FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausgabe: 3]


l. Der "Umweltschutzsektor"

Wenn von den wirtschaftlichen Chancen des Umweltschutzes die Rede ist, so denken viele Beobachter an den industriellen Sektor, und dabei speziell an die Anbieter von Umweltschutz- bzw. Umwelttechnikgütern. Die wirtschaftlichen Chancen des Umweltschutzes gehen allerdings weit über die Anbieter von Umwelttechnik hinaus. Sie betreffen im Prinzip auch die Anbieter der unterschiedlichsten Dienstleistungen - wie z.B. Sanierungs-, Recycling- und Entsorgungsleistungen, ferner umweltbezogene Beratungsleistungen, die Planung, Entwicklung und Konstruktion von Umweltschutzanlagen sowie die entsprechenden Servicedienstleistungen (z.B. Wartung). Dies wird im folgenden näher dargestellt.

Die positiven ökonomischen Effekte eines erfolgreichen Umweltschutzes liegen allerdings nicht nur in den direkten wirtschaftlichen Chancen eines speziellen Umweltschutzsektors. Alle produzierenden Unternehmen können vom Umweltschutz profitieren, sofern es ihnen gelingt, durch produktionsintegrierten Umweltschutz bzw. betriebliches Umweltmanagement Kosten zu senken oder sogar Erträge zu erzielen. Dafür gibt es bereits zahlreiche Beispiele. Schließlich kommt erfolgreicher Umweltschutz indirekt über eine Verbesserung der Umweltqualität dem Wirtschaftsstandort insgesamt und auch allen Mitgliedern der Gesellschaft zu Gute.

Page Top

1. Allgemeine Charakterisierung und Abgrenzung

Der Umweltschutzsektor läßt sich als Angebotsseite des Marktes für Umweltschutzgüter auffassen. Er ist somit ein branchenübergreifender Querschnittsbereich der Volkswirtschaft. Die im Umweltschutzsektor aktiven Unternehmen sind unterschiedlichen Wirtschaftszweigen zuzuordnen. Prinzipiell lassen sich die Anbieter von Umweltschutz- bzw. -technikgütern, von umweltbezogenen Dienstleistungen und von Vorleistungsgütern für diese Güter unterscheiden. Einigendes Merkmal ist vor allem das gemeinsame "politische Schicksal", d.h. eine starke Abhängigkeit von der staatlichen Umweltpolitik.

[Seite der Druckausgabe: 4]

Auf der Nachfrageseite des Marktes für Umweltschutzgüter befinden sich

  • Private Haushalte (Erwerb umweltfreundlicher Produkte),

  • Unternehmen (Erwerb umweltfreundlicher Produktionsanlagen, laufende Ausgaben und Investitionen für den Umweltschutz) und

  • der Staat (laufende Ausgaben und Investitionen für den Umweltschutz)

(vgl. Abbildung 1). Die Interpretation des Umweltschutzsektors als Angebotsseite des Marktes für Umweltschutzgüter ist allerdings ungenau. Dies liegt u.a. daran, daß

  • nicht alle Umweltschutzgüter bzw. -dienstleistungen auf Märkten gehandelt werden. Angebot und Nachfrage auf dem Umweltschutzmarkt werden durch die Eigenproduktion von Umweltschutzgütern und -dienstleistungen seitens der Unternehmen und der privaten Haushalte ergänzt,

  • das Angebot von Umweltschutzgütern nur einen - oftmals nicht zentralen - Aktivitätsbereich der am Markt agierenden Unternehmen darstellt und

  • Maßnahmen des nachgeschalteten, d.h. identifizierbaren Umweltschutzes zunehmend durch produkt- bzw. prozeßintegrierte Technologien und organisatorische Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes verdrängt werden, welche oft nicht isoliert dem Umweltschutz zurechenbar sind.

Viele Besonderheiten, die diesen Markt von anderen "normalen" Märkten unterscheiden, hängen auch damit zusammen, daß der Umweltschutzmarkt derzeit im wesentlichen ein politisch verordneter Markt ist. Dies betrifft die Nachfrage nach Umweltschutzgütern und -dienstleistungen ebenso wie das entsprechende Angebot. Die angesprochenen Besonderheiten des Marktes sind nun zunächst im Überblick darzustellen, bevor im einzelnen auf die wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Teilbereiche des Umweltschutzsektors eingegangen werden kann.

[Seite der Druckausgabe: 5]



[Seite der Druckausgabe: 6]

1.1 Die Nachfrage nach Umweltschutzgütern und -dienstleistungen

Die Nachfrage nach Umweltschutzgütern und -dienstleistungen unterscheidet sich in mehrfacher Weise von der Nachfrage nach anderen Gütern und Dienstleistungen:

  1. Die Nachfrage nach Umweltschutz ist in der Regel eine abgeleitete Nachfrage. Die letztendlichen Nutznießer des Umweltschutzes treten zumeist nicht als Investor in Bezug auf entsprechende Umweltschutzvorrichtungen auf. Die zunehmende Bedeutung von Umweltgütezeichen nicht nur für Produkte, sondern auch für Unternehmen bzw. Betriebsstandorte könnte künftig allerdings - zumindest im Bereich der Unternehmen - zu einer stärkeren Übereinstimmung von Nutznießern und Finanziers von Umweltschutzmaßnahmen führen.

  2. Der Staat ist der Motor der Marktentwicklung, man spricht oft auch von einem "state guaranteed market". Zum einen prägen Gesetze, Verordnungen und Förderprogramme - sogar die Ankündigung entsprechender Maßnahmen - die öffentliche und private Nachfrage nach Umweltschutzgütern und -dienstleistungen. In zahllosen Programmen wurde bis heute die Einführung und Verbreitung umweltfreundlicher Produkte bzw. Techniken gefördert, so z.B. die Einführung von Katalysator-Autos und die schnellere Verbreitung des bleifreien Benzins. Bei der Einführung einer umweltbezogenen Betriebsprüfung für Unternehmen bzw. Betriebe (Audit) wird in Zukunft auch mit einer verstärkten Nachfrage nach umweltbezogenen Beratungsdienstleistungen zu rechnen sein. Öffentliche Stellen sind zum anderen die wichtigsten Nachfrager nach Investitionsgütern des Umweltschutzes. Bund und Länder agieren dabei oft auch als Zuwendungsgeber im Bereich der kommunalen Investitionen. Schließlich ist der Staat im Bereich des Umweltschutzes ein bedeutender Arbeitgeber. Dies betrifft nicht nur die direkt umweltbezogenen Arbeitsplätze wie z.B. die Mitarbeiter in (kommunalen) Abwasserbehandlungsanlagen, sondern etwa auch den Wissenschaftler, der in einer öffentlich finanzierten Forschungseinrichtung die wirtschaftlichen Chancen des Umweltschutzes analysiert.

  3. Staatliche Gesetze und Verordnungen beeinflussen die Nachfrage auch indirekt - nämlich über das zur Anwendung kommende umweltpolitische Instrumentarium. So fördern Auflagen eher additive, kurzfristig wirkende und bereits existierende Techniken. Als etwa die Vorgaben der Großfeuerungsanlagenverordnung zu erfüllen waren, mußten im Bereich der Entstickung unter anderem Lizenzen aus Japan genommen werden. Demgegenüber geben ökonomische Instrumente Impulse auch für die Anwendung innovativer und integrierter Technologien. Die Abwasserabgabe hat dies gezeigt. Von Bedeutung ist schließlich, inwieweit komplizierte Genehmigungs- und Beschaffungsverfahren (z.B. bei Müllverbrennungsanlagen) erforderlich sind.

[Seite der Druckausgabe: 7]

  1. Der Einfluß des Staates formt auch den Charakter des Marktes und der Marktentwicklung. Er dämpft z.B. oft den grenzüberschreitenden Wettbewerb im Umweltschutzsektor. So ist bei öffentlichen Investitionen oder laufenden Ausgaben für den Umweltschutz nicht selten ein staatlicher "Beschaffungsprotektionismus" zu beobachten, d.h. heimische Anbieter werden gegenüber Externen bevorzugt. Der Staatseinfluß kann auch den technischen Fortschritt psychologisch negativ beeinflussen. Wenn Neuerungen zu rasch zum verpflichtenden "Stand der Technik" gemacht werden, kann im ungünstigen Fall ein "Schweigekartell der Oberingenieure" das Resultat sein - d.h. eine Zurückhaltung potentiell innovativer Umwelttechnikanbieter bei der weiteren Verbesserung des Standes der Technik.

    Andererseits kann sich eine umweltpolitische Vorreiterrolle in einem Land mittelfristig in höheren Auslandsumsätzen auszahlen - insbesondere wenn später das Ausland umweltpolitisch "nachzieht". Auch eine inländische Förderung von Umwelttechnologie kann sich in Folgeaufträgen im Export niederschlagen, wie verschiedene Studien zeigen.

  2. Die Nachfrage nach Umweltschutzgütern und -dienstleistungen ist zumeist zeitlich befristet; sie hängt eng mit dem Vollzug konkreter umweltpolitischer Regelungen zusammen. Die häufig wechselnden rechtlichen Anforderungen sowie der intensive Wettbewerb zwischen additiven und integrierten Techniken führen nicht selten zu einer raschen Entwertung bestehender technischer Lösungen. Die Vorgaben der Großfeuerungsanlagenverordnung sind heute z.B. weitgehend umgesetzt, die Anbieter von Filtertechnologien können allenfalls auf Ersatzinvestitionen hoffen. Ein Umstieg auf integrierte Luftreinhaltetechnologien ist für diese Anbieter nicht ohne weiteres möglich, er erfordert jedenfalls erhebliche wirtschaftliche Umstellungen. Die Nachfrage nach Umweltschutzgütern und -dienstleistungen hängt in einzelnen Marktsegmenten somit nicht nur von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, sondern in starkem Maße auch von technisch-politischen "Konjunkturen" ab.

  3. Neben dem Staat beeinflussen auch ungewöhnlich viele gesellschaftliche Gruppen die Nachfrage nach Umweltschutzgütern und -dienstleistungen. In vielen Fällen entspringt dieser Einfluß einem zunehmenden Umweltbewußtsein: so werben Verbraucherverbände für umweltfreundliche Produkte und Lebensstile, fordern Betriebsräte und Gewerkschaften von den Unternehmen ökologische Glaubwürdigkeit und treten Industrieverbände (auch durch entsprechende Beeinflussung ihrer Mitglieder) für freiwillige Vereinbarungen und Selbstbeschränkungen mit umweltschonender Wirkung ein. Finanzinstitutionen verwalten sogenannte Ethikfonds. Die Medien können schließlich durch Aufdecken von Skandalen eine entsprechende Nachfrage nach Umwelttechnik fördern.

Die beschriebenen Besonderheiten der Nachfrage sind aus Sicht der Anbieter von Umweltschutzgütern und -dienstleistungen von unterschiedlicher Bedeutung. Umfrageergebnissen des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge

[Seite der Druckausgabe: 8]

werden Gesetze und Verordnungen sowie insbesondere deren Vollzug als wichtigster Nachfragefaktor angesehen. Auch die konjunkturelle Situation und das Umweltbewußtsein der Unternehmen werden häufig als wichtiger Nachfragefaktor genannt. Ostdeutsche Anbieter stufen dabei die Bedeutung staatlicher Förderung und staatlicher Umweltausgaben höher und die Relevanz des Umweltbewußtseins niedriger ein als westdeutsche Anbieter.

Oft wird versucht, die Nachfrage nach Umweltschutzgütern und -dienstleistungen zu quantifizieren. Angesichts der erläuterten Schwierigkeiten, den Markt für Umweltschutzgüter trennscharf abzugrenzen, ist es nicht verwunderlich, daß sich die Nachfrage nach Umweltschutzgütern und -dienstleistungen wertmäßig nur schwer erfassen läßt. Entsprechende Schätzungen und Prognosen sind i.d.R. zurückhaltend zu beurteilen, besonders wenn Verfahren und Informationsbasis der Schätzungen unklar bleiben. Wenn z.B. der Begriff Marktvolumen nicht auf tatsächliche Umsätze zu einem bestimmten Zeitpunkt sondern auf einen erwarteten "Bedarf" bezogen wird, bestehen erhebliche Grauzonen der Schätzung. Allein mit Blick auf die konsequentere Umsetzung des bereits vorhandenen gesetzlichen Instrumentariums gelangt man leicht zu hohen Bedarfszahlen. Hier kann es schnell zu einem "Überbietungswettbewerb" der Prognostiker kommen. Eine realistische Einschätzung der zu erwartenden "Konsequenz" der Umweltpolitik bzw. ihres Vollzuges sollte demgegenüber eher Anlaß zu einer nüchternen Betrachtung sein - bei entsprechenden Schätzungen erscheinen eher die unteren Varianten als realistisch.

