FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 5]



I. Ziele und Aspekte staatlicher Umweltpolitik


Ökonomie und Ökologie lassen sich in zunehmendem Maß in Übereinstimmung bringen. Dies gilt insbesondere für das Verhalten der Unternehmen; umweltbewußte Unternehmensführung kann zu produktivitäts-, rentabilitäts- und imagebezogenen Verbesserungen und zu neuen Absatzmärkten führen – z.B. durch Entwicklung neuer Produkte und Verfahren, für die es im Inland und/oder im Ausland gute Absatzchancen gibt. Umweltschutz kann insofern zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor und zum Maßstab der Zukunftsfähigkeit einer modernen Industriegesellschaft werden.

In diesem Zusammenhang sind umweltpolitische Anstöße hilfreich und vielfach sogar erforderlich. Die Beurteilung der staatlichen Umweltpolitik hängt allerdings in hohem Maße von der konkreten Ausgestaltung der eingesetzten Instrumente ab. Umweltpolitische Maßnahmen, Auflagen und Förderungen können dazu beitragen, daß betrieblicher Umweltschutz den Unternehmen neue Chancen und Kostensenkungspotentiale eröffnet. Sie können aber auch einschneidende Änderungen der Produktion erfordern, der Wirtschaft hohe Umstellungskosten und laufende Belastungen auferlegen und insgesamt zu einer Standortgefährdung durch Umweltschutz führen. Wichtig sind daher Klugheit und Augenmaß bei der Gestaltung des umweltpolitischen lnstrumentariums.

Das heutige Ordnungsrecht im Umweltschutz ist z.B. nur begrenzt geeignet, über die gesetzlichen Vorgaben hinaus integrierten Umweltschutz zu betreiben. Es ist unübersichtlich und enthält zu viele Einzelregelungen, und damit Widersprüche und Vollzugsprobleme. Es setzt "am Ende des Schornsteins" statt bei den Einsatzstoffen (auf der Input-Seite) an. Schadwirkungen, Abfälle und Energieverbrauch werden daher nicht "von vornherein" vermieden. Aufgrund einseitiger Grenzwertorientierung kommt es zudem häufig zu Problemverlagerungen zwischen einzelnen Umweltmedien. Grenzwerte und Stand-der-Technik-Regeln bieten schließlich keinen ökonomischen Anreiz für weitergehende Verbesserungen.

Zwar wäre es hilfreich, einzelne Verordnungen lesbarer zu machen, u.U. durch stärkere Einbindung von Unternehmern bzw. von Umweltbeauftragten der Unternehmen in die Phase der Gesetzesberatungen. Darüber hinaus besteht aber offensichtlich ein weitergehender umweltpolitischer Reformbedarf. In diesem Zusammenhang ist zunächst einmal festzustellen, welche Ziele die Umweltpolitik überhaupt anstrebt bzw. anstreben sollte.

Page Top

[Seite der Druckausg.: 6]

1. Leitbilder und Ziele einer ökologischen Stoffwirtschaft

Greift man die Überlegungen der Rio-Konferenz auf, so geht es in der Umweltpolitik letztlich um das Umsteuern der Wirtschaft auf eine nachhaltige bzw. "zukunftsfähige" Entwicklung ("sustainable development"). Anzustreben ist also eine Wirtschaftsweise, die die natürlichen Lebensgrundlagen erhält bzw. nicht zerstört. Diese generelle Zielsetzung sollte Leitlinie jeglicher Umweltpolitik sein.

Um Klarheit über die Ziele und Rahmenbedingungen einer solchen nachhaltigen Entwicklung zu gewinnen, hat der deutsche Bundestag die Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" eingesetzt. Enquete-Kommissionen sind Instrumente der Politikberatung, die sich der deutsche Bundestag für Fragestellungen geschaffen hat, die sich im Rahmen der "Tagespolitik" nicht erledigen lassen, da sie längerfristiger Natur sind und grundsätzliche Bedeutung haben.

Die Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" hatte in der letzten Legislaturperiode die Aufgabe, einen umweltverträglichen Umgang mit Stoffströmen vorzuschlagen und dafür Maßnahmen für Einzelstoffe, aber auch für ganze Bedürfnisfelder bzw. Grundbedürfnisse der Menschen zu erarbeiten. Zielrichtung war somit zugleich der integrierte Umweltschutz. Der Abschlußbericht "Industriegesellschaft gestalten" enthält Vorschläge für den Umgang mit einzelnen Stoffen, z.B. für Cadmium, Benzol und für den FCKW-Ersatzstoff R134a, aber auch für das Bedürfnisfeld Textilien. Diskutiert wird die Frage, wie bzw. mit welchen Regeln der Umgang mit Stoffen umweltfreundlich bzw. dauerhaft umweltverträglich gestaltet werden kann.

Der Bericht befaßt sich auch mit dem gesellschaftspolitisch neuen Instrument des "Stoffstrommanagements", d.h. der Erfassung von Stoffen von deren Gewinnung über ihren gesamten Lebensweg bis zu deren Entsorgung. Dieses Management wird um so schwieriger, je breiter und komplexer es angelegt wird. Mit wachsender Distanz zwischen den beteiligten Akteuren (im Textilbereich z.B. entlang der "Kette" Stofferzeuger, Stoffbedrucker, Stoffverarbeiter) nimmt i.d.R. die Intensität der Informationsflüsse ab. Daraus folgen insgesamt – d.h. auf den gesamten Lebenszyklus von Produkten bezogen – Defizite bei der Materialeffizienz, mit denen man sich oft erst dann auseinandersetzt, wenn Abfälle bereits entstanden sind. Die Materialeffizienz entscheidet sich aber zumeist schon am Anfang bei der Konstruktion bzw. Herstellung des Produktes. Wenn heute z.B. für die Herstellung einer Tonne Auto 25 Tonnen Abfall entstehen, so löst ein vollständiges Recycling der einen Tonne Auto nach Ende der Nutzung erst 4% des Gesamtproblems. Die Politik ist vor die-

[Seite der Druckausg.: 7]

sem Hintergrund u.a. aufgerufen, Vorschläge für ein Stoffstrommanagement zu machen und Grundlagen für die Erstellung von Ökobilanzen zu schaffen.

Dementsprechend will sich die Kommission in der laufenden Legislaturperiode erneut mit dem Stoffstrommanagement und insbesondere mit dem Thema der Kreislaufwirtschaft befassen. Beim Umgang mit Stoffen ist soweit wie möglich die Idee der Kreislaufführung umzusetzen. Meistens gelingt dies allerdings nicht vollständig, sondern es kommt zu "Kaskaden" der Stoffnutzung. In diesem Zusammenhang will die Kommission folgende Problemkomplexe erörtern:

  1. Kann man Produkte durch Dienstleistungen ersetzen?

  2. Was heißt eigentlich ökologisches Design? Muß nur die Entsorgungsphase oder auch die Gebrauchs- und Entstehungsphase einbezogen werden?

  3. Worum geht es bei der Produktverantwortung? An wen ist sie gegebenenfalls zu delegieren? Wie soll sie aussehen?

    Die Kommission will sich außerdem grundlegend mit dem Begriff der nachhaltigen Entwicklung auseinandersetzen und dazu

    • Umweltziele für die Bundesrepublik Deutschland und Leitlinien für die Umweltpolitik entwickeln. Die Umweltberichterstattung ist in Deutschland zwar gut ausgebaut. Es gibt bislang aber erst ein konkretes Umweltqualitäts- und -Handlungsziel: die Stabilisierung des Weltklimas und – für Deutschland – die CO2-Reduktion um 25%. Analog sind weitere Umweltziele zu erarbeiten.

    • Gesellschaftliche Rahmenbedingungen untersuchen (z.B. die soziale Akzeptanz umweltpolitischer Maßnahmen und deren wirtschaftliche Auswirkungen vor dem Hintergrund von Wirtschaftskrise, Kostendruck und Globalisierung).

    • Wirtschaftliche Innovationen und Innovationshemmnisse untersuchen und prüfen, wie sich (ökologischer) Fortschritt erleichtern, verbessern und für die Anwender in der deutschen Wirtschaft fruchtbar machen läßt.

