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[Seite der Druckausgabe: 7 / Fortsetzung]


2. Ohnmacht der Verbraucher gegenüber Banken?

Der Geschäftsführer des Instituts für Finanzdienstleistungen verweist darauf, daß Banken einen erheblichen Einfluß in einer Gesellschaft einnehmen, die immer stärker durch Geldströme bestimmt wird, deren Vermittlung aus technischen und Sicherheitsgründen allein den Banken anvertraut ist. Die zentrale Frage sei daher, wie dieser Einfluß kontrolliert werde. Die Existenz eines Einflußpotentials müsse

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in einem demokratischen, sozialen Rechtsstaat immer verbunden sein mit Transparenz, Kontrolle und Verantwortlichkeit. Hier beständen jedoch im derzeitigen Wirtschaftssystem Defizite, die einschneidende Korrekturen notwendig machten. So sei die Transparenz in der Kreditwirtschaft aufgrund der für die Banken geltenden bilanztechnischen Sonderregelungen, den undurchschaubaren Risiko- und Haftungsregeln, den oftmals willkürlichen Gebühren-, Zinsanpassungs- und Kreditkündigungskriterien bis hin zu den unklaren Besitzverhältnissen für die Verbraucher unzureichend.

Das Vorstandsmitglied einer Bayerischen Privatbank verweist auf den harten Wettbewerb unter den Kreditinstituten, der eine Ohnmacht der Verbraucher unmöglich mache. Vor diesem Hintergrund erweise sich die behauptete Ohnmacht des Verbrauchers als Fehleinschätzung. Der Geschäftsführer des Bayerischen Bankenverbandes verweist darauf, daß die Kreditinstitute aufgrund ihrer Exponiertheit und ihrer zentralen volkswirtschaftlichen Stellung heute einer Vielzahl oft diametraler gesellschaftlicher Ansprüche ausgesetzt seien. Die Folge daraus sei das Auftreten von Konflikten, die in der Öffentlichkeit leicht in einer generellen Kritik an den Banken mündeten. Die Banken hätten jedoch in der Zwischenzeit aus dieser Kritik gelernt und sähen in der sachgerechten Bewältigung dieser Konflikte einen wichtigen Wettbewerbsfaktor. Bei allen Bemühungen der Banken, den Wünschen ihrer Kunden gerecht zu werden, werde die Traumbank der Kundschaft dennoch Utopie bleiben. Diese Traumbank habe der Präsident der Generaldirektion der Schweizerischen Bankgesellschaft, Nikolaus Senn, bereits 1984 treffend beschrieben:

"Die Idealbank des Kunden wäre eine Bank, die den Sparern höchste Zinsen gibt, den Kreditnehmern billigste Kredite gewährt, dem Fiskus jede Menge Anleihen zur Finanzierung seines Haushalts abnimmt. Sie müßte großzügig Geld zur Arbeitsbeschaffung vergeben, jungen Unternehmern alle Risiken abnehmen, notleidenden Ländern der Dritten Welt die Schulden erlassen, ihren Eigentümern eine attraktive Dividende garantieren und trotzdem solide sein". Ein solche Bank gebe es jedoch nicht und werde es auch niemals geben, da den Banken bei der Gestaltung ihrer Geschäftspolitik faktisch enge Grenzen gesetzt seien. So wie der Kunde erwarte, daß sein bei der Bank angelegtes Geld eine Rendite abwerfe, so dürfe auch jeder Banker, Gesellschafter oder Aktionär eine marktgerechte Verzinsung

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seines eingesetzten Kapitals verlangen. Schließlich verlange jeder, der investiere, daß sich seine Investition rentiere.

Der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen betont, daß sich Privatkunden und mittelständische Unternehmen gegenüber Kreditinstituten in einer Position der Abhängigkeit und Unterlegenheit befinden. Schließlich sei der Verzicht auf eine Bankverbindung heutzutage praktisch nicht möglich, da die Teilnahme am sozialen und wirtschaftlichen Leben ohne ein Girokonto wesentlich beeinträchtigt sei. Viele moderne Produkte seien zudem rechtlich kompliziert und könnten vom Kunden ohne besondere Fachkunde nicht nachvollzogen werden. Banken säßen gegenüber ihren Kunden aber nicht nur wegen ihrer überlegenen Sachkunde und finanziellen Stärke, sondern nicht zuletzt deshalb am längeren Hebel, weil sie den jederzeitigen Zugriff auf die Guthaben und Depots ihrer Kunden hätten.

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2.1 Gesetzliche Grundlagen des Verbraucherschutzes in der Kreditwirtschaft

Der Geschäftsführer des Bayerischen Bankenverbandes verweist darauf, daß die Kreditwirtschaft heute einer Fülle von Gesetzen unterliegt, die das Bankgeschäft umfassend regelten. Schon heute hätten die Kunden zum Schutz vor Übervorteilung den gesetzlichen Anspruch auf Transparenz, Allgemeinverständlichkeit und Schutz vor Überraschungen. Das Wertpapierhandelsgesetz (WPHG) sichere den Schutz der Anleger, die in Wertpapieren investierten. Da die Anzahl und Komplexität der am Kapitalmarkt angebotenen wertpapierbe-zogenen Anlageformen stetig zugenommen habe, sei es für den Anleger zunehmend schwierig geworden, eine auf seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zugeschnittene Anlageentscheidung zu treffen. Der § 31 WPHG schreibe den Banken daher vor, vor Entgegennahme eines Auftrags ein umfassendes Beratungsgespräch mit dem Kunden zu führen, ihm alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen und sich von ihm über seine finanziellen Verhältnisse, seine Erfahrungen mit oder Kenntnisse von diesen Geschäften und die damit verfolgten Ziele Auskunft geben zu lassen.

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Ziel des Gesetzes über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) vom 1.4.1977 sei der Schutz vor Mißbräuchen durch einseitige Gestaltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken. 1993 wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und alle sonstigen Formulare von den Banken unter den Gesichtspunkten Kürze, Prägnanz und Ausgewogenheit überarbeitet. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte zudem für die Formulargestaltung dezidierte Regelungen hinsichtlich Teilfreigabe, Sicherheitsbewertung und Verwertungsandrohung gefordert. Im Bürgschaftsbereich sichern Höchstbetragsbürgschaften nur noch den Anlaßkredit und nicht auch spätere Kreditaufnahmen. Angehörigenbürgschaften sollen nur noch bei Werthaltig keif, also unter Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit des Bürgen, hereingenommen werden.

Die 1985 in Kraft getretene Preisangabenverordnung regele den Preisaushang. Eine Preiskontrolle finde jedoch nicht statt, da die Preisfindung das ureigenste Recht jedes Kaufmanns sei. Unzulässig seien generell sittenwidrige Preise und Zinswucher, ansonsten unterliege die Kontrolle der Preise dem Wettbewerb. Ferner sei das Abzahlungsgesetz von 1894, das 1974 mit der Pflicht zur Angabe des effektiven Jahreszinses, einem Widerrufsrecht und einer schriftlichen Widerrufsbelehrung ausgestattet worden war, zum Beginn des Jahres 1991 vom Verbraucherkreditgesetz abgelöst worden. Dieses Gesetz solle Verbraucher bei Kreditaufnahmen stärker schützen. Der Schutz erfolge mittels erweiterter Formvorschriften und Aufklärung, einem Widerrufsrecht, einem Einwendungsdurchgriff bei Drittfinanzierungen, der Unwirksamkeit bei Einwendungsverzicht, Zinsbeschränkungen und Tilgungsanrechnungsverboten, Kündigungs- oder Rücktrittsbeschränkungen sowie einem unabdingbaren Recht zur vorzeitigen Kündigung bei Abzahlungsgeschäften.

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2.2 Freiwillige Regelungen zum Verbraucherschutz in der Kreditwirtschaft

Neben den gesetzlichen Vorgaben hätten die Banken zudem freiwillige Instrumente zum Schutz der Kundeninteressen geschaffen. Zentrale Bedeutung nimmt dabei nach Einschätzung des Vertreters des Bayerischen Bankenverbandes der Einlagensicherungsfonds der

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privaten Banken ein, da der Schutz der Spareinlagen der Kunden das wichtigste Element des Verbraucherschutzes in der Kreditwirtschaft darstelle. Zu diesem Zweck hätten die bayerischen Privatbanken bereits 1959 einen Garantiefonds zur Stützung notleidend gewordener Privatbanken geschaffen. Aufgabe dieses Fonds war der Schutz der Einleger bei etwaigen Bankkrisen und damit die Vermeidung von Vertrauenskrisen für das private Bankgewerbe. 1965 wurde auf der Basis der Erfahrungen mit diesem Fonds der Gemeinschaftsfonds des privaten Bankgewerbes beim Bundesverband der privaten Banken gegründet. Durch diesen Fonds sind heute Sicht-, Termin-, Spareinlagen und Namenspapiere pro Anleger bis zur Höhe von 30 Prozent des um 25 Prozent erhöhten Kernkapitals der Bank geschützt. Ausgenommen davon sind lediglich Inhaberschuldverschreibungen und Inhabereinlagenzertifikate.

Darüber hinaus haben die privaten Banken zum 1. Juli 1992 das Ombudsmannverfahren zur Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Kunde und Bank im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung eingeführt. Das Ombudsmannverfahren gilt nur für Privatkunden. Der Ombudsmann wird vom Bundesverband deutscher Banken berufen. In seiner Tätigkeit als Ombudsmann soll er unabhängig und neutral entscheiden. Das Verfahren sieht so aus, daß sich ein unzufriedener Kunde an die Beschwerdestelle des Bun-desverbandes deutscher Banken bzw. des Verbandes deutscher Hypothekenbanken wenden kann. Bei seiner Beschwerde muß der Kunde den betreffenden Sachverhalt schildern und die entsprechenden Unterlagen beilegen. Die Kundenbeschwerdestelle prüft die Unterlagen und stellt fest, ob die Beschwerde für das Ombudsmannverfahren zugelassen wird. Nicht zugelassen werden beispielsweise Fälle, bei denen der Beschwerdegegenstand vor einem Gericht anhängig ist, der Schlichtungsspruch die Bewertung einer in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschiedenen Grundsatzfrage erfordert oder die Klärung des Sachverhaltes eine Beweisaufnahme notwendig macht, die über die Vorlage von Unterlagen hinausgeht. Läßt die Beschwerdestelle das Schlichtungsverfahren zu, holt sie eine Stellungnahme der betroffenen Bank ein und leitet sie an den Beschwerdeführer weiter. Erfolgt hierbei keine Einigung der Parteien wird der Ombudsmann eingeschaltet. Dessen Schiedsspruch ist für den Beschwerdeführer unverbindlich, d.h. der Kunde

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kann nach einem für ihn unbefriedigenden Ergebnis immer noch die Gerichte anrufen. Für die Bank dagegen ist der Schiedsspruch bis zu einem Streitwert von 10.000 DM bindend; geht der Streitwert über diese Grenze hinaus, ist es der Bank freigestellt, ob sie sich dem Schiedsspruch unterwirft. Das Verfahren ist für den Kunden kostenlos.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz bezeichnet das Ombudsmannsystem als eine gute Einrichtung. Die Bundesregierung stehe derartigen Systemen zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten grundsätzlich sehr positiv gegenüber. Die freiwillige Schaffung eines Verfahrens zur Selbstregelung von Problemfällen durch einen Verband entspreche der Vorstellung der Bundesregierung, wonach staatliche Maßnahmen durch entsprechende Regelungen der Verbände unnötig gemacht werden sollten. Dies sei auch ein Beitrag zum häufig geforderten "schlanken Staat".