Angesichts der bereits erreichten Regulierungsintensität wird sich nämlich in den Industrieländern künftig die Verschärfung von gesetzlichen Bestimmungen und von deren Vollzug tendenziell verlangsamen. Zwar erfordern neue (z.T. produktbezogene) Umweltprobleme auch neue umweltpolitische Instrumente - hier sind etwa die Integration von Umweltschutzaspekten in das Steuersystem, freiwillige Vereinbarungen, umweltbezogene Unternehmens- bzw. Betriebsprüfungen (Auditing) und Umweltgütezeichen zu nennen. Ein damit einhergehender relativer "Rückzug des Ordnungsrechts" könnte den Umstieg von umweltbezogenen end-of-pipe-Lösungen hin zu vorbeugenden Maßnahmen erleichtern. Diese Entwicklung schafft allerdings keine zusätzliche Nachfrage nach Umwelttechnik, eher nach umweltbezogenen Beratungsdienstleistungen. In den Schwellenländern verursacht die rasante Industrialisierung zwar weiterhin große Umweltprobleme. Dem Umweltschutz

[Seite der Druckausgabe: 9]

kommt aber - abgesehen von Ankündigungen - noch nicht die politische Priorität zu, die einen großen Markt für Umweltschutzgüter generieren würde. Die z.B. hinsichtlich der ostasiatischen Wachstumsregionen gehandelten "Bedarfszahlen" sind stark zu relativieren. In den Entwicklungsländern ist sogar - angesichts der raschen Urbanisierung und einer historisch schwachen Umweltpolitik mit laxen Auflagen und halbherzigem Vollzug - per Saldo eher eine Verlagerung hin zu umweltbelastenden Industrien zu erwarten bzw. zu befürchten. Auch die Tatsache, daß die hohen Infrastrukturerfordernisse in abnehmendem Maß über öffentliche Entwicklungshilfe, zunehmend dagegen durch private Direktinvestitionen finanziert werden, deutet nicht auf einen wachsenden Stellenwert der Umweltnachfrage hin. Erst bei zunehmenden Wohlstand werden auch in diesen Ländern die auf Umweltschutz gerichteten Bedürfnisse marktwirksam werden.

Mit Blick auf das weltweite Marktvolumen für Umweltschutzgüter und -dienstleistungen ist vor diesem Hintergrund eher die OECD-Prognose aus dem Jahr 1992 realistisch, wonach der Umweltmarkt weltweit von heute 200 Mrd. US-Dollar auf rd. 300 Mrd. US-Dollar im Jahr 2000 zunehmen könnte, als Schätzungen, die für das Jahr 2000 ein Marktvolumen von bis zu 580 Mrd. US-Dollar (oder 870 Mrd. DM) erwarten.

Exkurs: Die in- und ausländische Nachfrage nach deutschen Umweltschutzerzeugnissen läßt sich demgegenüber - für die Vergangenheit - auf der Basis amtlicher Daten näherungsweise quantifizieren. Den vorliegenden Quellen zufolge betrug im Jahre 1991 in Deutschland die inländische Nachfrage von Gebietskörperschaften, Unternehmen und dem Entsorgungssektor nach Umweltschutzgütern und -dienstleistungen insgesamt ca. 46 Mrd. DM. Diese Zahl ist als Untergrenze anzusehen, weil für Ostdeutschland keine laufenden Sachausgaben für den Umweltschutz angegeben sind. Die ostdeutsche Nachfrage betrug 1991 mindestens 8 Mrd. DM. Allein auf die ostdeutschen Kommunen entfallen (einer Spezialauswertung zufolge) rund 7,7 Mrd. DM, davon 6,95 Mrd. DM für die Abwasserentsorgung. Von den genannten 46 Mrd. DM entfallen insgesamt 31 Mrd. DM auf Investitionen und knapp 16 Mrd. DM auf den laufenden Sachaufwand. Einschließlich der Auslandsnachfrage ergibt sich für 1991 eine Gesamtnachfrage nach Umweltschutzgütern und -leistungen in Höhe von ca. 58 Mrd. DM.

In der Gliederung nach Schutzbereichen ist die Nachfrage nach Umweltschutzgütern des Jahres 1991 - der amtlichen Statistik zufolge - als

[Seite der Druckausgabe: 10]

recht traditionell zu bezeichnen: Mehr als die Hälfte der öffentlichen Ausgaben entfiel auf den Bereich Wasser/Abwasser. Die privaten Unternehmen wendeten etwa die Hälfte ihrer Gesamtausgaben für Vorkehrungen zur Luftreinhaltung auf. Steigende Bedeutung kommt allerdings der Abfallbehandlung bzw. -beseitigung zu. 1991 entfielen ca. 30 vH der öffentlichen und rund 15 vH der privaten Umweltschutzausgaben auf diesen Bereich, dazu kommt eine Nachfrage des Entsorgungssektors in Höhe von ca. 4,5 Mrd. DM.

1.2. Das Angebot von Umweltschutzgütern und -dienstleistungen

Auch das Angebot von Umweltschutzgütern und -dienstleistungen weist - im Vergleich zum Angebot auf anderen Märkten - besondere Merkmale auf:

  1. Der Umweltschutz stellt in den meisten Fällen eine neuartige Anforderung für die Unternehmen dar. Aus diesem Grund gibt es viele "gemischte" Anbieter (mit zugleich auch "herkömmlichem" Sortiment), sowie zahlreiche Anbieter, die erst seit kurzem am Markt vertreten sind.

  2. Konkurrenzbeziehungen bestehen nicht nur zwischen Anbietern vergleichbarer Güter, sondern auch zwischen ganz unterschiedlichen (z.B. additiven und integrierten) Lösungsansätzen. Unternehmen, die umweltschonende Produkte und Verfahren entwickeln bzw. einsetzen, wirken als Konkurrenz für Anbieter nachgeschalteter Reinigungstechnologie. Diese Art von Konkurrenz verstärkt sich zunehmend. Recyclingtechnologien und Technologien mit (produktions)integriertem und produktbezogenem Umweltschutz, aber auch Umweltschutzmaßnahmen, die im Bereich Management und Organisation ansetzen, werden immer wichtiger.

  3. Häufig sind Lösungen für betriebsinterne Umweltprobleme die Keimzelle für eine spätere Vermarktung (in der Chemie z.B. die Verfahren der "Turmbiologie"). Ein "Hineindiversifizieren" in den Markt erfolgt somit oft - auch sektorübergreifend - über "technologische Verwandtschaften". Energieversorger, die mit Verbrennungsprozessen vertraut sind, steigen in die thermische Abfallbehandlung ein, Bergbau und Stahlindustrie nutzen ihre Erfahrungen mit der Lösung von Entstaubungsproblemen, die Bauindustrie (und auch einschlägig vorbelastete ehemalige DDR-Kombinate) beteiligen sich an der Sanierung von Altlasten. Demnächst wird wohl auch die Automobilindustrie Kenntnisse, die z.B. beim Automobilrecycling erworben wurden, extern vermarkten können. Darauf deuten jedenfalls zunehmende Patentanmeldungen seitens der Automobilindustrie in diesem Bereich hin.

  4. Bei Umweltschutzgütern und -dienstleistungen sind "Systemangebote" zunehmend gefragt und damit angebotsbestimmend. Die Grenzen zwischen umwelttechnischer "Hardware" und der "Software" in Form

[Seite der Druckausgabe: 11]

    von Dienstleistungen verschwimmen. Die angebotenen Leistungen enthalten immer öfter auch Betriebs- und Finanzierungsleistungen. Die Anbieter werden im Zuge dieser Entwicklung in Zukunft möglicherweise weniger auf Spezialmessen wie IFAT, ENVITEC oder Entsorga vertreten sein, als vielmehr auf den klassischen Investitionsgütermessen z.B. in Hannover und Leipzig, wo auch die Anbieter umweltfreundlicher Produkte ausstellen.

  1. Während der Umweltschutzsektor in weiten Teilen mittelständisch geprägt ist, gibt es im Bereich der Entsorgungsleistungen (auch auf internationaler Ebene) eine ausgeprägte Konzentrationsentwicklung. Neben die vielen kleinen und mittleren Unternehmen treten in diesem Segment des Umweltschutzsektors zunehmend große Anbieter mit langem Atem; häufig auf dem Weg über Akquisitionen und Allianzen. Dabei werden - wie erwähnt - insbesondere die großen Energieversorgungsunternehmen aktiv (z.B. VEW und RWE). Darüber hinaus kommt es - gerade im Bereich der Abfallentsorgung - zunehmend zu Absprachen zwischen Anbietern und Verwaltung (das bekannteste Beispiel in Deutschland ist das Duale System Deutschland - DSD).

Wie sind nun die Perspektiven für die deutschen Anbieter von Umweltschutzgütern und -dienstleistungen zu beurteilen? Die Anbieter selbst sind Umfrageergebnissen des ifo-lnstuts für Wirtschaftsforschung zufolge zumeist zuversichtlich. Dies gilt zum einen in qualitativer Hinsicht. Galten früher die (mangelnde) F&E-Kapazität, Personalprobleme, der Preiswettbewerb und die (mangelnde) öffentliche Förderung als Haupt-Probleme des Angebotes, so wird - in neueren Umfragen - "nur noch" der Preiswettbewerb als zentrales Problem der Marktbearbeitung genannt. Diese Verschiebung kann als Hinweis auf zunehmende technologische Kompetenz, aber auch als Resultat der erheblichen Zunahme der Zahl der Anbieter gedeutet werden. Wenngleich einige große Anbieter von Umweltschutzgütern derzeit ihre Beschäftigung reduzieren, überwiegt dennoch bei den meisten Anbietern auch hinsichtlich der künftigen Entwicklung die Zuversicht: 60 vH rechnen mit zunehmenden Umsätzen (die höchsten Zuwächse erwarten dabei interessanterweise die im Bereich der additiven Technik tätigen Anbieter). Etwas zurückhaltender beurteilen allerdings die ostdeutschen Anbieter die Aussichten. Dies gilt - im Vergleich zu anderen Märkten - sowohl für die Nachfrageentwicklung, als auch für die Preis- und Kostenentwicklung und für die Konkurrenzsituation.

Die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für das deutsche Angebot von speziellen Umweltschutzgütern und -dienstleistungen könnten auf der anderen Seite in Zukunft eher ungünstiger werden. So öffnet die im

[Seite der Druckausgabe: 12]

Rahmen des europäischen Binnenmarktprogramms wirksam gewordene Liberalisierung im Dienstleistungsbereich den deutschen Markt für umweltbezogene Beratungsdienstleistungen auch für Anbieter z.B. aus Großbritannien und den Niederlanden. Der politische Stellenwert der Umweltpolitik könnte - wie erwähnt - sinken und sich damit ihr Vollzug und die umweltbezogene Nachfrage generell verlangsamen. Im internationalen Maßstab wird zunehmend die Umweltpolitik des kleinsten gemeinsamen Nenners zu erwarten sein. In Osteuropa hemmen gravierende Finanzierungsprobleme die Marktentwicklung; hier müssen die Anbieter neben der Technologie vielfach gleich das Geld mitbringen. Zwar dürften andererseits "weiche Instrumente" wie Umweltgütezeichen für Produkte und Unternehmen (Auditing) künftig zu gewissen Anstößen im Umweltschutzmarkt führen, andere stimulierende Instrumente (wie z.B. auch ökologische Reformen des Steuersystems) sind zumeist aber noch nicht "marktwirksam".

Das Angebot von Umweltschutzgütern und -dienstleistungen ist allerdings sehr vielgestaltig. Eine detaillierte Darstellung der wirtschaftlichen Bedeutung des Umweltschutzsektors - d.h. der wirtschaftlichen Chancen des Umweltschutzes - läßt sich am besten für einzelne Bereiche des Umweltschutzsektors getrennt vornehmen. Im folgenden werden die Bereiche

  • umwelttechnische Industrie - als Anbieter additiver Umwelttechnologie,

  • integrierte Umweltschutztechnologien und

  • umweltbezogene (Beratungs-)Dienstleistungen

unterschieden. Die Größenordnung der umwelttechnischen Industrie läßt sich durch verschiedene quantitative Abschätzungen darstellen, die Bedeutung der integrierten Technologien und der umweltbezogenen Dienstleistungen kann dagegen derzeit kaum exakt quantifiziert werden. Um auch hier ein Gefühl für die wirtschaftliche Bedeutung des Sektors zu vermitteln, werden exemplarisch die Einschätzungen einzelner Marktteilnehmer bzw. -beobachter wiedergegeben.

