bar LONDON OFFICE
logo Publikationen



DIE "STRATEGISCHE PARTNERSCHAFT" ZWISCHEN GROSSBRITANNIEN UND DEUTSCHLAND


Rede des britischen Europaministers Peter Hain MP anlässlich der Veröffentlichung
und Zusammenfassung und Auszüge aus der Publikation

GERMANY AND BRITAIN - AN ALLIANCE OF NECESSITY
von Heather Grabbe und Wolfgang Münchau

gemeinsam herausgegeben vom Centre for European Reform und der Friedrich-Ebert-Stiftung London

Februar 2002

Working Papers 1(d)/2002


REDE DES BRITISCHEN EUROPAMINISTERS PETER HAIN MP
anlässlich der gemeinsamen Veröffentlichung des
Centre for European Reform und der Friedrich-Ebert-Stiftung London


Mittwoch, 13. Februar 2002, London


Als Europaminister sehe ich angesichts der engen Verbundenheit Premierminister Blairs und des Bundeskanzlers Schröder eine starke Allianz zwischen Großbritannien und Deutschland - stärker als sie in den letzten Jahren war. In Europa teilen wir gemeinsame Ziele: die Erweiterung, Sicherheit, die wirtschaftliche Reform und zudem wollen beide Länder eine erweiterte EU, die die historischen Grenzen in Europa aufhebt.

Wirtschaftliche Reform

Sowohl Großbritannien als auch Deutschland können aus einer weiteren Reform Vorteile ziehen. Der europäische Binnenmarkt funktioniert nicht in allen Bereichen, die EU Gesetzgebung stellt den Unternehmen manchmal unakzeptable Hürden in den Weg, die Arbeitsmärkte sind nicht flexibel genug und zu viel staatliche Subventionen behindern den Wettbewerb. Deshalb ist es entscheidend, dass das Ziel, mit Europa die dynamischste und wettbewerbsfähigste Wirtschaftsregion werden zu wollen - wie wir es uns zum Europäischen Rat in Lissabon im März 2000 gesetzt haben - ein wesentliches Anliegen der EU bleibt. Und Deutschland kann mit Großbritannien zusammenarbeiten, um unseren Erfolg sicherzustellen.

Dies ist nicht nur eine Reform, der Reform zuliebe. Sie ist von erheblicher Bedeutung. Wenn die EU mit dem Niveau der Produktivität in den Vereinigten Staaten gleichziehen würde, könnten britische und deutsche Staatsbürger bis zu 7.000 Euro im Jahr mehr verdienen, zudem würden durch die Reform 20 Millionen neue Arbeitsplätze in der EU geschaffen werden. Die Fortschritte, die wir bislang gemacht haben sind gut: Fünf Millionen Arbeitsplätze wurden in der EU geschaffen, Telefonkosten wurden halbiert und es sind mehr Europäer online als Amerikaner - und dies haben wir nach nur zwei Jahren eines auf 10 Jahre angelegten Programms erreicht. Wir dürfen als EU nicht nur nach innen schauen, vielmehr müssen wir von Asien und den USA - mit ihnen stehen wir in direktem Wettbewerb - lernen.

Trotz des gegenwärtigen Wirtschaftsklimas in Deutschland bleibt die Produktivität dort höher als in Großbritannien. Deutschland ist weltweit das zweitgrößte Exportland und eine wahre Wirtschaftsmacht. Und wir sollten nicht vergessen, dass erst vor einem Jahrzehnt die Mauer fiel und der enorme Umwandlungsprozess in Ostdeutschland begann. Ich kann mir kein Land außer Deutschland vorstellen, das es geschafft hätte, die Wiedervereinigung mit einem von West nach Ost transferierten jährlichen Bruttoinlandsprodukt von 5% zu bewältigen.

Europa ist Großbritanniens wichtigster Abnehmer - wir exportieren dreimal so viel an den Rest der EU wie an die ganze NAFTA; zweimal so viel an Deutschland wie an Japan, Kanada und Australien zusammen; mehr an Frankreich als an den ganzen Commonwealth und mehr an die Niederlande als an Südostasien. Über die Hälfte unseres Exports geht an die EU, in Großbritannien werden damit drei Millionen Arbeitsplätze unterhalten. Das ist der Grund warum wir ein Europa brauchen, das sowohl für die britische Wirtschaft als auch den Normalbürger arbeitet.