Das Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion bezeichnet das Ombudsmannverfahren prinzipiell als positiv. Eine solche Einrichtung sollte auch auf gewerbliche Kunden ausgedehnt werden und von allen Bankengruppen angeboten werden. Das Grundproblem des Verfahrens sei jedoch, daß der Ombudsmann lediglich Einzelfallentscheidungen treffe, die nicht zur Beseitigung genereller Mißstände führten. Deshalb sollten die Ombudsmänner den Aufsichtsämtern gegenüber berichtspflichtig gemacht werden. Die Aufsichtsämter sollten entsprechend gehalten werden, die Berichte der Ombudsmänner auch in ihre Verlautbarungen einfließen zu lassen. So könnte das Ombudsmannverfahren zu einem sinnvollen Instrument gemacht werden, das zu Tage tretende Mißstände auch für die gesamte Kreditwirtschaft beseitigen könnte.

Der Vertreter des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen verweist darauf, daß der Ombudsmann keine Erfindung der deutschen Banken sei. Das aus der schwedischen Verfassungsentwicklung stammende Amt sei weltweit zum Synonym für eine volksnahe Interessenwahrung von Bürger- und Verbraucherinteressen geworden. Das schwedische Vorbild des "Justitie-Ombudsmann" wurde unter anderem von den skandinavischen Ländern, Israel, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden übernommen. Es sei jedoch

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problematisch, einen Begriff einfach zu übernehmen, ohne ihn an das bestehende System des Verbraucherschutzes anzupassen. In Deutschland gebe es ein gut funktionierendes Verbraucherzentralensystem mit einer Vielzahl von Beratungsstellen, das in das Ombudsmannverfahren eingebunden werden sollte. Entsprechendes sei in den Niederlanden und Frankreich erfolgt; hier gebe es teilweise mit Vertretern der Banken und Verbraucherorganisationen besetzte Gremien, die für grundsätzliche Fragen des Verbaucherschutzes bei Bankdienstleistungen zuständig seien. Deshalb sei das Modell des Ombudsmannes der privaten Banken in seiner jetzigen Form unzureichend und könne nicht das Modell für die Zukunft sein. Bei einigen Fällen ließen sich auch berechtigte Zweifel anmelden, ob das Urteil des Ombudsmannes ein Schiedsspruch oder eine Rechtfertigung war.

Das Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bezeichnet das Ombudsmannsystem als uneingeschränkt gute Einrichtung. Dies zeige sich auch daran, daß der Ombudsmann in jedem zweiten Fall zugunsten des Petenten entscheide. Vor diesem Hintergrund sei die teilweise geäußerte Kritik unverständlich. Dennoch könne über eine Verbesserung des Verfahrens nachgedacht werden, wobei insbesondere die Wertgrenzen überprüft werden sollten.

Der Vertreter einer Verbraucherschutzorganisation steht dem Ombudsmannverfahren zwar prinzipiell positiv gegenüber, verweist aber auf die unverändert hohe Zahl an Beschwerden, die trotz der Einführung des Ombudsmannverfahrens bei den Verbraucherschutzorganisationen eingehen. Hauptnachteil des Ombudsmannes sei die unzureichende Transparenz des Verfahrens. Die hierüber vorgelegten Zahlen wiesen lediglich aus, wieviele Fälle ganz oder teilweise zugunsten der Kunden entschieden wurden. Daraus ließen sich jedoch keine genaueren Informationen ableiten. Schließlich könne mit einer "teilweisen Entscheidung" im Sinne des Kunden auch gemeint sein, daß der Beschwerdeführer einen Teil der Gebühren wiedererhalte, den großen Teil des von ihm reklamierten Schadenersatzes jedoch nicht. Die von manchen Verbraucherschützern geäußerte Kritik, wonach der Ombudsmann wegen seiner Bestellung und Bezahlung durch den Bundesverband deutscher Banken eine zu große Abhängigkeit eingehe, sei derzeit sicherlich unzutreffend.

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Gleichwohl wäre es für eine sachgerechte Bewertung des Verfahrens notwendig, genauere Informationen über die entschiedenen Fälle zu erhalten. Die zentrale Kritik der Verbraucherverbände am Ombudsmannverfahren sei, daß die Einzelfallentscheidung zugunsten eines Beschwerdeführers keine generalisierende Funktion habe. Die Schaffung einer Beschwerdeinstanz für einzelne Kunden führe nicht zu einer Veränderung bei struktureller» Grundproblemen. Da der Schiedsspruch nicht veröffentlicht werde, hätten andere Kunden keine Möglichkeit, sich bei ähnlich gearteten Fällen auf diesen Schiedsspruch zu berufen. Dagegen gäbe es beispielsweise in Belgien eine Pflicht zur Entscheidungsveröffentlichung, durch die andere Kunden ihre Position verbessern könnten. Allein die Berichtspflicht des Ombudsmannes gegenüber dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen könne das Problem nicht lösen. Dies gehe nur über eine Information der Öffentlichkeit, die jedem Kunden die Chance eröffne, Probleme zu erkennen.

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2.3 Problembereiche in der Kreditwirtschaft

2.3.1 Mangelnde Transparenz

Nach Einschätzung des Vertreters einer Verbraucherschutzorganisation ist die ungenügende Preistransparenz ein Beispiel für die unveränderten Systemfehler innerhalb der Kreditwirtschaft. Keines der bestehenden Beschwerdemanagementsysteme habe das hochkomplizierte Verfahren der Preisgestaltung der Banken bislang in Frage gestellt. Immer noch gebe es ein vierstufiges System mit Verträgen, Preisaushängen, Preisverzeichnissen und schließlich für die Fälle, bei denen das Preisverzeichnis nicht greife, die Festsetzung "nach billigem Ermessen". Dieses Verfahren sei vom Kunden wegen der verschiedenen Auffangmöglichkeiten nicht zu durchschauen. Verschärft würde diese Problematik noch durch die unterschiedliche Terminologie, der sich Verbraucher und Banken bedienten. So verstehe der Verbraucher unter einer sicheren Geldanlage oftmals etwas vollkommen anderes als der Bankmitarbeiter, der möglicherweise intensiv in risikoreiche Derivatgeschäfte involviert sei. Verschiedene Begrifflichkeiten aufgrund unterschiedlicher Kenntnisse dürften für einen erheblichen Teil der zumindest im Bereich der

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Anlageberatung entstehenden Probleme mitverantwortlich sein. Hier müsse eine gemeinsame Sprache definiert werden.

In der Praxis entständen Wettbewerbsprobleme vor allem in den Geschäftsbereichen, in denen keine klaren Definitionen existierten, mit denen gearbeitet und geworben werden könne. Da gebe es oftmals eine schillernde Vielfalt von Begriffen wie Wertrendite, Rendite oder Gewinnzuwachs, die alle unterschiedlich seien und lediglich dem Zweck dienten, eine möglichst hohe Zahl auszuweisen und das beworbene Produkt der Vergleichbarkeit zu entziehen. So sei auch der sogenannte effektive Jahreszins bei den Finanzierern ein durchaus löchriges Geschöpf mit bis zu 25 Nebenpositionen. Der Wettbewerb zwischen verschiedenen Produkten könne jedoch nur auf der Basis von Vergleichsmaßstäben durchgeführt werden, die keine derartigen Löcher offenließen. Die Verwirrung des Verbrauchers werde noch dadurch gesteigert, daß viele Kreditinstitute die gesetzlichen Vorgaben der Preisangabeverordnung überhaupt nicht einhielten. So habe eine Untersuchung der Verbraucherverbände zur Preistransparenz bei etwa 600 Zweigstellen in Nordrhein-Westfalen ergeben, daß lediglich ein Viertel der Institute wirklich die gesetzlichen Vorschriften einhielten. Angesichts derartiger Praktiken sei der Verbraucher natürlich zu Recht hinterher über "Überraschungspreise" verärgert.

Der Vertreter des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen unterstreicht, daß die Defizite bei der Vergleichbarkeit von Bankprodukten die Informationsmöglichkeiten für die Verbraucher erheblich einschränken. So sei die deutsche 360-Tage-Methode, mit der der Effektivzins sowohl auf dem Sparbuch als auch bei Krediten berechnet werde, extrem kompliziert. Diese Berechnung könne niemand vornehmen, der sich nicht regelmäßig professionell damit beschäftige. Dies sei besonders verdrießlich, da in nahezu allen anderen Ländern der Welt ganz einfache Formeln verwendet würden, um den Effektivzins zu berechnen. Als Begründung für diesen deutschen Sonderweg verwiesen die Banken stets auf die hohen Kosten, die eine Umstellung nach sich zöge. Vergleichbar trostlos sehe es bei den Preisaushängen aus. Tests belegten, daß Bankangestellte an den Schaltern deutscher Banken regelmäßig überfordert seien, Details zu erläutern, und fragende Kunden an den Filialleiter verwiesen. Wenn Informationen über die Geschäftsmodalitäten der Bank

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nur vom Filialleiter beantwortet werden könnten oder dürften, dokumentiere dies die Defizite im Kundenverhältnis. Außerdem müßten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verständlicher formuliert werden, so daß deren Inhalt beispielsweise in Bezug auf bestimmte Formeln, Rückrechnungen oder Preise für den Laien überhaupt nachvollziehbar würde.

