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Vor- und Nachbemerkungen

Die säkulare Wanderung der Beschäftigten von der Landwirtschaft zur Industrie und von dort zu wirtschafts- und bevölkerungsorientierten Dienstleistungen ist mit einer weitreichenden Urbanisierung verbunden, die uns erst jetzt voll bewußt wird. Dieser wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturwandel hat in den Städten zu einer Fülle von Problemen geführt. Sie wurden wesentlich dadurch gefördert, daß „externe Kosten" mit weitreichenden Effekten zugelassen wurden. Es sei nur an die Verluste an wirklichem städtischen Leben in den Zentren, an die Wellen der Suburbanisierung und Disurbanisierung oder auch an kaum noch erwartete Zeichen der Reurbanisierung erinnert, die nicht nur für Bevölkerung und Wirtschaft, sondern auch für die Anlagen und Einrichtungen der Infrastruktur, vor allem das Verkehrswesen, immense Konsequenzen haben.

Besondere Probleme, mehr noch in Ost- als in Westdeutschland, bringen die am Rand oder im Umland der Städte gelegenen Einkaufszentren, Fachmärkte und Verbrauchermärkte oder zufällig bzw. bewußt entstandene oder entstehende Agglomerationen dieser Einrichtungen mit sich. Oft nehmen nun „Möbelgiganten", Multiplexkinos und Musicaltheater, Sportstadien und Freizeitparks oder auch andere Einrichtungen Standorte in Anspruch, die nur den betrieblichen, nicht aber den städtischen und regionalen Forderungen entsprechen. Die Erscheinungen der Sub- und Disurbanisierung mit ihren fatalen Folgen erhalten damit erneut und verstärkt Auftrieb. Demgegenüber wirken neue Siedlungen auf städtischem Gebiet trotz Berücksichtigung vieler energie-, verkehrs- und umweltpolitischer Kriterien nicht selten hilflos. Urbaner innerstädtischer Wohnungsbau in Anlehnung an das Stadtzentrum oder die Stadtteilzentren findet eigentlich nur in Ausnahmefällen statt. Ebenso sammeln sich eigentlich zentrenorientierte Einrichtungen oft in „Gewerbegebieten".

Trotz zahlreicher Krisenerscheinungen sowie einer zwischen 4 und 5 Millionen pendelnden Zahl von Arbeitslosen ist bereits jetzt wirtschaftliches Wachstum mit bedeutender Bautätigkeit in den verschiedensten Bereichen festzustellen. Des weiteren wird sich die immer wieder angesprochene Globalisierung auswirken. Die Effekte aus der Integration Westeuropas werden vom Anschluß mittel- und osteuropäischer Länder überlagert und verstärkt Unter anderem werden verstärkte Verkehrsströme zu konstatieren sein. Fortschritte in Richtung einer „nachhaltigen Entwicklung" sind auf staatlicher Ebene kaum zu erkennen, dafür haben diese wichtigen Forderungen auf kommunaler Ebene ein bemerkenswertes Echo und führen zu zahlreichen Initiativen. Daß die Arbeitslosigkeit auch in den Städten selbst bekämpft werden kann, zeigen u.a. die Gründer- und Technologiezentren, die derzeit erst am Anfang ihrer Entwicklung stehen dürften.

Noch einige Stichworte aus der Fülle der städtischen Probleme: Sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland müssen Erosions- bzw. Segregationserscheinungen in den Großwohnsiedlungen angegangen werden. Ebenso ist für eine Integration dieser Siedlungen in die Gesamtstadt zu sorgen, so daß sich schließlich „alte" und „neue" Stadteile um die Kernstadt mit dem Stadtzentrum gruppieren können.

Eng damit verbunden ist die innerstädtische Verkehrsbewältigung, bieten diese Siedlungsschwerpunkte doch die Basis für einen leistungsfähigen Schienenverkehr, der die seit Jah-

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ren und Jahrzehnten wiederholte Forderung vom Vorrang des öffentlichen vor dem privaten Verkehr endlich verwirklichen könnte. Nicht nur dem fließenden, auch dem ruhenden Automobilverkehr ist Aufmerksamkeit zu widmen. Mit Hilfe innovativer Techniken sind gerade in Gebieten mit baulicher Verdichtung neue Lösungen möglich. Wahrscheinlich werden künftig die Städte im landes-, europa- und weltweiten Wettbewerb einen Vorsprung gewinnen, die eine befriedigende Lösung der bedrückenden städtischen Verkehrsprobleme vorweisen können. Das entbindet den Staat natürlich nicht von seiner Aufgabe, für eine Anlastung der sogenannten externen Kosten im Verkehr nach dem Verursacherprinzip zu sorgen.

Die Bewältigung der angedeuteten Probleme und Entwicklungen ist ohne Zweifel eine gewaltige Aufgabe. Diese Aufgabe ist nicht zu lösen, wenn nur isolierte oder gar keine Ziele in den Städten erarbeitet werden. Nötig sind Leitbilder, die den einzelnen Zielen und Zielkomplexen eine Verbindung geben, damit auch die Nutzung der wichtigen Synergieeffekte ermöglicht wird. Oberstes Ziel kann eigentlich nur ein wirkliches städtisches Leben mit Dichte und Vielfalt in einer „europäischen Stadt" sein. Zu finden ist dabei der schmale Pfad zwischen Bewahrung und Flexibilität. Dabei kann die Vorstellung von der dezentralisierten Konzentration hilfreich sein, räumlich gesehen: eine gegliederte und gestufte multizentrische Stadt.

Die angedeutete Aufgabe erscheint nicht mehr so schwierig, wenn man sich vergegenwärtigt, daß den Städten doch ein bedeutender Einfluß über die Entscheidungen zum Ausbau der Infrastruktur sowie die Flächen- und Raumnutzung zur Verfügung steht. Von entscheidender Bedeutung ist heute, daß nach langen Zeiten der Blockierung zahlreiche Immobilien und Grundstücke des Militärs, von Gewerbe und Industrie sowie von Bahn und Post für neue innerstädtische Nutzungen zur Verfügung stehen. Oft sind sich die Städte noch nicht voll im klaren darüber, daß sie selbst Immobilien bereitstellen können: unter anderem auch Busbahnhöfe, Straßenbahnknoten oder Fahrzeugdepots für neuartige Überbauungslösungen.

Konzentrierte wirtschaftliche und bauliche Investitionen an besonderen Standorten können Entwicklungspole mit weitreichenden Effekten in einer Stadt schaffen. Solche komplexen Projekte mit vielfältigen unternehmerischen Interessen und bedeutenden Konsequenzen für das engere und weiter Umfeld lassen sich in einer intensiven Zusammenarbeit, auch Stichwort „Public-Private Partnership", durchaus bewältigen.

Trotz der vielfältigen Probleme und Entwicklungen bestehen bedeutende Einflußmöglichkeiten. Ein Leitbild, das nicht als anzustrebender Endzustand zu verstehen wäre, wird benötigt. Es muß vor allem für die nötige Kontinuität und die erforderliche Flexibilität in den Städten sorgen. Interessenkonflikte zwischen Wirtschaft und Bevölkerung, aber auch innerhalb dieser Bereiche können damit vermieden oder vermindert werden.

Der Bericht zur Tagung ist von Diplom Geograph Uwe Wiedemann aus Köln verfaßt worden.

Bonn, im Dezember 1997Dr. Hannes Tank


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