[Seite der Druckausgabe: 13]

Page Top

2. Der "Kernbereich" der umwelttechnischen Industrie

2.1 Abgrenzung der umwelttechnischen Industrie

Die bereits angedeuteten Probleme der Abgrenzung und Quantifizierung des Umweltschutzsektors stellen sich in besonderem Maße, wenn man Teilbereiche dieses Sektors bzw. des Umweltmarktes untersucht. Denn nun sind auch die einzelnen Teile des Umweltschutzsektors untereinander abzugrenzen. Ein bedeutendes - und am ehesten der Quantifizierung zugängliches - Marktsegment ist die "umwelttechnische Industrie". Zu entscheiden ist hier insbesondere, ob bzw. inwieweit

  • produktionsbegleitende Dienstleistungen wie z.B. die Konstruktion umwelttechnischer Anlagen,

  • das Angebot von "multi-purpose"-Gütern (das sind Güter, die dem Umweltschutz, aber auch anderen Zwecken dienen können) und

  • die nicht-marktliche Bereitstellung von Umwelttechnikgütern bzw. -leistungen (z.B. Eigenproduktion, unentgeltliche Abgabe)

als Teil der umwelttechnischen Industrie zu gelten haben. Die Auswertungen des Statistischen Bundesamtes zum Umweltschutzsektor beschränken sich auf Unternehmen, die zur Produktionsstatistik melden, und auf ausgewählte Produktbereiche. Dienstleistungen werden hier gänzlich ausgeblendet. Eine aktuelle Untersuchung des Instituts für Wirtschaftsforschung, Halle, und des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Essen, bezieht demgegenüber neben den Herstellern bzw. Anbietern von Umwelttechnik auch die damit "verbundenen" Dienstleistungen ein (vgl. dazu Abbildung 1). Zu den "verbundenen" Dienstleistungen zählen dabei im wesentlichen: Generalunternehmertätigkeit, Projektierung und Engineering sowie Konstruktion. Der so gebildete "Kernbereich" der umwelttechnischen Industrie umfaßt im wesentlichen das - marktmäßige - Angebot additiver Umweltschutztechnologie; die Einordnung der entsprechenden Vorleistungslieferungen und der Produkt- und prozeßintegrierten Umwelttechnik bleibt bei dieser Abgrenzung allerdings undeutlich.

Eine auf diesen "Kernbereich" der umwelttechnischen Industrie beschränkte Untersuchung blendet weite Bereiche des Umweltschutzsektors aus - darunter etwa das marktmäßige Angebot von umweltbezogenen Dienstleistungen in

[Seite der Druckausgabe: 14]

den Bereichen Entsorgung, Sanierung und Recycling sowie Beratung, Wartung usw. Die damit verbundenen Abgrenzungsprobleme seien an einigen Beispielen gezeigt.

In den neuen Bundesländern spielen Altlastensanierung und Bodenschutz eine große Rolle. Allein für die Sanierung der Wismut-Altlasten werden jährlich - nur aus dem Bundeshaushalt - mehr als 1 Mrd. DM bereitgestellt, die zu großen Teilen deutschen Bauunternehmen zugute kommen; nur in geringem Ausmaß partizipieren ausländische (z.B. kanadische und australische) Unternehmen. Für die Braunkohlensanierung werden in den nächsten Jahren jährlich 1,5 Mrd. DM bereitgestellt, ähnliches gilt für das Chemiedreieck. Nur ein kleiner Teil dieser Sanierungsaufgaben betreffen allerdings den angesprochenen Kernbereich der umwelttechnischen Industrie. Die Sanierungen auf diesen Flächen erfolgen zumeist recht arbeitsintensiv, spezielle Umwelttechnik ist vielfach nicht erforderlich. Besonders die erforderlichen "Bauleistungen" (im Sanierungsbereich z.B. die Aufräumarbeiten mit Schaufel und Bagger) zählen im Prinzip nicht zum angesprochenen Kernbereich der umwelttechnischen Industrie. Allerdings ist die empirische Trennung nicht immer ganz einfach. Die Bauunternehmen z.B. tragen mit ihren Produktionsgütern (etwa durch Umwelttechnikgüter wie z.B. Rohre) sowie durch verschiedene Bauleistungen zum Umweltschutz bei. Bei Selbstauskünften der Unternehmen ist somit stets ein gewisser Interpretationsspielraum in Rechnung zu stellen. Eine Grauzone der Beurteilung besteht auch hinsichtlich der Frage, welche Dienstleistungen als "verbundene Dienstleistungen" zu gelten haben, d.h. zusammen mit der Vermarktung von Umwelttechnik erbracht wurden. Während die im Bereich der Altlastensanierung erforderlichen Erkundungsdienstleistungen eindeutig "unverbunden" sind, fällt die Einordnung bei der Entwicklung eines neuen technischen Erkundungsverfahrens schon schwerer.

Die erwähnte Analyse des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle und des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung ist relativ aktuell. Ihr liegt eine Unternehmensbefragung zugrunde. Rund 5 000 deutsche Unternehmen, die auf der Basis verschiedener Anbieterkataloge und Messeverzeichnisse ausgewählt worden waren, wurden befragt - davon 4 200 in West- und 800 in Ostdeutschland
(= neue Bundesländer und Berlin). Die wichtigsten der - z.T. im Wege der Hochrechnung - daraus abzuleitenden Erkenntnisse über Größe und Strukturen des "Kernbereichs" der umwelttechnischen Industrie sind im folgenden zusammengefaßt wiedergegeben.

[Seite der Druckausgabe: 15]

2.2. Wirtschaftliche Bedeutung der umwelttechnischen Industrie

Im Jahr 1993 umfaßte die deutsche umwelttechnische Industrie den Ergebnissen der genannten Befragung zufolge im "Kernbereich" 2 535 Anbieter, davon 500 (=20 vH) in Ostdeutschland (vgl. Abbildung 2). Die 5 000 angeschriebenen Firmen gehörten also vielfach nicht zur umwelttechnischen Industrie, sie haben sich offenbar - u.U. aus Imagegründen - in ein für sie "sachfremdes" Verzeichnis aufnehmen lassen. Gut 1 800 Umwelttechnikanbieter sind dem Verarbeitenden Gewerbe, knapp 200 dem Baugewerbe zuzurechnen, der Rest entfällt im wesentlichen auf die Anbieter "verbundener" Dienstleistungen.

Die Branche ist relativ jung. 23 vH der Unternehmen sind - der Befragung zufolge - nach 1990 und über 55 vH aller Unternehmen nach 1980 in den Markt eingetreten. In Ostdeutschland dominieren naturgemäß die nach 1990 in den Markt eingetretenen Unternehmen. Neben der staatlichen Umweltpolitik seit Beginn der siebziger Jahre hat somit insbesondere die durch die deutsche Einheit entstandene neue Lage den Markt für Umwelttechnik in Deutschland gestützt.

Fast 50 vH aller Unternehmen wurden für den Markteintritt neu gegründet oder aus einem bestehenden Unternehmen "ausgegründet". Die übrigen Unternehmen kamen durch neuartige Verwendung, Änderung oder Erweiterung des bereits bestehenden Produktionsprogramms in diesen Markt. Der Umweltschutz hat mithin als neuartige Anforderung zu erheblichen Änderungen der bestehenden unternehmerischen Organisationsstrukturen geführt. Der industrielle Charakter des untersuchten "Kernbereiches" schlägt sich in dem hohen Anteil der Rechtsformen GmbH (76 vH) und AG (gut 5 vH) nieder und zeigt sich auch daran, daß über 61 vH der erfaßten Unternehmen sich als "Hersteller" bezeichnen. 27 vH entfallen demgegenüber auf die Kategorie "Projektierung, Engineering" und 12 vH auf "Generalunternehmer". Im Osten ist der Anteil der Hersteller mit 65 vH noch höher, der Anteil der Generalunternehmer mit 9 vH dagegen noch geringer, was auf eine stark von Zulieferern geprägte Firmenstruktur hindeutet.

[Seite der Druckausgabe: 16]

Die Branche ist im weitesten Sinne als mittelständisch zu bezeichnen. 27 vH aller einbezogenen Unternehmen haben 1993 - der Befragung zufolge - weniger als 20 Beschäftigte; über 60 vH beschäftigen nicht mehr als 100 Arbeitnehmer. Dieses Ergebnis steht - trotz einer methodisch bedingt geringen Berücksichtigung kleinerer Unternehmen und einer überproportional hohen Antwortquote der größeren Unternehmen in der Befragung - weitgehend in Einklang mit vergleichbaren früheren Untersuchungen für Westdeutschland. Im Vergleich zum Verarbeitenden Gewerbe insgesamt (einschließlich Bergbau) ist jedoch die umwelttechnische Industrie vor allem durch eine signifikant höhere Bedeutung der Großbetriebe gekennzeichnet: 13 vH aller Betriebe, die Umweltgüter anbieten, haben mehr als 500 Beschäftigte - gegenüber knapp 3 vH im Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes. Und die großen Energieversorger, die sich im Entsorgungsbereich engagiert haben, sind im hier betrachteten "Kernbereich" noch gar nicht einbezogen. Die Unternehmen in Ostdeutschland sind allerdings im Durchschnitt deutlich kleiner. Die starke Konzentration geht in Westdeutschland überwiegend von den "gemischten" Anbietern aus (als "gemischt" wurden in der Untersuchung Anbieter bezeichnet, die weniger als 90 vH des Gesamtumsatzes mit Umwelttechnik erzielten). Die "reinen" Umweltschutzanbieter sind im Durchschnitt kleiner, technologisch spezialisiert und durch ein hohes Innovationspotential und damit vielfältige Marktchancen gekennzeichnet. Knapp 70 vH aller am Markt befindlichen Unternehmen sind rechtlich selbständig (in Ostdeutschland sogar fast 75 vH); weitere 20 vH bezeichnen sich als Tochter- bzw. Schwestergesellschaft und nur gut 4 vH als Mutter- bzw. Dachgesellschaft.

In den o.g. 2535 Unternehmen wurden 1993 durch die Umwelttechnik 171 500 Arbeitsplätze (das sind im Durchschnitt 68 pro Unternehmen) ausgelastet, davon gut 21400 (=12,5 vH) in Ostdeutschland (vgl. Abbildung 2). 89000 dieser Arbeitsplätze sind im Verarbeitenden Gewerbe, und immerhin 42000 im Baugewerbe angesiedelt. Hohe Beschäftigungseffekte entfaltet der Umweltschutz im einzelnen im Maschinenbau und bei den Anbietern verbundener Dienstleistungen;

geringere in den Bereichen Elektrotechnik, Feinmechanik, Optik und Chemische Industrie. Die Umwelttechnik ist allerdings in den meisten befragten Unternehmen nicht der dominierende Aktivitätsbereich.

[Seite der Druckausgabe: 17]



[Seite der Druckausgabe: 18]

Im Durchschnitt sind nur knapp 13 vH aller Beschäftigten im Umweltbereich tätig. "Gemischte" Anbieter dominieren vor allem in den Sektoren Energie, Bergbau, Verbrauchsgüterindustrie und Baugewerbe. Im erfaßten Dienstleistungsbereich ist demgegenüber die "Umweltspezialisierung" deutlich höher; hier sind im Durchschnitt 64 vH aller Beschäftigten im Umweltbereich tätig. Die Arbeitsplätze im Bereich Umwelttechnik sind offenbar besonders anspruchsvoll. Die (formale) Qualifikation der Beschäftigten ist jedenfalls im Umweltbereich im Durchschnitt merklich höher als in den anderen Aktivitätsfeldern der befragten Unternehmen. Besonders hoch ist sie - innerhalb des Umweltbereichs - bei Dienstleistungsunternehmen, bei Unternehmen mit Schwerpunkt Meß-, Analyse- und Regeltechnik sowie bei ostdeutschen Unternehmen. Die höhere Qualifikation in ostdeutschen Unternehmen hat dabei allerdings zu einem großen Teil mit den früher in der DDR vorherrschenden Qualifikationsstrukturen zu tun.

Im Jahre 1993 erzielten die Unternehmen der umwelttechnischen Industrie einen Umsatz mit Umwelttechnik in Höhe von ca. 55 Mrd. DM (das sind im Durchschnitt rund 22 Mill. DM pro Unternehmen). Nur gut 4 Mrd. DM (=7,3 vH) der Umsätze entfiel auf ostdeutsche Unternehmen (vgl. Abbildung 2), die zudem - wie erwähnt - oftmals als Zulieferer westdeutscher Unternehmen agieren. Damit läßt sich übrigens auch die Umsatzproduktivität beziffern. Sie lag in westdeutschen Unternehmen mit gut
340 000 DM/Mitarbeiter deutlich höher als in ostdeutschen Unternehmen (ca. 190 000 DM/Mitarbeiter). Im Verarbeitenden Gewerbe wurden mit Umwelttechnik 28 Mrd. DM umgesetzt, im Baugewerbe etwa 14 Mrd. DM, der Rest entfällt auf Energie und Bergbau sowie Dienstleistungen und auf Unternehmen ohne eindeutige sektorale Zuordnung. Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes entfielen fast 80 vH aller Umsätze auf das Investitionsgütergewerbe, und hier wiederum mehr als zwei Drittel aller Umsätze auf den Maschinenbau. Mit weitem Abstand folgen im Verarbeitenden Gewerbe die Sektoren Steine und Erden, Elektrotechnik, Feinmechanik/Optik, EBM-Waren und Chemische Industrie.