In den letzten Jahren ergäben sich zudem für die Bankkunden erhebliche Probleme bei den sich rasant entwickelnden modernen Technologien wie dem Internet-Banking, da die Kreditinstitute hier generell eine Haftungsverteilung zu Ungunsten der Kunden vornehmen. So heiße es in den Geschäftsbedingungen einiger Banken, daß die Bank nur bei mindestens grobem Verschulden hafte. Damit sei das Haftungsrisiko faktisch alleine auf den Kunden abgewälzt, während sich die Bank qua definitionem jeglicher Haftung entziehe. Vergleichbares gelte auch für die Sicherheit der Geheimzahl bei der EC-Karte. Auch in diesem Bereich erhielten die Verbraucherschutzzentralen eine große Zahl von Beschwerden. In Problemfällen zögen sich die Banken stets auf die Position zurück, ihr System sei topsicher und die volle Verantwortung für einen Mißbrauch der EC-Karte liege beim Kunden. Genauere Ausführungen dazu, ob beispielsweise der Geldauszahlungsautomat online geschaltet war und die Geheimzahl überhaupt überprüft wurde, fehlten in diesen Stellungnahmen regelmäßig. Stattdessen werde dem Kunden pauschal Sorglosigkeit unterstellt. Hier werde neben der rechtlichen und faktischen auch noch die technische Übermacht ausgenutzt. Denn natürlich könne der Kunde nicht beweisen, daß das System nicht funktioniert habe.

Neue Probleme ergäben sich auch im Zuge des Aufkommens der neuen "Direktbanken". Die Einführung dieser zumeist kostengünstigen Form des Bankgeschäfts stelle zwar prinzipiell eine positive Entwicklung dar, führe aber gerade im Bereich der Werbung zu erheblichen Problemen. In Werbeslogans versprechen einige Direktbanken Ersparnisse bei den Provisionen in Höhe von 86 Prozent, obwohl dies nur bei Einzelorders in Höhe von 500.000 DM erreicht werden könne. Dies sei umso bedenklicher, da die betreffenden Institute zugeben mußten, daß das durchschnittliche Depotvolumen bei 30.000 DM bis 40.000 DM liege. Hier liege eine für den Sachverhalt völlig irreführende Werbung vor, die die Verbraucherschutz-

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verbände unter den Gesichtspunkten des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (GWB) untersagen haben lassen. Diese Untersagung habe dazu geführt, daß jetzt in den Angeboten der Direktbanken Einsparungsangaben immer häufiger mit kleinen Sternchen versehen sind, die dann auf den der Berechnung zugrundliegenden Sachverhalt verweisen. Es sei aber zweifelhaft, ob eine derartige "Sternchen-Werbung" geeignet sei, die bestehenden Probleme zu lösen. Das Beispiel illustriere jedoch, daß der Wettbewerb nur dann funktionieren könne, wenn vergleichbare Produkte mit vergleichbaren Parametern miteinander konkurrierten.

Der SPD-Politiker unterstreicht, daß die sachgerechte Beratung der Kunden angesichts der mangelnden Transparenz und der Komplexität der Bankprodukte nicht nur bei der Anlage in Wertpapieren, sondern auch beim Abschluß eines Kreditvertrages immer wichtiger werde. Deshalb sollte den Kreditkunden für den Fall einer offensichtlichen Falschberatung bei der Kreditvergabe ein Recht zur außerordentlichen Kündigung eingeräumt werden.

2.3.2 Girokonto für jedermann

Ein zentrales Problem stellen seit mehreren Jahren die Kontoverweigerungen und Kontokündigungen durch Kreditinstitute dar. Anfang des Jahres 1995 schnellte die Zahl solcher Fälle in die Höhe, da nach der Privatisierung der Postbank und ihrer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft auch deren Verpflichtung aufgehoben wurde, für jeden Kunden ein Girokonto zu führen. Hauptbetroffene der Kontverweigerungen waren Menschen mit geringem Einkommen, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger oder verschuldete Personen. Die Gründe reichten von plötzlicher Arbeitslosigkeit oder Krankheit und folgender Liquiditätsprobleme über negative SCHUFA-Auskünfte, Fehlverhalten des Kunden bis zu den Bestrebungen einzelner Kreditinstituten, bestimmte, der übrigen Kundenklientel offenbar nicht entsprechende Kunden loszuwerden.

Am 20. März 1995 brachte die SPD-Bundestagsfraktion den "Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr" (Bundestags-Drucksache 13/856) in den deutschen

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Bundestag ein. Der Gesetzentwurf sieht einen Kontrahierungszwang für alle Kreditinstitute vor, die das Girogeschäft betreiben. Diese Institute sollen verpflichtet werden, für jeden Kunden auf dessen Antrag ein Girokonto auf Guthabenbasis einzurichten. Die Ablehnung eines Antrags zur Einrichtung eines Kontos oder dessen Kündigung soll nur noch aus Gründen zulässig sein, die im Verhalten des Kunden dem jeweiligen Kreditinstitut gegenüber begründet sind. Eine pauschale Ausgrenzung von bestimmten Bevölkerungsgruppen soll damit ausgeschlossen werden.

Nachdem sich im Frühjahr 1995 zunächst der Deutsche Sparkassen- und Giroverband und danach auch der Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken für die Einrichtung von Girokonten auf Guthabenbasis ausgesprochen hatten, verabschiedete der Zentrale Kreditausschuß (ZKA), in dem die fünf Spitzenverbände der Kreditwirtschaft vertreten sind, Ende Juni 1995 eine gemeinsame Erklärung, in der allen deutschen Kreditinstituten die Führung eines Girokontos für jedermann empfohlen wurde, unabhängig von Art und Höhe der Einkünfte oder einer negativen SCHUFA-Eintragung aufgrund einer bestehenden Verschuldung. Diese Selbstverpflichtung wurde von allen politischen Parteien begrüßt. Die Beratungen des SPD-Gesetzentwurfs und in der Zielrichtung ähnlicher parlamentarischen Initiativen von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS wurde daraufhin in den zuständigen Bundestagsausschüssen verschoben, bis bewertbare Erfahrungen mit der ZKA-Empfehlung vorliegen. Die abschließenden Beratungen im federführenden Finanzausschuß stehen noch aus.

Über die Umsetzung der ZKA-Empfehlung besteht jedoch ein erheblicher Dissens. Der Vertreter des Bundesministeriums der Justiz vertritt die Auffassung, daß das Problem der Kontoverweigerungen durch die Selbstverpflichtung der Banken gelöst zu sein scheint, da dem Ministerium seit Verabschiedung der ZKA-Empfehlung keine konkreten Fälle bekannt geworden seien. Die Schaffung einer gesetzlichen Regelung sei daher nicht notwendig. Der CDU-Politiker verweist darauf, daß nach den von den Bankenverbänden vorgelegten Zahlen davon ausgegangen werden könne, daß es nur noch in absoluten Ausnahmefällen zu Schwierigkeiten komme. Die CDU/CSU-Fraktion werde jedoch für den Fall, daß Kontoverweige-

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rungen in einem signifikanten Maße nachgewiesen würden, erneut über die Notwendigkeit einer gesetzlichen Lösung diskutieren. Der Vertreter des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen bestätigt diese positive Einschätzung. Nach Erkenntnissen des Amtes handle es sich bei den bekannt gewordenen aktuellen Fällen von Kontoverweigerungen eher um Ausnahmen.

Dieser Interpretation hält der Vertreter einer Verbraucherschutzorganisation entgegen, dass es bei den Verbraucherzentralen auch nach Verabschiedung der ZKA-Empfehlung eine signifikant hohe Beschwerdezahl wegen Kontoverweigerungen oder -kündigungen gibt. Daraus lasse sich ableiten, daß das Thema Kontozugang unverändert ein Problembereich sei. An den Fällen, die den Verbraucherzentralen zur Kenntnis gebracht würden, zeige sich zudem, daß sich die Begründungen für Kontoverweigerungen nicht verändert hätten. Diese Entwicklung sei umso bemerkenswerter, als es in anderen Problembereichen deutliche Rückgänge im Beschwerdeverhalten der Verbraucher gegeben habe. So gebe es heute kaum noch Beschwerden zum Bereich Bankgeschäfte mit Minderjährigen, die noch vor wenigen Jahren ein erhebliches Problem gewesen seien. Deshalb gingen die Verbraucherzentralen davon aus, daß in diesem Bereich eine deutliche Verbesserung eingetreten sei. Die unterschiedliche Entwicklung hänge vermutlich damit zusammen, daß es bei den Bankgeschäften mit Minderjährigen inzwischen eine klare Rechtslage gebe, die deutlich über den Status einer Selbstverpflichtung hinaus gehe. Schließlich habe das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen am 22. März 1995 eine Verlautbarung zum Thema Bankgeschäfte mit Minderjährigen herausgegeben. Solche Verlautbarungen gibt das Aufsichtsamt anläßlich von Auslegungsfragen zum Kreditwesengesetz, anderen Vorschriften oder sonstigen für die Bankenaufsicht bedeutsamen Entwicklungen heraus. Sie geben die Meinung des Amtes zu Problemfeldern wieder und haben für die beaufsichtigten Institute eine bindende Wirkung. Ein Verlautbarung des Amtes zum Thema "Girokonto für jedermann" gibt es bislang nicht.

Im Sommer 1996 hatte die Bundesarbeitsgemeinschaft/Schuldnerberatung (BAG/SB) eine Studie zum "Girokonto für jedermann" vorgelegt. Diese Studie belegt nach Einschätzung des

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SPD-Politikers eindeutig, daß die Zahl der Kontoverweigerungen und -kündigungen in Deutschland trotz der ZKA-Empfehlung nicht zurückgegangen sei. Deshalb müsse das Recht auf ein Girokonto verbindlich gesetzlich festgeschrieben werden. Geradezu paradox sei es zudem, daß die Bundesregierung Bürgerinnen und Bürger, denen Kreditinstitute trotz der Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft ein Girokonto verweigerten, an das Aufsichtsamt verweise, diesem jedoch keine Eingriffsmöglichkeiten gebe.

