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5. Probleme der Wohnungswirtschaft bei der Altbausanierung

Für die Wohnungswirtschaft der neuen Länder ist die Durchführung der Altbausanierung aufgrund der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen zwar mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotzdem bildet die Modernisierung und Instandsetzung der Wohnungsbestände, wie das Beispiel Sachsen-Anhalt zeigt, derzeit die Hauptaufgabe der Wohnungsunternehmen. Demgegenüber steht der Bau neuer Wohnungen weit zurück. Der Wohnungsbestand bei den kommunalen Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften beträgt in Sachsen-Anhalt insgesamt über 500.000 Wohneinheiten. In Altbauten verfügen die kommunalen Wohnungsgesellschaften über 120.000 Wohneinheiten, die Genossenschaften über 25.000 Wohneinheiten. Daraus wird die wichtige Funktion der Altbausanierung für den Erhalt eines ausreichenden Wohnungsbestandes in Sachsen-Anhalt ersichtlich. Trotz vorübergehender Leerstände ist die Altbausanierung notwendig, um künftig eine hinreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu gewährleisten. Dabei ist neben der Bezahlbarkeit und Qualität des Wohnraums auch ein vielfältiges Angebot sicherzustellen, da die Mieterschaft ein nur einseitiges Wohnungsangebot nicht akzeptiert. Eine Unterlassung der Instandsetzung und Modernisierung der Altbauten würde dem Verfall der Innenstädte und den daraus resultierenden Problemen Vorschub leisten.

Der Sanierungsstau bei den Mitgliedsunternehmen beider wohnungswirtschaftlicher Verbände in Sachsen-Anhalt betrug 1990 mindestens 25 Mrd. DM. Zu dieser Zeit war die Frage der Altschulden offen und die Klärung der Eigentumsverhältnisse begann erst. Die Mieten waren mit unter 1,- DM/m2 nicht kostendeckend und zusätzlich standen viele technische Fragen zur Diskussion, wie beispielsweise der Abriß von Plattenbauten. Bis Ende 1996 wurden Investitionen im Bestand der Mitgliedsunternehmen beider Verbände von insgesamt ca. 10 Mrd. DM getätigt. Zielvorgabe war und ist die Anpassung der Wohnverhältnisse an die der alten Länder und damit eine möglichst weitreichende Instandsetzung und Modernisierung des Wohnungsbestandes. 1997 waren ca. ein Viertel der Wohnungen umfassend saniert und ca. ein Drittel teilmodernisiert. Bei den Altbauten fallen die entsprechenden Anteile wegen der höheren Sanierungs- bzw. Modernisierungskosten geringer aus. Als Folge der Modernisierungen bezahlen die Mieter durchschnittlich bereits das Zehnfache der Miete von 1990 oder mehr. Um die weiteren Steigerungen der Gesamtmiete in Grenzen zu halten, müssen die Wohnungsunternehmen auch das Ziel verfolgen, die drastisch steigenden Nebenkosten durch bauliche Veränderungen zu senken. Für die Zukunft verbleibt ein Bedarf an dringenden Investitionen in Höhe von etwa 15 Mrd. DM. Deren Realisation wird durch zunehmende Verschlechterungen der Investitionsfähigkeit der Wohnungswirtschaft beeinträchtigt.

Stärkere Verbesserungen der Eigenkapitalausstattung der Wohnungsunternehmen durch weitere Mieterhöhungen sind nicht zu erwarten. Spürbare Miet-

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erhöhungen nach Sanierungen sind für die Mieter nicht bezahlbar und am Markt angesichts eines Leerstands von bis zu 100.000 Wohnungen in Sachsen-Anhalt - bezogen auf alle Rechts- und Eigentumsformen - auch nicht realisierbar. Die Mietschulden und Mietausfälle machten allein 1996 bei den Unternehmen beider Verbände insgesamt 269 Mio. DM aus, wobei die Mietausfälle weitgehend auf den Leerstand zurückzuführen sind.