Für oder gegen den Euro, es liegt im Interesse Großbritanniens, dass der Euro und die Währungsunion erfolgreich sind, denn dies wird den Binnenmarkt vorantreiben, Transaktions-kosten verringern, den Wettbewerb verstärken, eine größere Preistransparenz bewirken und neue Möglichkeiten für den Handel und Investitionen eröffnen. Die wirtschaftlichen Bedingungen für einen britischen Beitritt müssen jedoch stimmen und das ist genau das, was Gordon Brown im Oktober 1997 gesagt hat. Fünf wirtschaftliche Aspekte sind entscheidend - Konvergenz, Flexibilität, Investitionen, Finanzdienstleistungen und Beschäftigung und Wachstum.

Wir müssen jedenfalls sicherstellen, dass Europa sich nicht selbst vom globalen Markt abkoppelt. Während der Binnenmarkt heute 375 Millionen und in Zukunft potentiell 500 Millionen Menschen umfassen wird, haben wir noch einen langen Weg zu gehen, um alle Vorteile des Handels für europäische Unternehmen sicherzustellen. Ansonsten verlieren wir den Anschluss an Nordamerika und Asien. Das Handelsvolumen zwischen den USA und Europa beträgt 1 Milliarde Dollar am Tag und hat eine Wachstumsrate von 10% im Jahr; zusammen haben wird die Hälfte des weltweiten Outputs. Wir müssen sicherstellen, dass die letzte Runde der WTO-Verhandlungen, die in Doha eingeleitet wurde, vorangetrieben wird, um unsere Wirtschaftssysteme den Entwicklungs-ländern zu öffnen.

Verteidigung und Sicherheit

Ich bin sehr erfreut, dass die deutsche Regierung im Rahmen der Sicherheits- und Verteidigungs-politik nun eine international aktivere Rolle spielen möchte. Europa muss seine Fähigkeiten erweitern, mit militärischen Krisen umzugehen und als Friedensstifter zu agieren. Dies kann jedoch nur geschehen, wenn alle europäischen Partner am gleichen Strang ziehen. Ich begrüße das von Deutschland angeführte militärische Engagement in Mazedonien und die von Deutschland eingegangenen Verpflichtungen nach dem 11. September in Afghanistan. Die Deutschen stellen beispielsweise bis zu 1200 Truppen für die ISAF und die internationalen Polizeitruppen zur Verfügung.

Großbritanniens und Deutschlands 'strategische Partnerschaft'

Ich bin überzeugt, dass wir zusammen eine 'strategische Partnerschaft' bilden werden - von der EU zu einem erweiterten Europa, zur NATO und darüber hinaus - so wie es unlängst in Afghanistan demonstriert wurde. Diese 'strategische Partnerschaft' ist mehr als eine Allianz zwischen politischen Führungsmächten, es geht um die Verpflichtung, einen echten Fortschritt herbeizuführen. Aus diesem Grunde werde ich nächste Woche nach Berlin reisen, um dort mit meinen deutschen Kollegen auf der EU-Versammlung über das zukünftige Europa zu diskutieren. Ich hoffe, dass wir auf diese Allianz weiterhin aufbauen können, sowohl im Rahmen der EU - im Hinblick auf Aspekte, wie die Erweiterung, die Reform der EU Agrarpolitik und die Zukunft von Europa - und über die Grenzen der EU hinaus, um unsere gemeinsamen Bemühungen auf dem Balkan, in Afghanistan und anderen Orten weiter zu führen.

Letztes Jahr hat Großbritannien seine Botschaft in Nord-Korea wiedereröffnet, sie befindet sich im selben Gebäudekomplex, wie auch die deutsche Botschaft. Ich hoffe, dass wir diese Form der engen Zusammenarbeit fortführen können. Großbritannien und Europa haben eine Schlüsselfunktion in Europa, sie müssen deshalb zur Zusammenarbeit bereit sein und somit unsere gemeinsamen Werte unterstützen.

Häufig lassen wir uns von dem jeweils anderen Land inspirieren. Wir wünschen uns volle Beschäftigung, gute und preiswerte Lebensmittel und ein Europa, das den Wohlstand all seiner Bürger fördert. Wir wollen beide ein Europa, das den Menschen eine verlässliche Demokratie bietet. Darüber hinaus, glaube ich, dass Großbritannien und Deutschland in Europa eine 'starke Partnerschaft' bilden können, die den Weg für die EU weist und für die Menschen schlicht und einfach, echte Vorteile bringt.