Zur Frage, ob eine Selbstverpflichtung ausreicht oder eine gesetzliche Verpflichtung verabschiedet werden müsse, stellt ein Vertreter der Schuldnerberatung München fest, daß es den Betroffenen und den Schuldnerberatungsstellen letztendlich egal ist, ob es eine Selbstverpflichtung oder eine gesetzliche Regelung gibt. Entscheidend sei, daß die Regelung funktioniere. Im Hinblick auf die Selbstverpflichtung "Girokonto für jedermann" des ZKA müsse festgestellt werden, daß die freiwillige Regelung nur von einem Teil der Kreditinstitute umgesetzt werde. So gebe es vor allem im Sparkassensektor Kreditinstitute, die die Selbstverpflichtung vorbildlich umsetzten und eng mit den Schuldnerberatungsstellen kooperierten, aber es gebe auch Banken, bei denen das Thema Guthabenkonto für jedermann noch nicht einmal bei den Schalterangestellten angekommen sei. Der Vertreter des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen ergänzt, daß bestimmte Banken Kunden zwar Kontos eröffnen, ihnen aber nicht die Möglichkeit einräumen, Überweisungen zu tätigen. So verfügten diese Menschen über ein Konto, die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr sei dadurch aber keineswegs gesichert. Somit entpuppe sich die Selbstverpflichtung als Scheinlösung.

Der Vertreter einer Privatbank bezeichnet die Diskussion um das "Girokonto für jedermann" als ein hochgespieltes Thema. Durch die Selbstverpflichtung des Kreditwirtschaft seien die Probleme gelöst. Und die Tatsache, daß deren Umsetzung hauptsächlich durch die Sparkassen erfolge, entspreche lediglich deren öffentlichem Auftrag. Somit müßten sie sich zwangsläufig stärker in diesem Bereich engagieren als andere Kreditinstitute. Diese Einschätzung wird von dem Vertreter des Bundesministeriums der Justiz unterstützt. In der Tat hätten die Sparkassen öffentliche Aufgaben und dafür den Vorzug

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steuerrechtlicher Vorteile. Die Führung von Konten für jedermann sei eine solche öffentliche Aufgabe, die von den Sparkassen übernommen werden müsse.

Der Vertreter einer Verbraucherschutzorganisation hält diese Einstellung für problematisch. Wenn einzelne Banken sich auf die Position stellten, andere Kreditinstitute seien mehr in der Verpflichtung als sie, dokumentiere dies die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung. Sonst sei es vorprogrammiert, daß sich die Sparkassen irgendwann ebenfalls der Verantwortung entzögen, weil sie mit Recht darauf hinwiesen, daß die ZKA-Empfehlung gemeinsam von allen Bankengruppen beschlossen worden sei. Deshalb seien alle Bankengruppen und ihre Mitgliedsinstitute in der Pflicht, für die Umsetzung der Empfehlung "Girokonto für jedermann" zu sorgen.

Nach Einschätzung des SPD-Politikers hat die Kreditwirtschaft die Chance verpaßt, das Problem selbst flächendeckend zu regeln. Es sei keineswegs akzeptabel, daß sich die Kreditinstitute nicht generell an die Selbstverpflichtung hielten, sondern einige Banken unverändert keine Konten auf Guthabenbasis einrichteten, weil sie davon ausgingen, andere Banken würden sich schon daran halten. Die SPD-Bundestagsfraktion werde deshalb weiter im Bundestag auf die Verabschiedung einer gesetzlichen Regelung zur Sicherung der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr drängen.

2.3.3 Mittelstandsfinanzierung

Sinkende Eigenkapitalquoten und die kontinuierlich ansteigende Pleitewelle dokumentieren auf dramatische Weise die zunehmenden Finanzierungsprobleme mittelständischer Unternehmen in Deutschland. Da den kleinen und mittleren Unternehmen der Gang an die Börse wegen der hohen Anforderungen für den Börsengang weitgehend verschlossen ist, bleibt ihnen als Finanzierungsmöglichkeit in der Regel nur die Aufnahme eines Bankkredits. Doch die Banken zeigen sich nach Einschätzung von Mittelstandsverbänden und Experten spätestens seit der spektakulären Schneider-Pleite im Frühjahr 1994 zugeknöpft. Die Anforderungen an dinglichen Sicherheiten für die Kreditvergabe wurden verschärft und liegen nach Ein-

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Schätzung von Kritikern jetzt viel zu hoch. Ein Wissenschaftler kritisiert, daß insbesondere Großbanken ihre Geschäftspolitik so verändert haben, daß sie überhaupt keine Kredite mehr unterhalb eines Volumens von 200.000 DM vergeben.

Ein Vertreter einer Schutzgemeinschaft von Bankkunden verweist auf die Verantwortung der Banken bei der Mittelstandsfinanzierung. Im Jahr 1996 seien bei den rund 34.000 Unternehmensinsolvenzen 400.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. 90 Prozent dieser Konkurse wären vermeidbar gewesen, wenn die Banken ein Interesse an der Rettung der Unternehmen gehabt hätten. Aber deren Interesse liege offenbar eher in der Verwertung der Konkursmasse. Ein Wissenschaftler wirft den Banken vor, in Unternehmenskrisen oftmals eine rigorose Haltung nach dem Motto: "Ich hol mir, solange noch was zu holen ist, alles raus", an den Tag legen.

Nach Auffassung des Vertreters einer Privatbank sei es absurd, den Banken vorzuwerfen, sie würden am Konkurs ihrer Kunden interessiert sein, zumal die sogenannten Sicherheiten im Konkursfall wegen einer veränderteten Marktsituation oftmals nicht mehr viel wert seien. In Wahrheit hätten die Banken ein großes Interesse an der Rettung jedes Kunden, schließlich bedeute ein Konkurs für die Bank neben dem Verlust des Kunden auch einen erheblichen Aufwand und einen Imageschaden.

Der Vertreter des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen wirft den Banken vor, sie fungierten in der Praxis als Grundpfandrechtverleiher und nicht als cash flow-Finanzierer. Diese Haltung sei heute eines der Hauptprobleme des deutschen Mittelstands. Denn die mittelständischen Unternehmen verfügten in der Regel nicht über Grundbesitz, sie hätten keine Kreditgeschichte und keine bestimmten Brachenanalysen parat und könnten auch nicht auf die Geschäftsberichte der letzten fünf Jahre verweisen. Die kreditsuchenden Mittelständler seien vielmehr Personen mit manchmal nicht mehr als einer Geschäftsidee. Der Mittelstand sei jedoch heute der entscheidende Motor dafür, daß in Deutschland neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Bekanntlich wurde in den Großunternehmen der Europäischen Union in den letzten zehn Jahren nicht ein einziger zusätzlicher Arbeitsplatz geschaffen. Die Praxis belege jedoch, dass

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die Banken heute nicht mehr bereit seien, ein eigenes Risiko einzugehen. Stattdessen benutzten sie zunehmend staatliche Programme, um hundertprozentig sichere Kredite auszugeben.

Auf der anderen Seite gingen die Banken inzwischen soweit, daß sie beispielsweise einem Schreinermeister in einer Krisensituation die Elektrizitätsüberweisung stoppten, weil sie sicher gehen wollten, nicht noch weiteres Geld zu verlieren. Für den Schreinermeister führe die Blockierung der Überweisung jedoch zum Ende der Produktion, weil ihm im Gegenzug die Stromversorgung abgestellt würde. Derartige Praktiken dokumentierten eine falsche Denkweise der Banken. Mittelständler und Kleinunternehmen dürften nicht wie Großunternehmen behandelt werden, sondern wie Verbraucher. In den USA gingen inzwischen viele große Banken dazu über, das Mittelstandsgeschäft in ihr Privatkundengeschäft zu integrieren, weil sich dort die Erkenntnis durchgesetzt habe, das Geld werde an Menschen verliehen und nicht an Maschinen oder Grundstücke. In Deutschland bedürfe es bei der Mittelstandsfinanzierung dagegen noch eines grundlegenden Mentalitätswandels bei den Banken.

Bei vielen Instituten fehle es zudem an der notwendigen Erfahrung oder entsprechenden Kenntnissen bei den Kundenbetreuern. Aufgrund der Veränderung der Bankenlandschaft hin zu "schlanken", zentralen Entscheidungsstrukturen sei zudem der lokale Bezug zwischen den Mittelständlern und ihrer Bank verloren gegangen. Früher habe dieser direkte Kontakt und das gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen mittelständischem Unternehmer und dem Filialleiter oder dem Betreuer seiner Bank manches Problem zu lösen vermocht. Heute sähen sich Mittelständler zunehmend damit konfrontiert, daß ihre Hausbank die Unterlagen für die Kreditentscheidung an eine Zentrale weiterleiten müsse, die die Entscheidung träfe. Als Resultat dieser Entwicklung würden heute von den Banken aufgrund sogenannter "objektiver Kriterien" wesentlich mehr negative Entscheidungen getroffen als früher.

Der SPD-Politiker unterstreicht, daß Banken in Deutschland bereitwillig Kredite vergeben, um Beton und Boden zu finanzieren, aber viel zu wenig bereit seien, Kredite für Köpfe und Können zur Verfügung zu stellen. Dies gelte nicht nur für die Kreditvergabe, sondern

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auch für die mangelnde Bereitschaft der Banken, junge mittelständische Unternehmen an die Börse zu führen. In Deutschland hätten die Banken faktisch ein Börseneinführungsmonopol, dessen Bilanz jedoch sehr trostlos ausfalle. So gab es 1996 in Deutschland trotz des medienwirksamen Börsengangs der Telekom lediglich elf weitere Börsengänge. Ohne die Telekomemission wäre 1996 damit das schwächste Neuemissionsjahr seit 13 Jahren geworden. Dagegen vermeldete im selben Zeitraum alleine die US-amerikanische Computerbörse NASDAQ weit mehr als 650 Neuemissionen. Die Unternehmen, die die Notierung an der NASDAQ suchten, seien überwiegend jung, dynamisch und innovativ. Unternehmen mit neuen Ideen und Produktionsverfahren, die den Strukturwandel vorantrieben und neue zukunftsfähige Arbeitsplätze schafften. Solche Unternehmen gäbe es auch in Deutschland, aber hierzulande fände man solche Unternehmen häufiger vor dem Konkursrichter als auf dem Kurszettel der Börse. In Deutschland seien Unternehmen, die von den Banken an die Börse geführt würden, bereits durchschnittlich 55 Jahre alt, in den USA dagegen nur 14 Jahre und in Großbritannien sogar nur 8 Jahre alt.