Mietschulden und Mietausfälle der Unternehmen von VdW und VdG in Sachsen-Anhalt


VdW

VdG

Mietschulden

123 Mio. DM

26 Mio. DM

Mietausfälle

85 Mio. DM

35 Mio. DM

davon Leerstand

68 Mio. DM

28 Mio. DM

Sowohl die Mietausfälle als auch die Mietschulden haben einen direkten Rückgang der Investitionen zur Folge. So hätten bei vollständiger Bezahlung der Mietschulden im Bereich der kommunalen Wohnungsunternehmen 1996 weitere 350 Mio. DM investiert werden können. Zusätzlich verringert die beginnende Tilgung, z. B. der KfW-Fördermittel, die Liquidität, während gleichzeitig aufgrund der leeren öffentlichen Kassen die Mittel für die Förderprogramme reduziert werden. Eine staatliche Förderung - sowohl direkt und als auch über das "Kombi-Programm" im Altbaubereich - ist aber gerade deshalb notwendig, weil die Steuervorteile nach dem Fördergebietsgesetz zwar für Private, nicht jedoch für Wohnungsunternehmen realisierbar sind.

Probleme der Wohnungswirtschaft werden auch durch öffentlich-rechtliche und mietrechtliche Regelungen hervorgerufen. Zu nennen sind die zögerliche Bearbeitung von Förderanträgen und Genehmigungsverfahren bei Landes- und Kommunalbehörden sowie die Auflagen des Denkmalschutzes. Letztere verursachen besonders hohe Kosten bei der Altbausanierung und führen oftmals dazu, daß denkmalgeschützte Häuser nicht saniert werden. Die mit der Förderung verbundenen Belegungsbindungen sind dann hinderlich, wenn aufwendig modernisierte Wohnungen inadäquat mit Mietern belegt werden müssen. Unter Berücksichtigung von Rückübertragungsansprüchen muß jedes Wohnungsunternehmen für sich entscheiden, welcher Wohnungsbestand für welche Mieterschaft in welchem Umfang saniert werden soll. Dabei ist sicherzustellen, daß einer aufwendigen Sanierung eine entsprechend solvente Mieterschaft gegenübersteht. Kriterien für die Entscheidung über die Sanierung sind u.a. die Entwicklung des Leerstandes, der Bevölkerung und der Arbeitslosenquote.

Notwendig ist eine Problemdifferenzierung zwischen bewohnten und unbewohnten Altbauten. Bei den unbewohnten Gebäuden ist in Hinblick auf die Wiedervermietbarkeit nach Sanierung eine Vorprüfung vorzunehmen. Bei den vermieteten Objekten ist die Frage nach der Notwendigkeit der Sanierung für

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das entsprechende Haus und nach der Zahlungsfähigkeit der Mieter zu stellen. Es zeigt sich regelmäßig, daß Altbausanierungen in Häusern mit einer einkommensstarken Mieterschaft relativ problemlos ablaufen. Hier kommt die Modernisierungsankündigung mit der Einigung zwischen Wohnungsunternehmen und Mietern über den Modernisierungsumfang meist ohne Schwierigkeiten zustande, und der Modernisierungszuschlag kann von den Mietern bezahlt werden. Anders liegt der Sachverhalt bei einkommensschwachen Mieterhaushalten, wo Duldungsansprüche für Modernisierungen oftmals gerichtlich durchgesetzt werden müssen. Dies wird sich auch ab Januar 1998 mit der Einführung des Vergleichsmietensystems unter der Aufhebung der Kappungsgrenze für Modernisierungsumlagen nicht ändern. Allenfalls werden Modernisierungen über 3,- DM/m2 in den Häusern erleichtert, die von zahlungskräftigen Mietern bewohnt werden; hier wären aber auch bisher höhere Modernisierungsumlagen freiwillig akzeptiert worden.