Schlusswort

Ich hoffe, dass Deutschland gemeinsam mit Großbritannien gegen den Bürokratismus in der EU vorgehen wird. Es ist absolut notwendig, dass man zur EU-Politik klare Worte findet und die EU-Bürger aufgrund des 'Euro-Geplapperes' nicht das Interesse verlieren. Es wäre wünschenswert, dass wir dies gemeinsam schaffen und dass Deutschland mit Großbritannien statt europäischer Mythen die entsprechenden Fakten formuliert. Für beide Länder gilt, dass Europa ihr wichtigster Kunde ist und darüber hinaus verleiht er ihnen eine gewichtigere Stimme in der Weltpolitik. Die britisch-deutsche Allianz ist wesentlich mehr als nur eine Notwendigkeit. Wir können uns frei entscheiden und wir sind beide dafür.

*************************************************

GERMANY AND BRITAIN - AN ALLIANCE OF NECESSITY
von Heather Grabbe und Wolfgang Münchau



VORWORT ZUR VERÖFFENTLICHUNG

Das Centre for European Reform und die Friedrich-Ebert-Stiftung freuen sich, die Veröffentlichung dieser Broschüre bekannt geben zu können. Das Thema ist die Bildung einer stärkeren Allianz zwischen Deutschland und Großbritannien und wie dieser Zusammenschluss sich positiv auf die EU auswirken würde. Mit der Währungsunion und der bevorstehenden Erweiterung stehen gravierende Veränderungen der EU im Hinblick auf ihre Institutionen und ihre Politik an. In dieser Zeit der Veränderungen benötigt die EU eine starke Führung, die sie jedoch im Moment nicht hat.

Die Möglichkeiten für die Zusammenarbeit von Großbritannien und Deutschland auf europäischer Ebene sind unter der jetzigen politischen Konstellation besser als je zuvor. Premierminister Blair und Bundeskanzler Schröder - beides Reformpolitiker, die links von der Mitte stehen und die einander wohl gesonnen sind - standen für die Antwort Europas auf den 11. September und die damit einhergehenden globalen Herausforderungen. Beide haben ein tiefes Verständnis für die wechselseitigen Abhängigkeiten ihrer Länder sowohl im europäischen Kontext als auch weltweit.

Diese beiden pro-europäischen Regierungen sollten auf mehreren politischen Ebenen gemeinsam versuchen, ein Reformprogramm für die EU zu formulieren. Wir begrüßen diese Publikation, da wir überzeugt sind, dass sie Politiker in Großbritannien und Deutschland anspornen wird, ihre Zusammenarbeit in ihrem eigenen und im Interesse Europas zu verstärken und zu vertiefen.



Charles Grant Gero Maass
Direktor Leiter des Büros London
Centre for European Reform Friedrich-Ebert-Stiftung

*************************************************

ZUSAMMENFASSUNG DER PUBLIKATION

Die Europäische Union bedarf eines engeren Zusammenschlusses zwischen Deutschland und Großbritannien. Sie muss im Hinblick auf ihre Institutionen und ihre Haushaltspolitik wesentliche Veränderungen herbeiführen, zudem müssen ihre Wirtschaftssysteme grundlegend umstrukturiert werden. Es gibt jedoch keine entsprechende Führung. Die deutsch-französischen Beziehungen, aus denen so wesentliche politische Initiativen, wie die Währungsunion hervorgegangen sind, sind nicht mehr so stark, wie sie es viele Jahre waren. Sie scheinen der Entwicklung Europas nunmehr eher hinderlich zu sein als unterstützend. Eine starke Partnerschaft zwischen Deutschland und Großbritannien - zwei große reformwillige Mitgliedstaaten - könnte die Trägheit der EU hinsichtlich dieser entscheidenden Themen überwinden.

Großbritannien und Deutschland haben in vielen Fragen, die dringend geklärt werden müssten, gemeinsame Interessen. Beide Länder wollen eine Osterweiterung der EU und sie wollen, dass die EU eine neue verantwortliche Rolle in der Außenpolitik übernimmt. Beide wünschen eine Liberalisierung des Außenhandels und eine Reform der Landwirtschaft. In anderen Bereichen jedoch sind sie weit voneinander entfernt. Mit dieser Publikation soll untersucht werden, wo sich eine engere Zusammenarbeit leicht ergeben könnte und wo sie schwierig umzusetzen wäre. Wir möchten Ideen entwickeln, wie die beiden Länder sich in ihren gegensätzlichen Positionen annähern und zusammenarbeiten könnten, um sowohl ihre eigenen Interessen als auch die der EU zu verfolgen. Diese Allianz wäre eine Arbeitsgemeinschaft und weniger eine Partnerschaft, die historisch und emotional begründet ist, wie die deutsch-französische Beziehung. Aber es ist höchste Zeit lange aufgeschobene Reformen der EU durchzusetzen.