    • Für das Bedürfnisfeld Bauen und Wohnen detailliert Stoffströme identifizieren, Umweltziele erarbeiten und ein Maßnahmenbündel vorschlagen.

    [Seite der Druckausg.: 8]

    Der Komplex Bauen und Wohnen wurde gewählt:

    1. Wegen der erheblichen Stoffstromproblematik auf der Einsatz- wie auf der Abfallseite. Bauschutt stellt mit über 50% die größte Fraktion des gesamten Abfallvolumens dar. Eine steigende Tendenz gibt es hier besonders in den neuen Bundesländern. Hinzu kommt eine dramatische Abnahme der Nutzungszeit von Gebäuden. Insbesondere bei Büroflächen erscheint oft der Neubau mit Maschinen günstiger als die Renovierung "von Hand". Schließlich wandelt sich auch die Qualität der Stoffe. Der geordnete Rückbau eines Hauses aus den 60er Jahren ist – u.a. aufgrund von Asbest- und Dämmstoffproblemen – zumeist viel schwieriger als der eines Hauses aus den 20er Jahren. Die rechtzeitige Analyse und Berücksichtigung der Stoff- und Energieflüsse ist auch deshalb so wichtig, weil z.B. beim Um- oder Neubau von Gebäuden 70 bis 90% der energie- und materialwirksamen Entscheidungen bereits in der Phase der kreativen Planung durch den Architekten getroffen werden.

    2. Wegen der Klimaschutzrelevanz des Bausektors. Rund ein Drittel des Energieverbrauchs in Deutschland entfällt auf den Bereich Bauen und Wohnen. Gleichzeitig gibt es hier erhebliche noch ungenutzte Einsparpotentiale, die bei vorhandener Bausubstanz auf 70 bis 90%, bei Neubauten auf 70 bis 80% und bei Haushaltsgeräten auf 30 bis 70% geschätzt werden.

    3. Weil exemplarisch Lebensstile und Konsumgewohnheiten ablesbar werden. Nach dem Krieg gab es in Deutschland eine Pro-Kopf-Wohnfläche von rund 15 qm und in den 60er Jahren von ca. 25 qm. Heute sind wir bei 37 qm angelangt. Besser wohnen setzt aber nicht immer größere Wohnflächen voraus. Zu fragen ist z.B., wie durch flächensparendes Bauen bzw. durch Flächenrecycling der Trend des zunehmenden Flächenverbrauchs gestoppt werden kann.

    4. Weil z.B. im Baugesetzbuch, aber auch bei Steuern und Abgaben besonders starke ökologische Hemmnisse und falsche Weichenstellungen existieren. Die Bauförderungspraxis belohnt kaum das flächen- und energiesparende Bauen. Dies wird erst neuerdings etwas geändert. Auch die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure prämiert im wesentlichen noch immer das teuere und nicht das rohstoff- und energieeffiziente Bauen.

      [Seite der Druckausg.: 9]

    5. Weil die nationale Politik die Probleme in diesem Bedürfnisfeld zum großen Teil mit auslöst. Gebietskörperschaften sind große Bauinvestoren und könnten in ihrem Bauverhalten beispielgebend sein. Zudem werden viele nationale Standards politisch gesetzt und ließen sich entsprechend ändern.

    Schließlich beabsichtigt die Kommission – dem Vorbild der Niederlande, Österreichs und der Schweiz folgend, wo im gesellschaftlichen Konsens, d.h. unter Beteiligung von Industrie, Politik, Umweltverbänden und Gewerkschaften so etwas wie ein Leitbild für die Zukunftsfähigkeit entstanden ist – verschiedene Umweltziele quasi als Eckwerte in einen nationalen Umweltplan einbringen. Die in einem solchen Plan vorzuschlagenden Maßnahmen – u.a. solche "Reizthemen" wie ökologische Steuerreform, Reform des Ordnungsrechts und freiwillige Vereinbarungen – will die Kommission im Konsens entwickeln.

    Insgesamt sind von der Kommissionsarbeit Anstöße für verbesserten integrierten Umweltschutz und für eine ökologische Umorientierung in allen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen zu erhoffen. Diese müssen dann allerdings im politischen Kräftefeld durch- und umgesetzt werden.

    Page Top

    2. Umweltpolitik im politischen Kräftefeld – das Beispiel der Kreislaufwirtschaft

    Die Politik kann das ökologische Verhalten sowie das Management von Stoffströmen zwar wesentlich fördern. Je ehrgeiziger allerdings die Zielvorgaben werden, desto eher sind auch mögliche Konflikte mit wirtschaftlichen Zielen zu beachten. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz z.B. führt zu einem neuen Spannungsverhältnis zwischen Kreislaufwirtschaft und Wirtschaftspolitik; in der bisherigen Entwicklung der Abfallwirtschaft hat dieser Konflikt dagegen eher eine nachrangige Rolle gespielt.

    Zwischen 1975 und 1990 ist die öffentlich entsorgte Abfallmenge um über 75% angestiegen. Insbesondere Hausmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle haben stark zugenommen. Bis Anfang der 80er Jahre erhöhte sich entsprechend auch das Angebot an Deponiefläche. Erst Mitte der 80er Jahre zeigten sich die ersten Knappheiten, und Ende der 80er Jahre war vom drohenden Entsorgungsnotstand die Rede. Neben dem Anstieg der Abfallmengen trug zu dieser Entwicklung auch die zunehmende Regelungsdichte des Abfallrechts bei. Durch Immissionsschutzregelungen wurden z.B. die Auswirkungen der Abfallbeseitigung auf andere Umweltmedien (Boden, Luft, Wasser) berücksichtigt. Entsprechend erhöhten sich auch

    [Seite der Druckausg.: 10]

    die Entsorgungskosten. Marktwirtschaftlichen Prinzipien entsprechend bildeten sich daraufhin Suchprozesse nach kostenminimierenden Entsorgungspfaden heraus. Abfallexport wurde interessant und zwar insbesondere dorthin, wo eine ordnungsgemäße Entsorgung nicht stattfand, wo also eine billigere Entsorgung zu erhalten war. Spektakuläre Exportskandale zeigten, daß das geltende Recht zu viele Schlupflöcher ließ.

    In der vergangenen Legislaturperiode erfolgte daraufhin eine umfassende Umgestaltung und Neuregelung der Abfallwirtschaft; u.a. wurden die TA Abfall, die TA Siedlungsabfall, die Abfall- und Reststoffbestimmungsverordnung, die Abfallnachweisverordnung und – vor allem – das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz auf den Weg gebracht. Dieses Gesetz wurde erst im Vermittlungsausschuß – dort aber in einem breiten Konsens über die Parteigrenzen hinweg – verabschiedet.

    Im Bereich der Abfallwirtschaft unterzeichnete die Bundesrepublik das Baseler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung. Ferner wurden die EG-Abfallverbringungsverordnung und (zusammen mit dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz) das Abfallverbringungsgesetz beschlossen. Der Versuch, über ein Abfallabgabengesetz ergänzende Lenkungsinstrumentarien einzuführen, ist demgegenüber vorläufig gescheitert.