Das Hauptproblem bei der Sanierung von Altbauten stellen auch in Sachsen-Anhalt die Restitutionsansprüche dar. Viele Altbausanierungen können nicht begonnen werden, da die Zuordnung von Grund und Boden derzeit zu lediglich 54 % erfolgt ist. Nur in wenigen Fällen haben Wohnungsunternehmen das Investitionsvorrangverfahren bei der Sanierung restitutionsbelasteter Häuser angewandt, da sich im Regelfall die Verfahrenswege als zu kompliziert erweisen. Auch das neue Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz mit seiner kleinen und großen Modernisierungslösung wird voraussichtlich nicht dazu führen, daß Altbauten in größerem Umfang saniert werden. Entscheidend verschärft hat der Gesetzgeber diese Problematik durch die Änderung des Vermögensgesetzes, die den Verfolgten des nationalsozialistischen Regimes, denen 1933 ihre Anteilsrechte an Unternehmungen entzogen wurden, einen Durchgriff auf die Vermögenswerte insbesondere der kommunalen Wohnungsgesellschaften ermöglicht [Fn.1: Vgl. Daten und Fakten 1996 der unternehmerischen Wohnungswirtschaft in den neuen Ländern, GdW Informationen 58, a.a.O., S. 6f] Anspruchsberechtigte sind insbesondere die Gewerkschaften und die Jewish Claims Conference (JCC). Daraus resultiert für viele Wohnungsunternehmen bei der Entscheidung über eine Altbauinvestition die Unsicherheit, ob ein Restitutionsanspruch - wenn auch nur in prozentualer Beteiligung - besteht. Da den Wohnungsunternehmen Investitionen in Häuser mit unsicheren Eigentumsverhältnissen nicht zuzumuten sind, werden gerade die Altbauten zunehmend dem Verfall preisgegeben. Dies hat weiter zur Folge, daß viele Mieter aus diesen Gebäuden in den Neubaubestand oder andere sanierte Altbauten umziehen, weil an ihren Häusern keine wohnwertverbessernden Maßnahmen durchgeführt werden. Die derzeitige gesetzliche Lage stellt somit ein Hindernis für die Wohnungsunternehmen auch bei der Sanierung von Restitutionsobjekten dar, insbesondere wenn dies für das Stadtquartier sinnvoll ist.

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Trotz der aktuellen Diskussion über neue Geschäftsfelder für Wohnungsunternehmen sollte die Sanierung der Wohnungsbestände im allgemeinen und die Altbausanierung im besonderen weiterhin Priorität besitzen. Nur die Konzentration auf dieses originäre Geschäftsfeld schafft die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewältigung der Sanierungsaufgabe. Der entscheidende Erfolgsfaktor bleibt allerdings die Investitionsfähigkeit der Wohnungsunternehmen. Hierfür haben insbesondere die Förderprogramme von Bund und Ländern eine große Bedeutung. Insoweit ist die Verlängerung des KfW-Programms zu begrüßen. Allerdings wird damit die gesamte Altbausanierung nicht zu realisieren sein.

Ergänzend verwies der Vertreter von Haus & Grund, Anhalt-Zerbst, auf die besonderen Probleme der privaten Hauseigentümer, die sich hinsichtlich ihrer Investitionsfähigkeit wesentlich von den Eigentümern in Westdeutschland unterscheiden. Anschlußbeiträge bei Abwasser und Straßenausbaubeiträge können bei Zweifamilienhäusern leicht 50.000 DM erreichen. Derartige Beiträge seien aus den derzeitigen Mieten nicht zu decken und müßten daher über höhere Mieten oder Betriebskosten Berücksichtigung finden. Nach Auffassung des Mieterbundes würde eine solche Umlage der genannten Beiträge aber eine Finanzierung der Wertsteigerung beim Vermietungsobjekt zugunsten des Eigentümers durch den Mieter bedeuten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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