es versäumt habe, die Schuldnerberatungsstellen sowohl personell als auch materiell angemessen auszustatten.

Im neuen Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber den Insolvenzverwalter zwar als das zentrale Organ des Insolvenzverfahrens und der Sanierung vorgesehen. Aus der Sicht eines Insolvenzverwalter wurde jedoch bemängelt, daß der Gesetzgeber die Autonomie des Verwalters erheblich beschnitten und die Befugnisse der Gläubigerversammlung und des Schuldners erheblich gestärkt habe. Es sei nicht zu übersehen, daß der Gesetzgeber ein erhebliches Mißtrauen gegenüber den unternehmerischen Fähigkeiten des Insolvenzverwalters erkennen ließe. Als nachteilig betrachtete er auch, daß der Insolvenzverwalter

[Seite der Druckausgabe: 3]

grundsätzlich nicht berechtigt sei, das noch vorhandene Restvermögen vor einem Gerichtstermin zu verwerten.

Das neue Insolvenzrecht verbessere die Rechte der ungesicherten Insolvenzgläubiger zu Lasten der gesicherten Gläubiger, betonte ein Vertreter der Banken. Das gelte vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen, die in der Regel über keine bzw. keine nennenswerten Sicherheiten verfügten, auf die sie in der Krise ihres Schuldners zurückgreifen könnten. Diese Unternehmen und Handwerksbetriebe, insbesondere in den neuen Bundesländern, würden von dieser Regelung profitieren. Andererseits habe die Bank, nachdem die Rechte zugunsten der Insolvenzmasse verbessert worden seien, bei der Kreditvergabe stärker als bisher die Bonität des Kreditnehmers in den Vordergrund zu stellen, und die Wirtschaftlichkeit des zu finanzierenden Vorhabens zu beachten sowie anfechtungsfreie und rechtsbeständige Sicherheiten zu bestellen. Die Banken würden deshalb bei ihrer Kreditvergabe stärker als bisher fordern, daß der Kredit vollständig durch werthaltige Sicherheiten gedeckt würde. Für den Kreditnehmer könne dies zur Konsequenz haben, daß wesentliche Teile seines Vermögens zugunsten der Bank von Anfang an blockiert sind.

Auch wenn das neue Insolvenzrecht zahlungsunfähigen Unternehmen einen rechtlichen Rahmen für Sanierungen anbietet, habe der Gesetzgeber damit keine Präferenz für Sanierungen intendiert, betonte ein Insolvenzverwalter . Es gebe vielmehr einen Gleichklang zwischen Liquidationen oder Zerschlagungs- und Sanierungsverfahren - sei es in Form der übertragenden Sanierungen oder in Form eines Insolvenzplanverfahrens.

In der Praxis hätten die Gründe für Zahlungsunfähigkeit vor allem in der fehlendem Eigenkapitalbildung, dem negativen Zahlungsverhalten von Auftraggebern und Forderungsausfällen gelegen. Die neue Insolvenzordnung könne an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nichts ändern. Er äußerte außerdem

[Seite der Druckausgabe: 4]

Zweifel, ob die Einführung des neuen Insolvenzgrundes der „drohenden Zahlungsunfähigkeit" von den Unternehmen genutzt werde.

Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters wird immer wieder mit der politischen Erwartung befrachtet, Arbeitsplätze zu erhalten. Eine realistische Chance zur Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen der Befriedigung der Gläubigerinteressen und den Sanierungsinteressen liegt nach Einschätzung eines Vertreter aus der Landesvertretung von Sachsen-Anhalt in der Option der „übertragenden Sanierung." Er kritisierte, daß in der Vergangenheit öffentliche Mittel zur Abwendung von Insolvenzen in Ostdeutschland in unverhältnismäßiger Höhe in wenige Prestigeunternehmen geflossen seien, anstatt sie dem sich langsam entwickelnden Mittelstand zuzuführen.

Das Fazit der Konferenz lautete: Die neue Insolvenzordnung biete große Chancen, zeitweilig zahlungsunfähige Unternehmen zu sanieren. Das setze voraus, so die mehrfach betonte Meinung, daß Insolvenz nicht voreilig mit Bankrott gleichgesetzt wird. In diesem Sinne sei ein „Wandel in den Köpfen" aller Beteiligten notwendig. Bei vielen Teilnehmern zeigten sich jedoch Zweifel, ob es tatsächlich zu mehr Sanierungen statt Zerschlagungen durch das neue Insolvenzrecht kommen wird. Abzuwarten bleibe auch, ob die Einführung des neuen Insolvenzgrundes „drohende Zahlungsunfähigkeit" von dem Unternehmen genutzt wird, um möglichst frühzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001

Previous Page TOC Next Page