In Bezug auf die Umsätze steht die präsentierte Hochrechnung von Befragungsergebnissen zwar zugestandenerweise auf schwankendem Grund. Allerdings sind auch andere Quellen unsicher und nur selten untereinander kompatibel. Den Angaben der NRW-Umwelttechnik-Datenbank zufolge erzielten z.B. die Umwelttechnik- und Umweltschutzdienstleistungsbranchen allein in NRW 1994 einen Umsatz von ca. 60 Mrd. DM. Demgegenüber wurde

[Seite der Druckausgabe: 19]

in der amtlichen Statistik - für 1992 - die entsprechende Investitionsgüternachfrage von öffentlicher Hand und Industrie in Deutschland mit nur etwa 20 Mrd. DM ausgewiesen. Bei anderen Segmenten des Umweltschutzsektors sind die Abweichungen z.T. noch größer. So weist die amtliche Statistik für die reine Entsorgungswirtschaft (einschließlich Straßenreinigung, Abfall- und Abwasserbeseitigung) einen Umsatz von rd. 20 Mrd. DM aus. Die H. Kaiser Unternehmensberatung hat für 1990 für den Markt von Entsorgungsdienstleistungen demgegenüber ein Volumen von 3,3 Mrd. geschätzt. Die RWE-Entsorgungs-AG setzt schließlich im Entsorgungsbereich (incl. Dienstleistungen) das Marktvolumen auf jährlich über 50 Mrd. DM an. Diese Abweichungen vermitteln ein Gefühl für die Größenordnungen der hier bestehenden Quantifizierungsprobleme. Vor diesem Hintergrund ist immerhin bemerkenswert, daß die referierten Hochrechnungsergebnisse recht gut mit den vorläufigen Zahlen übereinstimmen, die das Statistische Bundesamt für das Verarbeitende Gewerbe für 1993 ermittelt hat. Erst ab 1988 werden im übrigen die Waren und Dienstleistungen für den Umweltschutz auf der Basis einer amtlichen Erhebung erfaßt.

Trotz dieser Unschärfen gestatten die Befragungsergebnisse auch interessante Einblicke in die Struktur des Umwelttechnikangebotes nach Schutzbereichen bzw. Marktsegmenten. Viele Umwelttechnikanbieter sind zwar in mehreren Feldern des Umweltschutzes gleichzeitig präsent. Die genannten Umsätze wurden jedoch überwiegend in den klassischen Feldern des Umweltschutzes (d.h. Luftreinhaltung, Gewässerschutz/Abwasserbehandlung und Abfallbehandlung bzw. -beseitigung) erzielt. Die Verlagerung der Angebotsstruktur z.B. auf die Meß-, Analyse- und Regeltechnik war bislang - zumindestens bei den "reinen" Umweltschutzanbietern - noch wenig ausgeprägt. Dieses Ergebnis beruht z.T. sicher auf dem in Ostdeutschland angestauten Nachholbedarf an traditioneller Umwelttechnik. Entsprechend ist bei ostdeutschen Anbietern z.B. der auf Gewässerschutz und Abwasserbehandlung entfallende Umsatzanteil höher als bei allen deutschen Anbietern. Oftmals handelt es sich hier allerdings um Gütern mit geringem Technologiegehalt (z.B. Betonrohre). Auch dem Abfallsektor und - überraschenderweise - dem Bereich Meß-, Analyse- und Regeltechnik kommt in Ostdeutschland eine anteilig größere Bedeutung zu als in Westdeutschland, wobei allerdings die Zuordnung Westberlins zu Ostdeutschland die Ergebnisse beeinflußt haben dürfte. Demgegenüber ist der auf den Bereich Luft-

[Seite der Druckausgabe: 20]

reinhaltung entfallende Umsatzanteil in Ostdeutschland unterdurchschnittlich, hier sind die westdeutschen Anbieter klar dominierend.

Regionale Schwerpunkte der umwelttechnischen Industrie sind Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Im Osten konzentriert sich das Angebot in stärkerem Maße dort, wo auch die Umweltprobleme besonders gravierend sind. Nach Schätzungen der Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen sind 40 vH der deutschen Umweltschutzanbieter in Nordrhein-Westfalen angesiedelt. Diese herausragende Position ist sicher nicht zuletzt auf die historische Entwicklung des industriellen Ballungsraums an Rhein und Ruhr zurückzuführen. Das Land hat mit 500 Einwohnern pro qkm die höchste Siedlungsdichte aller vergleichbaren Industrieregionen in Europa. Mit den Zentren der deutschen Grundstoffindustrie und der Energieversorgung gehörte Nordrhein-Westfalen zu den am stärksten verdichteten und belasteten Industrierevieren der Welt. Die nordrhein-westfälische Umweltschutzwirtschaft setzt sich im übrigen - ähnlich wie im bundesweiten Maßstab - vorrangig aus Unternehmen der Sektoren Maschinenbau und Chemische Industrie sowie aus Dienstleistungsunternehmen der Bereiche technische Planung und Beratung (bzw. Consulting) zusammen.

Der Befragung zufolge - und anders als oft vermutet - ist die umwelttechnische Industrie nicht überdurchschnittlich stark auf die Kleinserienfertigung von Spezialprodukten spezialisiert. Jedenfalls lagern die Anbieter von Umwelttechnik offenbar Betriebsaktivitäten in ähnlichem Umfang aus wie andere Unternehmen. Zumindest weichen im Maschinenbau, in der Elektrotechnik sowie bei den Anbietern von EBM-Waren - also in Kernbereichen der umwelttechnischen Industrie - die in der Befragung der Umwelttechnikanbieter gefundenen Anteile der Vorleistungen am Umsatz kaum von den - methodisch etwas anders ermittelten - Anteilen gemäß der amtlichen Kostenstrukturstatistik für das Jahr 1991 ab.

Im Jahre 1993 betrugen die Gesamtinvestitionen der umwelttechnischen Industrie rund 7 Mrd. DM, davon entfielen immerhin rund 1,4 Mrd. DM (=20 vH) auf ostdeutsche Unternehmen (vgl. Abbildung 2). Bezogen auf den Umsatz investieren mithin die ostdeutschen Unternehmen in überdurchschnittlichem Maße; dies läßt einen weiterhin raschen Aufholprozeß dieser Anbieter erwarten. 1993 haben die Anbieter von Umwelttechnik insbesondere in den Bereichen Abfall- und Energietechnik ihre Kapazitäten deutlich erweitert.

[Seite der Druckausgabe: 21]

Gerade in diesen Bereichen wurden wichtige Gesetze bzw. Verordnungen auf den Weg gebracht bzw. noch erwartet (z.B. Novellierung des Abfallrechts oder geplante C02-Steuer). Dagegen wurde in spezielle Umwelttechnik zur Luft- und Wasserreinhaltung deutlich weniger investiert. Hier wurden die wichtigsten Umweltvorschriften bereits in den siebziger und achtziger Jahren entwickelt. In diesen Bereichen dringen mittlerweile auch zunehmend integrierte Umweltschutztechniken vor (z.B. Kraftwerke mit Wirbelschichtfeuerung, aber ohne additive Filtertechnik), die in der Untersuchung allerdings nicht erfaßt wurden.

Die Befragung liefert insgesamt nur eine Momentaufnahme der deutschen umwelttechnischen Industrie im Jahr 1993. Für Westdeutschland lassen sich allerdings auch grobe Entwicklungstendenzen nachzeichnen. Die potentielle umwelttechnische Produktion, d.h. der Produktionswert solcher Güter, die dem Umweltschutz dienen können (unabhängig davon, ob diese Produktion von Umwelttechnikanbietern erbracht wird) wuchs zwischen 1983 und 1989 schneller als das Verarbeitende Gewerbe insgesamt, und besonders schnell im Maschinenbau, im Kunststoffsektor und zeitweise in der Elektrotechnik. Allerdings ist die Wachstumsdifferenz geringer als oft vermutet und zudem im Zeitablauf rückläufig. Zwischen 1983 und 1989 lagen der jahresdurchschnittliche Wachstumsvorsprung der potentiellen umwelttechnischen Produktion noch bei über 2 vH, zwischen 1990 und 1992 aber nur noch bei unter 1 vH. In der jetzt zu Ende gegangenen Rezessionsphase hat sich allerdings gezeigt, daß Umweltschutzinvestitionen auch bei rückläufiger Wirtschaftstätigkeit einen relativ stabilen Markt haben. Die dynamische Entwicklung im Bereich der Umweltschutzwirtschaft wird auch durch den hohen Anteil junger Unternehmen verdeutlicht. Besonders diese Gründerfirmen betreten oft technologisches Neuland.

Die deutsche umwelttechnische Industrie besitzt - nach wie vor - eine starke internationale Wettbewerbsposition. Mit einem Weltmarktanteil von 21 vH lagen deutsche Anbieter 1992 vor USA, Japan und Italien an der Spitze. In jüngster Zeit hat sich die Wettbewerbsposition im Abfallbereich und in der Meß-, Analyse- und Regeltechnik verbessert, in den "traditionellen" Schutzbereichen (Wasser und Luft) dagegen leicht verschlechtert.

Westdeutsche wie ostdeutsche Hersteller von Umwelttechnik sehen - damit übereinstimmend - ihre Hauptkonkurrenten zu über 50 vH in Westdeutschland angesiedelt. Jeder fünfte ostdeutsche Anbieter (dagegen nur jeder

[Seite der Druckausgabe: 22]

neunte westdeutsche Anbieter) lokalisiert seinen Hauptkonkurrenten aber bereits in Ostdeutschland. Insgesamt sehen zwei Drittel aller deutschen Anbieter die Hauptkonkurrenz innerhalb Deutschlands. Besonders die ostdeutschen Anbieter stufen die Auslandskonkurrenz als wenig bedeutsam ein. Dies mag mit der bereits angesprochenen Spezialisierung ostdeutscher Anbieter auf Zulieferungen für westdeutsche Hersteller zu tun haben.

Die deutschen Anbieter von Umwelttechnik sind zwar insgesamt sehr exportorientiert. 1993 lag die "gesamtbetriebliche" Exportquote der befragten Unternehmen bei gut 31 vH (Mittelwert des Verarbeitenden Gewerbes 1992:

26 vH). Im Bereich Umwelttechnik erreichte die Exportquote dieser Anbieter aber nur knapp 20 vH (vgl. Abbildung 2). Offenbar gibt es im Bereich der Umwelttechnik spezielle exporthemmende Faktoren - vorrangig wohl die (unterschiedlichen) Umweltschutzregulierungen. Hinzu kommt, daß in Deutschland viele Unternehmen die Bearbeitung ausländischer Märkte für Umweltschutzgüter wegen der momentan hohen Nachfrage aus den neuen Bundesländern zur Zeit vernachlässigen. Möglicherweise erfordern Umwelttechnikgüter in besonderem Maße Dienstleistungen (z.B. Service, Schulung, Wartung), was eine Vermarktung im Ausland erschweren könnte. Ein Vergleich verschiedener Studien zum Umweltmarkt zeigt jedenfalls, daß die Exportquote bei Umweltschutzgütern tendenziell um so niedriger ausfällt, je stärker Dienstleistungen in die Untersuchung einbezogen werden.

Deutsche Umwelttechnikgüter gehen - im Export - zumeist in westliche Industrieländer; nur gut 10 vH der Exporte flossen 1993 nach Mittel- und Osteuropa. Die Finanzkraft der Abnehmer scheint mithin die Exportströme stärker zu beeinflussen als das Ausmaß der jeweiligen Umweltprobleme. Eine besonders hohe Exportintensität war 1993 jeweils in den Technikbereichen Meß-, Analyse- und Regeltechnik sowie Luftreinhaltetechnik und in den Wirtschaftsbereichen Elektrotechnik, Feinmechanik-Optik-Uhren sowie Stahlverformung-Oberflächenveredlung-Härtung zu verzeichnen.