Bei jungen Technologieunternehmen in Deutschland wachse daher die Tendenz, den direkten Weg zum amerikanischen Risikokapitalmarkt zu suchen. 1996 waren es bereits drei deutsche High-Tech-Unternehmen, die den direkten Gang an die NASDAQ wagten und einer Notierung an einer deutsche Börse vorzogen. Wenn ein innovatives und wachstumsstarkes Unternehmen aber erst den Fuß in die USA oder nach Großbritannien gesetzt habe, sei die Gefahr groß, daß der Finanzierung auch ganze Unternehmensteile folgten. Der Verlust von Innovationen und Arbeitsplätzen im Inland sei die Folge.

Wegen der großen Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen für den notwendigen Strukturwandel habe die falsche Prioritätensetzung bei der Kreditvergabe der Banken eine entscheidende Bedeutung für das Innovationsdefizit, das in Deutschland zu einem immer größeren Problem werde. Denn in den USA seien es gerade die Unternehmen aus der Software-Industrie oder der Telekommunikations- lndustrie gewesen, die hauptsächlich für die neue Beschäftigungsdynamik gesorgt hätten. Unternehmen, die zunächst nichts anderes gehabt hätten, als ein paar junge Leute mit tollen

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Ideen, die frisch von der Uni kamen und in ihren Garagen etwas zusammenbastelten. Also die Leute, denen hierzulande keine Bank einen Kredit vergebe. Es sei bezeichnend und höchst alarmierend, daß der Vorstandssprecher einer Großbank kürzlich zu dem Ergebnis einer Untersuchung der Universität Dortmund, die die Finanzierungsprobleme junger Unternehmen bestätigte, erklärte habe, Gründer gehörten auch nicht zur geschäftspolitischen Zielgruppe der Bank. Eine derartige Haltung sei Ausdruck einer sehr kurzsichtigen Orientierung und eines erstaunlichen Mangels an Verantwortungsbewußtsein für die Entwicklung dieses Landes.

Diese kurzfristige Orientierung spiegele sich auch in dem neuerdings in Deutschland in Mode gekommenen "shareholder-value-Ansatz" wider, der nur die Mehrung des von den Aktionären eingebrachten Kapitals in den Mittelpunkt der Unternehmenspolitik rücke. Statt langfristiger Orientierung stehe dann die Verbesserung der nächsten Quartalsergebnisse oder bestenfalls der nächsten Jahresergebnisse des Unternehmens im Mittelpunkt. Diesem kurzfristigen "shareholder value-Gedanken" müsse dringend ein langfristig orientierter "stakeholder-value-Ansatz" entgegengesetzt werden, der die Verantwortung für alle am Erfolg des Unternehmens Beteiligten, die Arbeitnehmer, die Kunden und das gesamte geschäftspolitische Umfeld im Auge behalte.

Den Hauptgrund für die Schwierigkeiten der Mittelstandsfinanzierung sieht der Vertreter des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen in der sehr kurzfristigen Gewinnorientierung der Banken. Zwar würden die Banken zumeist behaupten, sie hätten keine eigenen Interessen, sondern verträten lediglich das Interesse ihrer Einleger; dies entspreche jedoch nicht der Realität. In der Gesellschaft wachse zunehmend die Einstellung, daß Banken eine wirtschaftliche Funktion in der Gesellschaft einzunehmen hätten und als Investoren Risiko übernehmen sollten. Banken sollten durch eine zukunftsgerichtete Kreditvergabe dafür sorgen, daß kleine und mittelständische Unternehmen ausreichend finanziert werden, daß in wirtschaftlichen Krisensituationen neue Produkte und Mechanismen gefunden werden, die ein Überleben erlauben, und nicht die Abwicklung von Unternehmen in den Mittelpunkt rückten. Um diese von der Gesellschaft gewünschte Funktion zu übernehmen, müßten

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die Banken viel flexibler werden und mehr Phantasie aufbringen als heute. Denn die Praxis entlarve deutsche Banken als sehr sicherheitsorientiert und bürokratisch.

Der Vertreter eines Bankenverbandes widerspricht der These einer auf kurzfristiges Gewinnstreben orientierten Geschäftspolitik der Banken. Vielmehr läge das zentrale Interesse der Banken in einem nachhaltigen Gewinnstreben. Das Vorstandsmitglied einer Privatbank verweist darauf, daß es gängige Praxis der Banken sei, Kapital für Existenzgründungen auszugeben. Dies sei umso bemerkenswerter, als die Banken heute die größten Pleiten in diesem Bereich realisieren müßten. Vor allem in den neuen Bundesländern seien an Existenzgründer eine Vielzahl von Krediten vergeben worden, bei denen heute auf Grund der veränderten Marktverhältnisse Schwierigkeiten auftauchten. Generell müsse zudem festgehalten werden, daß die Frage der Kreditvergabe nicht das zentrale Problem der mittelständischen Wirtschaft sei. Entscheidend für die mittelständische Wirtschaft seien vielmehr die Fragen der Steuerpolitik und der Entbürokratisierung.

So gebe es heute in Deutschland ein breitgefächertes Angebot an zinsverbilligten Darlehen, die die bundeseigenen Kreditinstitute, die Deutsche Ausgleichsbank und die Kreditanstalt für Wiederaufbau, insbesondere für Existenzgründer oder in innovativen Wirtschaftsbereichen tätige mittelständische Unternehmen vergeben. Diese Darlehen werden in Deutschland nicht direkt vom bundeseigenen Kreditinstitut an die Unternehmen vergeben, sondern über den Weg der Kreditvermittlung durch die Hausbank. Der SPD-Politiker bezeichnet dieses, auf den ehemaligen Deutsche-Bank-Vorstandssprecher Hermann Josef Abs, der grauen Eminenz der Finanzpolitik der Adenauer-Ära, zurückgehende System der Hausbankvermittlung als riesiges Problem bei der Vergabe von Fördermitteln. Im Bundestag werde seit Jahren darüber diskutiert, daß Banken statt der günstigeren Bundeskredite lieber ihre eigenen, teureren Kredite vergeben. Manche Hausbanken würden ihre Kunden deshalb noch nicht einmal über die Existenz der staatlichen Förderprogramme informieren. Die Bundesregierung habe hierzu jahrelang - genau wie beim Thema "Girokonto für jedermann" - erklärt, es handle sich lediglich um bedauerliche Einzelfälle und keine systematischen Probleme.

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Nun müsse sie aber angesichts einer großen Zahl nachgewiesener Fälle Zug um Zug einräumen, daß hier in der Tat ein großes Problem vorliege. Um das Nadelöhr Hausbank zu umgehen, habe die SPD vorgeschlagen, den Wettbewerb im Bereich Kreditvergabe durch die Einrichtung einer für die Darlehensvermittlung zuständigen Mittelstandsagentur zu verstärken oder der Deutschen Ausgleichsbank und der Kreditanstalt für Wiederaufbau das Recht einzuräumen, unmittelbar am Markt tätig werden zu können. Bezeichnenderweise wolle jedoch gerade die sonst so wettbewerbsorientierte FDP diesen stärkeren Wettbewerb verhindern, nachdem die privaten Banken scharfe Kritik daran geäußert hätten, daß öffentliche Banken mit Förderdarlehen des Bundes im Wettbewerb konkurrierten.

2.3.4 Festzinsverträge im Hypothekenkreditgeschäft

Der Vertreter des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen bezeichnet den Bereich der Zehn-Jahres-Verträge im Hypothekenkreditgeschäft als besonderen Problembereich. Hierbei handelt es sich um Kredite, deren Verzinsung für eine Dauer von zehn Jahren festgelegt ist. Dies lohnt sich für den Kunden verständlicherweise in Phasen mit einem niedrigen Zinsniveau. Wer sich nicht für einen solch langen Zeitraum festlegen will und beispielsweise auf sinkende Zinsen spekuliert, der kann mit der kreditgebenden Bank auch eine variable Verzinsung des Darlehens vereinbaren, bei der der Zinssatz kontinuierlich der Marktentwicklung angepaßt wird.

Das Hauptproblem dieser Zehn-Jahres-Verträge besteht nach Einschätzung des Vertreters einer Verbraucherschutzorganisation darin, daß der Kunde auch in akuten Notsituationen, die sich beispielsweise aus Krankheit, Arbeitslosigkeit oder anderen unerwarteten Veränderungen der Lebenssituation des Kreditnehmers ergeben, gar nicht oder nur unter Leistung einer Entschädigung aus diesen Verträgen aussteigen könne. Ein Vertreter einer Privatbank bezeichnet die langfristige Festzinshypothek als ein exzellentes Verbraucherschutzprodukt, weil sie dem Kunden die Gelegenheit verschaffe, sich für eine langfristig sichere Kalkulationbasis zu entscheiden. Schließlich sei der Verbraucher vor Zinserhöhungen geschützt, wie sie ihm bei variablen Zinsen drohten, falls er seinen Kreditvertrag in

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einer Niedrigzinsphase abgeschlossen habe. So könne sich der Kunde beispielsweise bei einem niedrigen Zinsniveau für zehn Jahre niedrige Zinsen sichern, um damit eine feste Kalkulationsbasis für seine Investition oder sein Haus zu bekommen. Die Bank selbst refinanziere sich über Pfandbriefe ebenfalls über eine Laufzeit von zehn Jahren auf einer festen Basis ohne Kündigungsmöglichkeit. Würde man jetzt dem Kunden für bestimmte Fälle die Möglichkeit einräumen, vorzeitig aus dem Vertrag auszusteigen, führe dies in der Konsequenz zu einem Zinsänderungsrisiko bei der Bank, da sie auf der sogenannten Passiv-Seite nicht aus ihrem Vertrag herauskomme und damit Gefahr liefe, das Geld, das sie auf der Aktiv-Seite vorzeitig zurückbekomme, nicht mehr mit demselben Zinssatz anbieten zu können. Ein solches Risiko würde dazu führen, daß das Produkt Festzinshypothek entweder vom Markt verschwinde oder die Bank von vornherein einen Risikofaktor in die Zinsen einkalkulieren müsse, der sie vor dem eventuellen Zinsänderungsrisiko absichere. Eine solche Entwicklung könne jedoch nicht im Sinne des Verbrauchers sein.

