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TEILDOKUMENT:
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Zusammenfassung In einem waren sie sich einig, die sechs Wissenschaftler, Journalisten und Politiker, die am 29. Juni auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Süddeutschen Zeitung nach Bonn zum Gespräch gekommen waren: daß dringender Handlungsbedarf besteht. Über die Situation der Türken in Deutschland, das Maß ihrer Integration, die Auswirkungen ihrer fortdauernden Anbindung an das Herkunftsland und die daraus resultierenden Zukunftsaussichten diskutierten die Fachleute vier Stunden lang höchst kontrovers. Doch so unterschiedlich ihre Positionen und Analysen auch waren: Sie machten deutlich, daß man sich mit dem Stand der Dinge nicht zufrieden geben dürfe und es einiger Ideen benötige, um der Integration der Türken einen positiven Schub zu geben. Bei der Analyse der Situation zeigte sich Hans-Ulrich Klose, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags pessimistisch. Er bezweifelt, daß die 'verfestigten Parallelgesellschaften' noch aufgelöst werden können. Gründe sieht er einerseits im Umgang der Türkei mit den Auslandstürken und andererseits in der deutschen Sichtweise, sie nur als vorübergehende Gäste zu begreifen. Die Türkei müsse ihre Bürger loslassen und dürfe sie nicht für eigene Interessen benutzen. Deutschland habe seinerseits die Chance verpaßt, daß man an Ausländer auch Ansprüche stellen könne. Entgegen aller Hoffnungen verschlechterten sich die Sprachkenntnisse, die schließlich die Basis seien für die Eingliederung. Er äußerte Bedenken, daß diese Situation auf Dauer friedlich bleibe. Alois Glück, Fraktionsvorsitzender der CSU im Bayerischen Landtag registrierte eine geringe Bereitschaft zur Integration und zum Spracherwerb. Er bemängelte die fehlende Unterstützung der Kinder durch ihre Eltern und die wachsende Hinwendung junger Türken zu monokulturellen Sportvereinen und anderen rein türkischen Freizeitbeschäftigungen. Es sei eine Tatsache, daß sich die Türken stärker dafür interessierten, was in der Türkei als was in Köln [Seite der Druckausg.: 5 ] passiere. Als möglichen Grund für gescheiterte Integration nannte er mangelnde Selbstwertgefühle der Türken. Barbara John, Ausländerbeauftragte des Berliner Senats zog ein eher positives Fazit. Die Einbindung von Türken in die deutsche Gesellschaft sei im Großen und Ganzen gelungen und bedürfe zudem der Geduld: Integration verlaufe eben anders, als man sie sich vorstelle und sei eine Jahrhundertaufgabe. Die meisten Mängel seien korrigierbar, so beispielsweise die Dichte der Ausländer in den Innenstädten. Als einen Grund für die Schwierigkeit der Aufgabe nannte sie die drei "T": Television, billiges Telefon und billige Transportmittel. Dadurch seien Einwanderer nicht mehr gleichzeitig Auswanderer, sondern blieben mit ihrem Kulturkreis in Kontakt, seien also nicht gezwungen, sich eindeutig für ihre neue Heimat zu entscheiden. Allerdings erteilte sie Kloses Einschätzung eine Absage, daß junge Türken heute schlechter Deutsch sprächen als noch vor Jahren. Auch sehe sie keine Tendenz zu mangelnder Integrationsbereitschaft. Sportvereine seien gemischt und 70 Prozent der türkischen Jugendlichen machten einen Schulabschluß. Allerdings seien junge Türken der von Bildungsangeboten benachteiligte Typus. Sie stimmte Glück zu, daß das Hauptproblem der Arbeitsmarkt darstelle. Neben John und Klose kritisierte auch Osman Okkan, türkische Redaktion beim WDR deutlich die deutsche Migrationspolitik. Die Bundesregierung habe lange gesagt, es gebe keine Einwanderer, also bedürfe es auch keiner Einwanderungspolitik. Daß Türken lieber türkische Medien nutzten, begründete er mit der Unfähigkeit deutscher Medienmacher, ihre Programme und Zeitungen auf die Einwanderer zuzuschneiden. Diese würden nicht ernstgenommen mit ihrer doppelten Identität. Sendungen in türkischer Sprache könnten hierfür erste Dienste leisten. Denn zudem mangele es an differenzierten Sprachkursangeboten, die auch Menschen mit geringerem Bildungsstand berücksichtige. Er beurteilte die derzeitige Situation als sehr problematisch, zumal gesellschaftliche Tendenzen in der Türkei, wie das Erstarken des Nationalismus, des Islams und der Ethnisierung auch auf die Türken in Deutschland zuträfen. Bei der [Seite der Druckausg.: 6 ] Bewältigung dieser Entwicklung könne und werde die Türkei keineswegs helfen. Okkan vermutet, die türkische Regierung werde die Türken in Deutschland niemals