Besonders "exportschwach" war 1993 die umwelttechnische Industrie in Ostdeutschland. Bezogen auf Umwelttechnik erreichte die ostdeutsche Exportquote nur gut 6 vH. Nach Osteuropa lieferten ostdeutscher Anbieter sogar - entgegen manchen Vermutungen - fast gar keine Umwelttechnik. Die ostdeutschen (oft mittelständischen) Anbieter waren aufgrund der hohen heimischen Nachfrage zumeist nicht gezwungen, auf Auslandsmärkte auszuwei-

[Seite der Druckausgabe: 23]

chen. Überdies fehlt den ostdeutschen Anbietern von Umwelttechnik - wie auch der gesamten ostdeutschen Industrie - vielfach noch das erforderliche Know-how (z.B. hinsichtlich der Vertriebssysteme), um Auslandsmärkte gezielt bearbeiten zu können. Die hergestellten Güter sind schließlich oft nur schlecht handelbar oder sehr transportkostenintensiv (z.B. Betonteile). Insgesamt erlaubt somit die (niedrige) Exportquote keinen Rückschluß auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen bzw. ostdeutschen umwelttechnischen Industrie. Die gute Weltmarktposition bei zugleich niedriger Exportquote scheint vielmehr auf ein insgesamt niedriges Welthandelsvolumen mit Umwelttechnik hinzudeuten.

Eine wichtige Basis für die Wettbewerbsfähigkeit bilden die Innovationen. Die deutsche umwelttechnische Industrie ist durch hohe Forschungs- und Entwicklungsausgaben sowie durch eine hohe Anzahl neuer Produkte und Patentanmeldungen gekennzeichnet. Zugleich ist festzustellen, daß sich die Entwicklung neuer Produkte - vor dem Hintergrund einer entsprechenden Entwicklung der Umweltgesetzgebung - von den klassischen Schutzbereichen (Luft und Wasser) auf den Bereich der Abfalltechnik sowie Meß-, Analyse- und Regeltechnik verlagert hat. Der Anteil neuer (d.h. zwischen 1989 und 1993 entwickelter) Produkte belief sich im ersten Fall auf 10 vH bzw. 12 vH, in den zuletztgenannten Bereichen dagegen auf 21 vH bzw. 22 vH.

Interessant ist ein Vergleich der Innovationsaktivitäten westdeutscher und ostdeutscher Umwelttechnikanbieter. Die - vergleichsweise jungen - ostdeutschen Anbieter zeichnen sich im Vergleich zu ihren westdeutschen Konkurrenten durch ein im Durchschnitt neueres Produktsortiment aus, haben allerdings in deutlich geringerem Ausmaß eigene Patente angemeldet. Neuerungen erfolgen zudem seltener durch unternehmensinterne Anstrengungen, dagegen in höherem Maß als im Westen durch Inanspruchnahme externen Sachverstands (z.B. Lizenzkauf), Bezogen auf den Technologiegehalt der Produkte holen die ostdeutschen Anbieter gegenüber der westdeutschen Konkurrenz somit zwar auf, haben diese jedoch noch lange nicht eingeholt.

Der Befragung zufolge erscheint die deutsche umwelttechnische Industrie insgesamt als sehr heterogener, innovativer und bisher leicht überdurchschnittlich expansiver Wirtschaftsbereich, der jedoch nach wie vor in hohem Maße von den Vorgaben der nationalen Umweltpolitik abhängig ist. Diese (generelle) Einschätzung wird im folgenden durch die partielle Sicht eines

[Seite der Druckausgabe: 24]

großen deutschen Umwelttechnik-Anbieters ergänzt, wobei neben übereinstimmenden auch abweichende Beurteilungen erkennbar werden.

2.3 Perspektive eines Anbieters von Umwelttechnik

Die Deutsche Babcock Anlagen GmbH ist seit 40 Jahren Anbieter von Umweltschutztechnik für die Bereiche Luft, Wasser, Boden und Abfallbehandlung. 160 verbundene Firmen erzielten 1993 einen Gruppenumsatz von ca. 8 Mrd. DM, davon entfielen mindestens 3,5 Mrd. DM auf Umwelttechnik, womit allerdings nicht nur die eigentlichen Umweltschutztechnologien, sondern jeweils die kompletten Großanlagen (z.B. Abfallbehandlungsanlagen, energietechnische Anlagen) gemeint sind. Der Inlandsanteil der Umweltschutzumsätze liegt bei rd. 60 vH. Zunehmend umfaßt das Angebot auch den Betrieb und die Finanzierung von Anlagen. Babcock beschäftigt derzeit rund 37 000 Mitarbeiter, davon 7 000 im Ausland. Diese Beschäftigung erscheint für rund 4 Jahre gesichert.

Die Aussichten für den Gesamtmarkt Umwelttechnik in Deutschland werden von Babcock durchaus zuversichtlich eingeschätzt: Die Bereiche Luft, Wasser und Abfall seien Märkte, deren Bearbeitung die Anbieter bis zum Jahr 2000 auslasten könnte. Die von der Unternehmensberatungsgesellschaft H. Kaiser schon 1991 veröffentlichte Prognose, wonach das Marktvolumen in Westdeutschland von (damals) 48 Mrd. DM über 61 Mrd. DM (1995) auf 78 Mrd. DM (2000) und in Ostdeutschland von (damals) 4 Mrd. DM über gut 9 Mrd. DM (1995) auf 19 Mrd. DM (2000) zunehmen werde, sei im Prinzip nicht unrealistisch. Die Frage sei allerdings, wann die entsprechenden Investitionen stattfinden werden, hier spiele der politische Wille eine entscheidende Rolle. Babcock hat sich mit den angeführten (z.T. umstrittenen) Zahlen von Kaiser beschäftigt, da diese Quelle in der öffentlichen Diskussion so oft genannt wird. Die Unternehmenspolitik wird allerdings nicht auf diese Zahlen ausgerichtet, daher ist für Babcock das Zustandekommen dieser Zahlen im Detail nicht so wichtig.

Babcock schätzt die Marktperspektiven auch in Westeuropa und weltweit günstig ein, besonders im Bereich Gewässerschutz und Abwasserbehandlung; weniger dagegen bei Lärmbekämpfung und Energieeinsparung. Erneut erscheinen die von der Unternehmensberatungsgesellschaft H. Kaiser für das

[Seite der Druckausgabe: 25]

Jahr 2000 angegebenen Nachfrage- bzw. Marktvolumina von 317 Mrd. DM (für Westeuropa) bzw. von gut 870 Mrd. DM (weltweit) nicht unrealistisch. Unklar sei allerdings wiederum, wann im einzelnen diese Niveaus realisiert werden. Ferner sei fraglich, inwieweit deutsche Unternehmen auf den Auslandsmärkten preislich konkurrieren können und ob ein nennenswerter Markt abseits der Industrieländer überhaupt entsteht. Ausländische Märkte seien zur Zeit für deutsche Anbieter mit erheblichen finanziellen Risiken behaftet, wie Babcock aus leidvoller Erfahrung berichten könne. Bei der Bearbeitung dieser Märkte seien daher spezifische Marktkenntnisse und Finanzkraft unbedingt erforderlich. Empfehlenswert sei nicht selten ein Rückgriff auf örtliche Kooperationspartner. Bei Investitionen zur Bearbeitung der Auslandsmärkte seien auf jeden Fall die Faktoren politische Stabilität, Verstaatlichungsrisiko bzw. Einstellung zu fremden Investoren und Gewinnen sowie Bürokratie zu beachten, daneben natürlich ökonomische Grunddaten wie z.B. Geldentwertung, Zahlungsbilanz und Wirtschaftswachstum.

In Deutschland sieht Babcock - bezogen auf einzelne Marktsegmente - derzeit einen Rückgang des Marktes für umweltbezogene Kraftwerkstechnik (z.B. Rauchgasreinigung) - wo im übrigen die Japaner im wesentlichen Lizenznehmer und nicht Lizenzgeber gewesen seien. Ein Ausgleich scheine bei den Abfallmärkten möglich zu sein, hierfür seien aber weitere politische Weichenstellungen erforderlich. Babcock will die Aktivitäten im Bereich Umwelttechnik entsprechend umschichten und strebt an, die durch den rückläufigen Kraftwerksmarkt z.T. frei gewordenen Kapazitäten durch verstärktes Engagement im Abfallmarkt auszulasten. Auch im Abfallbereich sei natürlich irgendwann (vermutlich in ca. 5-7 Jahren) die Marktsättigung erreicht, bei Müllverbrennungsanlagen eher, bei Kompostierungsanlagen später. Neue Märkte - die dann für Ersatz sorgen könnten - entstehen aus Sicht von Babcock auch bei der C02-Minderungstechnik, beim Rückbau vorhandener Deponien, bei Beratungsleistungen (z.B. in Bezug auf Ökobilanzen), bei der Regeneration von "Industriebrachen", bei der technischen Umsetzung von umweltbezogenen Entwicklungshilfeprojekten sowie (möglicherweise) auf dem Gebiet der Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen.

Derzeit kommt bei Babcock im Umweltbereich - wie erwähnt - dem Bau, Betrieb und der Finanzierung von Abfallbehandlungsanlagen ein besonderes Gewicht zu. Um welche Abfallmengen geht es in Deutschland? Bei gegenwärtiger Gesetzgebung und unter Berücksichtigung des Kreislaufwirtschafts-

[Seite der Druckausgabe: 26]

gesetzes bzw. des Abfallbeseitigungsgesetzes und der Verpackungsverordnung ist aus der Sicht von Babcock derzeit von einem Hausmüllaufkommen von 36 Mio. t pro Jahr auszugehen - das sind 462 kg p.a. pro Einwohner. In den alten Bundesländern war zuletzt ein Rückgang der einwohnerbezogenen Hausmüllmengen zu verzeichnen. Dieser Rückgang könnte anhalten. 1993 waren bereits gut 7 Mio. t den "DSD-Bereichen" Wertstoffe, Altpapier und Verpackung zuzurechnen. Große Abfallmengen können künftig auch der biologischen Abfallbehandlung zugeführt werden. Für 1994 ist bei einer Fortsetzung der derzeitigen Abfallpolitik daher mit einem (weiteren) Rückgang an Haus- bzw. Verpackungsmüll zu rechnen. Rückläufige Mengen sind insbesondere auch im Bereich des Sperrmülls und des Gewerbemülls denkbar.

Der Markt für Abfallbehandlungsanlagen stellt sich für Babcock vor diesem Hintergrund in den einzelnen Segmenten sehr unterschiedlich dar.

Die erforderlichen Kapazitäten zur Sortierung von Wertstoffen wie z.B. Altpapier oder andere der Verpackungsverordnung bzw. der Verantwortung des DSD unterliegenden Stoffe sind z.B. aus Sicht von Babcock bereits heute vorhanden. Für den Anlagenbau ist damit der deutsche Markt für Sortieranlagen nach gegenwärtigem Stand der Technik gesättigt. Die Einführung besserer Sortiertechniken - z.B. optische Sortiertechnik statt Handtrennung - könnte zwar einen neuen Markt schaffen. Obwohl bei derzeitiger Technik nach Einschätzung von Babcock im DSD-Bereich Sortierreste von 46 vH anfallen, die zu deponieren oder thermisch zu behandeln sind, und bei Glas und Papier von immerhin 6 vH bzw. 8 vH, ist eine solche Entwicklung aber in den nächsten Jahren nicht absehbar.

Die vorhandene bzw. genehmigte Kapazität von Abfallverbrennungsanlagen reicht z.Zt. ebenfalls schon nahezu für die gesamte thermisch zu behandelnde Abfallmenge von knapp 18 Mio. t aus. Zwar besteht unter Berücksichtigung des zu behandelnden Gewerbemülls derzeit noch eine Kapazitätslücke bei Verbrennungsanlagen von gut 7 Mio. t. Vor dem Hintergrund weiterer noch "in der Pipeline" befindlicher Verordnungen wird diese Lücke künftig aber durch zunehmende Müllvermeidung (besonders im Sperrmüllbereich) weitgehend geschlossen. Vorstellbar ist etwa, daß künftig der alte Schrank oder die alte Matratze an eine Firma zurückgegeben werden können. Die Hersteller rechnen bereits mit einer solchen Entwicklung. Angesichts zunehmender Entsorgungskosten werden sich besonders Gewerbetreibende bei der

[Seite der Druckausgabe: 27]

"Erzeugung" von Müll einschränken bzw. umstellen. Läßt man den (unklaren) Sperrmüllbereich von gut 7 Mio. t außer Acht, verbleibt ein Bedarf, d.h. eine thermisch zu behandelnde Müllmenge von ca. 10 Mio. t. Dem steht schon heute eine Kapazität von gut 9 Mio. t gegenüber - wovon derzeit ca. 8 Mio. t genutzt werden. In Planung bzw. im Bau befinden sich Kapazitäten von weiteren 4 Mio. t.