    Bereits vor der Verabschiedung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes herrschte Einigkeit, daß End-of-pipe-Lösungen nicht mehr weiterführen, und deshalb im vorsorgenden Bereich (z.B. bei den Stoffströmen) angesetzt werden muß. Schon die Verpackungsverordnung von 1991 war ein Demonstrationsprojekt für die Kreislaufwirtschaft, für die Entwicklung der Produktverantwortung und in Richtung auf eine stärkere Bewußtseinsbildung. Jeder Bürger ist nun täglich mit Fragen der richtigen Abfallbeseitigung konfrontiert, wenn er sich für eine von mehreren "Tonnen" zu entscheiden hat. Die Verordnung war zwar nicht frei von Mängeln; die nötigen Korrekturen sollen aber jetzt angebracht werden. Erst mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz sind allerdings die Grundlagen für eine neue, vorsorgende Abfallwirtschaftspolitik geschaffen worden. Diese neue Kreislaufwirtschaftspolitik ist von folgenden Grundsätzen geprägt:

    [Seite der Druckausg.: 11]

    • Es geht nicht mehr nur um die Entsorgung des entstandenen Mülls. lntegrierter Umweltschutz bedeutet, die Probleme der künftigen Entsorgung bereits vorbeugend, d.h. bei Produktion und Entwicklung, bei Vertrieb und Konsum zu berücksichtigen und möglichst zu vermeiden. Es entspricht nicht mehr dem Prinzip einer modernen Abfallwirtschaftspolitik, daß Industrie, Handel und Verbraucher den Abfall erzeugen, während die entsorgungspflichtige öffentliche Hand die Abfälle beseitigen muß. Die Vermeidung von Rückständen sowie die Verwertung und Entsorgung verbrauchter Produkte muß künftig einen ähnlichen Stellenwert erhalten wie Zusammenhang die Produktverantwortung. Für den Hersteller von Stoffen bedeutet dieser Leitgedanke neue Rücknahme-, Verwertungs- oder Beseitigungspflichten durch Rechtsvorschriften, d.h. er muß damit rechnen, daß er seine Produkte nach dem Gebrauch durch die Kunden auch wieder entsorgen muß.

    • Vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Entwicklung, aber auch angesichts der Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von den internationalen Rohstoffmärkten ist sorgsam und schonend mit Rohstoffen umzugehen. Alle Möglichkeiten der Rückgewinnung und Verwertung von Sekundärrohstoffen sind zu nutzen. Eine Kreislaufwirtschaftspolitik zeigt hier einige Potentiale auf.

    • Produktion und Konsum sind natürlich nicht völlig rückstandsfrei möglich. Die schadlose Entsorgung von Abfällen wird stets ein Teil unseres Wirtschaftens bleiben. Zu einer modernen Industriegesellschaft gehört deshalb eine leistungsfähige, von der Bevölkerung akzeptierte Entsorgungsinfrastruktur. Die Attraktivität des Industriestandorts Deutschland hängt insofern weiterhin auch von der Leistungsfähigkeit der Entsorgungswirtschaft ab.

    • Das Kreislaufwirtschaftsgesetz führt einen neuen Abfallbegriff ein. War bisher nach engem subjektivem ("gewillkürtem") Abfallbegriff der Entledigungswille entscheidend, so gilt künftig in Anpassung an die EU-Nomenklatur ein breiter objektiver Abfallbegriff. Prinzipiell sind jetzt alle Stoffe und Gegenstände, die nicht Produkt sind, Abfälle. Dabei ist Abfall zur Verwertung und Abfall zur Beseitigung zu unterscheiden. Zunächst sollte der Abfall zur Verwertung "Sekundärrohstoff" genannt werden. Bundesrat und Industrieverbände wollten aber – aus unterschiedlichen Motiven – den alten Abfallbegriff retten: Die Industrie legte Wert darauf, weiterhin das alte Recht bzw. die alte Rechtsprechung anzuwenden, während die Länder versuchten, aus dem Vollzug heraus Entsorgungs- und Verwertungspfade möglichst genau zu definieren, damit willkürliche Umdeklarierungen nicht mehr möglich sind. Diese

    [Seite der Druckausg.: 12]

      widersprüchlichen Interessen haben zu einer Verhinderungskoalition gegenüber der neuen Wortschöpfung geführt. Nun unterliegen auch Abfälle zur Verwertung – d.h. vielfach rein wirtschaftlich verstandene Vorgänge – dem Abfallrecht und können somit theoretisch auch mit Gebühren belastet werden.

    Die Beurteilung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist zunächst davon abhängig, inwieweit eine Internalisierung externer Effekte gelingt. Die Marktwirtschaft ist zwar im Grundsatz die Ordnung, die es am besten versteht, mit knappen Ressourcen umzugehen. Wichtig ist aber auch, inwieweit die Güter jeweils die richtigen, auch die Umweltprobleme einschließenden Knappheitspreise haben. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz kann durch das erwähnte Instrument der Produktverantwortung und durch die Privatisierung der bisherigen Abfallpolitik dazu beitragen, eine verursachergerechte Verantwortungszuweisung zu erreichen, die sich auch in den Preisen entsprechend niederschlägt. Das Gesetz ist deshalb vor dem Hintergrund der Internalisierung des Umweltverbrauchs im Prinzip positiv zu beurteilen.

    Die Beurteilung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes muß allerdings auch berücksichtigen, daß wirtschaftspolitische Zielsetzungen beeinflußt werden. Die "Gemengelage" wird deutlich, wenn man sich die Diskussion anläßlich der Umsetzung der Verpackungsverordnung in Erinnerung ruft. Kritisiert wurde insbesondere, das effektiv angewandte Umsetzungsmodell

    • stelle bislang funktionierende mittelständische Entsorgungsstrukturen in Frage,

    • führe zu einer Beherrschung des Marktes der Entsorgungsdienstleistungen,

    • bestimme und steuere die Sekundärrohstoffmärkte in weiten Bereichen und

    • schränke den Innovationswettbewerb bei der Sekundärrohstoffverwertung ein.

    Alle abfallwirtschaftlichen Konzepte müssen demzufolge auch an den Vorgaben des Wettbewerbsrechtes und den Prinzipien marktwirtschaftlicher Wirtschaftspolitik gemessen werden. Dazu ist z.B. zu prüfen, inwieweit

    • sich die Entwicklung der Entsorgungswirtschaft ohne Bildung von Monopolen und Kartellen sowie unter Offenhaltung der Märkte (freier Marktzugang) vollzieht,

    • die Regelungsdichte im Abfallbereich sich am Prinzip der Verhältnismäßigkeit ausrichtet,

    [Seite der Druckausg.: 13]

    • regulative Eingriffe in Märkte mit funktionierendem Wettbewerb unterbleiben,

    • kollektive private Entsorgungssysteme, die eine Tendenz zur Wettbewerbsbeschränkung in sich tragen, vermieden werden und

    • künftige Regelungen durch verursachergerechte Zuordnung der Entsorgungslasten so gestaltet werden, daß der Wettbewerb erhalten bleibt. Das Drängen neuer Anbieter auf den sehr lukrativ gewordenen Abfallmarkt zeigt deutlich, daß hier durchaus auch Entfaltungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen bestehen.

    Das Kreislaufwirtschaftsgesetz kann vor diesem Hintergrund, d.h. mit Blick auf die Position der Abfallwirtschaft in der Marktwirtschaft, durchaus positiv beurteilt werden. Diese Auffassung läßt sich in einigen Thesen zusammenfassen:

    1. Marktwirtschaft braucht mehr eigenverantwortliche Unternehmer. Mit Ausnahme der Haushaltsabfälle und hausmüllähnlicher Gewerbeabfälle ist dementsprechend im Kreislaufwirtschaftsgesetz die Entsorgungsverantwortung den Abfallerzeugern und -besitzern zugewiesen anstelle der bisher im Grundsatz geltenden öffentlich-rechtlichen Andienungs- und Entsorgungspflicht.

    2. Marktwirtschaft braucht freien Wettbewerb. Die beschriebene Privatisierung der Entsorgungspflicht schafft einen zusätzlichen, nicht von der öffentlichen Hand gesteuerten Markt für Entsorgungsleistungen, so daß private Abfallerzeuger und -besitzer nun frei zwischen den vielfältigen Angeboten der Entsorgungswirtschaft wählen können. Zwar sind schon jetzt in einigen Bereichen die Gewerbeabfälle "freigegeben", doch können bisher auf kommunaler Ebene die Märkte für Entsorgungsleistungen "bestimmt" werden. Früher waren auch Altglas- und Altpapiercontainer eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit; die Sammlung wurde über Abfallgebühren finanziert.

