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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausgabe: 40] 4. Fazit und Ausblick - Entwicklungschancen der Städte und Gemeinden in der ehemaligen DDR Das gesamte staatliche und wirtschaftliche Gefüge der DDR hat im Zuge des deutschen Vereinigungsprozesses tiefgreifende Änderungen erfahren. Viele Reformmaßnahmen sind begonnen und weitere stehen unmittelbar bevor, um den Übergang von der bisherigen Zentralverwaltungswirtschaft zu einem marktwirtschaftlichen System zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang kommen auf die Städte, Gemeinden und Kreise der bisherigen DDR umfangreiche Aufgaben zu, die hohe Anforderungen an die lokalen Entscheidungsträger stellen. Im Rahmen des Vereinigungsprozesses besitzen die Kommunen also eine sehr wichtige Funktion. Diese bedeutende rolle werden die Gemeinden aber nicht nur kurz- und mittelfristig in Zusammenhang mit der augenblicklichen Aufgabenbewältigung innehaben, sondern auch langfristig bei der Ausgestaltung und Sicherung des föderativen Staatsaufbaus. Daher ist die Verfügbarkeit ausreichender Finanzierungsmittel für die dauerhafte Aufgabenerfüllung Grundvoraussetzung. Dieser Weg ist ohne eigene autonome Steuerquellen nicht gangbar. Zunächst wird jedoch infolge der akuten Problemsituation die Realisierung einer funktions- und handlungsfähigen unteren gebietskörperschaftlichen Ebene ohne massive Unterstützungen kaum möglich sein. Die unzureichende finanzielle Basis der Kommunen erfordert infolge zu geringer eigener Steuerkraft den Einsatz massiver Finanzhilfen des Bundes und der Länder. Desweiteren müssen so schnell wie möglich die rechtlichen Voraussetzungen für eine Kreditaufnahme der Kommunen geschaffen werden, damit diese wichtige Finanzierungsmöglichkeit beispielsweise für Infrastrukturinvestitionen zur Verfügung steht. Diesem Aufbau einer angemessenen kommunalen Infrastruktur kommt für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in der ehemaligen DDR große Bedeutung zu, denn nur so können Investitionsanreize für ansiedlungswillige Unternehmen und damit für die Stärkung der Wirtschaftsaktivitäten vor Ort gegeben werden. Letztlich determiniert das Ausmaß ökonomischer Aktivitäten in einer Kommune die eigene Einnahmeerzielungskapazität, sofern die Unternehmensbesteuerung im kommunalen Bereich ein wesentlicher Faktor des Steueraufkommens bleibt. Ein weiterer wichtiger Aspekt im Rahmen der Finanzierung der Aufbauleistungen in den Städten und Gemeinden der bisherigen DDR ist die rasche Vereinfachung der Vergabeverfahrens von Fördermitteln. In diesem Zusammenhang spielt die flexible [Seite der Druckausgabe: 41] Handhabung zur Verfügung stehender Mittel eine bedeutende Rolle, um nicht nach formalen sondern nach Dringlichkeitsgesichtspunkten schnelle Hilfen zu gewähren. Für die umfangreichen Aufgaben in den Kommunen der fünf neuen Bundesländer wird vor allem qualifiziertes Personal benötigt. Das gilt in erste Linie für den Rechtsbereich und die Wirtschaftsförderung. Ohne beratende westdeutsche Hilfe vor Ort halten die meisten Entscheidungsverantwortlichen der Kommunen die dringend erforderliche Neustrukturierung des immer noch durch zentralistische Strukturen gekennzeichneten Verwaltungsapparates nicht für möglich. Ein flächendeckendes Beratungsnetz für alle Kommunen der ehemaligen DDR kann hier die erforderliche Hilfestellung ermöglichen. Der Deutsche Städtetag schlägt in diesem Zusammenhang Beratungsstellen, die mit Mitarbeitern westdeutscher Kommunen besetzt sind, in größeren Städten und den Kreisverwaltungen vor. Für Sachsen, Brandenburg und für Teile von Mecklenburg/Vorpommern haben die "Partnerländer" Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zusammen mit den Städten und Kreisen entsprechende Programme bereits entwickelt bzw. begonnen. Ein solches Beratungsnetz soll darüber hinaus durch das Projekt "Hilfe zum Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung in der DDR" ergänzt werden. Das Vorhaben, das vom Deutschen Städtetag mit anderen kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene entwickelt wurde, sieht Beraterschulungen sowie das Erstellen von Leitfäden und Arbeitshilfen für Verwaltungsbedienstete vor. Eine sehr wichtige Rolle im Rahmen der angesprochenen Beratungsdienstleistungen spielen auch die Städtepartnerschaften. Auf diesem Gebiet sind durch den weiteren Ausbau und die Intensivierung der Kontakte entscheidende Hilfen beim Umstrukturierungsprozeß zu erwarten. Um das große Informationsbedürfnis der lokalen Entscheidungsträger und die speziell in Zusammenhang mit den jetzt anstehenden Aufgaben (beispielsweise bei der Haushaltsplanung für das nächste Jahr) vorhandene Unsicherheit abzubauen, sollten verfügbare Informationshilfen möglichst umfassend ausgeschöpft werden. Für die Vermittlung notwendiger Informationen sind die Veröffentlichungen der kommunalen Spitzenverbände (als Beispiele seien der Deutscher Städtetag, der Gemeindebund sowie der Rat der Gemeinden Europas genannt) sehr hilfreich. Die Inanspruchnahme privater Beratungsgesellschaften - wie beispielsweise die Wirtschafts- [Seite der Druckausgabe: 42] beratungsgesellschaft für kommunale Belange (Wibera) in Düsseldorf - kann die eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten der Kommunen (speziell in Fragen der Versorgungsbetriebe) begleiten und unterstützen. Auf diesem Gebiet wird mit der Übernahme des Kommunalrechts der Bundesrepublik die "Versorgung mit Energie und Wasser" zu einer Aufgabe der Städte und Gemeinden. So können kommunal getragene Versorgungsunternehmen dauerhaft eine rentable Energie- und Wasserversorgung garantieren, wenn die jetzigen Probleme der Eigentumsübereignung sowie der Kapitalbeschaffung im Zusammenhang mit der Neustrukturierung durch finanzielle und technisch-wirtschaftliche Hilfen überwunden werden. Viele Stadtwerke aus der Bundesrepublik haben sich zur Bereitstellung solcher Hilfen bereits entschieden. Im Bereich der Wirtschaftsförderung spielt qualifiziertes Personal in Zusammenhang mit den notwendigen Beratungsleistungen für ansiedlungswillige Unternehmen eine große Rolle. Zur Unterstützung sollten die Städte und Gemeinden der ehemaligen DDR beispielsweise in Verbindung mit der Auswahl von Förderprogrammen auf Datenbankangebote zurückgreifen, wie sie z.B. die Westdeutsche Landesbank bietet. Auch über die kommunal einzurichtenden Sparkassen ließe sich ein solcher Service etablieren. Das vielgestaltige Aufgabenspektrum der Kommunen im Wirtschaftsprozeß und ihre Bedeutung als basisdemokratische Ebene stellen zwangsläufig vielfältige - scheinbar übermächtige - Anforderungen an die neuen Entscheidungsträger. Gleichwohl ist aber mit fortschreitender Entwicklung und zunehmender Klärung der rechtlichen Basis durchaus die Chance gegeben, daß die kommunale Selbstverwaltung zu einem besonderen Motor der ökonomischen und politischen Reorganisation der neuen Bundesländer wird. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2000 |