Der Vertreter des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen erläutert, daß die Probleme mit Festzinshypotheken natürlich nicht bei den Verträgen auftreten, durch die sich ein Kunde langfristig niedrige Zinsen gesichert hat, sondern bei den Kreditverträgen, die auf Basis eines hohen Zinsniveaus abgeschlossen wurden. Deshalb müßte die Möglichkeit zur Kündigung solcher Verträge aus triftigen Gründen geschaffen werden, wie es auch in anderen Ländern möglich sei. So gebe es in den USA Festzins-Verträge mit 30jähriger Laufzeit, aus denen die Kunden trotzdem ohne Entschädigung herauskommen könnten. Als Gründe für eine vorzeitige Kündigung sollten Umstände akzeptiert werden, die der Verbraucher selber nicht beeinflussen könne und die seine ökonomischen Grundlagen radikal veränderten wie Arbeitslosigkeit oder Scheidung. Ein Vertreter einer Verbraucherschutzorganisation unterstreicht diese Forderung unter Verweis darauf, daß es heutzutage selbst bei Menschen, die sich in absolut sicheren Lebensumständen befinden, binnen eines Zeitraums von zehn Jahren zu gravierenden Veränderungen kommen könne. Zudem könne es in einer zwangsweise immer mobiler werdenden Gesellschaften für den Erhalt der Berufstätigkeit notwendig sein, den Arbeitsplatz von München nach Hamburg zu

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verlegen. Für solche unkalkulierbaren Fälle müßten Ausstiegsmöglichkeiten geschaffen werden. Die Banken zeigten jedoch oftmals keinerlei Bereitschaft, ihren Kunden in derartigen Notfällen entgegen zu kommen. Vielmehr verträten sie die Position, die getroffene Entscheidung für variable Zinsen oder einen Festzinsvertrag liege in der Verantwortung des Kunden, der dann auch deren Folgen zu tragen habe.

Besonders bedenklich sei das Ergebnis von Untersuchungen, wonach es Banken in Hochzinsphasen, offenbar aufgrund der Angst vor weiter ansteigender Zinsen, gelinge, Umschuldungen zu Lasten der Verbraucher vorzunehmen. Der Erfolg dieser Praxis, in einer Hochzinsphase niedrige Zinsen auf teilweise die doppelte Zinshöhe hochzubringen, lasse sich nur vor dem Hintergrund der unzureichenden Transparenz in diesem Bereich erklären. Es sei bezeichnend, daß die Banken sich weigerten, Zahlen über die von ihnen vorgenommenen Umschuldungen von Niedrig- auf Hochzinsen offenzulegen. Ein Vertreter einer Privatbank weist derartige Vorwürfe entschieden zurück. Umschuldungen würden von den Banken nicht nach Belieben zu ihrem Vorteil vorgenommen, sondern nur dann, wenn der Kapitalmarkt die Notwendigkeit zu derartigen Umschuldungen vorgebe.

2.3.5 Umsetzung der Rechtsprechung

Ein unverändert zentrales Problem in der Kreditwirtschaft ist nach Einschätzung des Vertreters einer Verbraucherschutzorganisation die teilweise arrogante Machtausübung der Banken im Umgang mit Urteilen des Bundesgerichtshofes. Klassisches Beispiel hierfür seien die Tilgungsverrechnungsurteile im Hypothekenzinsbereich, wo nach der ersten BGH-Entscheidung eine Flut von ablehnenden Reaktionen der Banken mit teilweise fadenscheinigen Begründungen kamen. Ein anders Beispiel sei die Entwicklung beim BGH-Urteil zu den Freiposten bei Girokonten, bei denen sich viele Banken auf den Standpunkt stellten, sie müßten ihre fehlerhaften Abrechnungen nur in den Fällen korrigieren, in denen der Verbraucher einen Antrag stelle. Das BGH-Urteil hatte unmißverständlich festgelegt, daß mindestens fünf Freiposten im Preis für die Kontoführung enthalten sein

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müßten. Viele Banken hielten dennoch an ihrer rechtwidrigen Praxis fest. Obwohl eine Verbraucherschutzorganisation daraufhin ein Musterverfahren geführt und auch gewonnen habe, seien die materiellen Konsequenzen für die meisten Verbraucher dennoch gleich null, weil sich die Banken weigerten, den BGH-Spruch umzusetzen. Es sei ein nicht akzeptables Verfahren, daß Banken fragwürdige Klauseln trotz klarer BGH-Rechtsprechung so lange durchzuhalten versuchten wie möglich, und hinterher davon auch noch profitierten. Kunden, die diese Praxis kritisierten, würden rigoros auf den individuellen Gang zu den Gerichten verwiesen. Hieraus ergebe sich beim Kunden nahezu zwangsläufig der Eindruck, die Banken nutzten ihre Macht aus.

Im Hinblick auf variable Zinsen sei von der Rechtsprechung vorgegeben worden, daß Zinsen nach unten angepaßt werden müßten, wenn sich die Finanzierung oder das allgemeine Zinsniveau ändere. Trotz dieser klaren Rechtslage gebe es jedoch unverändert Kreditinstitute, die sich beharrlich weigerten, ihre Zinsen dem gesunkenen Zinsniveau anzupassen. So liege beispielsweise bei namhaften Kreditkartenunternehmen der effektive Jahreszins seit mehr als einem Jahr bei 16,9 Prozent, obwohl alle anderen Zinsparameter nach unten gingen. Es sei nicht akzeptabel, daß es zwar generell die variable Zinsklausel gebe, sich jedoch bestimmte Anbieter an diese Vorgaben nicht hielten. Hier bleibe dem Verbraucher nur der Klageweg, aber variable Zinsen in einer andersartigen Gestaltung einzuklagen, sei eine sehr schwierige Aufgabe. Gerade bei den variablen Zinsen offenbare sich daher ein Gefühl der Ohnmacht der Verbraucher gegenüber dem Gestaltungswillen ihrer Bank.

Ein anderer Punkt, den die Verbraucherschutzverbände vor kurzem aufgriffen, seien die Entgelte im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr gewesen. Trotz intensiver Diskussion auch innerhalb der EU-Kommission habe sich hier bislang nichts bewegt. Die Verbraucherschutzverbände hätten deshalb Musterverfahren gegen ein Kreditinstitut in Nordrhein-Westfalen angestrengt, die als dazwischen geschaltete Bank aus dem Überweisungsbetrag den stattlichen Betrag von 30 DM einbehalte. Da es bislang kein eigenständiges Klagerecht der Verbraucherverbände gebe, habe diese Klage unter den Gesichtspunkten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb

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(UWG) geführt werden müssen. Das zuständige Landgericht stellte sich auf die Position, daß kein unlauterer Wettbewerb vorliege, da das Verfahren von allen Banken und anderen Anbietern praktiziert werde. Wenn die Rechtsprechung eine verbraucherfeindliche Abrechnung der Banken deshalb nicht verurteile, weil sie von allen Banken praktiziert werde, dann sei der Verbraucher in der Tat schutzlos der Willkür einer Branche ausgeliefert.

Als Konsequenz aus derartigen Praktiken fordert ein Vertreter einer Verbraucherschutzorganisation, daß die Verbraucherverbände erweiterte Klagebefugnis erhalten müßten, damit zukünftig nicht nur Klauseln, sondern auch das konkrete Handeln der Banken überprüft werden können. Der Vertreter des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen verweist darauf, daß die Verbraucherschutzorganisationen in den letzten Jahren in vielen Problembereichen als Korrektiv gewirkt haben. Oftmals seien Verbesserungen im Bereich des Verbraucherschutzes bei Bankgeschäften auf die Arbeit der Verbraucherschutzorganisationen zurückzuführen. Damit sei in Deutschland ansatzweise das erreicht worden, was etwa im angelsächsischen Bereich ohnehin als Teil des Bankgeschäftes gelte. Denn dort müßten Banken nicht nur "safe" ("sicher") sein, sondern auch "sound", d.h. sie müssen transparent sein und Kunden und Wettbewerber offen über ihr Geschäftsgebaren informieren. Die Förderung dieser Tendenz auch bei deutschen Banken sei teilweise den Verbraucherschutzverbänden zugefallen, weil der Markt dies nicht vermocht habe. Dieses Marktversagen sei auf die originären Wettbewerbsstrukturen in Deutschland zurückzuführen, die traditionell stark mit zentralen Ausschüssen wie dem Zentralen Kreditausschuß, sowie mit Ausnahmen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen für die Bankenkartelle und ähnlichen Sonderregelungen für die Kreditinstitute arbeiten. Der hieraus resultierende Nachholbedarf in Deutschland sei durch die Arbeit der Verbraucherschutzorganisationen etwas verringert werden.

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2.4 Die staatliche Aufsicht

Immer wenn Kritik am Geschäftsgebaren der Banken geübt wird, rückt die Frage nach Rolle und Funktion der staatlichen Aufsicht in

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den Mittelpunkt der Diskussion. Die staatliche Bankenaufsicht wird in Deutschland vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred) wahrgenommen. Das Amt ist eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministerium der Finanzen. Die Aufgaben den Aufsichtsamtes sind in den §§5-9 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) geregelt. Demnach hat das BAKred "Mißständen im Kreditwesen entgegenzuwirken, die die Sicherheit der den Kreditinstituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können". Dabei nimmt das Amt die ihm zugewiesenen Aufgaben "nur im öffentlichen Interesse wahr" (§ 5 Abs. 2, 3). Ein Journalist erinnert daran, daß dieser Passus vom Gesetzgeber unmittelbar nach der Pleite der Herstatt-Bank Mitte der siebziger Jahren verabschiedet worden war. Damit sollte verhindert werden, daß die Aufsichtsbehörden bei Bankzusammenbrüchen wegen mangelnden Einsatzes für die Betroffenen in die Haftung genommen werden könnten.

Der Präsident des BAKred bestätigt, daß das Amt keine 'Verbraucherschutzfunktion" hat. Dessen ungeachtet wenden sich Jahr für Jahr Tausende von Bankkunden in Notsituationen mit der Bitte um Unterstützung an das BAKred. Im 1995 erstmals veröffentlichten Jahresbericht nennt das Amt 3.340 Fälle, in denen sich Bankkunden hilfesuchend an das Amt wandten, weil sie Probleme mit ihrem Kreditinstitut hatten. Lediglich in 397 Fällen konnten die Aufseher helfen. Dabei befanden sich die betroffenen Bürger und Unternehmen "zumeist in einer kritischen wirtschaftlichen Lage", heißt es im Jahresbericht. Helfen konnten die Aufseher dennoch nicht, da die kritisierten Praktiken "keinen besonderen Aufsichtsnormen unterliegen". Insofern habe das Amt die Bürger, die sich wegen Streitigkeiten mit ihrem Kreditinstitut an die Aufsicht wandten, auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen.

