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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: 40(Fortsetzung)]
In den fünf neuen Bundesländern besteht drängender Nachholbedarf im gesamten Bereich der Telekommunikation. Veraltete Leitungen, kaum noch funktionstüchtige Vermittlungstechnik und eine daraus resultierende Unterversorgung von Wirtschaft und privaten Haushalten erschweren den Übergang von der Kommandowirtschaft zur Marktwirtschaft. Mit dem Programm "Telekom 2000" zielt die Bundesregierung darauf ab, im Beitrittsgebiet bis zum Jahre 1997 eine dem aktuellen Stand des westdeutschen Telekommunikationssystems entsprechende Infrastruktur mit einem öffentlichen Mittelaufwand in Höhe von insgesamt 55 Milliarden DM zu erstellen. Davon sind 35 Milliarden DM für telekommunikationstechnische Ausrüstungsgüter veranschlagt; 20 Milliarden DM des Gesamtinvestitionsvolumens werden für Montage, Hoch- und Tiefbaumaßnahmen angesetzt und sollen die Gründung mittelständischer Existenzen beflügeln. Die technischen Zielsetzungen orientieren sich am derzeitigen Stand des Telekommunikationssystems der alten Bundesrepublik, der ordnungspolitische Rahmen des Netzaufbaus und Netzbetriebes sowie die Organisationsstruktur der Leistungserstellung und Leistungsabgabe sind mit Übertragung des westdeutschen "Vorbildes" weitgehend vorgegeben. An der Notwendigkeit zur Erweiterung und Modernisierung der Telekommunikationsinfrastruktur in den neuen Bundesländern wird von keiner Seite gezweifelt. Allerdings gehen die Ansichten hinsichtlich Ordnungs- und Organisationsrahmen, Zielsetzungen, Maßnahmen, Schwerpunkte, Fristigkeiten und soziale Risiken teilweise beträchtlich auseinander. [Seite der Druckausg.: 41] Unternehmensnahen Kreise geht der ordnungs- und organisationspolitische Teil des Modernisierungskonzepts nicht weit genug im Hinblick auf die Freisetzung der Marktkräfte. Telekommunikationsexperten der SPD und der Gewerkschaften fürchten, daß die Privatisierung von "Filetstücken", also gewinnbringenden Teilen der Deutschen Bundespost Telekom, noch weiter vorangetrieben werden könnte als in den alten Bundesländern. Vertreter der privaten Wirtschaft, der Deutschen Bundespost Telekom, der Deutschen Post Telekom, der SPD und der Gewerkschaften stimmen in der Einschätzung überein, daß der derzeitige desolate Zustand des Telekommunikationssystems prinzipiell auch die Chance birgt, innerhalb kurzer Zeit über ein selbst im internationalen Vergleich technisch vorbildliches Netz zu verfügen. Dazu bedürfte es nach sozialdemokratischer Ansicht jedoch einer Abkehr von der im Programm "Telekom 2000" angelegten Gründlichkeit zugunsten von Schnelligkeit und eines Verzichts auf Vollständigkeit zugunsten von Zwischen- und Übergangslösungen. Aus gewerkschaftlicher Sicht kommen in den Planungen und Programmen der oberen Telekommunikations-Behörden und erst recht der Führungskräfte der privaten Wirtschaft die Belange der Beschäftigten entschieden zu kurz. Die zentralen Forderungen der DPG in Ost und West lauten daher, die Eigenwirtschaft der Post zu sichern, das staatliche Netz- und Telefondienstmonopol uneingeschränkt zu gewährleisten, den Beförderungsvorbehalt vor unfairem Wettbewerbsbedingungen zu schützen, den gesamtwirtschaftlichen Auftrag der Post zu sichern sowie eine Bildungsschleife zur breiten Qualifizierung einzuziehen. Die Dienstleistungen der Deutschen Bundespost sind nach wiederum übereinstimmender Auffassung der verschiedenen Interessengruppen künftig allen Bürgern auch im ländlichen Raum zu gleichen und erschwinglichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Dieser Auftrag darf allerdings, geben SPD-Politiker und Gewerkschafter zu bedenken, nicht einem ausschließlich betriebswirtschaftlichen Rentabilitätsdenken zum Opfer fallen, sondern hat dem Gemeinwohl zu dienen. Die zur Zeit vorherrschende katastrophale Versorgungssituation erfordert zur raschen Bedarfsdeckung außergewöhnliche Maßnahmen. So sieht die Industrie es als begrüßenswerten Schritt an, daß aufgrund der unzureichenden Telefon-Versorgung eine befristete Zulassung privater Satellitenbetreiber zum Telefonverkehr zugelassen wird. Hier befürchten Gewerkschaftsvertreter jedoch bereits einen ordnungspolitischen Sündenfall, der nur schwer wieder rückgängig zu machen ist. [Seite der Druckausg.: 42]
Referenten
Dipl.-Ing. Bernd Clausen
Dr. Wilfried Günther
Ralf Johanning
Dr. Hans Kübler
Dr. Ulrich Lange
Jürgen Liepe
Dr. Jürgen Müller
Peter Paterna, MdB
Peter Praikow
Dipl. Ing. Bernd Scholz
Dr. Heinz Uhlig
Dr. Andreas Waldraff
[Seite der Druckausg.: 43] © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2001 |