    3. Markt- und Kreislaufwirtschaft brauchen Wettbewerb. Die Strukturen, die sich in der Entsorgungswirtschaft angesichts hoher umweltschutzrechtlicher bzw. technischer Anforderungen in den letzten Jahren herausgebildet haben, sind nicht unproblematisch: Die zunehmenden abfallwirtschaftlichen Aktivitäten großer Energieversorgungsunternehmen, an denen Länder und Kommunen beteiligt sind, führen zu einer bedenklichen Konzentration. Gleichzeitig geraten kleine und mittelständische Unternehmen bei der zumeist kapitalintensiven Umsetzung der genannten Anforderungen zunehmend in finanzielle

      [Seite der Druckausg.: 14]

      Schwierigkeiten. Schließlich ist die Verzahnung von kommunalen Auftraggebern und Auftragnehmern, von Gebührenerhebung und Nutznießung von Gebühren problematisch.

      Das Kreislaufwirtschaftsgesetz strebt u.a. durch Wegnahme der Entscheidungsmöglichkeit von den Kommunen neue Strukturen an, z.B. auch kooperative Strukturen in Form von Zusammenschlüssen kleiner Entsorgungsverbände.

    4. Effizienter Umweltschutz braucht verstärkt marktwirtschaftliche Instrumente. Das Ordnungsrecht hat inzwischen seine Ziele erreicht und muß entschlackt werden. Zusätzliche Regulierungen im Nanogrammbereich helfen wenig weiter. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz berücksichtigt dies u.a. durch Deregulierungen, durch Entbürokratisierungen und durch eine Verlagerung von Verantwortlichkeiten in den privaten Sektor.

    Ein Gesamturteil hat aber auch die zahlreichen Probleme mit ins Bild zu nehmen, die – quasi als Reflex des Spannungsverhältnisses zwischen Kreislaufwirtschaft und Wirtschaftspolitik – bei der Umsetzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zu erwarten sind. Zumindest in der Anfangsphase dürfte z.B. der neue Abfallbegriff gewöhnungsbedürftig sein. Ungewohnt ist für die Wirtschaft ferner die neue Produktverantwortung. Die Wirtschaft hat sich über Jahrzehnte in einem Umfeld entwickelt, in welchem Abfallentsorgung keine wesentliche Rolle spielte. Sie sieht sich nun plötzlich zu einem Umdenken und zu Anpassungen gezwungen (z.B. im Umgang mit gebrauchten Autos, mit Elektronikschrott, altem Batterien usw.). Solche Anpassungen gelingen nicht "von heute auf morgen", sondern werden eine gewisse Zeit brauchen.

    Ferner werden die grundsätzlichen Probleme einer jeden Marktöffnungspolitik auftreten. In Bereichen, aus denen sich der Staat zurückzieht, und in Bereichen, in denen Regulierungen aufgehoben werden, gibt es regelmäßig Konfliktpotential mit der Wirtschaft und den betroffenen Berufsgruppen. Gegen eine Marktöffnung bzw. Privatisierung wird (von Seiten der in diesen Bereichen Tätigen) vielfach vorgetragen, daß die positiven externen Wirkungen entsprechender Aktivitäten am freien Markt nicht honoriert würden. Oft wird auch ein ruinöser Wettbewerb prophezeit, der auf bestimmte gesamtgesellschaftlich übergeordnete Ziele nicht Rücksicht nehme. Meistens werden dabei jedoch Interessen des Gemeinwohls vorgeschoben, um die Partikularinteressen der Nutznießer einschränkender Regulierungen zu begründen. Sicherlich gibt es Betroffene bei einer Umstellung von der öffentlich-rechtlichen

    [Seite der Druckausg.: 15]

    Abfallwirtschaft auf eine privatwirtschaftlich organisierte Struktur. Solche Partikularinteressen müssen jedoch im Interesse des Ganzen zurückstehen. Ludwig Erhard sagte dazu bereits von über 30 Jahren:

    "Die Privilegierten, die drinnen sitzen, wollen allen anderen, die hinein wollen, das Leben sauer machen. Frage ich nach dem Geist, der hinter all diesen Bemühungen steht, dann bin ich zu einer harten Antwort genötigt: Es ist der pure Egoismus und nichts anderes, der versucht, solche Forderungen mit gesellschaftswissenschaftlichen Idealen und ethischen Prinzipien zu verbrämen."

    Beim Kreislaufwirtschaftsgesetz kommt erschwerend hinzu, daß gewisse Strukturen schon aufgebaut waren, so z.B. einige Sonderabfallgesellschaften in verschiedenen Ländern. Bereits durchgeführte Investitionen dieser Gesellschaften konnten vom Gesetz nicht in Frage gestellt werden. Problematisch ist in diesem Bereich vor allem die mögliche Kopplung der Gebühren an die Entsorgungskosten. Da nämlich die genannten Gesellschaften oft die Entsorgungswege und -verfahren auch selbst bestimmen können, ist die Motivation, nicht den teuersten, sondern den vernünftigsten Entsorgungsweg zu wählen, nur schwer herstellbar. Ein potentieller Konflikt zum Einspargebot besteht insbesondere auch deshalb, weil es vielfach bereits zuwenig Abfall gibt.

    Unterschiedliche bereits vorher existierende Ländergesetze könnten schließlich ein bundeseinheitliches Vorgehen gefährden. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz verweist des öfteren auf weitergehende Regelungen durch die Länder.

    Die konkrete Umsetzung des Gesetzes hängt nicht zuletzt von der Ausgestaltung der im Gesetz angelegten Verordnungsermächtigungen ab. Hier werden auch die "beteiligten Kreise" – im wesentlichen Verbände und Umweltorganisationen – jeweils schon im Vorfeld eingeschaltet. Aus Gründen einer einheitlichen Umsetzung versucht § 7 Kreislaufwirtschaftsgesetz, für einzelne Abfallstoffe bestimmte Verwertungswege zu definieren und der Wirtschaft vorzuschlagen. Bei Schlacke sind z.B. drei Verwendungen denkbar: für Sportplätze (inzwischen verboten), im Straßenbau (unter bestimmten Voraussetzungen möglich, da Schadstoffe "eingebunden" sind) und zur Walddüngung.

    Inwieweit das Kreislaufwirtschaftsgesetz in der konkreten Umsetzung ein Erfolg wird, läßt sich vor diesem Hintergrund noch nicht eindeutig beurteilen. Wichtig ist aber, daß das Gesetz Schritte in Richtung auf ein nachhaltiges Wirtschaften ermöglicht.

    Page Top

    [Seite der Druckausg.: 16]

    3. Förderung und Finanzierung des Umweltschutzes



    3.1 Öffentliche Förderung

    Während umweltpolitische Regulierungen – wie gezeigt – konfliktträchtig sein können, läßt sich eine finanzielle Förderung von Umweltschutzinvestitionen durch den Staat politisch relativ reibungsarm installieren. Zwar begünstigt die Förderung und Finanzierung von Umweltschutzinvestitionen eher den additiven als den integrierten Umweltschutz. In den Bereichen Entsorgung, Ressourcenbereitstellung und -einsparung gibt es aber auch Überschneidungen. Die Aufgabe besteht im Einzelfall darin, den richtigen "Förder- und Finanzierungsmix" zu finden. Angesichts zahlreicher Gestaltungs- bzw. Kombinationsmöglichkeiten erscheint es besonders für mittelständische Unternehmen zweckmäßig, zur Finanzierung bzw. Förderung von Umweltschutzinvestitionen einen erfahrenen Berater hinzuzuziehen. Entsprechende Beratungen führt z.B. die Steinbeis-Stiftung durch, die 1994 ca. 1.000 Projekte für den Staat (Mitwirkung bei Regierungsmaßnahmen des Technologietransfers, Beurteilung und Betreuung von technologieorientierten Fördervorhaben, Abwicklung der beim Techologietransfer auftretenden Einzelfälle) sowie gut 14.000 Projekte für die Wirtschaft (allgemeine Beratung u.a. hinsichtlich möglicher staatlicher Förderung, spezielle Technologieberatung, Beratung bei Forschung und Entwicklung, Weiterbildung, Informationen und internationaler Technologietransfer) betreute.