Zwar kann also schon heute nahezu jede Müllverbrennungsanlage in Deutschland zusätzliche Müllmengen aufnehmen; die Standortverteilung ist allerdings ungleichmäßig, in den neuen Bundesländern existierte Ende 1994 noch keine einzige Anlage. Auch wenn Babcock als Anlagenbauer dies eigentlich begrüßen müßte, ist es dennoch nicht sinnvoll, daß überall Müllverbrennungsanlagen errichtet werden, die bei einem Rückgang der thermisch zu behandelnden Müllmengen (etwa im Zuge der Umsetzung der TA Siedlungsabfall) nur noch zu einem kleinen Teil ausgelastet sind. Zunächst sollten die vorhandenen Kapazitäten ausgelastet werden. So kann z.B. eine Kommune bzw. Gebietskörperschaft, die ein Kompostwerk oder eine eigene Deponie, aber keine Verbrennungsanlage betreibt, bei einem entsprechend ausgestatteten "Entsorgungspartner" verbrennen lassen und im Gegenzug Material des Entsorgungspartners für das Kompostwerk oder die Deponie annehmen. Eine solche Zusammenarbeit bzw. Lastenverteilung erscheint ökonomisch und ökologisch sinnvoll, muß aber politisch durchgesetzt werden.

Ganz anders ist die Marktlage bei Anlagen zur Behandlung von vegetabilen Abfällen, d.h. von Abfällen, die der Kompostierung oder Vergärung zugeführt werden können. Die Vergärung kommt insbesondere bei "schlechtem" Material zum Zuge; sie ermöglicht zugleich die Gewinnung von Biogas. Dann kann u.U. nachkompostiert und das Material in die Natur zurückgegeben werden. Babcock setzt in diesem Bereich 21 Mio. t als theoretischen Wert für das Marktvolumen an. Allerdings planen, bauen oder betreiben im Moment schon viele Gemeinden ein Kompostwerk. Unklar ist überdies die künftige Bedeutung der (häuslichen) Eigenkompostierung, das Verhalten der Kommunen hinsichtlich der Erfassung und Sammlung von Bioabfällen sowie schließlich die Trennschärfe und damit die Qualität des Materials, das in den Anlagen ankommt. Den ersten Erfahrungen zufolge scheint der Bürger bei der Getrennterfassung gut "mitzumachen". Als realistisch sieht Babcock vor diesem Hintergrund ein tatsächliches Marktvolumen von ca. 15 Mio. t an. Dem steht gegenwärtig eine Kapazität von nur knapp 3 Mio. t gegenüber. Daraus

[Seite der Druckausgabe: 28]

ergibt sich somit ein Bedarf an biologischen Abfallbehandlungsanlagen von ca. 12 Mio. t, d.h. ein Marktvolumen (an Investitionen, d.h. ohne den laufenden Betrieb der Anlagen) von mindestens 10 Mrd. DM.

Die vorhandene Kapazität besteht bei Kompostierungs- und Vergärungsanlagen jeweils aus etwa 400 Anlagen. Man unterscheidet dabei Anlagen mit einer Kapazität von

  • unter 6 500 t (Einwohnerbezug 30 000 - 50 000),
  • 6500-18 000 t und
  • über 18 000 t.

Die regionale Verteilung ist bei den biologischen Abfallbehandlungsanlagen gleichmäßiger als bei den Müllverbrennungsanlagen; auch die neuen Bundesländer (insbesondere Sachsen) sind schon relativ gut versorgt.

Babcock bearbeitet diesen Markt intensiv. Das Unternehmen hat bereits etliche Kompostwerke gebaut und einige Neuerungen für die Behandlung von Bioabfall entwickelt. Zum einen betrifft das die bundesweit erste Bioabfallvergärungsanlage, die in Bottrop im März 1995 in Betrieb gehen soll. Zum anderen gibt es bei Babcock ein neuartiges System der Kompostierung. Dieses "Tunnelkompostierungssystem" ermöglicht eine weitgehende Geruchsvermeidung und soll in einer Anlage bei Bad Tölz im August 1995 erstmals eingesetzt werden. Die Stadt Kiel schließlich hat Babcock mit der Errichtung und dem Betrieb einer kombinierten Kompostierungs- und Vergärungsanlage beauftragt. Diese soll von Babcock finanziert und zunächst für 20 Jahre betrieben werden - einschließlich der Vermarktung der anfallenden Wertstoffe Biogas und Kompost. Die Inbetriebnahme soll in 33 Monaten erfolgen.

Problematisch ist aus Sicht von Babcock der Bereich des Kunststoffrecycling: Bei Joghurtbechern kostet einer Untersuchung des Fraunhofer-lnstituts zufolge allein die Erfassung des Materialeingangs 5 000 DM pro Tonne. Wenn zugleich der entsprechende Rohstoff nur 3 000 DM pro Tonne kostet, kann das Recycling nicht sinnvoll sein - zumal angesichts der zusätzlich produzierten Verkehrs-, Arbeits- und Umweltbelastungen, die mit dem Recycling verbunden sind.

[Seite der Druckausgabe: 29]

Insgesamt gibt es aus Sicht von Babcock bis zum Jahr 2005 und länger einen großen Markt für Umwelttechnik; allein der nationale Abfallmarkt soll für die nächsten 5 Jahre gesicherte Beschäftigung bringen. Dennoch sind die Perspektiven für Babcock nicht ungetrübt. Ausländische Konkurrenz drängt zunehmend in den heimischen Markt; darunter insbesondere auch große Unternehmen mit Umsätzen von über 10 Mrd. DM allein im Abfallbereich (z.B. die Firma Waste Management). Diese Firmen sind schon wiederholt als Aufkäufer von kleinen und mittleren Unternehmen im Entsorgungssektor aktiv geworden. Auch im EU-Raum nimmt die Konkurrenz zu. So dringen im Wasserbereich z.B. große französische und englische Anbieter vor. Die Erneuerung von Kanal- und Wassernetzen ist ein großer Markt; größer als der Markt von Abwasserbehandlungsanlagen. Die Bearbeitung der Auslandsmärkte ist andererseits - wie erwähnt - für deutsche Anbieter schwierig. Von den gesamten Umweltschutzanlagen bestehen zudem meistens nur die Steuerungssysteme aus höherwertiger, d.h. exportfähiger Technik. Große Teile solcher Anlagen (z.B. Kessel) sind mittlerweile Standard, "fast jeder" kann solche Aggregate bauen. Die mit Blick auf die heimische Beschäftigung somit besonders wichtigen Steuerungssysteme haben aber an den Gesamtanlagen nur einen wertmäßigen Anteil von etwa 10 vH.

Babcock bedient sich beim Entwurf bzw. bei der Zusammenstellung von gesamten Anlagekomplexen vor diesem Hintergrund einer Art "Baukastensystem". Die Anlagen werden in Modulen konzipiert, die sich flexibel, d.h. den jeweiligen Anforderungen "vor Ort" entsprechend, zusammenfügen lassen. Daraufhin lassen sich einzelne Komponenten fallweise zukaufen. Ferner können - bei unterschiedlichen Umweltstandards - auch die Auslandsmärkte besser bearbeitet werden. Eine bausteinmäßigen Modul-Bauweise der Anlagen hilft somit insgesamt, die flexible Erfüllung von Grenzwerten zu ermöglichen, ein "over-tech" zu vermeiden und auch für andere Länder passend anbieten zu können.

Die bislang vorgestellten Einschätzungen des Marktes für Umwelttechnik heben zwar übereinstimmend die großen Marktpotentiale hervor - insbesondere im Bereich des Abfallsektors bzw. der Abfallbehandlung. Insgesamt ist aber dennoch davon auszugehen, daß künftig umweltfreundliche Produktvarianten und umweltschonende Techniken an Bedeutung gewinnen und daraufhin der Umweltschutz einer speziellen Umwelttechnik weniger häufig bedarf, daß mithin Wachstumschancen im Umweltschutz nicht mehr gleich

[Seite der Druckausgabe: 30]

bedeutend sind mit Wachstumschancen für den "Kernbereich" der umwelttechnischen Industrie. Die nachfolgenden Abschnitte beleuchten vor diesem Hintergrund die Perspektiven im Bereich der anderen, zukunftsträchtigeren "Marktsegmenten" des Umweltschutzsektors. Dabei sind allerdings quantitative Aussagen weitgehend unmöglich, präsentiert werden im wesentlichen qualitative Einschätzungen einzelner Marktteilnehmer bzw. Marktbeobachter.

Page Top

3. Produktionsintegrierter Umweltschutz

3.1 Zur Erfassung

Die statistische Erfassung bereitet im Bereich des integrierten Umweltschutzes noch größere Probleme als im Bereich der additiven Technologien. Erstens fallen viele "integrierte" Umweltentlastungseffekte bei einer Modernisierung des Kapitalstocks quasi "nebenbei" bzw. "unbemerkt" an, sie sind deshalb oft statistisch kaum zu isolieren. Zweitens sind umweltfreundliche Güter und Verfahren bei weitgehender Marktdurchdringung (d.h. wenn sie sozusagen Standard geworden sind) im Prinzip aus der Kategorie "integrierter Umweltschutz" auszusondern. Sie müssen quasi immer integrierter werden, um noch als integrierter Umweltschutz erfaßt werden zu können. Was ist beispielsweise bei einem Kraftwerk mit Wirbelschichtfeuerung als integrierter Umweltschutz zu bezeichnen, wenn die Technik der Wirbelschichtfeuerung zum Standard geworden ist? Integrierte Umweltschutztechnologien können theoretisch also die Wirtschaft vollkommen "durchdringen", ohne daß sich dies statistisch niederschlägt.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, daß die Daten des Statistischen Bundesamtes über die Umweltschutzaufwendungen der Unternehmen zu zeigen scheinen, daß in der Vergangenheit der integrierte Umweltschutz gegenüber dem additiven Umweltschutz an Bedeutung verloren hat: Im Produzierenden Gewerbe des früheren Bundesgebietes ist - der amtlichen Statistik zufolge - der Anteil additiver Maßnahmen ("ausschließlich dem Umweltschutz dienende Sachanlagen") an den insgesamt erfaßten Umweltschutzinvestitionen von gut 56 vH (im Zeitraum 1975/77) auf 73 vH in den Jahren 1988/90 gestiegen, der Anteil der Maßnahmen des produktbezogenen und des integrierten Umweltschutzes ("umweltschutzbezogene Teile von Sachanlagen, welche anderen Zwecken dienen") demgegenüber entsprechend gesunken. Auch in den neuen Bundesländern hat sich - gemäß amtli

[Seite der Druckausgabe: 31]

eher Statistik - offenbar nicht generell ein höherer Anteil des integrierten Umweltschutzes als in den alten Bundesländern eingestellt, obwohl die dort vorgenommenen durchgreifenden Modernisierungen des Kapitalstocks eigentlich günstige Voraussetzungen für einen hohen Anteil des integrierten Umweltschutzes geboten hätten. Ein Teil der Erklärung dürfte in der (derzeit) sehr großen Bedeutung der Altlastensanierung in den neuen Bundesländern zu suchen sein.

Die hier zum Ausdruck kommende "Lücke" zwischen den für eine sachgerechte Beurteilung von Umweltpolitik und Umweltschutzsektor erforderlichen Informationen und dem Informationsangebot des Statistischen Bundesamtes wird künftig wohl noch größer. Während der Informationsbedarf gerade im Bereich des integrierten und des produktbezogenen Umweltschutzes steigt, weist das Bundesamt die Informationen über diese - statistisch sicher schwer abschätzbaren - Bereiche künftig weitgehend nicht mehr aus. Ab 1988 werden zwar - wie erwähnt - Waren und Dienstleistungen für den Umweltschutz auf der Basis einer amtlichen Erhebung erfaßt. Dabei stehen allerdings die zweifelsfrei umweltbezogenen Güter - d.h. überwiegend die additive Technologie - im Vordergrund. Damit ist die deutsche Vorreiterrolle im Bereich der Umweltstatistik in Gefahr. Künftig ist immer mehr über die Entsorgungs- und end-of-pipe-Technologien, also über einen "Bereich von gestern" bekannt, immer weniger dagegen über den integrierten Umweltschutz und nach wie vor wenig über umweltbezogene Dienstleistungen.

3.2 Zu den Perspektiven

Die Perspektiven des produktionsintegrierten Umweltschutzes werden derzeit unterschiedlich eingeschätzt. Die Erwartung auf eine wachsende Bedeutung des integrierten Umweltschutzes gründet sich auf die zunehmend erkannten Schwächen der bisherigen Umwelttechnik (in Form nachgeschalteter Reinigungstechnologien). Diese stößt nämlich inzwischen - trotz ihrer in Deutschland anerkannt hohen Leistungsfähigkeit - an ihre ökonomischen und ökologischen Grenzen. Weitere Verbesserungen der Reinigungsleistung erfordern zumeist überproportional hohe Kosten; die anfallenden Reststoffmengen steigen i.d.R. ebenfalls.