Fast 50 Jahre nach der Gründung der EU, sind Deutschland und Großbritannien hinsichtlich der Prinzipien europäischer Integration immer noch weit voneinander entfernt. Sie spielen unterschiedliche Rollen in der Union und diese wurden in den letzten zehn Jahren in gewissen Maße institutionalisiert: Großbritannien steht außerhalb der Euro-Zone und des Schengener Abkommens, während Deutschland in Fragen der Integration der europäischen Verteidigung weniger aktiv ist. Es gibt nach wie vor eine erhebliche Diskrepanz in ihren europäischen Visionen, insbesondere was die Szenarien nach der EU-Erweiterung betrifft. Auch die politische Kultur und die öffentliche Einstellung zu den Dingen unterscheiden sich in erheblichem Maße. Die Europapolitik Deutschlands würde bei einem Regierungswechsel relativ unverändert bleiben. Im Gegensatz dazu, würde ein Wahlsieg der Konservativen in Großbritannien (wenn dies im Moment auch unwahrscheinlich ist) ein Umschwenken in der Europa-Politik bedeuten. Die britische Regierung ist zudem wesentlich aufnahmebereiter für eine euroskeptische Haltung der Medien.

Trotz dieser Diskrepanzen ist eine engere Zusammenarbeit der beiden Länder in erheblichem Umfang möglich. In Fragen der Haushaltsreform, der Erweiterung, der inneren Sicherheit und der Verteidigung, sehen sich Großbritannien und Deutschland kurzfristig ähnlichen Herausforderungen gegenüber und langfristig haben sie die gleichen Ziele. Eine Zusammenarbeit hinsichtlich dieser Themen würde nicht nur die Interessen beider Länder unterstützen, sondern auch ein besseres Funktionieren der Union gewährleisten.

Die Tage, als die deutsch-französische Dynamik noch die anderen Länder mitzog sind vorbei. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich ist distanzierter als es viele Jahre war und Deutschland hat nach anderen Verbündeten gesucht, um die deutsch-französische Mittelachse zu ergänzen. Es ist jedoch schwierig, Großbritannien als ernsthaften Partner in Betracht zu ziehen, solange es weder am Euro noch am Schengener Abkommen teilhat. Großbritannien war nie sehr daran interessiert große politische Initiativen zu entwickeln - die englisch-französische Erklärung von Saint Malo 1998 zu europäischer Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist eine Ausnahme.

Dabei wäre eine institutionalisierte Partnerschaft, die in Konkurrenz zur deutsch-französischen Beziehung stünde, vielleicht nicht notwendig. Es gibt einige Bereiche - was die Ausgewogenheit des Binnenmarktes und die Währungsunion betrifft - in denen die EU entscheidende neue Initiativen erwarten kann. Britische Minister sollten der Bedeutung regelmäßiger Treffen weniger ablehnend gegenüber stehen, da sie für die Ausbildung langfristiger Partnerschaften wichtig sein könnten. Die britischen und deutschen Außenminister - Jack Straw und Joschka Fischer - zum Beispiel treffen sich nur zweimal im Jahr, während Fischer seinen französischen Kollegen Hubert Védrine jede Woche trifft. Auch wenn Fischer und Védrine vielleicht manchmal nicht viel zu diskutieren haben, bewirkt dieser konstante Dialog - auch die Ministerialbeamten befinden sich dadurch in ständigem Austausch - eine Annäherung der Sichtweisen und zugleich unterstützt er die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten.