    Umweltschutzinvestitionen haben erhebliche Wachstumschancen. Eine Marktstudie des Steinbeis-Transferzentrums Berlin kam 1994 – vor dem Hintergrund der Forderung des Einigungsvertrages, daß in absehbarer Zeit vergleichbare Umweltbedingungen in allen Teilen Deutschlands hergestellt sein sollen – für die neuen Bundesländer bis zum Jahr 2005 auf einen Investitionsbedarf im Umweltbereich von rund 220 Mrd. DM. Dabei rechnet die Untersuchung allein im Segment Abfallwirtschaft mit Investitionen von deutlich über 40 Mrd. DM.

    Zur Finanzierung von Umweltschutzinvestitionen können verschiedene Förderprogramme in Anspruch genommen werden. Diese Programme lassen sich zum einen in Zuschuß- und Darlehensprogramme einteilen, zum anderen nach ihrem Geltungsbereich unterscheiden. Bundeseinheitlich geregelt sind z.B. die Investitionszulage, die Sonderabschreibungsregelungen, die ERP-Kredite und ERP-Umweltprogramme, das Mittelstandsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), das Umweltprogramm der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) sowie Darlehen und Bürgschaften der europäischen Investitionsbank (EIB). Es gibt aber auch zahlreiche Länderprogramme bzw. Programme mit nur regionaler Gültigkeit. Dazu

    [Seite der Druckausg.: 17]

    gehören die Maßnahmen im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung, die Eigenkapitalhilfe-, Kommunalkredit- und KfW-Wohnungsmodernisierungsprogramme für die neuen Bundesländer sowie weitere spezifische Länderprogramme.

    Diese Förderprogramme haben im einzelnen sehr unterschiedliche Konditionen. Da die Erarbeitung von Förderanträgen mühsam und zeitaufwendig ist, sollte bei der Finanzierungsentscheidung die Eignung der Programme zunächst sorgfältig geprüft werden, dann erst sollten die Förderanträge erarbeitet werden. Wenn ein Vorhaben erst einmal "in die falsche Tüte" gesteckt wurde, ist dieses Projekt nur noch schwer – in variierter Form – in ein anderes Förderprogramm hineinzubekommen.

    Die Eignung eines Programms als Finanzierungshilfe für ein konkretes Investitionsprojekt hängt unter anderem ab

    • von der Zielsetzung bzw. dem Sachgebiet der Investition (die meisten Förderprogramme beziehen sich auf spezielle Bereiche wie z.B. Energieeinsparung)

    • vom Verwendungszweck der bereitzustellenden Mittel

    • vom Kreis der Antragsberechtigten (bei "Mittelstandsprogrammen" spielt die Unternehmensgröße eine Rolle; in den neuen Bundesländern sind oft auch die Eigentumsverhältnisse und der effektive Anteil, der auf die neuen Länder entfällt, wichtig)

    • von den Konditionen im engeren finanzwirtschaftlichen Sinn; dazu gehören z.B. Darlehenshöhe, Laufzeit, Auszahlungsmodus, Zinssatz, Nebenkosten (Bereitstellungs- und Bearbeitungsgebühren) sowie Sicherheiten. Strenge Anforderungen an die Sicherheiten können beispielsweise die Attraktivität eines Programms für mittelständische Unternehmen spürbar mindern.

    • vom Antragsweg (über Hausbank oder z.B. über die zuständigen Länderministerien),

    • von den Möglichkeiten der Doppelförderung. Die Personalförderung ist z.B. in manchen Programmen mit anderen Förderungen kombinierbar, in anderen nicht.

    [Seite der Druckausg.: 18]

    • von der Abrufbarkeit der Mittel (zu Beginn in einem Schub möglich oder "nur" in Tranchen?)

    • vom Umfang des zu führende Verwendungsnachweises.

    Wichtig ist auch, daß der Beginn der Investition bzw. des Vorhabens bei den meisten Programmen erst nach dem Bewilligungsbescheid bzw. einer entsprechenden Vorabinformation erfolgen darf. Bei neuen Investitionen Wartezeiten von bis zu einem Jahr oder länger in Kauf nehmen zu müssen, kann sehr hinderlich sein.

    Letztlich hängt die zu empfehlende Finanzierungs- bzw. Förderungsform auch von der Charakteristik der zu tätigenden Investition selbst ab. Diese läßt sich durch die mit den Investition verbundenen Stoffströme beschreiben, d.h. durch die Zuflüsse von Rohstoffen, Sekundärrohstoffen und Energie, die Emissionen in Form von Abwärme, Abgasen und Abwasser sowie den Output von Produkten und Abfällen. Ferner spielen marktbezogene Informationen und der Kapitalfluß (Eigenmittel, Fördermittel, Kosten, Erträge) eine wichtige Rolle. Damit bildet letztlich das gesamte Unternehmenskonzept die Entscheidungsgrundlage für die Art der Finanzierung einer Umweltschutzinvestition.

    Das folgende Finanzierungsbeispiel einer Umweltinvestition zur Verwertung von Kunststoffabfällen durch ein mittelständisches Unternehmen aus den neuen Bundesländern soll die derzeitigen, z.T. erheblichen Förderungsmöglichkeiten in Deutschland veranschaulichen: Bei geplanten Ausgaben (Investitionskosten) von 4 Mio. DM – davon 1 Mio. DM für den Grundstückserwerb, 1,2 Mio. DM für Baumaßnahmen und 1,8 Mio. DM für Investitionen in Maschinen und Ausrüstungen – sorgt ein kombinierter Mix aus dem ERP-Umweltprogramm, dem DtA-Umweltprogramm, dem Investitionszuschuß der Gemeinschaftsaufgabe Aufbau-Ost und der Investitionszulage dafür, daß für die Gesamtinvestition nur 220.000 DM Eigenmittel aufzubringen sind. Es kann also eine Gesamtförderung von 3,78 Mio. DM realisiert werden.

    3.2 Zusammenarbeit mit Projektfinanzierungsgesellschaften

    Neben den geschilderten Förderungsmöglichkeiten gibt es auch rein wirtschaftliche Gründe für Investitionen im Bereich Umwelt. Ökologische Anforderungen sind nicht nur als Belastung, sondern vielmehr als Chance zur Entwicklung innovativer, kostenoptimierter Produkte und Verfahren zu begreifen. Der Spielraum für unnütze Produkte, künstlichen Bedarf und teure Überkapazität verringert sich in dem Maß,

    [Seite der Druckausg.: 19]

    wie die Einsparung von Ressourcen und von Schadstoffemissionen an Bedeutung gewinnen. Neue Produkte müssen bedarfsgerecht und umweltschonend sein. Daher sind Investitionen in Zukunft immer ökonomisch und ökologisch zugleich – oder verfehlt.

    Die Finanzierung von Umweltschutzinvestitionen ist also nicht nur eine Frage der Förderung, sondern vor allem eine unternehmerische Aufgabe. Entsprechende Projekte betreut z.B. die KOMMUNALFINANZ primär im Bereich der kommunalen Infrastruktur. Es gibt aber zunehmend auch Nachfrage von privaten Partnern. Ein gleichermaßen sinnvoller wie anspruchsvoller Lösungsansatz – insbesondere bei der rationellen Energieumwandlung, aber auch im Bereich der Abwasser- und Abfallbehandlung und -verwertung – ist aus Sicht der KOMMUNALFINANZ in diesem Zusammenhang die Projektfinanzierung, also eine privatwirtschaftliche Finanzierung durch Risikokapital.

    Für eine Projektfinanzierung sprechen zunächst finanzwirtschaftliche Motive. Für den Nutznießer des Projektes, das Unternehmen, wird die Realisierung und damit der Nutzen einer Umweltschutzinvestition ohne Belastung der eigenen Bilanz, also bei Erhalt der Liquidität möglich. Das Kreditvolumen wird geschont, ein erhöhtes Risiko vermieden. Der Ersatz üblicher Sicherheiten durch die Plausibilität des erwarteten Projekterfolges bedingt allerdings, daß die an der Realisierung interessierten Parteien Eigenkapital für die Projektfinanzierung bereitstellen. Die Banken sind nämlich bei einer Kreditvergabe i.d.R. nicht bereit, das Projektrisiko alleine zu tragen, während die Erfolgschancen bei günstigem Projektverlauf ausschließlich den Vorhabenträgern, die kein Verlustrisiko tragen, zugute kommen.

