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V. Bestandsaufnahme und Folgerungen



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[Seite der Druckausgabe: 13]

1. Hotel- und Gastgewerbe

In der Küstenregion Mecklenburg-Vorpommerns fällt die deutliche Konzentration von Touristen in relativ wenigen großen Fremdenverkehrsorten auf. Allein in den 7 bedeutendsten (von insgesamt 255 Gemeinden) Binz, Kühlungsborn, Warnemünde, Graal-Müritz, Prerow, Zinnowitz und Ückeritz wurden 1988 fast 28 % aller Urlauber registriert.

Insgesamt kamen ca. 65 % der Ostsee-Urlauber auf staatlichen Zeltplätzen, in FDGB-Heimen und in betrieblichen Erholungeinrichtungen unter. Die Qualität dieser Einrichtungen (nur 1/3 aller FEDI-Unterkünfte bieten Zimmer mit Bad/Dusche und WC) wurde nach der Wende nur noch sehr eingeschränkt akzeptiert. Von den Besuchern, die 1990/91 Mecklenburg-Vorpommern bereisten, wohnten 53 % bei Verwandten und Bekannten, 12 % in Gasthäusern, 8 % in Privatquartieren , 6 % in Fereinwohnungen und nur 2 % in Hotels. Offenkundig sind die insgesamt 5.500 Hotelbetten nicht ausreichend.

Für die gastronomische Betreuung von Gästen und Einheimischen stehen in Mecklenburg-Vorpommern rd. 336 000 Plätze zur Verfügung, von denen jedoch nur ca. 50 % ständig genutzt werden. Der Ausbau des Tourismus bietet hier der Entwicklung des mittelständischen, privaten Hotel- und Gastgewerbes gute Chancen.

In den Ferienorten wird der Schwerpunkt auf der Qualitätsverbesserung, in den Städten auch auf einer quantitativen Ausweitung liegen müssen. Eine Erweiterung des Gaststättennetzes ist unumgänglich.

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2. Verkehr

Die Entwicklung von Tourismusorten in Mecklenburg-Vorpommern muß bei der Verkehrsplanung besonders berücksichtigt werden. Die Wechselwirkung von Verkehr und Tourismus heißt: "Ohne Verkehr kommt keiner, bei zuviel Verkehr kommt keiner wieder."

[Seite der Druckausgabe: 14]

Derzeit räumt das Bonner Verkehrsministerium dem Straßenverkehr mit dem Versuch, den Engpässen durch eine Erweiterung des Straßennetzes zu begegnen, Priorität ein. Sinnvoller wäre es, den Versuch zu unternehmen, durch einen schnellen Ausbau der Schienen- und Wasserwege den Wettlauf gegen das Auto anzutreten.

Die überregionalen Eisenbahn- und Straßenverbindungen laufen z. Zt. in Nord-Süd-Richtung. Das Eisenbahn-Streckennetz in Mecklenburg-Vorpommern hat eine Länge von ca. 2400 km, von denen 1100 km als Haupt- und 1300 km als Nebenstrecken klassifiziert sind. Etwa 500 km sind zweigleisig geführt, besonders die Ost-West-Verbindungen verlaufen überwiegend eingleisig.

Das Straßennetz weist ein Länge von 20664 km auf und umfaßt 2385 Brücken. 11 % der Gesamtstraßen sind Fernstraßen, 1,5 % Autobahnen.

Das Straßennetz innerhalb Mecklenburg-Vorpommerns kann gemessen an der Siedlungsstruktur und der Einwohnerdichte als quantitativ ausreichend gelten, weist jedoch ebenso wie das Eisenbahnnetz erhebliche Mängel auf.

Der großteils schlechte Streckenzustand der Bahn, die dadurch verursachten Geschwindigkeitsbegrenzungen und die hohe Belastung durch die Verkehrsdichte lassen derzeit zügiges und attraktives Reisen mit der Eisenbahn nicht zu. Als Beispiele für Mängel des Straßenverkehrs wären zu nennen: die unzureichende Straßenbreite selbst bei Fernstraßen, häufige Ortsdurchfahrten und Bahnübergänge sowie der teilweise schlechte Zustand der Straßendecke.

Obwohl das Auto noch eine herausragende Rolle spielt, wird der Bahn als Verkehrsträger für den Urlaub eine gewisse Chance eingeräumt, wenn die Qualität des öffentlichen Verkehrsnetzes deutlich verbessert wird. Nötig wären hierzu die Modernisierung und Beschleunigung der Bahn mit verbessertem Service, die Anpassung von Abfahrts- und Ankunftszeiten der lokalen Linien untereinander und an die Bundesbahn, die Schaffung von Querverbindungen von Nordost nach Südwest und Nordwest nach Südost sowie günstigere Verbindungen zwischen den zentralen Orten und überregionalen Reisezielen. Ferner muß dem Touristen am Ort durch attraktive Verkehrsangebote der Verzicht auf das eigene Auto schmackhaft gemacht werden.

Einschneidende Maßnahmen zur Erweiterung des Verkehrsnetzes müssen vermieden werden, solange es weder eine aussagekräftige Verkehrsstatistik noch eine Prognose und umfassende Planung für die Entwicklung des Raumes gibt.

[Seite der Druckausgabe: 15]

Touristiker in Mecklenburg-Vorpommern werden vor allem eine Verbesserung der Verbindungen des traditionellen Quellgebietes ihrer Urlauber, des Großraumes Berlin, mit der Küste fordern, wobei durch einen schnellen Ausbau der Schienenwege und attraktiver Nahverkehrssysteme u. U. der Wettlauf mit dem Auto gewonnen werden kann.