loslassen, weil sie auch ein innenpolitisches Instrument im Herkunftsland seien. Die Ursache für die unter anderem von Klose registrierte Kehrtwende bei der Integration, die sich vor etwa fünf Jahren vollzogen habe, sieht er in der deutschen Wiedervereinigung. Jüngere Ausländer hätten sich damals gewundert, warum plötzlich die Nationalhymne im Fernsehen zu hören war. Der Nachholbedarf der Deutschen nach Nationalbewußtsein habe gleichzeitig die Ausländerfeindlichkeit verstärkt und auf der anderen Seite den Pendelschlag ausgelöst. Er plädierte dafür, die Ausländer endlich ernst zu nehmen. Hüseyin Bagci, Professor an der METU-Ankara trat dafür ein, daß sich auch die türkische Regierung um das hiesige Problem der Eingliederung kümmern müsse, zum Beispiel indem sie die hier lebenden Türken auffordert, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, da in der Türkei ohnehin niemand mit ihrer Rückkehr rechne. Die deutsch-türkischen Beziehungen seien belastet von dem deutschen Bild von der Türkei, das wiederum von dem lediglich kleinen, hier anzutreffenden Ausschnitt aus der türkischen Bevölkerung geprägt sei. Der entspreche nicht der türkischen komplexen Gesellschaft. Gerd Andres, Parlamentarische Staatssekretär beim BMA bezweifelte, daß sich hier lebende Türken in ihrem Wahlverhalten von ihrem Herkunftsland beeinflussen lassen. Sie entschieden bei der Wahl nicht nach der Empfehlung türkischer Politiker. Ihnen sei wichtiger, der Partei ihre Stimme zu geben, die eine adäquate Ausländerpolitik betreibe, die sich beispielsweise für doppelte Staatsbürgerschaft einsetze. Daß Sprachkenntnisse zu den wichtigsten Voraussetzungen für Integration gehören, darüber mußte die Runde nicht diskutieren. So knüpften viele Lösungsvorschläge an diesem Punkt an. John forderte Ganztagsschulen im Grundschulbereich in den Innenstadtbezirken. Sie könnten dazu dienen, daß türkische Kinder sich länger im [Seite der Druckausg.: 7 ] deutschsprachigen Milieu aufhalten und dadurch die Sprache schneller lernen. Für eine nachträgliche Korrektur schlug sie vor, daß diejenigen Türken, die über die Familienzusammenführung jetzt noch nach Deutschland kommen, gleich zu Beginn einen Sprachkurs absolvieren und zum Anreiz eine Arbeitserlaubnis oder gleich einen Gewerbeschein erhalten sollten. Das System zu ändern sei die einzige Möglichkeit, da an der Situation ohnehin nicht mehr gerüttelt werden könne. Andres schlug Benachteiligtenprogramme und Arbeitsmarktförderung vor, verlangte Initiativen von den Ländern ebenso wie vom Bund und wünschte Qualifikationsmöglichkeiten für türkische Jugendliche nach der allgemeinbildenden Schule. Auch Klose schlug als Lösungsansatz Aus- und Fortbildung vor, um das Problem des schlechten Arbeitsmarkts für gering Qualifizierte zu umgehen. Die Ausbildungslosigkeit der jungen Türken sei dreimal so hoch wie die der Deutschen und dies resultiere aus schlechten Deutschkenntnissen. Glück bezeichnete es als besonders wichtig, über Ansprechpartner den Zugang zu den Eltern zu finden. John verwies darauf, die türkischen Eigeninstitutionen zu nutzen, unter anderem die Moscheen. Klose forderte zudem eine Entscheidung bezüglich des islamischen Religionsunterrichts. Okkan stimmte ihm zu, daß dies unabhängig von den Diskussionen über die Inhalte des Unterrichts in der Türkei geschehen müsse. Andres forderte als Problemlösung eine massive Einbürgerungskampagne, da viele Türken bereits die Voraussetzungen für eine deutsche Staatsbürgerschaft erfüllten. Klose plädierte dafür, den Einbürgerungsvorgang mit einem Ritus zu verknüpfen, damit deutlich werde, daß Staatsbürgerschaft nichts Beliebiges sei. Möglicherweise könnte dies eine spezielle Förderung nach sich ziehen. John widersprach diesem Vorschlag allerdings mit der Begründung, dies produziere Ungerechtigkeiten gegenüber ähnlich Benachteiligten unter Deutschen. Bagci und Okkan hielten es unabhängig davon für dringend geboten, das kommunale Wahlrecht für Ausländer einzuführen. Deutschland müsse sich endlich als Einwanderungsland wahrnehmen, sonst bewahrheiteten sich die schlimmsten Befürchtungen. Glück, Klose [Seite der Druckausg.: 8 ] und Andres wandten ein, daß demzufolge Kriterien für die Zuwanderung aufgestellt werden müßten. Zur Verbesserung der deutsch-türkischen Beziehungen und damit einer besseren Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Integration forderte Bagci von der Bundesregierung einen neuen Schritt in Richtung Dialog.
Doris Näger
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