Wir behaupten, dass Deutschland und Großbritannien von einem engeren Zusammen-schluss in mehreren wichtigen Bereichen der EU Reform profitieren würden. Zwei Ereignisse haben unlängst dazu geführt, dass die beiden Länder ihre Positionen zur EU Integration überdachten und machen eine Zusammenarbeit somit wahrscheinlicher. Der 11.September 2001 bewog beide Länder zu einer Neubetrachtung sensibler Themen ihrer jeweils eigenen Geschichte. Für Deutschland geht es um das Thema Verteidigung und für Großbritannien um europäische Integration. Auf dem SPD-Parteitag in Nürnberg sagte Premierminister Blair dazu folgendes:

"Für Deutschland ist die EU kein schwieriges Thema, aber der Einsatz militärischer Mittel. Für uns ist es umgekehrt. Ein militärisches Engagement ist relativ unumstritten, eine verbindliche Europapolitik hingegen löst große Emotionen aus."
(Tony Blair, Rede auf dem SPD-Parteitag in Nürnberg, 20.November 2001)

Im November 2001 stellte Bundeskanzler Schröder deutsche Truppen zur Unterstützung der USA in Afghanistan bereit und überzeugte damit viele seiner Fürsprecher und Verbündeten. Blair hat betont, dass die wechselseitige Abhängigkeit in der Sicherheitsfrage eine Tatsache ist und dass Europa sich deshalb enger zusammenschließen müsse. Die zweite Veränderung betrifft die Einführung der Euronoten- und Münzen im Januar 2002. Die zukünftige Rolle Großbritanniens in der EU, so sind viele mittlerweile überzeugt, hängt vom Ja für den Euro ab. Der Status Großbritanniens - als zukünftiges Mitglied oder als endgültiger Außenseiter - bestimmt die Herangehensweise an bestimmte institutionelle und politische Themen. Umgekehrt, beeinflusst die Stellung Großbritanniens außerhalb der Währungsunion die Reaktionen von Deutschland und anderer Mitgliedstaaten auf britische Initiativen.

Der Umfang eines gemeinsamen Vorgehens mit Deutschland hängt teilweise von dem Ausgang der Wahlen in 2002 ab. Wird Schröder, wenn er wieder gewählt wird, das Versprechen einer Wirtschaftsreform erneuern und damit Deutschland näher an Großbritannien heranrücken? Welche Art wirtschaftlicher Reform würde eine CDU/CSU-Regierung unter Stoiber vertreten? Sowohl Schröder als auch Stoiber sind vorsichtige politische Strategen und kurzfristiger Opportunismus begünstigt nicht die groß angelegte wirtschaftliche Reform. Höchstwahrscheinlich wird Deutschland weiterhin nur sehr langsam bestimmte Teile der Reform, einschließlich des Arbeitsmarktes, umsetzen. Großbritannien ist währenddessen in Gefahr, seinen Einfluss auf die EU-Wirtschaftspolitik zu verlieren, wenn es noch länger in seinem Euro-Agnostizismus verharrt. Mit jedem Jahr, das Großbritannien außerhalb der Euro-Zone verbleibt, wird seine Stimme umso mehr verblassen.

Wir gehen in unserer Darstellung davon aus, dass es für eine intensivere Kooperation zwischen den beiden Ländern im Hinblick auf die Erweiterung, die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik und der EU-Institutionen, der inneren Sicherheit und der Verteidigung, eine viel versprechende Basis gibt. Auch wenn die deutsch-britische Kooperation niemals an die Stelle der deutsch-französischen Allianz treten würde, könnte ein äußerst erfolgreiches Arbeitsverhältnis entstehen. Um dies Realität werden zu lassen, muss Deutschland viel intensiver an einer wirtschaftlichen Reform arbeiten und seine Verteidigungskräfte modernisieren, während Großbritannien den Euro annehmen und seine Haltung gegenüber Europa ändern muss.

*************************************************

AUSZÜGE AUS DER VERÖFFENTLICHUNG


Synergieeffekte und Konflikte im Hinblick auf Europa

Umfassende Synergieeffekte...

  • Erweiterung
    Beide Länder sind für die Erweiterung und sehen dies als wichtiger, als die Erhaltung der gegenwärtigen Haushaltspolitik und der Institutionen an.

  • Der EU Haushalt
    Hinsichtlich der Notwendigkeit einer grundlegenden Reform besteht weitestgehend Übereinstimmung, im Gegensatz zu Frankreich und den Ländern, die netto mehr erhalten als sie einzahlen. Beide wollen eine Reform der EU-Agrarpolitik, es gibt jedoch unterschiedliche Auffassungen, welche Agrarpolitik angestrebt werden soll.