Die tourismusrelevanten Erfordernisse Mecklenburg-Vorpommerns müssen über den Verkehrsausschuß des Bundestages, der u.a. über die Bundeswegeplanung berät, Eingang in die Verkehrsplanung der Bundesregierung finden.

Unverzichtbar ist hierbei die Bürgerbeteiligung bei der Planung und Ausführung von Verkehrsvorhaben. Erfahrungen zeigen, daß lange Beratungs- und Entscheidungsphasen nicht bei den Bürgerinitiativen sondern bei den städtischen und kommunalen Planungsbehörden angesiedelt sind; Bürgerbeteiligung muß daher nicht unter dem Vorwand unangemessen langer Beratungszeiträume ausgesetzt werden.

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3. Technische Infrastruktur

Die Unterbringung von zahlreichen Gästen zu Saison-Spitzenzeiten verlangt von den Tourismusgemeinden, daß sowohl die Versorgung mit Wasser und Energie als auch die Entsorgung von Abwasser und Müll auf diese Spitzenbelastung eingerichtet sind. Bei der in allen fünf neuen Bundesländern nötigen Umstellung der Energieversorgung auf größere Wirtschaftlichkeit und bessere Umweltverträglichkeit müssen die Planungen für touristische Entwicklungen mit einbezogen werden.

Die bessere Handhabung des Wasserproblems ist für die sensible Meeresküste und die Binnengewässer zwingend. Im Vergleich zu den benachbarten alten Bundesländern und entsprechend den Richtlinien der Helsinki-Konvention kann zwar die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung insgesamt als ausreichend bezeichnet werden, der Anschluß von Haushalten und Industriebetrieben an die Kanalisation und an Klärwerke befriedigt jedoch nicht.

Wie wenig die ökologische Empfindlichkeit der Ostseeküste im politischen Bewußtsein verankert ist und bei den öffentlichen Maßnahmen berücksichtigt wird, zeigt die Weisung des Bundesverkehrsministeriums, den Ölentsorger "Salamander" ersatzlos aus dem Verkehr zu ziehen. Statt in Saßnitz - wie geplant - einen zusätzlichen Standort für ein solches Schiff, das im Falle eines Ölunfalls auslaufendes Öl aufsaugen kann, einzurichten, entfiele damit auch der Standort Rostock, wenn

[Seite der Druckausgabe: 16]

diese Entscheidung nicht rückgängig gemacht würde. Ein Küstenstreifen von 340 km Länge wäre dann unversorgt, die internationale Vereinbarung, daß spätestens sechs Stunden nach einer Havarie ein Entsorgungsschiff am Unfallort sein muß, nicht einzuhalten. Für eine Ersparnis von ca. 90.000,— DM pro Jahr ließe man eine akute Gefährdung besonders der Inseln Usedom und Rügen zu.

Auch das mit der Einführung der Marktwirtschaft verschärfte Problem der Abfallbeseitigung muß bei touristischen Planungen einbezogen werden. Bei den Anbietern ist auf Müllvermeidung zu dringen und die Kommunen müssen eine umweltverträgliche Entsorgung garantieren.

4. Soziale und kulturelle Infrastruktur

Nicht nur die Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung, sondern auch die Attraktivität als Erholungsraum wird vom Standard der medizinischen Versorgung und von kulturellen und sportlichen Möglichkeiten wie Besuch von Museen, Kultur- und Clubhäusern, Sportanlagen etc. erhöht.

Die Kürzung der öffentlichen Mittel und die Kommerzialisierung derartiger Einrichtungen führen derzeit zu einer Einschränkung des vorhandenen Angebotes. Für Ferienorte sind diese Einrichtungen besonders wichtig, gewährleisten sie doch eine gewisse Witterungsunabhängigkeit bei touristischen Aktivitäten. Museen und Gedenkstätten, Theater, große Freilichtbühnen, Zoologische Gärten, Filmtheater, Bibliotheken, Musikschulen und Heimatstuben werden sinnvollerweise der Landesregierung unterstellt, da die Kommunen angesichts der knappen Haushaltslage kaum in der Lage sein werden, die Einrichtungen zu erhalten. Nur in Ausnahmefällen ist an eine kommunale Unterstellung zu denken oder gar an die Überführung in privates Eigentum (wie z.B. Jugendorganisationen und dergleichen).

Die Ausstattung mit Museen und Gedenkstätten entlang der Küste ist bemerkenswert gut. Großer Bedarf besteht bei Sporteinrichtungen, die für den Tourismus relevant sind, wie z.B. Hallenschwimmbäder (in den Bezirken Rostock, Schwerin und Neubrandenburg gab es insgesamt nur ca. 30 Hallenbäder) und Tennisplätze (hier ist mit ca. 100 Plätzen in den Küstenorten eine gewissen Grundausstattung erreicht, im Binnenland fehlen sie weitgehend). Beachtliche Teile der sozialen und kulturellen Infrastruktur sind in den Jahren vor 1989 in ihrer vor allem auch technischen und baulichen Ausstattung vernachlässigt worden, z.T. wurden sie aber auch nur sehr einseitig genutzt (Leistungssport).

[Seite der Druckausgabe: 17]

Der gesamte Sozial-, Kultur- und Freizeitsektor hat generell einen hohen Rekonstruktions- und Modernisierungsbedarf. Hier wird es nur in begrenztem Umfang wegen der hohen Kosten zu privaten Investitionstätigkeiten kommen. Der beschleunigte Ausbau und die Sanierung werden weitgehend Aufgabe der öffentlichen Hand sein.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999

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