Der SPD-Politiker bezeichnet diese Situation der Verbraucher als nicht akzeptabel. Für die in einer Notsituation befindlichen Betroffenen sei der Verweis auf den Rechtsweg angesichts der hierfür zu veranschlagenden mehrjährigen Dauer und des Prozeßrisikos kein angemessener Weg. Deshalb sei es notwendig, die Aufgaben der

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staatlichen Aufsicht über das Kreditwesen um den Bereich des Verbraucherschutzes zu erweitern. Dazu gehöre auch die Einrichtung eines unabhängigen Beirats zur Klärung von Problemfällen.

Der Vertreter des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen weist derartige Forderungen nach einer Erweiterung der Aufgaben der staatlichen Bankenaufsicht zurück. Verbraucherschutznormen seien in erster Linie zivil rechtlicher Art, da sie das Verhältnis zwischen Bank und Kunde regelten. Die Frage nach ihrer Auslegung und danach, ob sie im Einzelfall verletzt seien, könne verbindlich nur von den ordentlichen Gerichten geklärt werden. Zudem seien die Grenzen zwischen rechtsmißbräuchlichen und rechtlich zulässigen Verhaltensweisen fließend. Eine Verwaltungsbehörde wie das BAKred sei nicht die richtige Stelle für die Definition dieser Grenze. Bei verbraucherfeindlichen, aber legalen Praktiken von Banken könne das Aufsichtsamt ohnehin nur durch unverbindliche Appelle tätig werden, da es sonst der Regelungskompetenz des Gesetzgebers vorgreifen würde. Zudem könnten in der Praxis zwischen den klassischen Aufgaben der Bankenaufsicht, insbesondere der Sicherung der Solvenz der Banken und den Zielen des Verbraucherschutzes, leicht Interessenkonflikte auftreten.

Die Aufgabe der staatlichen Bankenaufsicht liege eben nicht im Verbraucherschutz, sondern in der Verhinderung von Systemkrisen und dem Erhalt des volkswirtschaftlich wichtigen Bankwesens. Die Beziehungen zwischen den Banken und ihren Kunden seien kein Gegenstand der speziellen bankaufsichtlichen Regelungen, deren Einhaltung das BAKred zu überwachen habe. Eine zivil- oder strafrechtliche Würdigung des Verhältnisses Bank-Kunde könne das Aufsichtsamt grundsätzlich nicht vornehmen. Es könne den Banken auch keine Anweisungen für den Umgang mit ihren Kunden geben. Ebensowenig habe das Amt die Aufgabe, die Preise und Konditionen der Banken zu kontrollieren. Als Verwaltungsbehörde könne das BAKred bei Auseinandersetzungen zwischen Banken und ihren Kunden nicht zugunsten der einen oder anderen Seite Stellung beziehen und derartige Streitigkeiten anstelle der ordentlichen Gerichte verbindlich klären. Da die Banken im Rahmen des geltenden Rechts in ihren geschäftspolitischen Entscheidungen frei seien, habe das Amt auch keine Möglichkeit, die Banken im Einzelfall zu beson-

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derer Kulanz anzuhalten. Etwaiges verbraucherfeindliches Gebaren der Banken sei für das Aufsichtsamt nur insofern von Interesse, als sich daraus Schlüsse auf die Zuverlässigkeit und die Eignung der Geschäftsleiter des betreffenden Instituts ziehen ließen, die dann gegebenenfalls die Einleitung von Maßnahmen gegen diese Personen zur Folge hätten, oder Hinweise auf das Vorliegen eines Mißstandes ergäben, der die Funktionsfähigkeit des Kreditgewerbes und insbesondere die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte beeinträchtigen könnte.

Der Vertreter einer Verbraucherschutzorganisation hält es vor diesem Hintergrund für höchst befremdlich, daß das Aufsichtsamt einzelnen Banken in laufenden Rechtsstreitigkeiten tatkräftige Unterstützung leiste. So heiße es in einem Urteil des Amtsgerichtes Frankfurt, daß nach Auskunft des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen eine der Streitigkeit zugrundeliegende Berechnung eines Kreditinstituts sachgerecht sei. Das Amt hatte bestätigt, daß das Berechnungsverfahren den zugrundeliegenden Empfehlungen entspreche. Problematisch an diesem Fall und dem Verhalten des Amtes sei jedoch, daß der Bundesgerichtshof in dieser Angelegenheit noch nicht abschließend über die grundlegenden Anforderungen an die in diesem Fall strittigen Berechnungsmethoden entschieden habe. Somit habe das BAKred in seiner Stellungnahme eben doch die Rechtssprechung vorweggenommen. Von einem Amt, daß sich nach eigenem Selbstverständnis aus laufenden Rechtsstreitigkeiten herauszuhalten habe, sei zu erwarten, daß es keine derartigen Wertungen vornehme und gerade in Fällen, bei denen die Kernfragen noch offen seien, nicht einseitig Partei ergreife.

Generell müsse aus Sicht des Verbraucherschutzes an der Bankaufsicht in Deutschland moniert werden, daß es nicht gelungen sei, aufgetretene Probleme zu beseitigen. Vielleicht hätten die Aufsichtsbehörden in der Praxis zuviel Nachsicht statt Aufsicht praktiziert. In den Fällen, die den Verbraucherschutzorganisationen von Bankkunden zur Kenntnis gebracht würden, stoße man stets auf die lapidare Auskunft des Amtes, daß der jeweilige Fall ein zivilrechtliches Problem ist, für das das Amt nicht zuständig sei. Da das Verhältnis zwischen dem Bankkunden und seiner Bank in der Regel ein zivilrechtliches Problem darstelle, und die staatliche Aufsicht für diese Fälle

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nicht zuständig sei, lasse sich hieraus ein erhebliches Defizit der Aufsicht in diesem Bereich feststellen.

Der Vertreter des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen verweist darauf, daß die Frage nach einer effektiven nationalen Aufsicht vor dem Hintergrund des einheitlichen europäischen Binnenmarktes eine völlig neue Dimension erlange. Das home-country-control-Prinzip der Europäischen Union führe schließlich dazu, daß ausländische Banken, die in Deutschland tätig sind, nicht von der deutschen Aufsicht, sondern von anders gearteten Kontrollsystemen beispielsweise in Großbritannien erfaßt werden. Insofern stelle sich die Frage, wie in einer deregulierten Wirtschaft mit einem globalisierten Markt eine nationale Kontrolle aussehen könne, wenn jeder Markteilnehmer eine unendliche Ausweichregion in ausländischen Rechtssystemen habe und die Zahlungsströme innerhalb von Sekunden von Deutschland zu den japanischen Märkten laufen. Zudem führe die Tendenz zu einem massiven Abbau des Filialnetzes deutscher Kreditinstitute und die Konzentration auf wenige Zweigstellen mit geringem Personalbestand zu neuen Problemen. Das parallel laufende Wachstum der Direkt-Banken, die mit Telefon-Banking, Elektronic-Banking und Internet-Banking eine neue Art des Bankgeschäftes etablierten, könne dazu führen, daß auch ein erweiterter Verbraucherschutz ins Leere laufe, weil es überhaupt keine echte Kundenbetreuung mehr gäbe, in der der Verbraucherschutz zur Anwendung gelangen könne. Denn selbst der beste Verbraucherschutz könne nur dort funktionieren, wo überhaupt noch Banken mit direktem Kundenkontakt tätig sind.

Der Vertreter des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen verweist darauf, daß sich bereits heute auf dem deutschen Markt eine Vielzahl ausländischer Banken über Tochtergesellschaften und Zweigstellentummeln tummeln. Zudem müsse davon ausgegangen werden, daß in absehbarer Zukunft Bankleistungen von ausländischen Anbietern auf direktem Wege über das Internet oder Telefon-Banking in Deutschland angeboten werden. Diese Entwicklung führe notwendigerweise zu einer zunehmenden Internationalisierung der Aufsicht. Trotz dieser Entwicklung bleibe Verbraucherschutz jedoch zunächst einmal eine nationale Aufgabe. Jedoch sei es zur Zeit noch vollkommen unklar, wie eines Tages deutsche Verbraucher geschützt

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werden sollen, denen Finanzdienstleistungen aus einer entfernten Karibik-Insel oder einem afrikanischen Staat direkt angeboten werden, in denen keine deutschem Rechts- und Verbraucherschutzverständnis entsprechende Regelungen bestünden. Spätestens dann stoße der beste nationale Verbraucherschutz an seine Grenzen. Hier könnten lediglich internationale Regelungen helfen, aber ob es möglich sein werde, die betreffenden off-shore-Zentren oder sonstige ferne Länder zu einer derartigen gemeinsamen Regelung bewegen zu können, sei fraglich. Hier entwickle sich aus Sicht der Aufsicht ein großes Problem.

Der Vertreter des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen äußert sich skeptisch, ob von erweiterten Aufgaben und Möglichkeiten der staatlichen Aufsicht auch verbesserte Ergebnisse zu erwarten seien. Der wichtigste Schritt, um Standards im Verbraucherschutz einzuhalten sei ein funktionierender Wettbewerb zwischen den Banken und eine daraus resultierende gegenseitige Kontrollfunktion. Effektive Kontrolle könnten die Wettbewerber viel besser ausüben als zum Beispiel die Endverbraucher. Unumgängliche Voraussetzung hierfür sei jedoch, daß der Wettbewerb funktioniere. Dies sei nur auf Basis einer angemessenen Transparenz der Banken möglich, denn nur dann habe der Markt auch die Chance, die notwendige Kontrolle auszuüben. Ein Beispiel für ein System einer reinen Marktkontrolle sei die neue Gesetzgebung in Neuseeland, bei der vollkommen auf Kontrollorgane verzichtet werde. Stattdessen solle die Kontrolle durch die Kunden erfolgen. Für ein solches System müsse den Banken natürlich die Pflicht auferlegt werden, alle wichtigen Informationen in einer verständlichen Form offenzulegen. Die primäre Aufgabe der Aufsicht liege darin, Sorge zu tragen, daß diese Transparenz in der Praxis auch funktioniere.