    Verfügen die Träger des Projektes nicht über die zur Finanzierung nötigen Eigenmittel, so sind sie auf Finanzinvestoren (z.B. institutionelle Investoren, vermögende Privatanleger oder Beteiligungsfonds) angewiesen. In diesem Fall ist die Projektfinanzierung – im Unterschied zu herkömmlichen Contracting- und Betreibermodellen – für viele öffentliche oder private Nutzer schon deshalb so attraktiv, weil Finanzinvestoren keine Betriebsführungsabsicht haben und auch keine langfristige unternehmerische Beteiligung anstreben, sondern lediglich attraktive Anlagemöglichkeiten für ihr Eigenkapital suchen. Der angestrebte unternehmerische Einfluß beschränkt sich also auf die Vermeidung eines Kapitalverlustes. Bei der Realisierung von Umweltschutzinvestitionen mit Hilfe der Projektfinanzierung läßt sich auch eine längerfristige Kapitalbindung außerhalb des eigentlichen Produktionsprozesses vermeiden. Im Gegensatz zu teilweise sehr kurzen Amortisationszeiten von Produktionsanlagen erfolgt z.B. im Bereich der Energieversorgung ein vollständiger Kapitalrücklauf u.U. erst nach 15 oder mehr Jahren.

    [Seite der Druckausg.: 20]

    Für eine Projektfinanzierung sprechen ferner ordnungspolitische Motive. Gerade in mittelständischen Unternehmen besteht die durchaus verständliche Sorge vor Know-how-Defiziten, die einer den Vorgaben und Anforderungen entsprechenden Bewältigung der Investition entgegenstehen, und die Sorge vor den technischen, finanziellen und zeitlichen Risiken des Projektes selbst. Da zudem diese Angst proportional mit der Höhe der nötigen Aufwendungen bzw. mit dem empfundenen technologischen bzw. organisatorischen "Innovationsgrad" des Vorhabens wächst, ist nachvollziehbar, daß durch Projektfinanzierung eine Beschleunigung ökologischer Modernisierung erreicht werden kann.

    Projektfinanzierungen kommen auch den in Industrie und Gewerbe zunehmend bedeutsamen Motiven des "Outsourcing" entgegen. Ziel des Outsojrcing ist es, durch Umstellung peripherer Unternehmensfunktionen auf externe Dienstleistungen ineffiziente Apparate und vor allem Personalkosten abzubauen. Projektfinanzierungen erlauben es, bei den Modalitäten der Personalübernahme, bei der Integration des Dienstleisters in betriebliche Entscheidungsprozesse und bei der Einbindung materieller und personeller betrieblicher Ressourcen in das umweltrelevante Projekt flexibel auf die Bedürfnisse des Unternehmens einzugehen.

    Operative Motive der Projektfinanzierung können schließlich im (schnelleren) Zugriff auf externes Know-how und externe operative Strukturen bzw. in der Flexibilität und Schnelligkeit der Projektrealisierung liegen. Voraussetzung für eine Projektfinanzierung im Bereich von Umweltschutzmaßnahmen ist dabei allerdings immer eine plausible Definition "des Projektes" als selbsttragendes betriebliches Element mit eindeutigen Schnittstellen zum Gesamtbetrieb – dies betrifft z.B. Eigentumsverhältnisse, Entscheidungsbefugnisse und Personal. In Abhängigkeit davon, welche Projektvoraussetzungen (know-how, Personal, Organisationsstrukturen) in dem am Projekt interessierten Unternehmen vorliegen, lassen sich zwei Finanzierungsmodelle unterscheiden:

    Das Modell "Projektgesellschaft" bietet sich vor allem dort an, wo wesentliche Voraussetzungen vom Projektinteressenten nicht bereitgestellt werden können. In diesem Modell wird das Investitionsvorhaben rechtlich komplett aus dem am Projekt interessierten Unternehmen ausgegliedert. Rechtsträger ist eine eigens zu gründende Projektgesellschaft. Sie beauftragt die Planer, erteilt die erforderlichen Aufträge und sorgt für die notwendigen Finanzmittel (Eigenkapital, günstige Kredite, staatliche Fördermittel usw.). Die Konzipierung der im Zuge der Umweltschutzinvestition zu errichtenden Anlage sowie die Beauftragung der ausführenden Unter-

    [Seite der Druckausg.: 21]

    nehmen erfolgen in engster Absprache mit dem Nutznießer des geplanten Projektes. Die Betriebsführung kann flexibel durch externes Personal oder durch Personal des "Mutterunternehmens" erfolgen. Sämtliche Konditionen, Anpassungsklauseln und Abstimmungsmechanismen im Verhältnis zum Mutterunternehmen werden vertraglich festgelegt.

    Im Modell der "atypisch stillen Gesellschaft" beteiligen sich die Fremdkapitalgeber direkt am Mutterunternehmen mit einer Vermögenseinlage, wobei die "stille" Beteiligung nach außen nicht in Erscheinung tritt. Dieses Modell bietet sich insbesondere dann an, wenn das eine Umweltschutzinvestition planende Unternehmen bereits über wesentliche organisatorische, betriebliche und personelle Ressourcen für die Verwirklichung des Projekts verfügt – z.B. über entsprechende Abteilungen mit geschultem Personal. Mit der stillen Gesellschaft entsteht im Mutterunternehmen eine Art umweltschutzmotiviertes Profit-Center mit der Besonderheit der Fremdfinanzierung. Wesentliche Bedingung für eine erfolgreiche Finanzierung ist hier, daß die stille Gesellschaftsbeteiligung für die Finanzinvestoren auch in steuerrechtlicher Sicht interessant ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Finanzinvestoren im Sinne von § 15 EStG als Mitunternehmer angesehen werden können (im steuerlichen Sinne also "atypisch" stille Gesellschafter), so daß sie die regelmäßig auftretenden Anfangsverluste oder Sonderabschreibungen mit anderen positiven Einkünften verrechnen können.

    Projektfinanzierungen sind – wie erwähnt – in den Bereichen Entsorgung/Recycling, Abwasserbehandlung und Altlastensanierung vorstellbar. Ein weiteres geeignetes Feld für projektfinanzierte Umweltschutzinvestitionen ist die ressourcenschonende Versorgung des Produktionsvorgangs mit Energie (z.B. Prozeßwärme bzw. -kälte, Heißwasser, Dampf, Strom oder Gas). Unternehmenseigene Heizkraftwerke oder Dampferzeuger sind angesichts der CO2-Problematik, aber auch mit Blick auf ihre Wirkungs- und Energienutzungsgrade oft nicht mehr zeitgemäß. Viele Unternehmen müssen ihre Energieversorgung modernisieren. Die Ausgliederung als eigenständiges Energiedienstleistungszentrum, sinnvollerweise in Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung ausgeführt, verbindet eine volle Versorgung mit einer Senkung des Primärenergieeinsatzes, mit einer deutlichen Erhöhung des Energienutzungsgrades (auf über 80%) und mit einer entsprechenden Senkung der Luftschadstoffe. Durch Kälteerzeugung in Absorptionsanlagen kann zugleich oft ein FCKW-Einsatz vermieden werden.

    [Seite der Druckausg.:22]

    Ein solches Projekt wird besonders interessant, wenn die Neuinvestition in ein örtlich/regionales Energiekonzept eingebunden werden kann. Die Mitversorgung von Wohngebieten, für die sich eine eigenständige Fernwärmeversorgung nicht realisieren läßt, kann z.B. neben einem Imagegewinn für das Unternehmen erhebliche Vorteile in Bezug auf die spezifischen Energiekosten mit sich bringen. Die Einbettung in kommunale Zusammenhänge ist hier allerdings für private Unternehmer mit Problemen der Einarbeitung in die ganz anderen Produktionsbedingungen der Versorgungsbranche verbunden. Für einen externen Projektträger ergibt sich demgegenüber neben den positiven Umwelteffekten auch ein betriebswirtschaftlicher Vorteil.