Das Angebot integrierter Umwelttechnologien fällt allerdings nicht vom Himmel; die Anbieter müssen zahlreiche Hemmnisse und Widerstände überwin-

[Seite der Druckausgabe: 32]

den. In den VDI-Nachrichten vom 11. November 1994 heißt es daraufhin: "Integrierter Umweltschutz ist bislang ohne große Chance". Für das vielfach noch nicht ausgeprägte Marktangebot bzw. die verzögerte Umsetzung des produktionsintegrierten Umweltschutzes lassen sich im einzelnen folgende Gründe nennen:

  • bei den potentiellen Anwendern der integrierten Technologie dominiert meist ein "reaktives" Verhalten mit oft deutlicher Zeitverzögerung (man geht mit den zumeist schwierigen Entscheidungen eine Weile "schwanger"),

  • die Finanzierbarkeit der zumeist erheblichen Investitionen ist nicht immer gesichert,

  • angesichts der Notwendigkeit von späteren Ersatzinvestitionen stellt sich für den Anwender die Frage nach der "Dauerhaftigkeit" der zur Auswahl stehenden "technischen Linie",

  • die Rechtssicherheit der Anlagentechnik für Produktion und Umweltschutz macht gerade bei integrierten Umweltschutztechnologien umfangreiche Nachweise erforderlich, sonst drohen Auflagen oder Abgaben, mithin zusätzliche Kosten.

Das größte Hemmnis hinsichtlich der Einführung neuartiger Verfahrenstechniken mit integriertem Umweltschutz liegt zusammengefaßt in ihrer zumeist hohen Komplexität. Bei einer geplanten Integration von Produktion und Entsorgung gibt es eine fast unübersehbare Vielfalt von zu beachtenden Einflußfaktoren (z.B.: Rechtsvorschriften und Normen, technische Verfahren, Anwenderbedarf, Anbieterwettbewerb). Die spezifische verfahrenstechnische Fragestellung stellt i.d.R. sowohl für den Anwender als auch für die (potentiellen) Anbieter Neuland dar. Entscheidungen zugunsten neuer, emissionsarmer Produktionstechnologien bzw. Produkte beinhalten häufig besonders hohe technische und ökonomische Risiken; die wirtschaftlichen Folgen eines Scheiterns der neuen Technik sind hier weitreichender als bei additiven Umweltschutzanlagen und gehen z.T. über den wirtschaftlich kalkulierbaren Rahmen hinaus.

Der Umfang der Innovations- und Umstellungsprozesse, die bei der Einführung produktionsintegrierter Umweltschutztechnologien auf Seiten der Anwender und auch der Anbieter erforderlich werden, läßt sich auf der Grundlage von Beratungserfahrungen der Zenit GmbH anschaulich am Beispiel der Membrantechnologie in der Wasseraufbereitung zeigen.

[Seite der Druckausgabe: 33]

Der potentielle Anwender erwartet von einer "wettbewerbsfähigen" verfahrenstechnischen Lösung, daß sie kostengünstig ist, die Produktivität möglichst steigert, zugleich die Produktion sicherstellt sowie die Umweltauflagen einhält. Er erwartet ferner - gerade bei einem technisch neuartigen Angebot - Produktionssicherheit (auch im Versuchs- und Pilotbetrieb) und einen guten Service, d.h. Notfall-Service innerhalb weniger Stunden und Kundenbetreuung auch nach der Garantiezeit. Bei der Entscheidung, mit welcher organisatorischen oder verfahrenstechnischen Maßnahme im konkreten Einzelfall z.B. eine Senkung des Wasser-, Chemikalien- bzw. Energieverbrauchs und/oder eine Stoffrückgewinnung erreicht werden kann, muß der Anwender zwischen verschiedenen - ihm zunächst meistens unbekannten - Techniken wählen. In den Bereichen Brauchwasserentsalzung und Trinkwasserversorgung stehen neben der Membrantechnologie (Umkehrosmose) auch Technologien aus dem Bereich der Galvanik (Beizbad, Spülbad), Verfahren der Rauchgaswäsche z.B. elektrochemische Verfahren (Elektrolyse) und Elektrodialyse zur Verfügung.

Kompetente Anbieter müssen daher über umfangreiches eigenes know-how bzw. über Referenzen für die betreffende Aufgabenstellung verfügen. Wer z.B. technische Erfahrungen mit Membranen bei der Meerwasserentsalzung aufgebaut hat, kann diese gut in die Fragestellung "Abwasseraufbereitung mit Membranen" transportieren. Die Membrantechnologie ist im Einzelfall allerdings in die konkret vorhandenen Betriebsstrukturen "maßgeschneidert" einzupassen. Daher muß der entsprechende Anbieter auch die Betriebsabläufe und z.B. die Abwasserzusammensetzung analysieren können. Wenn es etwa um die Standzeitverlängerung von Entfettungsmedien einschließlich der Vorbehandlung von ölhaltigem Abwasser geht - ein bekanntes Anwendungsbeispiel für die Membrantechnik, ist ein mehrstufiger, weite Teile des gesamten Betriebsablaufs erfassender Stoffstrom zu analysieren. Zur Sicherstellung der Betriebsfähigkeit gehören bei der Membrantechnologie nicht nur die Membranen selbst, sondern auch die Anlage(module) und die Prozeßführung. Heute sind z.B. die amerikanischen oder japanischen Membranhersteller zumeist keine Anlagenbauer. Damit aber die Technik auch in der Anwendung sicher funktioniert, ist die Verknüpfung von Membranen selbst, von Anlage(module)n und Prozeßführung entscheidend. Die "Systemanbieter" von Membrantechnologie müssen also auch die Nachbarbereiche des eigenen know-hows abdecken, d.h. sie müssen über gute Geschäftsbeziehungen verfügen und zugleich eigene Forschung und Entwick-

[Seite der Druckausgabe: 34]

lung betreiben. Schließlich kommt es neben der Qualität des Angebotes natürlich auch auf Lieferschnelligkeit und auf preisliche Konkurrenzfähigkeit an.

Die Bedeutung des Verbundaspektes läßt sich im vorliegenden Beispiel auch an einer Patentanalyse illustrieren. Der World Patents Index verzeichnete 1990 insgesamt 60 000 Patente zu den Stichworten Abwasserbehandlung und Membrantechnik. Nur 4 400 dieser Patente liegen allerdings in der Schnittmenge beider Technikbereiche und nur bei 334 Patenten sind beide Begriffe im Wortlaut aufgeführt. Geschützte technische Neuerungen mit "bereichsübergreifendem" Charakter sind also bislang vergleichsweise selten; und dies dürfte im wesentlichen auch bei den nicht geschützten Techniken der Fall sein.

Auch im Bereich der integrierten Umweltschutztechnologien lassen sich allerdings gewisse Produktlebenszyklen bzw. Marktphasen feststellen. Durch Gesetzgebung und steigende Akzeptanz der technischen Lösungen ist der Markt für Membrantechnik in der jüngsten Zeit bereits im Umbruch. Standardisierte Lösungen könnten in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Die Komplexität der Entscheidung, den Betriebsablauf zum Einsatz der Membrantechnik umzustellen, könnte dann sinken.

Dennoch verdeutlicht das angeführte Beispiel der Membrantechnologie, warum das Bundesministerium für Forschung und Technologie (in einer Zwischenbilanz zur Wirksamkeit der bisherigen Forschungsförderung) feststellt, daß die Markteinführung integrierter Umwelttechniken besonders lange dauert. Die Entwicklung und Umsetzung neuer Umwelttechniken erfordert - dieser Bewertung zufolge - generell einen Zeitraum von 2 - 10 Jahren. Während aber für nachgeschaltete Verfahren nur 2-4 Jahre angesetzt werden, wird der Zeitbedarf für die Einführung integrierter Maßnahmen auf 6-10 Jahre veranschlagt. Daß viele Unternehmen im nachhinein (d.h. nach erfolgreicher Umstellung) angeben, durch den Umstieg auf den integrierten Umweltschutz seien die Betriebskosten nicht gestiegen, ändert dabei nichts an der geschilderten Komplexität der Umstellung und am hohen Zeitbedarf der im einzelnen erforderlichen Synchronisation von Betriebsabläufen und mitwirkenden Akteuren.

Die Einführung produktionsintegrierender Umwelttechnologien erfordert also - wie erwähnt - neue Kommunikationsmuster von Anwendern und Anbietern,

[Seite der Druckausgabe: 35]

insbesondere eine erhöhte "Verbundfähigkeit". Das Marktverhalten und das Entscheidungsprocedere gerade der öffentlichen Auftraggeber stehen diesen Erfordernissen oft noch entgegen. Umweltentlastende, emissionsmindernde Innovationen setzen sich aus all diesen Gründen oft nicht von selbst durch; es sind zusätzliche Impulse für den notwendigen industriellen Umstrukturierungsprozeß erforderlich.

Der produktionsintegrierte Umweltschutz ist somit insgesamt nicht als "Wunderwaffe" zur Lösung der Umweltprobleme anzusehen. Neue Anstöße für den ganzheitlichen Umweltschutz werden künftig von einer anderen Seite kommen, nämlich von der Umsetzung der EU-Öko-Audit-Verordnung, welche sich im Grundsatz auch mit der Verbesserung komplexer Strukturen befaßt, dabei aber weniger einem technischen als vielmehr einem organisationsbezogenen Ansatz des betrieblichen Umweltschutzes folgt. Als Teil des Umweltschutzsektors sind in diesem Zusammenhang besonders die Anbieter von umweltbezogenen Beratungsdienstleistungen betroffen bzw. begünstigt. Dieses "Marktsegment" wird im folgenden am Beispiel der Beratung zur Einführung eines betrieblichen Umweltmanagements betrachtet - und zwar aus der Sicht eines Anbieters von und eines Nachfragers nach entsprechender Beratung.

Page Top

4. Umweltbezogene Beratungsdienstleistungen

4.1 Die Sicht eines Anbieters

Die Ernst & Young GmbH ist eine weltweit tätige Unternehmens-, Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft mit ca. 70 000 Mitarbeitern in über 100 Ländern. In Deutschland ist Ernst & Young seit etwa 4 Jahren im Bereich der Umweltmanagementberatung tätig und berät dabei Klienten nahezu aller Branchen. Der Schwerpunkt liegt bei Unternehmen aus den Bereichen Baustoffindustrie, Elektronik, Chemie, Mineralölverarbeitende Industrie sowie Nahrungs- und Genußmittelindustrie. Die Umweltmanagementberatung von Ernst & Young richtet sich dabei hauptsächlich an kleine und mittlere Unternehmen.

Die Beratung im Umweltmanagementbereich setzt bei der Frage an, was ein (mittelständischer) Betrieb tut, der seine Umweltschutzleistung in der Produktion verbessern will, der also ein potentieller Kunde für die Umwelttechnikan-

[Seite der Druckausgabe: 36]

bieter ist, und mit welchen Schwierigkeiten ein solcher Betrieb zu kämpfen hat. Ein Unternehmensberater wie Ernst & Young kommt dabei nicht von der technischen Seite (wie etwa ein Ingenieurbüro), sondern schaut auf den organisatorischen Bereich; er stellt sich die Frage, wie sich im Unternehmen des Kunden ein Umweltmanagementsystem etablieren läßt - und zwar am besten dauerhaft.

Das Management des betrieblichen Umweltschutzes besteht diesem Ansatz zufolge in erster Linie in der Aufgabe, die verfügbaren technischen Lösungen und die Organisation des Betriebes in Einklang zu bringen. Diese Aufgabe ist vergleichbar mit der Einführung eines betrieblichen Qualitätssicherungssystems, wo es darum geht, eine produktions- bzw. betriebsintegrierte Qualitätskontrolle an die Stelle einer Qualitätsendkontrolle (mit Feststellen einer Ausschußquote) zu setzen. Bei Anwendung eines solchen Managementsystems ist der Umweltschutz also nicht mehr - wie noch als Reaktion auf das herkömmliche Ordnungsrecht - auf die wirtschaftliche Tätigkeit "aufgepfropft", sondern integraler Bestandteil des unternehmerischen Selbstmanagements. Die Managementaufgabe ist damit so übergreifend und ganzheitlich, daß sie sich nur in abstrakten Kategorien beschreiben läßt. Zu einem guten Umweltmanagement gehört im "Innenverhältnis" z.B. ganz allgemein:

  • eine klare Definition von umweltbezogenen Aufgaben,

  • eine klare Verteilung von umweltbezogener Verantwortung und Kompetenz auf die Mitarbeiter,

  • die nachvollziehbare Dokumentation (Stichwort: Nachweis des bestimmungsgemäßen Betriebes); diese muß es unter anderem ermöglichen, die (betrieblichen) Kosten des Umweltschutzes und des ausbleibenden Umweltschutzes vergleichbar machen,

  • die Beachtung von umweltrelevanten Melde- und Kontrollpflichten (insbesondere bei Störfällen) und

  • die umweltbezogene Qualifikation und Schulung des Personals.

Das Umweltmanagement muß im "Außenverhältnis" das Umweltrecht beachten, das zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Risiko minimieren sowie Kunden und Öffentlichkeit sachgerecht informieren. "Umweltberichte" können dabei zugleich als Instrument des offensiven Umweltschutzes zur Erzielung von Marktvorteilen genutzt werden.