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2.5 Wettbewerb als Korrektiv

Der Vertreter eines Bankenverbandes betont, daß sich die Banken darüber im Klaren sind, daß besserer Service und Kundenbedienung heute zu den wenigen Faktoren zählen, die noch die Chance zu großen Marktzuwächsen bieten. Das Vorstandsmitglied einer Privatbank unterstreicht, daß sich die Banken heute den Fragen des Ver

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braucherschutzes viel offensiver stellten, als sie das noch vor einigen Jahren getan hatten und in der Kommunikation mit den Kunden und den Verbraucherschutzverbänden Fehler gemacht wurden. So habe beispielsweise die Bayerische Vereinsbank bereits vor mehreren Jahren zu ihrem Vereinsbanktag einen Vertreter der Verbraucherverbände eingeladen, um vor den versammelten rund 400 Führungskräften der Vereinsbankgruppe zum Verbraucherschutz zu referieren. Hieran lasse sich ablesen, daß die Banken den kritischen Dialog mit Verbraucherschützern suchten. Heute könne es angesichts des bestehenden Wettbewerbsdrucks überhaupt kein Dienstleister riskieren, die Interessen und Bedürfnisse, vor allem aber die Beschwerden seiner Kunden zu ignorieren. Etwaiges verbraucherfeindliches Verhalten eines Kreditinstituts würde sofort bestraft werden, woran abzulesen sei, daß der Wettbewerb eine erhebliche regulative und korrigierende Kraft habe.

In Deutschland gebe es derzeit etwa 3.500 Kreditinstitute mit rund 40.000 Zweigstellen, die ein allgemeines, breites Bankgeschäft betreiben und um die Kunden konkurrieren. Dieser Wettbewerbsdruck werde sich in den nächsten Jahren durch den Eintritt in den gemeinsamen europäischen Binnenmarkt noch weiter verschärfen, da dann ausländische Kreditinstitute und andere dem Bankwesen nahestehende Anbieter, die einzelne Produkte der Finanzdienstleistungspalette vertreiben, vermehrt mit den deutschen Banken konkurrieren werden. Angesichts dieses zunehmenden Konkurrenzdrucks sei es primäres Ziel der Geschäftspolitik jeder Bank, neue Kunden zu gewinnen und die alten Kunden zu behalten. Daher setzten sich die meisten Banken inzwischen ausgiebig mit den Interessen und Bedürfnissen ihrer Kunden auseinander. Zu diesem Zweck hätten die meisten Banken inzwischen ein internes Beschwerdemanagement eingerichtet, mit dem Ziel, die Beschwerden ernst zu nehmen und daraus Lehren für die Kundengewinnung und deren langfristige Bindung zu erhalten.

Der Vertreter einer Verbraucherschutzorganisation bewertet die Einrichtung von Beschwerdemanagementsystemen innerhalb der Kreditinstitute als positives Element zur Lösung individueller Fehler. Solche Systeme seien aus Sicht des Kreditinstituts sinnvoll, um aufkommende Probleme diskret zu lösen, zur Lösung von Systemfehlern

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hätten sie jedoch bislang ebensowenig beigetragen wie die Errichtung bankgruppenspezifischer Schlichtungssysteme wie das Ombudsmannsystem der privaten Banken.

Generell bestehe kein Zweifel daran, daß es im Bankgeschäft durchaus Bereiche gebe, die der Wettbewerb gut regeln könne. Der Wettbewerb versage jedoch regelmäßig bei Problemgruppen wie Verschuldeten, Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfänger, die als Kunden für die Kreditinstitute offensichtlich nicht lukrativ seien. Aufgrund des strukturellen Ungleichgewichts zwischen Bank und Kunde bestehe unveränderter Handlungsbedarf im Bereich des materiellen Schutzes bei sozialen Notlagen und Problembereichen. So seien die sittenwidrigen Konsumentenkredite ebensowenig durch den Wettbewerb verschwunden wie das Problem der Mitverpflichtung der Bürgschaften von Familienangehörigen. Zum Schutz der berechtigten Interessen dieser Kunden seien entsprechende, im Zweifelsfall auch gesetzgeberische Maßnahmen notwendig. Dabei plädierten die Verbraucherschutzverbände keineswegs dafür, alles durchgehend zu regulieren. Bei allen Problemen sei zunächst die Kreditwirtschaft gefordert, selbst für Problemlösungen zu sorgen. Wenn dies gelänge, dann würden weder die Verbraucherverbände noch die Politik neue Regulierungsvorschläge machen. Gelänge die interne Lösung von Problemen durch die Kreditwirtschaft jedoch nicht, dann sei der Gesetzgeber gefordert.

Der Vertreter des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen gibt zu bedenken, daß ein intensivierter Wettbewerb unter den Kreditinstituten und verbesserte Informationen für den Verbraucher noch keinen erkennbaren Wert an sich darstellen, solange der Verbraucher daraus keinen konkreten Nutzen zu ziehen vermag. Dieser Nutzen bestehe für den Verbraucher darin, etwas verändern zu können. In der Verbrauchertheorie spreche man hierbei von den Faktoren "exit" und "voice". "Voice" bezeichne die Möglichkeit zur Beschwerde, ein Thema, bei dem die Banken nach eigener Aussage gerade einen Lernprozeß durchliefen. Dagegen beständen beim "exit", also der Möglichkeit des Wechsels zu einer anderen Bank, unverändert erhebliche Probleme. So sehe sich ein Kunde, der seine Bank durch den Wechsel zu einem Konkurrenzinstitut bestrafen wolle, unverändert mit einem erheblichen Aufwand konfrontiert. Die

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Auflösung der Konten und Depots und die Änderung aller Daueraufträge und Lastschriften sei in der Praxis immer noch ein aufwendiges Abenteuer mit ungeahntem Mißverständnispotential. Selbst Spezialisten benötigten gute Nerven und eine erhebliche Arbeitsleistung, um alle Bankdienstleistungen auf eine andere Bank zu übertragen. Um das Sanktionsmittel Institutswechsel zu erleichtern und damit den Wettbewerb überhaupt erst möglich zu machen, bedürfe es daher einer erheblichen Deregulierung zu Gunsten von mehr "exit"- Möglichkeiten der Verbraucher. Eine Deregulierung übrigens, die die Banken ohne Unterstützung des Gesetzgebers sofort in die Tat umsetzen könnten.

Der Vertreter des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen bestätigt, daß der Wechsel des Anbieters ein probates Mittel des Verbrauchers sei, sich gegen schlechte Produkte oder unzureichenden Service zu wehren. Angesichts des intensiven Wettbewerbs zwischen den Kreditinstituten sei die Auswahl unter verschiedenen Banken heute zwar groß, die richtige Wahl aber schwierig, da Qualitäts-, Preis- und Konditionenvergleiche außerordentlich mühsam und vom einzelnen Kunden kaum vorzunehmen seien. Wegen der damit verbundenen Kosten und des hohen Aufwands lasse sich ein solcher Wechsel in der Praxis jedoch weniger leicht vollziehen als etwa der Wechsel eines Handwerkers oder Lieferanten.

Der SPD-Politiker sieht in den praktischen Problemen beim Wechsel des Kreditinstituts den entscheidenden Grund dafür, daß der Wettbewerb in Deutschland relativ schlecht funktioniert. Besonders häufig komme es zu Konflikten, wenn der Kunde beispielsweise wegen Liquiditätsproblemen in einer schwachen Position sei und andere Institute möglicherweise überhaupt kein Interesse an diesem Wechsel hätten. Verschärfend komme hinzu, daß der Wettbewerb bei Bankprodukten durch die große Intransparenz erheblich behindert werde. So seien bereits beim vergleichsweise überschaubaren Produkt Girokonto die unterschiedlichen Preisausweise der Banken für den Laien schwerlich vergleichbar. Deshalb sollte die Transparenz der Preise durch eine Änderung der Preisangabenverordnung und verbindliche Vorgaben für die Aufschlüsselung der einzelnen Posten verbessert werden. Anhand standardisierter Modellkonten für repräsentative Haushalts- und Nutzungstypen sollten die Preise ver-

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gleichbar gemacht werden. Erst dann könne der Kunde unter den verschiedenen Angeboten das für ihn günstigste Produkt ausmachen.

Nach Einschätzung des Vertreters des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen liegt es im originären Interesse der Banken, dem Verbraucherschutz einen großen Stellenwert beizumessen. Kundenzufriedenheit sei angesichts des wachsenden Wettbewerbs ein entscheidender Faktor für den Erfolg der Bank. Dabei sollten sich die Banken auch der Kritik an ihrem nicht immer kundenfreundlichen Geschäftsgebaren offen stellen. Insbesondere müßten die Banken ihren Kunden gegenüber eine angemessene Transparenz im Sinne verständlicher und nachvollziehbarer Informationen hinsichtlich ihrer Preise, Konditionen, Abrechnungen und Produkte, eine faire und umfassende Beratung der Kunden sowie einen generell sensiblen Umgang mit den Anliegen, Bedürfnissen und Beschwerden der Kunden an den Tag legen. Dabei seien die bislang unternommenen Schritte zu einem besseren Kundenschutz wie die Einrichtung von Schlichtungsstellen bzw. die Bestellung von Ombudsmännern ebenso wie bestehende Selbstverpflichtungen positiv anzuerkennen.

Darüber hinaus bestehe auch bei den Verbrauchern ein erheblicher Nachholbedarf. Es sei höchst erstaunlich, mit welcher Naivität Kunden bisweilen ihre Bankgeschäfte abwickelten. Dieselben Verbraucher, die profund über die komplizierfesten technischen Sachverhalte an ihren Autos oder Stereoanlagen Bescheid wüßten, kümmerten sich bemerkenswert wenig um die von ihnen in Anspruch genommenen Bankdienstleistungen. Wenn Verbraucher dazu übergingen, auch hier eine kritische Position einzunehmen, könnten sie ihre vermeintliche oder tatsächliche Ohnmacht zumindest teilweise überwinden. Der Vertreter des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen unterstreicht, daß informierte Kunden einen erheblichen Einfluß auf die kundenorientierten Neuausrichtung der Geschäftspolitik der Banken haben könnten. Derzeit verhielten sich deutsche Banken in der Praxis sehr sicherheitsorientiert und bürokratisch; eine Veränderung der Geschäftspolitik der Banken hin zu mehr Flexibilität und Phantasie sei nur dann zu erzielen, wenn informierte Verbraucher hier den notwendigen Druck erzeugten.


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