    Ein intelligentes Einzelbeispiel für umweltfreundliche und strukturangepaßte Ver- und Entsorgung in den neuen Bundesländern ist das Konzept der Schradenbiogas GmbH, weniger wegen der Technologie Biogas, als vielmehr wegen des dahinterstehenden Organisationskonzeptes. Verschiedene Landwirte der Region mit Aktivitäten in der Tier- bzw. Milchproduktion hatten Geruchs- bzw. Akzeptanzprobleme bei der Gülleentsorgung. Die Errichtung einer Biogasanlage scheiterte zunächst an Liquiditätsproblemen, da die landwirtschaftlichen Unternehmen erhebliche Altschulden hatten und zur gleichen Zeit dringend die eigentlichen Produktionsanlagen modernisieren mußten. So übernahm KOMMUNALFINANZ die Bauherrenfunktion bei Konzeption, Planung und Genehmigung. Bei der Ausschreibung und Vergabe wurde über einen EU-weiten, öffentlichen Teilnahmewettbewerb mit anschließend beschränkter Ausschreibung eine hohe Markttransparenz hergestellt. Über die Investitionsphase und den Aufbau der Betriebsorganisation hinaus unterstützt KOMMUNALFINANZ den Betreiber durch intensives technisches und kaufmännisches Controlling. Gleichzeitig sind die landwirtschaftlichen Unternehmen über die Konstruktion der Projektgesellschaft am Anlageerfolg beteiligt. Als Vorteile der Schradenbiogas GmbH sind u.a. zu nennen:

    • Durch Substitution fossiler Energieträger mindert die Biogasnutzung den Treibhauseffekt. Die Verbrennung des Gases zu CO2 und Wasser ist – wie bei allen nachwachsenden Rohstoffen – klimaneutral, die CO2-Bilanz ist ausgeglichen. Wärme und Dampf werden vor Ort genutzt, der Strom ins öffentliche Netz eingespeist.

    • Die Behandlung der organischen Reststoffe erfolgt in einem geschlossenen System. Eine unkontrollierte Freisetzung des Klimagases Methan in die Atmosphäre, wie sonst in der Gülleverwertung üblich, unterbleibt.

    [Seite der Druckausg.: 23]

    • Die organischen Reststoffe werden während des Prozesses hygienisiert und geruchlich neutralisiert. Gesundheitsrechtliche Anforderungen werden erfüllt.

    • Die entgaste Biomasse düngt wirksamer als Rohgülle. Damit läßt sich der Einsatz von Mineraldünger, der in energie- und kostenintensiven Prozessen gewonnen wird, reduzieren.

    • Durch Vergärung wird die Biomasse dünnflüssiger, mithin leichter auftragbar; geringere Sickerverluste senken die Nitratbelastung des Grundwassers.

    • Die moderne Anlage und ihre zukunftssicheren Entsorgungs- und Energiedienstleistungen stärken die Infrastruktur des Gebietes; letztlich entstehen neue Arbeitsplätze in einer ländlich strukturierten Region. Die beteiligten landwirtschaftlichen Betriebe haben nicht nur ihr Entsorgungsproblem selbst gelöst, sondern zugleich ein zweites wirtschaftliches Standbein geschaffen, das zur Existenzsicherung beiträgt.

    Biogas allein gewährleistet zwar noch keinen wirtschaftlichen Betrieb. Aufgrund der Auslegung der Anlage auch zur Vergärung von Biomasse konnten aber regionale Abfallverwertungskonzepte einbezogen werden, so daß sich das wirtschaftliche Ergebnis stabilisiert. Nicht umsonst sind neben den Unternehmen auch zwei Gemeinden der Region Mit-Gesellschafter der Biogasanlage Schraden geworden.

    Die Projektfinanzierung ist – zusammenfassend – als ein möglicher Lösungsansatz zur Finanzierung von Umweltschutzinvestitionen anzusehen. Die Idee ist zwar nicht neu, aber weiterentwicklungsfähig und auf verschiedene Felder anwendbar.

    Page Top

    4. Förderung des betrieblichen Umweltschutzes durch Verbände

    Da mit Umweltschutzinvestitionen bzw. mit einer ökologische Umorientierung für die Unternehmen nicht nur Kosten, sondern auch Chancen verbunden sind, beginnen zunehmend auch private Wirtschaftsverbände, ihren Mitgliedsunternehmen bei der ökologischen Umorientierung zu helfen. Verbände können zwar keine Umweltpolitik betreiben. Sie können allerdings die Umsetzung der staatlichen Umweltpolitik fördernd und beratend begleiten und die Unternehmen durch praktische Hilfestellung auf dem Gebiet des integrierten Umweltschutzes voranbringen.

    Die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (ASU) vertritt überwiegend mittelständliche Produktionsunternehmen. Sie betreibt primär wirtschaftspolitische Interessenvertretung und tritt z.B. für Subventionsabbau und Deregulierung ein. Da

    [Seite der Druckausg.: 24]

    aber mittelständische Unternehmer und besonders Familienunternehmer – sensibel gegenüber Chancen und Risiken der Zukunft, um ein Überleben des Betriebes längerfristig zu sichern – umweltfreundliches Handeln bereits früh zur Maxime ihrer Unternehmenspolitik gemacht haben, hat sich die ASU auch der Themen Umweltpolitik und Umweltmanagement angenommen.

    Seit 1988 vergibt die ASU in unregelmäßigen Abständen einen Preis für umweltorientierte Unternehmensführung. Es winken zwar lediglich Urkunden und keine Geldpreise. Die Auszeichnung ist allerdings für die Empfänger mit einer positiven Publicity verbunden. Im Mittelpunkt steht nicht die Honorierung einer ökologisch relevanten Einzelleistung (z.B. eine spezielle Produktentwicklung), sondern der Nachweis, daß ein ganzheitliches umweltorientiertes; Unternehmenskonzept praktiziert wird. Integrierter Umweltschutz wird also weniger im technischen als vielmehr (weitergehend) im betriebs- bzw. standortbezogenen Sinne verstanden und angestrebt. In einer Erklärung müssen die Bewerber ferner bestätigen, daß kein Umweltstrafverfahren gegen sie anhängig ist, und sich im Fall der Preisverleihung verpflichten, die Urkunde bekanntzumachen und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit auch Dritten Auskunft über ihre Umweltstrategie zu geben.

    Die Auswertung der betrieblichen Bewerbungsunterlagen für den Umweltpreis erfolgt nach einem detaillierten Punkteschema. 1994 wurden Bewerber mit mindestens 2/3 der maximal möglichen Punktzahl mit einer "Anerkennung für umweltbewußte Unternehmensführung" gewürdigt. Unternehmen, die mindestens 80% aller möglichen Punkte erreichten, bekamen eine entsprechende Auszeichnung. Von 80 Bewerbern erhielten 23 Unternehmen eine Auszeichnungs- und 20 Unternehmen eine Anerkennungsurkunde.

    Im Rahmen der Ausschreibung des Umweltpreises 1994 wurde zugleich eine Prüfliste zur im April 1995 wirksam gewordenen EG-Öko-Audit-Verordnung entwickelt, die die Anforderungen dieser Verordnung in einem Fragebogen abbildet. Dabei geht es der ASU nicht primär um eine Beteiligung am Öko-Audit-Verfahren (die meisten Mitgliedsunternehmen sind dafür auch zu klein), sondern um die Förderung von praktikablen Umweltmanagementkonzepten. Die Liste enthält insgesamt 50 Fragen, unter anderem

    • zur Umweltpolitik als Teil der Unternehmespolitik,

    • zu den Umweltzielen,

    • zum Umweltprogramm und

    • zum Umweltmanagementsystem.

    [Seite der Druckausg.: 25]

    Bei den Fragen zum Umweltmanagementsystem wurden insbesondere Angaben zu Organisation, Kommunikation, Umweltschutz in Aus- und Weiterbildung, Steuerung und Kontrolle, Risikomanagement, Beschaffung, Logistik, Produktion und Betriebsabläufen, Produktmanagement und natürlich zum Abfallmanagement erwartet.