  • Verteidigung
    Eine sich ergänzende Beziehung: Großbritannien führt an, Deutschland folgt. Es gibt jedoch Reibungspunkte bei der Finanzierung, was eine Integration der Verteidigung erschweren wird.

...und ernst zunehmende Konflikte

  • Währungsunion
    Unsicherheit hinsichtlich des Eintritts Großbritanniens und der Vorgehensweisen in der Geldpolitik.

  • Wirtschaft
    Eine Verbesserung der Situation in Deutschland ist vor den Wahlen im September 2002 nicht zu erwarten, die Entwicklung danach hängt von der entsprechenden Zusammensetzung der Regierung ab.

  • Steuervereinheitlichung
    Großbritannien ist gegen die Einführung einer solchen Maßnahme.


Möglichkeiten der Annäherung

  • Institutionelle Reform
    Unterschiedliche Visionen, dennoch ähnliche Ideen, wie der Europarat, der Ministerrat und die EU-Außenpolitik effektiver gestaltet werden können.

  • Recht und innere Angelegenheiten
    Beide Länder versuchen die EU-Agenda für Innere Sicherheit voranzubringen. Großbritannien steht immer noch zum Teil außerhalb Schengens, während Deutschland eine fortschrittliche Asyl- und Zuwanderungspolitik blockiert.

*************************


Zusammenfassung empfohlener politischer Vorgehensweisen
  • Deutschland und Großbritannien sollten im Hinblick auf die Osterweiterung den entscheidenden Impuls durch ihre Zusammenarbeit geben. Dieser Anstoß ist entscheidend, wenn es die Einwände von Interessengruppen und den Widerstand von Mitgliedstaaten, wie Österreich, Frankreich, Italien und Spanien zu überwinden gilt.

  • Blair und Schröder sollten einige gemeinsame Ideen zur Reform der EU Institutionen für die internationale Regierungskonferenz 2004 voranbringen. Ihre Kabinettsminister sollten sich regelmäßiger treffen, um gemeinsame Interessen zu eruieren und Differenzen auszugleichen.

  • Im Hinblick auf die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik muss Deutschland sich gegen Frankreich durchsetzen. Großbritannien und Deutschland müssen grundlegende Veränderungen hinsichtlich des EU-Haushalts initiieren. Dabei müsste Großbritannien zugunsten eines gerechteren Gesamtsystems auf seinen Nachlass verzichten. Beide Länder sollten sich für die Renationalisierung der EU-Agrarpolitik einsetzen und die regionale Förderung der ärmsten Gebiete im erweiterten Europa verstärkt ins Auge fassen.

  • Deutschland muss mit Nachdruck seine Verteidigungskräfte stärken und sowohl politisch als auch finanziell mehr zur europäischen Verteidigung beitragen.

  • Großbritannien muss dem Schengener Abkommen ganz beitreten, um die fortschrittliche Zusammenarbeit im Hinblick auf Recht und innere Angelegenheiten zu unterstützen. Deutschland muss Kompromisse mit den liberaleren Mitgliedstaaten schließen, was die Zuwanderungspolitik betrifft.

  • Großbritannien muss der Währungsunion beitreten. Ansonsten wird es mit jedem Jahr in der Europa-Debatte und der Diskussion um Wirtschaftspolitik weiter an den Rand gedrängt werden. Großbritannien könnte eine positive Rolle einnehmen, wenn es darum geht, die wirtschaftliche Reform in der Euro-Zone anzustoßen, zudem könnte es Deutschland bei der Liberalisierung seiner Wirtschaft zur Seite stehen. Diese Ziele können nur erreicht werden, wenn die Briten den Euro akzeptieren.

*************************************************


Heather Grabbe leitet die Forschungsabteilung des Centre for European Reform
Wolfgang Münchau ist Chefredakteur der Financial Times Deutschland


Die Publikation "Germany and Britain - an alliance of necessity" (ISBN 1 901229 28 9) wurde gemeinsam vom Centre for European Reform und der Friedrich-Ebert-Stiftung London herausgegeben.
Sie kann bezogen werden über das Centre of European Reform, 29 Tufton Street, London SW1P 3QL
Tel: +44-(0)20-7233 1199. Fax: +44-(0)20-7233 1177. email: info@cer.org.uk



Die in der Reihe 'Working Papers' herausgegebenen Texte spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Friedrich-Ebert-Stiftung wider. Ausführungen und Schlussfolgerungen liegen in der alleinigen Verantwortung der Autoren.



Return to Publications