[Seite der Druckausgabe: 37]

Aus Sicht von Ernst & Young bestehen bei kleinen und mittleren Unternehmen hinsichtlich des betrieblichen Umweltschutzes bzw. Umweltmanagements insbesondere folgende "typische" Probleme:

  • Bisher wurden durch punktuelle Aktivitäten überwiegend technische "Insellösungen" realisiert,

  • es bestehen Unklarheiten über die Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung. Oft werden Aufgaben gemäß "gewachsenen" (z.T. in einzelnen Personen kumulierenden) Verantwortlichkeiten verteilt,

  • Emissionserklärungen, Abfalldokumentationen u.a. sind oft unübersichtlich oder unvollständig archiviert,

  • in Unternehmen ohne entsprechende Stabsstellen wird der Umweltschutz als Priorität schnell von "Alltagsproblemen" verdrängt,

  • generell (aber auch abhängig von der konjunkturellen Lage) hemmen knappe Ressourcen, insbesondere eine dünne Personaldecke, den betrieblichen Umweltschutz.

Vor diesem Hintergrund - und als Einstieg für mittelständische Unternehmen in ein systematisches Umweltmanagement - hat Ernst & Young einen sogenannten Umweltmanagement-Check entwickelt. Dies ist im wesentlichen eine Überprüfung der Organisation des betrieblichen Umweltschutzes mit dem Ziel der Ermittlung von Verbesserungsmöglichkeiten. Die Überprüfung soll alle wesentlichen Sachgebiete erfassen, darf andererseits das Tagesgeschäft und die Mitarbeiter nicht über Gebühr beanspruchen und muß handlungsorientierte und konkrete Ergebnisse liefern. Prüfungsbereiche sind im Prinzip alle Unternehmensbereiche (neben der Produktion insbesondere auch die Bereiche Personal, Organisation, Controlling, Forschung und Entwicklung) und zugleich alle wesentlichen Umweltmedien. Prüfungsinhalte sind unter anderem die vorhandenen Umweltrisiken und z.B. die Möglichkeiten einer ökologischen Buchhaltung bei der Planung von (Umwelt-)Investitionen.

Die Überprüfung gliedert sich bei Ernst & Young in der Regel in ein Vorbereitungsgespräch, eine Bestandsaufnahme und einen Ergebnisbericht. Das Vorbereitungsgespräch dient unter anderem der Zuordnung von Mitarbeitern zu Themenbereichen und der Abstimmung über das weitere Vorgehen. Zu diesem Vorbereitungsgespräch sind im Prinzip alle Mitarbeiter hinzuzuziehen, die für die Umsetzung des Umweltmanagementkonzepts von Bedeutung sind, z.B. der Geschäftsführer, der Leiter des Labors, der Leiter des Qualitätsma-

[Seite der Druckausgabe: 38]

nagements und Mitglieder des Betriebsrats; je nach Betriebsgröße etwa zwischen 8 und 20 Mitarbeitern. Die Bestandsaufnahme umfaßt ausführlichere Interviews mit möglichst nur 2-3 Mitarbeitern (diese Beschränkung soll eine "schlanke" Überprüfung gewährleisten), eine Betriebsbegehung und eine begrenzte Dokumenteneinsicht (z.B. Genehmigungsunterlagen, Abfallbücher und Schichtbücher). Der Ergebnisberichte beinhaltet schließlich eine Beurteilung des (ggfs.) bestehenden Umweltmanagementsystems, eine Bewertung der Verbesserungspotentiale und insbesondere eine Auflistung konkreter Verbesserungsmaßnahmen. Die als Ergebnis der Überprüfung formulierten Verbesserungsvorschläge können z.B. das Genehmigungsmanagement, die Definition der Umweltaufgaben und Zuordung zur Stellenbeschreibung der Mitarbeiter, d.h. die (Neu-)Verteilung der umweltbezogenen Zuständigkeiten, ferner die umweltbezogenen Informationsflüsse und - bezogen auf Umweltrisiken - das Sicherheitsmanagement betreffen. Daneben sind - in einer Bewertung - die Priorität bzw. Dringlichkeit der Maßnahmenvorschläge sowie die jeweils zu erwartenden Umsetzungszeiten aufzuzeigen.

Im folgenden wird der betriebliche Umweltschutz am Beispiel und aus der Sicht eines mittelständischen Unternehmens, das sich einem Umweltmanagement-Check von Ernst & Young unterworfen hat, konkret geschildert. Dabei wird zunächst auf die Einführung technischer Umweltschutzmaßnahmen eingegangen und deren Nutzen geschildert und danach der Umgang mit den Ergebnissen des Umweltmanagements dargestellt. Es zeigt sich dabei, daß die Reihenfolge bzw. Rangfolge der vorgenommenen Maßnahmen von der (zunehmenden) Komplexität der Anforderungen abhängt. Es bestätigt sich auch, daß der betriebliche Umweltschutz überwiegend als Bestandssicherungsmaßnahme eingestuft wird, wohingegen die Motive "Marktchancen" bzw. "Risikomanagement" derzeit (im Mittelstand) für die Einführung eines betrieblichen Umweltmanagements eine geringere Rolle spielen.

4.2 Die Perspektive eines Nachfragers

Die Unternehmensgruppe Hebel stellt Porenbeton und Porenbetonbauteile her, vom Baustein bis zum schlüsselfertigen Gebäude. Die Werke des Unternehmens sind über ganz Deutschland verteilt und sind - als selbständig bilanzierende Einheiten - mit Umsätzen zwischen 40 und 280 Mio. DM eindeutig dem Mittelstand zuzurechnen. Die Firmenphilosophie wurde bei Hebel früh mit Umweltschutzaspekten angereichert.

[Seite der Druckausgabe: 39]

Die technische Umsetzung der entsprechenden Leitsätze läßt sich anhand einiger Beispiele anschaulich darstellen:

  1. Die Baustoffherstellung besteht aus den Arbeitsgängen "Mischung aus Kalk, Sand, Zement und Wasser herstellen", "in Formen gießen", "Porenbildung", "Schneiden des Materials" und "Dampfhärtung mit Mineralisation des Porenbetons". Bei diesem Prozeß ist das Wasser besonders wichtig. Durch Umstellung der Produktion wird inzwischen das Wasser - in einem mehr oder weniger geschlossenen Kreislauf - verschiedenen Nutzungen nacheinander zugeführt, nach Gebrauch in verschiedene Qualitäten sortiert und schließlich in Form von Mischwasser in das Produkt eingeführt. Dadurch vermeidet Hebel heute - gegenüber dem Jahr 1968 - bei gleicher Produktion eine Abwassermenge von 18 000 m3.

  2. Beim Dampfhärten war Anfang der 60er Jahre ein einfaches Verfahren mit 100 vH Dampfverlust Stand der Technik. Durch "umgekehrte Kondensatableiter", welche die Dämpfe nach Wärme sortieren und entsprechend einzelne Klappen öffnen bzw. schließen, wurde eine Mehrfachnutzung des Dampfes und damit eine erhebliche Material- und Energieeinsparung möglich. Diese Maßnahme reduzierte den Brennstoffbedarf für das Dampfhärten um immerhin rd. 58 vH.

  3. Als nächstes wurde der kesseltechnische Wirkungsgrad des Dampferzeugers von 89 auf 97 vH erhöht, indem die Temperatur des zufließenden Brunnenwassers mit Hilfe von Restwärmemengen von 15° stufenweise auf 1400 angehoben wurde. Dadurch konnten die vorgenannten Brennstoffeinsparungen auf 66 vH gesteigert werden.

  4. Das zur Armierung im Porenbeton erforderliche Eisen muß gegen Korrosion geschützt werden. Bis vor 8 Jahren basierten die Korrosionsschutzsysteme bei Hebel auf einer einfachen Lösemitteltechnologie, einem "end-of-pipe-Verfahren". Durch Einsatz eines Aktivkohlefiltersystems (ohne thermische Nachverbrennung) konnte ein Lösemittelkreislauf mit hohem Wirkungsgrad realisiert und die Anforderung der TA-Luft sicher eingehalten werden. Mit dieser Anlage wurden die Lösemittelemissionen von 50-60 t/jahr auf 300 kg/jahr reduziert.

  5. Nachdem die Wohnbebauung den ursprünglich auf der grünen Wiese gelegenen Betrieb "eingeholt" hatte, stiegen die Lärmschutzanforderungen von einem Emissionsgrenzwert von 70 db auf 35 db (Anwohnerempfang). Eine Einigung mit den Anwohnern erleichterte die Anforderung auf 45 db. Hebel konnte durch entsprechende Dispositionen inzwischen einen Wert von 42 db (über Nacht) realisieren.

  6. Eine weitere Aktion betraf schließlich die Abfallwirtschaft des Werkes. Zunächst waren verstreute und selbständig agierende Stellen für die Erfassung und Sammlung von Abfällen verantwortlich. Daraufhin war kein Mitarbeiter umfassend über die betrieblichen Abfallströme informiert. Nach einem "Abfallcheck" (d.h. einer "Durchleuchtung" der betrieblichen Abfallströme durch einen externen Sachverständigen) wurde eine Zentralisierung der Annahme von Abfällen und eine entsprechende Kosten

[Seite der Druckausgabe: 40]

    zurechnung eingeführt. Die erforderliche Investition für die zentrale Sammel- und Erfassungsstelle betrug 150 000 DM. Dadurch werden seither Einsparungen von jährlich rd. 200 000 DM erzielt.

Trotz der vielen Erfolge des intern angestoßenen bzw. umgesetzten Umweltschutzes unterzog sich Hebel kürzlich dem oben dargestellten Umweltmanagementcheck von Ernst & Young. Als Begründung für diesen Schritt wurde angeführt, gerade im organisatorischen Bereich sei die Identifikation weiterer Verbesserungspotentiale schwierig; "Betriebsblindheit" verstelle hier oft den Blick. Außerdem habe sich die beschriebene technologische Entwicklung über 15 Jahre hingezogen. Nun wolle Hebel schneller vorankommen. Die Teilnahme am Umweltmanagementcheck wurde von Hebel allerdings ausdrücklich nur als (interne) Maßnahme zur Bestandssicherung verstanden. Hebel sehe derzeit keine "Marktchancen" im Umweltschutz. Auch sei keine - u.U. als Marketinginstrument einsetzbare - Zertifizierung als umweltfreundlicher Betrieb angestrebt worden.

Als Ergebnis des Umweltmanagementchecks wurden bei Hebel Arbeitsgruppen gebildet, Maßnahmenkataloge erstellt, dabei Tätigkeiten mit Prioritäten versehen und einzelnen "Betriebsbereichen" zugeordnet. Zwar läßt sich noch keine umfassende Erfolgsbilanz vorlegen; einige "Erledigungspunkte" liegen gleichwohl bereits vor. So wurde z.B. eine klare Zuordnung und organisatorische Einbindung von Umweltmitarbeitern erreicht (z.B.: klare Verantwortlichkeit für die Emissionserklärung, für den Umgang mit Behörden, für die Behandlung von Abfällen und Rohstoffen) und ein Qualitätsmanagementverfahren mit Bezug zum Umweltschutz angestoßen. Aus der Sicht von Hebel garantiert die Einführung eines betrieblichen Umweltmanagements für sich genommen zwar keinen besseren Umweltschutz. Sie schafft aber das Werkzeug für spätere Verbesserungen, indem sie die Transparenz der innerbetrieblichen Umweltschutzmaßnahmen erhöht und ein Bewußtsein für die Bedeutung des betrieblichen Umweltschutzes schafft.

Das dargestellte Einzelbeispiel läßt die Bedeutung der Beratung von Unternehmen auf dem Gebiet des betrieblichen Umweltschutzes gut erkennen. Die abzusehende Umsetzung der EU-Öko-Audit-Verordnung wird dem Markt für Beratungsleistungen - ohnehin eines der großen Wachstumsfelder des gesamten Umweltschutzsektors - weitere Impulse geben. Vorstellbar ist z.B., daß künftig Unternehmensberater nicht nur einzelne Beratungsleistungen er-

[Seite der Druckausgabe: 41]

bringen, sondern auch den dauerhaften Betrieb des Umweltmanagements in Unternehmen übernehmen.

Wie die anderen Teilbereiche des Umweltschutzsektors ist allerdings auch der Markt von Beratungsleistungen stark von staatlichen Vorgaben abhängig. Im folgenden ist daher zu fragen, wie sich bisher die Umweltpolitik auf den Umweltschutzsektor ausgewirkt hat, welche Entwicklungen abzusehen sind und welche politischen Schlußfolgerungen aus der vorliegenden Bestandsaufnahme des Umweltschutzsektors zu ziehen sind.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

Previous Page TOC Next Page