    Die Prüfliste war nicht nur im Rahmen der Bewerbung um den Umweltpreis von Bedeutung, sondern wurde allen Mitgliedsunternehmen unaufgefordert zugeschickt. Sie soll zur internen Standortbestimmung bezüglich der umweltbewußten Unternehmensführung beitragen, in dem sie als Checkliste eventuell vorhandene Defizite im Umweltmanagement aufdeckt. Zugleich werden die Kriterien der neuen Öko-Audit-Verordnung bei den kleinen und mittleren Unternehmen bekanntgemacht.

    Die Resonanz auf die Prüfliste war gut. Die Qualität der im Rahmen des ASU-Umweltpreises eingereichten Unterlagen stieg an. Viele Unternehmen haben die Liste überdies für eine interne Überprüfung genutzt.

    Die Bewerbungsunterlagen für den Umweltpreis wurden so ausgewertet, daß jeder Unternehmer sein Umweltmanagementsystem besser einordnen kann. Alle Bewerber erhielten eine graphische Auswertung ihrer Umweltdaten, aus der sie ablesen können, wie sie im Vergleich zu den Anforderungen der Prüfliste (bzw. der EG-Öko-Audit-Verordnung) und im Vergleich zum Durchschnitt aller Teilnehmer abgeschnitten haben.

    Positive Rückmeldungen von Unternehmen (auch von solchen, die nicht am Wettbewerb teilgenommen haben) zeigen, daß diese Auswertung sehr konstruktive Anstöße für das betriebliche Umweltmanagement liefern kann. Inzwischen bietet die ASU diese Auswertung in Form des "ASU-Öko-Benchmarking" allen interessierten Unternehmen an. Diese erhalten zu ihren Angaben neben der erwähnten Graphik jeweils auch einen ausführlichen Analysebericht.

    Die Auswertung aller Bewerbungsunterlagen lieferte der ASU eine interessante Datenbasis. Die Analyse dieser Unterlagen gibt Hinweise auf vorhandene Defizite und auf den künftigen Beratungsbedarf. Insbesondere erweisen sich folgende Bereiche des Umweltmanagements als noch unterentwickelt:

    • Umweltziele: Lücken gibt es vor allem bei der Formulierung von zeitlichen und quantitativen Zielvorgaben. Diese sind aber erforderlich, um regelmäßig einen vernünftigen Soll/lst-Vergleich durchführen zu können.

    [Seite der Druckausg.: 26]

    • Umweltprogramm: Oft findet keine fundierte Maßnahmenplanung zur Verwirklichung der Umweltziele statt. Vielmehr dominieren "Ad-hoc"-Maßnahmen.

    • Kommunikation: Viele Unternehmen scheuen – trotz gutem Umweltmanagement – den Kontakt mit der Öffentlichkeit, d.h. mit der Bevölkerung, mit Umweltgruppen und mit Behörden. Dadurch wird ein wichtiges PR-lnstrument nicht genutzt. Nach dem Motto "tue Gutes und rede darüber" sollten die Unternehmen offensiv an die Öffentlichkeit gehen, z.B. durch Umweltberichte, Betriebsbesichtigungen oder Tage der offenen Tür. So könnte das Unternehmensimage wie auch die Position beim Personalmarketing und bei Genehmigungsverfahren verbessert werden.

    • Steuerung und Kontrolle: In vielen Unternehmen gibt es Defizite bei der Steuerung und Kontrolle der umweltpolitischen Umsetzungsprozesse. Entsprechende Prüfungen erfolgen oft nicht systematisch, sondern spontan. Auch bei der ökologischen Bewertung von bezogenen Vorleistungen und Rohstoffen sind Lücken zu bemängeln.

    • Risikomanagement: Fast überall waren die gesetzlich vorgeschriebenen Störfallpläne vorhanden. Einige Unternehmen organisieren jedoch die Risikovorsorge noch nicht als Querschnittsaufgabe.

    • Produktmanagement: Während fast überall der Einsatz umweltgerechter Verpackungen gefördert wird, sind ökologische Betrachtungen des gesamten Produktlebenszyklus noch kaum verbreitet. Nur wenige Unternehmen interessieren sich dafür, was mit ihren Produkten geschieht, wenn diese ausgedient haben.

    Die Unternehmen verschiedener Branchen unterscheiden sich – den Daten der ASU zufolge – beim Umweltmanagement nur wenig. Allenfalls der Handel hat in Bezug auf die Einzelbereiche Kommunikation, Bildung und Produktpolitik gegenüber dem Dienstleistungsbereich und dem Verarbeitenden Gewerbe einen leichten Vorsprung. Das mag mit der "Kundennähe" des Handels und der hohen Umweltsensibilität des privaten Verbrauchers zusammenhängen.

    Eindeutigere Ergebnisse liefert die Analyse der Daten nach der Unternehmensgröße. Je größer das Unternehmen, desto besser ist offensichtlich das Umweltmanagement. Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten zeigen demge-

    [Seite der Druckausg.: 27]

    genüber deutliche Schwächen beim Erfüllen der Vorgaben der EG-Öko-Audit-Verordnung, und zwar in allen überprüften Einzelbereichen des Umweltmanagements.

    Mit einer Stichprobe von 80 Unternehmen sind die Daten aus dem ASU-Umweltwettbewerb natürlich nicht repräsentativ. Eine in Zusammenarbeit mit dem Förderkreis Umwelt future/Osnabrück 1994 durchgeführte Untersuchung kommt aber zu ähnlichen Ergebnissen: Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten streben eher eine Zertifizierung nach der EG-Öko-Audit-Verordnung an; sie geben in diesem Zusammenhang zugleich einen geringeren Bedarf an weiterer fachlicher Information an. Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern haben demgegenüber in größerer Zahl Vorbehalte gegen eine Zertifizierung und zugleich einen ausgeprägteren Informationsbedarf. Vielen kleineren Unternehmen ist der Nutzen der Verordnung noch nicht ersichtlich. Zusammen mit der Unkenntnis über den Inhalt der Verordnung, mit dem allgemeinen Widerstand gegen Bürokratie und vor allem mit der erwarteten Kostenbelastung bei einer Teilnahme am Öko-Audit führt dies zu einer Zurückhaltung kleiner und mittlerer Unternehmen gegenüber dem neuen EG-Regelwerk.

    Zu den Problemen kleiner und mittlerer Unternehmen mit der EG-Öko-Audit-Verordnung lassen sich folgende Thesen aufstellen:

    • Die Vorschriften der Verordnung verlangen von den Unternehmen einen hohen organisatorischen Aufwand (z.B. schriftlich fixierte Umweltziele und -Programme), der oft nur in Großunternehmen möglich ist. In kleinen Unternehmen wird vieles ad hoc erledigt; eine starre Organisation besteht nicht. Großunternehmen haben es deshalb leichter, die Anforderungen der Verordnung hinsichtlich Dienstanweisungen und Vorschriften zu erfüllen.

    • Große Unternehmen haben meistens Rechtsabteilungen und Experten, die sich ausschließlich mit der Gesetzgebung oder mit gesetzlichen Anforderungen bei Genehmigungsverfahren beschäftigen. Diese Abteilungen können Verordnungen und andere Umweltschutzgesetze ohne (wesentliche) Zusatzkosten bearbeiten. Kleine Unternehmen haben solche Möglichkeiten i.d.R. nicht. Know-how muß hier zugekauft werden und verursacht so zusätzliche Kosten.

    [Seite der Druckausg.: 28]

    Die ASU gibt vor diesem Hintergrund keine generelle Empfehlung zur Teilnahme am Öko-Audit. Sie hat ihre Mitglieder frühzeitig über die Verordnung informiert. Aus Sicht der ASU ist ein wirksam betriebenes Umweltmanagement wichtiger als eine Urkunde. Dort, wo der Markt ein Zertifikat fordert, ist jedoch den Kundenwünschen durch eine Teilnahme am Öko-Audit zu entsprechen. Je früher allerdings die kleineren und mittleren Unternehmen ein effizientes Umweltmanagement betreiben, desto leichter wird eine Zertifizierung nach der Verordnung sein. Die ASU bemüht sich daher bei ihren Mitgliedsunternehmen seit langem konsequent um den Abbau von Informationsdefiziten in bezug auf Umweltmanagementsysteme.


    © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2002

Previous Page TOC Next Page